Abenteuer Indien & Himalaya – 17.000 Kilometer mit einer Royal Enfield
Roland Sache erzählt vom Abenteuer seines Lebens – Indien, Nepal und die Fünftausender des Himalayas halten ihn rund 17.000 Kilometer in seinem Bann gefangen.
Ich musste erst 40 Jahre alt werden, um die Liebe zum Motorradfahren zu entdecken und mir mein erstes motorgetriebenes Zweirad zu kaufen – es war eine Schwalbe. Dabei sollte es nicht bleiben: Als ich 2004 während meines zweiten Indienbesuches bei Manali dieses mächtige, bauchige Wummern einer Royal Enfield hörte und dieses ursprüngliche, authentische Design Wohlgefallen und Entzücken in mir auslösten, habe ich mir ein Herz gefasst und mir so ein Ding für
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einen Tag ausgeliehen. Das mit dem Herzfassen war allerdings nicht ganz so einfach. Doch als ich mich endlich traute, das erste Mal die Kupplung langsam kommen zu lassen, war sie da, meine erste Ausfahrt auf einem richtigen Motorrad, mitten durch den indischen Himalaya – unvergesslich! Aber es sollten noch ein paar Jahre vergehen, ehe ich meinen, von da an in allen Einzelheiten durch fantasierten Traum, verwirklichte. Eines Tages fand ich sie dann, die Lücke im Dickicht der privaten und beruflichen Verstrickungen. Die Ur-Idee war es, mir in Indien eine Royal Enfield zu kaufen und damit über Pakistan, den Iran und die Türkei zurück nach Hause zu fahren. Ein geiler Abenteuer-Trip, um gleichzeitig eine spottbillige Enfield zu importieren. Leider sind die Beziehungen zwischen Indien und Pakistan nicht von purer Nächstenliebe geprägt. Das erforderliche „Carnet de Passage“ stellen die Pakistanis seit 2002 für in Indien registrierte Fahrzeuge nicht mehr aus. Also muss eine Planänderung her. Ich entscheide mich für eine komplette Umrundung Indiens, inklusive Nepal und Ladakh. Richtig beginnen soll die Tour in der Wüste von Rajasthan, gefolgt von der Westküste mit ihren Traumstränden. Es geht weiter bis in den tropischen Süden Keralas und anschließend in den Norden, wo ich in die atemberaubende Bergwelt des Himalaya eintauchen möchte.
Beim Kauf meiner Maschine in Karol Bagh, dem Mekka Delhis für zweirädrige Familienkutschen schlechthin, hilft mir Gott sei Dank mein Freund Wooli, den ich in einem Enfield-Forum kennengelernt habe. Seinem professionellen Rat verdanke ich ein Super-Motorrad, mit dem ich fast pannenfrei durch ganz Indien gekommen bin. Gemeinsam haben wir uns für eine zwei Jahre alte Royal Enfield Bullet Machismo 350 ccm entschieden. Diese hat gerade mal 5.000 Kilometer auf der Uhr, ist mit Fünfganglinksschaltung und dem vor wenigen Jahren von österreichischen Ingenieuren entwickelten „Leanburn Motor“ ausgestattet. Dieser überhitzt weniger, beschleunigt besser und ist mit seinen 2,3 Litern Durchschnittsverbrauch keine Ökosau. Nur der Sound klingt nicht mehr ganz so kernig wie früher.
Meiner etwas unsicher vorgetragenen, aber berechtigten Frage, wie es mit der Vorfahrtsregel „rechts vor links“ aussieht, erwidert Wooli schmunzelnd: „Der Größere und Schnellere hat Vorfahrt!“ Ah ja! Vor diesem Hintergrund mache ich mir viele Gedanken, bevor ich am nächsten Morgen um 6.00 Uhr – noch vor beginnendem Verkehrschaos der Millionenstadt – starte. Ein Minikompass, den ich mir in einen Ring einarbeiten ließ, leistet dabei sehr nützliche Dienste, da die meisten Hinweisschilder in Hindi-Schriftzeichen gehalten sind. Auf der ersten Kreuzung, über die ich bei Grün rüber bin, hätte mich fast ein Lkw erwischt. Das mit dem „größer und schneller“ hab’ ich jetzt verstanden. Außerorts probiere ich aus, was so in meiner neuen „Ennie“ steckt. Den Gashahn bis zum Ende aufgedreht, wow – da geht was. Aber schön vernünftig bleiben, denn auf einer indischen Autobahn ist alles unterwegs, was sich bewegt, und zwar auf jeder Spur und in jede Richtung. Rollstuhlfahrer, Ochsenkarren, Kamele, Kühe, Hunde, Büffel, Fahrräder, querende Fußgänger, Busse und völlig überladene Lkws!
