M&R-PlusLa Gomera – Die Achterbahn

Ich füttere mein Navi mit Achims Adresse. Die reine Wegstrecke vom Hafen bis ins Valle Gran Rey beträgt 50 Kilometer. Die ersten 50 km Motorradparadies.
La Gomera – Die Achterbahn
La Gomera – Die Achterbahn Der obere, nord-östliche Teil vom Valle Gran Rey
16 Bilder
Uli Biggemann

Tag 1 – Traumhafte Ausblicke, grandiose Kurven

Von San Sebastián aus verläuft die breite und bestens asphaltierte Straße über zunächst zehn Kehren und etliche lange Schwünge den Berg hinauf. Nach 18 Kilometern und auf 1.000 Höhenmetern angekommen, tauchen wir langsam in den Regenwald ein. Immer wieder schweift der Blick ostwärts zum höchsten Berg Spaniens, dem 3.718 Meter hohen Pico del Teide auf der Nachbarinsel Teneriffa. Noch einen letzten
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Blick auf den Riesen – die Sonne steht mittlerweile so tief, dass La Gomera seinen Schatten aufs Nachbareiland wirft.
Sonnenuntergang Pico del Teide
Spaniens höchster Berg: abendlicher Blick auf den Pico del Teide auf Teneriffa
Blitzschnell zieht Nebel zwischen den beiden Inseln auf, wir schweben über all dem, mit der Gewissheit, dass uns der Westen der Insel fast immer klare Sicht beschert.
Vorbei am Roque de Agando, einem der Heiligtümer der Ureinwohner, der uns an den Zuckerhut von Rio de Janeiro erinnert. Auf der Insel verhält es sich mit der Baumgrenze genau andersherum als in den Bergen gewohnt: unten alles karg, oben wird es immer grüner.
Roque de Agando
Der Zuckerhut von La Gomera: „Roque de Agando“, das Heiligtum der Ureinwohner
Wir tauchen ein ins grüne Dickicht des Regenwalds. Bis auf eine Höhe von circa 1.400 Meter, vorbei am Gipfel des 1.487 m hohen Alto de Garajonay, schraubt sich die Straße durch den grünen Nationalpark. Jetzt in der Dämmerung ist es auch ein wenig spooky. Die allgegenwärtige Feuchtigkeit, die sich in dünnen, faserigen Nebelschwaden über die Straße zieht; das Moos an den Felsen; die knorrigen Bäume und die Gerippe der vom großen Waldbrand 2012 übrig gebliebenen schwarz verkohlten Baumstämme, die sich im Halbdunkel in den Himmel recken.
Kurz vor Arure ist es für ein paar Kilometer vorbei mit der Herrlichkeit der EU-Subventionen, aber danach geht’s in gewohnter Straßenqualität und in wunderbaren Schwüngen hinunter ins Tal der großen Könige, dem „Valle Gran Rey“, in den 1980ern ein echter Aussteigergeheimtipp. In den 1990ern war ich mal mit dem Mountainbike hier und da ging es mit dem dicken Reisebus über die damals erschreckend schlechte Straße den steilen Berg entlang. Ob die Alkoholfahne, die zu mir bis in die 5. Sitzreihe herüberwehte, aus dem Hals des Busfahrers stammte, ist nicht überliefert. Ich erinnere mich nur ungern und mit einem seltsamen, säuerlichen Geschmack im Mund an diesen Stunt.
Valle Gran Rey
Schwungvoll: der obere, nordöstliche Teil vom Valle Gran Rey
Pünktlich zum Sonnenuntergang schieße ich noch schnell im Vorbeifahren ein Bild vom Hippie-Meeting-Point „Casa Maria“. Dort trifft man sich, trommelt, jongliert, kifft, spielt mit Feuer und gibt sich in bunten Klamotten dem Ausdruckstanz hin. Wir hingegen favorisieren das „Restaurante La Bocana del Puerto“, schräg gegenüber der Hafenspelunke „Bar Cofradía de Pescadores Nuestra Seniora del Carmen“ im Ortsteil Vueltas. Dort gibt es unter anderem fangfrischen Fisch und Papas Arrugadas, kleine Runzelkartoffeln, in Meersalzwasser gekocht. Für den Salat noch schnell eine Avocado vom Baum gepflückt … Mmh.
Nach der Kulinarik folgt noch ein Carajillo (Espresso mit Brandy) auf der Hafenmauer vor der Spelunke. Das Moped lassen wir lieber stehen. Theoretisch könnte man über Nacht den Schlüssel stecken lassen, hier wird nicht geklaut! Spätestens am Hafen in San Sebastián würde der Inselpolizist den Ganoven in Empfang nehmen.