Egal, dennoch starte ich gleich meinen Abenteuertrip. Da es in Rajasthan im Januar noch empfindlich kalt ist, setzte ich meine Reise bald in Richtung Süden fort, ohne allzu lange im wunderschönen Pushkar zu bleiben. Überrascht von dem Super-Highway, der in Perfektion und Sicherheit deutschen Autobahnen in nichts nachsteht, geht es anschließend von Ajmeer über das zauberhafte Udaipur bis Gandhinagar in Gujarat. Die fast neue Straße windet sich 500 Kilometer kurvenreich und völlig verkehrsarm durch eine wüstenähnliche Landschaft, die mich mit ihrer roten Farbe und den bizarren Gesteinsformationen ein wenig an den Grand Canyon in den USA erinnert. Unzählige Tierherden und immer wieder kleinere Siedlungen tauchen auf. Da kommt schon etwas Easy Rider Feeling auf. Herzliche Grüße an Jack Nicholson, Dennis Hopper und Peter Fonda!
Doch lange sollen diese paradiesischen Zustände nicht anhalten. Proportional zur zunehmenden Verkehrsdichte nimmt die Temperatur zu und ab Gandhinagar bricht alles, was fahren kann, einem Tsunami gleich, auf völlig überlastete Straßen herein. 200 Kilometer vor Bombay verwandelt sich die Straße aber wieder zur absoluten Traumstrecke und in Pune schaue ich mir den Ashram – hier werden Yoga und anderes Spirituelles praktiziert – an. Doch da sich bei mir eine immer größere Sehnsucht nach Strand, Palmen und Sonne einstellt, geht es nach nur einem Tag Aufenthalt weiter nach Panaji. Von hier aus gibt es eine interessante Abkürzung nach Goa. Der Anfang dieser nur 70 Kilometer langen Strecke gleicht zwar bloß einem etwas besseren Feldweg, aber dafür kommt man vom Hochplateau über eine nicht enden wollende Abfahrt in eine immer tropischere Region mit üppiger Vegetation. Dann wird das Ziel erreicht: 2.500 lange Kilometer von Delhi nach Goa in sechs Tagen. Allerdings klappt das nur, weil ich täglich vom Sonnenauf- bis zum Untergang auf Achse bin. Fahren auf Reiner oyal Enfield macht eben süchtig. Das in Nordgoa gelegene Arambol hat sich in den vergangenen 20 Jahren grundlegend gewandelt, von einem verschlafenen Fischerdorf, mit drei Restaurants und einem Shop, in eine Mega Touristenmetropole. Doch – Gott sei Dank – ist der Ort auch nach der Verwandlung noch erträglich. Hier gibt es keine Betonburgen, sondern einfache, viele kleinere Guesthouses, Shops und Strandrestaurants. Der für mich schönste Platz in Goa ist aber immer noch der Sweetwaterlake direkt am Meer, mit interessantem Dschungelpfad. Wobei der Süden Goas natürlich auch mit Traumstränden, wie Palolem und Agonda, aufwartet. Doch auch hier reihen sich Restaurants und Hotels aneinander. Als ein noch wirklicher Geheimtipp hingegen gilt Gokarna, kurz unterhalb von Goa.
Hier gibt es absolut schöne, noch nicht überlaufene Traumstrände, und die Fischer leben noch vom Fischfang. Danach geht meine Tour nach Hampi – also 350 Kilometer ins Landesinnere. Ich erlebe noch nie gesehene Landschaften mit Felsen und uralten Tempeln. Während meine Enfield dahin blubbert, kommen heimatliche Gefühle hoch. Es liegt was in der Luft und es dauert keine fünf Minuten, bis sich der erste Regen seit Monaten sintflutartig über mich ergießt. Pitschnass, völlig durchweicht, aber auch komplett entstaubt und verdutzt, lässt mich der Schauer aber gleich wieder zurück. Abends erreiche ich Hampi. Dort besorge ich mir ein Quartier und meiner Enfield einen sicheren Parkplatz. Man muss wissen, dass eine auf Deutsch gepflegte, indische Royal Enfield, auch bei Indern liebevolle Bewunderung, zuweilen aber auch neidisches Verlangen hervorruft. Nach einer Woche ziehe ich weiter, um Kerala mit seinen Kokospalmenstränden, Gewürz- und Teeplantagen kennenzulernen. Hier herrscht ein auf dem Motorrad gerade noch auszuhaltendes, tropisches Klima. Die Küstenstraße selbst wird gesäumt von Palmen und Bananenstauden. Das nächste wichtige Etappenziel meiner Reise heißt Kanja Kumari an der Südspitze Indiens. Dort steht die über 50 Meter hohe Statue des Königs Bhimsha und ein Gedenkschrein für Ghandi, dessen Asche man von hier aus in alle drei Meere streute. Mich überkommt eine seltsame Stimmung, eine Mischung aus Stolz vor meiner eigenen Leistung, und Ehrfurcht vor dem Land, dessen alte Kultur mich so in ihren Bann nimmt. Und auch wenn ich selbst an keinen dieser vielen Götter glaube, bin ich doch sehr von dieser tiefen Religiosität und gelebten Hingabe gerührt. Nach zwei Monaten und rund 5.000 Kilometern auf dem Motorrad, komme ich an einem auf 2.200 Höhenmetern gelegenen Ort namens Kodaikanal an.
Schon die Auffahrt hat es in sich. Kurvenreich schlängelt sich der Weg in immer frischere Regionen und verlangt einem dabei alles Fahrkönnen ab. Es ist auch ein typisches Merkmal indischer Straßen, genau in der Kurve verdreckt oder versandet zu sein. Hier lerne ich einen waschechten Hamburger Jung’ kennen, der schon seit acht Jahren in Indien lebt und hier gleich eine halbe Bergspitze angemietet hat. Er lädt mich ein, zu bleiben. Mario ist gelernter, exzellenter Koch und führt in seinem Wohnmobil alles mit, um endlich eine gesunde Abwechslung in meine Ernährung zu zaubern. Außerdem gefällt es mir hier ohnehin so gut, dass ich mich dazu entschließe, etwas länger zu verweilen. So schlage ich mein Zelt in einer Bauruine, welche Zeugnis einer Auseinandersetzung zwischen Staatsmacht und illegaler Bebauung ist, auf. Da diese Ruine direkt an der Bergkante liegt, bietet sich mir ein herrlicher Blick. Dass jedoch genau in dieser Nacht, ein Zyklon losschlägt, der in Burma tausende Opfer fordert, kann ich nicht ahnen. Das Unwetter hält sich knapp drei Wochen – man lernt sich kennen. Umso schöner gestalteten sich die ersten Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung.
Der Regen wäscht die sonst sehr diesige Atmosphäre rein und gibt so den Blick auf die südindische Tiefebene frei. Es hat sich also gelohnt auszuharren und ich bleibe noch fünf weitere Wochen. Andere Deutsche, die ich hier kennenlerne, verweilen schon 20 Jahre in diesem wunderschönen, klimatisch angenehmen Landstrich voller Eukalyptusbäume und wilder Tiere. All die schönen, kleineren Motorradausflüge in dieser Berggegend machen wieder richtig Lust meine Reise fortzusetzen und so verlasse ich Kodaikanal. Ich suche mir kleine Straßen durch die Tee- und Gewürzplantagen von Munar. Kurvenreich mal durch Wolken, über Bergkämme, durch riesige Anbauflächen – es ist eine tolle Fahrt. Und dann bewahrheiten sich meine Befürchtungen – während der heißesten Jahreszeit klettern die Temperaturen hier auf bis zu 45° Celsius. Klarer Vorteil der Hitze ist, dass die große Masse des Lkw-Verkehrs nachts fährt. Dennoch: 45 Grad im Schatten fühlen sich bei 80 km/h an, wie vor dem Heißluftföhn auf Stufe fünf, puh. Auf dem Weg nach Norden starte ich bereits morgens früh um fünf, um in der größten Mittagshitze dann im Schatten zu dösen. Vor allem aber koste ich die Abende mit ihren faszinierenden Sonnenuntergängen bis zum letzten Schimmer aus. Diese Farbenpracht am Himmel entschädigt wirklich für alle Mühen und Hitzeschlachten!
Eines Tages nehme ich dann ein wohlbekanntes Wummern hinter mir wahr. Kommt doch ein Israeli auf einer Enfield daher geknattert – ich bin überglücklich nach Wochen endlich wieder ein westliches Gesicht zu sehen. Bei einer kühlen Cola lernen wir uns kennen, und da wir die gleichen Ziele haben, setzen wir unseren Trip gemeinsam gen Norden fort. In Vishakapadhnam, direkt an der Indischen Ostküste, schlafen wir mal wieder draußen am Strand. Das notwendige Moskitonetz hängen wir zwischen den Motorrädern auf. Dabei werden wir von einer Sippe großer und kleiner Schweine wohlbehütet. Übrigens: Ein Hotel wäre rausgeschmissenes Geld, denn bei den aktuellen Temperaturen sind alle Räume so aufgeheizt, dass man ohnehin nur unter freiem Himmel schlafen kann, es sei denn man leistet sich ein Zimmer mit Aircondition.
Zwei Tage später kommen wir dann in Puri – eine der heiligen Stätten der Hindus – an. Hier stehen die größten Bildgestalten von Jaganath, die man in ganz Indien finden kann. Für westliche Besucher ist dort leider der Zutritt verwehrt. Dennoch lädt uns das ehemals kleine Fischerdörfchen zum Verweilen ein. Ich erinnere mich von meiner letzten Indienreise noch an dieses alte und preiswerte Hotel im Kolonialstil – Sagar Sakket. Zwischen unseren Hängematten im luftigen Schatten der Terrasse und dem Meer liegen nur etwa 50 Meter. Wir kosten die entspannenden Tage, wohl wissend, dass es die letzten an der Küste sind, in vollen Zügen aus. Dann fahren mein neuer Freund und ich wieder getrennte Wege. Tschüss, bis zum nächsten Mal! Weiter geht es durch Orissa mit seiner noch traditionell in Lehmhütten lebenden Bevölkerung. Dort sorgen die ersten erfrischenden Überraschungen von oben für kühlende Abwechslung, der Monsun kommt einen Monat zu früh!
Die nächste Station heißt „Bodh Gaya“ in Bihar, wo einem Prinzensohn namens Sidharta, unter dem Bodhi Baum die Erleuchtung in den Schoß fiel und seither als Buddha der Erwachte bekannt ist. Aber die Zeit drängt, denn der Monsun droht und so geht es nach ein paar Tagen Aufenthalt weiter nach Benares. Hier verbrachte ich während früherer Besuche schon viele Monate und fühle mich fast etwas heimisch. Allzu lange dauert mein Aufenthalt diesmal nicht. Ich besuche nur ein paar Bekannte und weiter geht’s. Grund dafür ist meine benötigte Visumverlängerung in Kathmandu. Das duldet keinen längeren Aufschub. Also weiter geht’s in Richtung Norden. Da ich mir auf der Karte möglichst kleine Landstraßen aussuche, erlebe ich die Fahrt als höchst abwechslungsreich. Beim Anbruch der Dämmerung erreiche ich dann den Grenzübergang nach Nepal. Ein mit Bambusstange und von zwei Soldaten bewachtes Schlammloch sieht allerdings nicht nach Grenze aus. Dass hier keiner der vielen Passanten kontrolliert oder gar aufgehalten wird, erstaunt mich. Nein, für Touristen ist das kein Grenzübergang, heißt es dann auch, da es kein „Registration Office“ gibt! Ich solle doch bitte noch 50 Kilometer weiter fahren, da sei ein offizieller Übergang. Gefühlt werden es allerdings mindestens 100 Kilometer, da die Mini-Straßen über kaum bis gar keinen Belag verfügen und mit reichlich Schlaglöchern garniert sind. Außerdem wird es mittlerweile stockfinster. Am nächsten Morgen macht kein Mensch Anstalten, mich am Grenzübergang aufzuhalten. Ich hätte einfach durchfahren können, und zwar ohne Visa. Aber ohne Einreisestempel im Pass bekommt man sicher kein neues Visum. Ich fahre also brav an den Grenzposten und bezahle die Visagebühr. Verwundert über das geringe Verkehrsaufkommen düse ich anschließend durch eine herrliche Tiefebene mit vielen Reisfeldern, ausgedehnten Waldstücken und dem majestätischen Himalaya zu meiner Linken. Hier ist alles ungewohnt sauber und grün. Büffel, die überall das Gras gleichmäßig kurz halten, sorgen ein wenig für Golfplatzatmosphäre. Noch am selben Abend taucht die Straße mit mir ins gigantische Himalaya ein, und da ist es dann wieder, das Gänsehautfeeling. Mit der Abendsonne im Rücken ergeben sich obendrein bezaubernde Motive für die Kamera, wie ein Regenbogen über der Bergwelt.
Der nächste Tag fängt mit Monsun an und endet im völligen Verkehrschaos von Kathmandu, schlimmer als alles, was mir bis dahin aus Indien bekannt war. Meine inzwischen heiß geliebte Royal Enfield lasse ich in Kathmandu von Meisterhand mit allem verwöhnen, was sich solch ein Arbeitstier nur wünschen kann. Den Öl-, Bremsbelag-, Ketten- und Zahnradwechsel hat sie sich nach über 10.000 Kilometern redlich verdient. Auch richtige Supermärkte wie in Europa gibt es hier. Herrlich, was man alles kaufen kann – allerdings zu europäischen Preisen! Derweil steigt meine Vorfreude, bis ich mein Visum in Händen halte. Bald fahre ich über Westnepal nach Manali und weiter nach Ladakh. Dort werden die höchsten Pässe der Erde passiert, über 5.000 Meter hoch. Aber genug der Vorrede – der Monsun macht inzwischen jeden Abend für ein, zwei Stunden ernst, und so breche ich zu früher Stunde auf. Einen ganzen Vormittag fahre ich im Nieselregen durch die Berge, um am Nachmittag die etwas trockenere Tiefebene zu erreichen. Es scheint, dass dieses wunderschöne Land mit seinen vielen Dörfern ganz aus Lehm inmitten von Reisfeldern von der modernen Welt und ihren Begleiterscheinungen, gänzlich vergessen wurde. Die nepalesische Landschaft ist einfach schöner als die indische, da sie viel sauberer und nicht so mit Menschen und Verkehr überfüllt ist. Bis zur indischen Grenze ist es nicht mehr weit, und über einen riesigen Staudamm geht es wieder rein ins Gewimmel und Gewühl von Indien. Grund genug, um ohne längere Pausen über Dehradun nach Shimla in Himachal Pradesh, dem nördlichsten Bundesstaat, zu fahren. Durch Wald und Wolken, dem Monsun noch nicht entronnen, immer höhere Regionen erklimmend, kann meine Royal Enfield jetzt zeigen, was sie mit ihrem einzigen Zylinder zu leisten vermag. Aufgrund der kraftvollen Zuverlässigkeit und Treue meines Motorrads, das mich bis dahin noch nicht ein einziges Mal im Stich gelassen hat, entschließe ich mich, eine lange schwere Route zu wählen – das berüchtigte Spiti Valley wartet. Hinter Shimla treffe ich einen US-Biker, der aus eben diesem angefahren kommt.
Er gibt mir viele Tipps und berichtet von abenteuerlichen Flussdurchquerungen samt Straßenabschnitten, die aufgrund von Sprengungen nur zu bestimmten Uhrzeiten passiert werden können. Dennoch mache ich mich auf den abenteuerlichen Weg. Über Rampur geht es nach „Rekong Peo“. Hier lege ich einen Zwangsstopp bis zum nächsten Tag ein. Eine Sondergenehmigung für das „Spiti Valley“, samt Foto und unzähligen Fragen, ist fällig. Ich schätze, das liegt an der Nähe zu Tibet, denn die Grenze verläuft in einigen Teilen nur wenige Kilometer entfernt von der Straße. Der Zauber dieser Landschaft erschließt sich einem nur, wenn man bereit ist, kilometerlange Schlammstrecken mit Wasserlöchern oder hunderte Kilometer unbefestigter Schotterpisten mit tiefen Abgründen zu fahren. Hinzu kommen Hindernisse wie Erdrutsche, die erst vom Bagger geräumt werden müssen, Flüsse, die nachmittags wegen der Schneeschmelze nicht mehr passierbar sind … und das alles findet zwischen 3.000 bis 5.500 Meter Seehöhe statt. Und da stehe ich nun beizeiten, um noch bei relativ niedrigem Pegel den Gletscherfluss zu durchqueren, doch erst die ermunternden Zurufe einiger Straßenbauer lassen mich den Gang einlegen und etwas unbeholfen holpere ich über die großen und kleinen Steine am Grund. Geschafft, denke ich beim Entwässern meiner Schuhe. Das eigentliche Hindernis wartet allerdings noch auf mich. Man stelle sich einen 500 Meter hohen, senkrechten Felsen mit einer Straße vor, die sich wie die Rille beim Zahnhalskaries, am Fels entlang frisst. Links, natürlich ohne Leitplanke, der Abgrund, rechts der sich überbeugende Felsen und genau an dieser Stelle liegt ein Haufen von Sprengschutt. Bringt man das allerdings hinter sich, wird man mit einer geteerten Traumstraße belohnt, die mich für alle Mühen entschädigt. Der Besuch von Dankhar und Key Monastery oder der Abstecher ins bezaubernde Pin Valley, gehören zu den Höhepunkten dieses Teils meiner Reise.
Die beiden letzten Etappen bis Manali bestehen nur noch aus staubenden Schotterpisten. Plötzlich rüttelt und rappelt es und dann geht nichts mehr – meine erste Panne! Der Gaszug ist gerissen. Gott sei Dank führe ich noch ein Kupplungskabel mit, das mit Nagelfeile und Steinen, passend gemacht wird. Nach knapp zwei Stunden Frickelei in Staub und Sonne, läuft meine Enfield wieder fast wie vorher. Der einzige Unterschied ist, dass das Gas zurückgeschoben werden muss. Im wunderschönen Abendlicht erreiche ich so den Gipfel des Kunzum Passes. Hier wartet eine Abfahrt von 1.000 Höhenmetern auf Schotter samt endlosen Serpentinen. Die Etappe zum wirklich letzten Vorposten der Zivilisation – Manalie – steht dann an. Bei strahlendem Himmel starte ich und erlebe eine Strecke, die meinem Motorrad und mir wieder alles abverlangt: Schotterpiste, wobei der „Schotter“ oft faust- bis handballgroß ist. Das heißt, für den Genuss der tollen Landschaft bleibt nur während der Pausen Zeit. Während der Fahrt ist Konzentration angesagt, um einen bösen Sturz zu vermeiden. Einer der heutigen Höhepunkte ist obendrein eine etwa 100 Meter lange Wegstrecke, die durch Schmelzwasser in einen rauschenden Fluss verwandelt wird. Danach geht es zum Rotangpass, der hier eine Art Wetterscheide bildet und den vom Süden kommenden Monsun am Weiterziehen hindert – normalerweise. So gestaltet sich auch die Landschaft, nördlich des Passes karge Steinwüste, südlich von ihm erstreckt sich dann das grün sprießende, fruchtbare und bewaldete Kulluvalley. Noch nicht oben angelangt, tauche ich in dicke Regenwolken ein und für eine halbe Stunde stehe ich unter meiner Notfallplane, während sich rund herum alles in ein einziges Schlammparadies verwandelt.
Doch ewig kann ich hier nicht bleiben. Die Weiterfahrt bei knapp drei Meter Sicht, durch tiefe Schlammpfützen und bei ständig zunehmendem Verkehr gestaltet sich als interessant. Das Auftauchen aus den dichten Wolkenmassen beglückt meine Augen mit frischem Grün, üppiger Vegetation, und ich genieße die nahezu endlose Abfahrt an der Spitze der Verkehrslawine. Am Abend beziehe ich dann mein Quartier in Vashisht, einem kleinen Vordorf von Manalie. Hier verbringe ich die nächsten Tage und nutze sie zur ausgiebigen Erholung. Dazu gehören auch Ausflüge zu den nahegelegenen Wasserfällen, deren besondere Attraktion ist es, durch eine Art Grotte hinter ihnen hindurch laufen zu können. Logisch, dass mich das völlig begeistert. Und da stehen sie dann, die Easy Riders und Abenteurer aus der ganzen Welt, bereit zum großen Sprung über die weltweit höchsten Straßen nach Ladakh.
Große Motorradgruppen mit Begleitfahrzeugen und Mechanikern, aber auch Individualtouristen fiebern dem Aufbruch entgegen. Zeit, sich mit wichtigen Ersatzteilen und Lebensmitteln einzudecken. Beim abendlichem Fachsimpeln auf dem Parkplatz lerne ich Österreicher kennen. Wir beschließen, als starke Gruppe gemeinsam weiterzufahren, denn es wartet ein Abenteuer, von dem keiner weiß, wie es ausgehen wird. Erst einmal führt uns der Weg erneut zum Rotangpass. Wir fahren dann weiter in Richtung Keylong, wo wir Sprit fassen müssen, denn auf den nächsten 350 Kilometern bis Leh gibt es kein Benzin zu kaufen. Wenn man den Verbrauch in diesen Höhen einkalkuliert (bei mir gut ein Liter mehr), kommt so mancher an die Grenze – Reservekanister sind unumgänglich! Wir passieren mehrere Pässe, die über 5.000 Meter liegen. Die nächsten zwei Tage wird eine Höhe von gut 4.500 Metern nicht mehr unterschritten.
Das kann natürlich nur riskieren, wer vorher genügend Zeit hat, um sich in großen Höhen zu akklimatisieren. Am nächsten Morgen widmen wir uns riesigen Hochplateaus. Durch 50 Zentimeter hohen Staub geht es hinunter in canyonartige Schluchten mit skurrilen Steinskulpturen, von Wind und Wasser erschaffen. Über klapprige Brücken samt endlosen Serpentinen steigt es dann hinauf zum nächsten Pass. Ein Highlight jagt das nächste – ein einziger Höhenrausch, bis sich vor uns das weite Industal öffnet. Immer mehr Klöster und geteerte Straßen kündigen das 3.500 Meter hoch gelegene Leh an. Dort, inmitten schön angelegter Gärten, beziehen wir unser Quartier. Ein richtiges Bett und ein Hot Bucket (ein Eimer heißes Wasser) markieren für uns den absoluten Höhepunkt des Tages.
Dank der vielen Touristenrestaurants gibt es internationale Abwechslung in der Küche – von italienisch und israelisch bis chinesisch. Auch anderen Annehmlichkeiten wie Wäscheservice, Internetanschluss und zahlreiche Geschäfte versüßen unseren Aufenthalt. In der näheren Umgebung gibt es obendrein viel zu entdecken. Wie die Stupa, wo sich allabendlich die Leute zum Sonnenuntergang treffen und den erhabenen Blick über das sich endlos hinziehende Industal genießen. Einen spannenden Ausflug bietet die Fahrt in das „Nubra Valley“, über den angeblich höchsten Pass der Welt – Khardung La mit 5.600 Metern. Unsere GPS Messung ergab allerdings nur 5.387 Meter – nun ja, allemal hoch genug. Auf der anderen Seite geht es in besagtes Tal, das wie eine kleine Miniwüste mit wild lebenden Kamelen und ausgedehnten Sanddünen vorgaukeln will, man sei in der Sahara. Wir sind baff! Doch viel weiter geht es nicht hier am Fuße des Karakorums. Grund dafür ist ein Sperrgebiet mit 50 Kilometern Pufferzone, in dem mitunter mal eine Rakete aus Pakistan einschlägt! Um ehrlich zu sein, war unser aller Bedürfnis nach abenteuerlichen Straßen in entlegene Regionen des Himalaya gestillt.
Wäre da nicht dieses geheimnisvolle und sagenumwobene Zanska, das sich einfach nicht aus meinen neugierigen Fantasien vertreiben lässt. Ein Engländer, der gerade von dort mit seinem ziemlich verbeulten Motorrad, zerrissenen Hosen und einer Knieverletzung zurückkommt, schürt mit seinen Erzählungen noch das Feuer in mir. Sein etwas mitleiderregender Zustand lässt allerdings ziemlich deutliche Rückschlüsse auf dortige Straßenverhältnisse ziehen. Aber, wann kommt man schon mal in seinem Leben in diese Ecke der Welt und dann auch noch mit einem Motorrad? Wir tauchen also tiefer in immer einsamere Landschaften ein, vorbei am 7.100 Meter hohen Nun-Kun-Massiv, durch weite grüne Täler, in denen frei lebende Pferde ihr ungezähmtes Temperament versprühten. Von neugierigen Blicken unbekümmerter Murmeltiere begleitet, fahren wir mit maximal 30 km/h bis ins rund 250 Kilometer entfernte Zanskar. An Wildbächen und bläulichen Gletschern entlang suchen wir im Talschluss nach einer Unterkunft. Der Weg zurück, Zanskar ist eine riesige Sackgasse, verläuft ohne besondere Zwischenfälle und wir fahren weiter in Richtung „Jammu Kaschmir“.
Der nächste Tag führt uns dann erneut über einen Pass, der die westliche Wetterscheide bildet. Wir kommen in eine karge Steinwüste, wo Nomaden auf ihren Maultieren durch die Hochtäler ziehen. Hirten sorgen mit ihren Herden aus Ziegen und Schafen auf den engen Passstraßen für angenehme Verzögerungen. Auf der anderen Seite des 4.500 Meter hohen Passes kann man deutlich schneller fahren und sich von einer Kurve in die nächste legen – traumhaft! Nach Monaten der Abgeschiedenheit im Himalaya erreichen wir Srinagar – die erste richtige Stadt seit Langem. Hunderte Hausboote stehen hier als Quartier zur Auswahl. Was mich aber doch etwas traurig stimmt, ist die Tatsache, dass sich bald die Wege von meinen Begleitern und mir trennen würden. Sie haben ihr Gepäck in Manali gebunkert.
Dieser Umweg kommt für mich wegen des geplanten Motorradverkaufs und meinem auslaufenden Visum, nicht infrage. Endlose Abfahrten führen mich hinaus aus dem Himalaya in die Niederungen Indiens mit seinem wilden Verkehrschaos. Ein Höhepunkt steht mir aber noch bevor: Amritsar mit seinem „Goldenen Tempel“. Der Unterschied zwischen hässlicher Stadt und der Tempelanlage könnte größer nicht sein. Schon die schiere Größe, der ganz in Marmor gebauten Anlage beeindruckt.
Ich glaube, dass selbst ein absolut unreligiöser Mensch von diesem größten Sikhheiligtum gefangen wird. Das hilft mir allerdings wenig, denn die schlimmste aller Trennungen steht bevor – der Verkauf meiner Enfield. So suche ich in Delhi eine Werkstatt, die imstande ist, den Dreck von 8 1⁄2 Monaten und 17.000 Kilometern gründlich abzuwaschen. Da ich das Motorrad in tadellosem Zustand zu jenem Händler zurückbringe, wo ich es kaufte, gibt er mir tatsächlich die zugesicherten 80 Prozent vom Kaufpreis. Dieser echt faire Deal macht den Abschied ein wenig leichter.
Motorradtour Abenteuer Indien & Himalaya – Infos
Hier kommt eine komplette Umrundung Indiens, inklusive Nepal. Mit Traumstränden in Goa und der atemberaubenden Bergwelt des nepalesischen und indischen Himalaya. Das alles erfährt Roland Sachse in achteinhalb Monaten und über 17.000 Kilometern auf einer Royal Enfield.
Allgemeine Infos
Indien und Nepal sind zwei in Südasien gelegene Länder mit einer besonders reichen Kulturgeschichte und vielfältiger Landschaft. Von Traumstränden im Süden Indiens über weite Ebenen und die Flussebenen, zum Beispiel des Ganges, bis hin zu den Höhenzügen des Himalaya im Norden Indiens und Nepals.
Sehens- & Erlebenswert Sowohl Indien als auch Nepal können als eigenständige Sehenswürdigkeit bezeichnet werden. Die beiden Länder bieten aufgrund ihrer sehr unterschiedlichen klimatischen Bedingungen auch eine sehr beeindruckende und vor allem teilweise unberührte Natur. Außerdem gibt es religionsbedingt in beiden Ländern unzählige sehenswerte Tempel und Statuen, die zu einem Besuch einladen.
Anreise
Mit dem Flugzeug erreicht man Indien von fast allen deutschen Flughäfen. Ein Nonstopflug von Frankfurt nach Delhi dauert etwa acht Stunden.
Beste Reisezeit
Aufgrund der extremen regionalen Unterschiede und der teils beträchtlichen Höhenlagen gibt es keine klare einheitliche Empfehlung. Es sind je nach Jahreszeit und Region alle Temperaturbereiche möglich. Von Minusgraden bis teilweise über 50 Grad. Das Klima wird sehr stark durch den asiatischen Monsun beeinflusst, der teilweise sehr heftige Regenfälle mit sich zieht.
Motorräder: Motorrad PUR - Die neue Gelassenheit Reisen: 20 Jahre Alpen, Kurventanz auf dem Vulkan, Abenteuer Indien & Himalaya, Frühstart Harz - Thüringer Wald
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