Tag 2 – An den Strand und durch den Regenwald

La Gomera
Alles eine Frage der richtigen Bekleidung: Morgens kann es durchaus kalt sein im Regenwald La Gomeras
Anfang Januar, morgens um 10:00, 24 °C!
Herrliches Wetter befeuert unsere Vorfreude auf einen glücklichen Motorradtag auf der zweitkleinsten der sieben Kanarischen Inseln. Wir nehmen Kurs auf die Gemeinde Vallehermoso. Im Januar kann es oben im Regenwald auch mal empfindlich kalt werden, flexible Kleidung hilft. Hinter dem Wald bietet sich ein kleiner Abstecher in den malerischen Ortsteil Alojera an. Alojera liegt idyllisch mit schöner Strandbucht in einem Tal voller Palmen. Badezeug nicht vergessen. Danach winden wir uns wieder den Berg hoch und stürzen uns hinunter nach Vallehermoso. Auf dem Marktplatz, der vom imposanten Vulkanschlot „Roque Cano“ um mehr als 400 Meter überragt wird, machen wir ein kleines Päuschen, dann geht es weiter (circa drei Kilometer) zum Playa de Vallehermoso. Wir setzen uns in den schwarzen Sand und unser Blick schweift nach links zum mystischen „Castillo del Mar“. Eine ehemalige Bananenverladestation, die bis vor ein paar Jahren ein Hotspot für Kunst, Kultur und Musik war. Jetzt ist das Castillo ein Lost Place und kämpft gegen Vandalismus, die salzige Gischt des Meeres und eine träge Bürokratie, die die Geduld engagierter Investoren auf die Probe stellt.
Richtung Vallehermoso
Nach 10 Kilometern befinden wir uns bereits 760 Meter über dem Meeresspiegel
Wir schwingen weiter. Grüne Bananenplantagen, kleine Weinberge und Kartoffeläcker bedecken weite Teile des wunderschönen Tals. Vor Agulo verlassen wir in Las Rosas die sensationelle Straße rechts Richtung Laguna Grande! Gleich geht’s links ab, dort wartet mit dem „Mirador de Abrante“ ein absolutes Highlight auf uns! Hier hat der Kanaren-Reeder Fred Olsen einen Aussichtspunkt sondergleichen errichtet. Dieses Ufo, wie aus einem James-Bond-Film, liegt oberhalb von Agulo und ist mit einem gläsernen Skywalk ausgestattet. Erde – Wasser – Luft … eine wirklich atemberaubende Aussicht! Unter dir: Agulo „El Bonbon de La Gomera“. 40° Blickrichtung: der Atlantik. Blick geradeaus: Teneriffa inklusive Teide.
Dann fragen wir uns: „Wo ist der Papagei, der so schön pfeift?“ Nein, es ist ein Gomero – und er kommuniziert in „El Silbo“. So heißt die Pfeifsprache, die den Insulanern die Verständigung über die Schluchten ermöglicht. Oftmals kann man sich ins Gesicht schauen, auch wenn der Weg ein wildes Bergauf und Bergab bedeuten würde. Zum Sprechen ist es dann doch zu weit, also pfeift man sich was.
Nachdem das Schwindelgefühl vom Skywalk verflogen ist, steuern wir Richtung Süden, begrüßen wieder den Regenwald und machen eine kleine Pause von den breiten Straßen. Vorsicht! Wenn dir auf den kleinen Nebenstraßen ein Reisebus mit Touristen entgegenkommt, ist die Straße dicht! Wir fahren links Richtung San Sebastián, vorbei am Gipfel des Alto Garajonay (1.487 m), rechts Richtung Chipude. Kurz vor Chipude schießen wir noch ein Bild vom Tafelberg La Fortaleza.
La Fortaleza
La Fortaleza: Auch La Gomera hat einen Tafelberg
Die ganz Mutigen dürfen sich auch noch links ins Barranco de Erque stürzen, dagegen ist der Skywalk ein Kinderspiel. Definitiv nichts für Klaustropho-Biker. Bin ich zwar nicht, Beklemmungen bekomme ich hier dennoch.
Der Magen knurrt. Wir kehren im „Restaurant La Montaña Casa Efigenia“ in Las Hayas ein. Hier steht die Zeit still. Ende der Vierzigerjahre (!) hat die smarte Efegenia mit ihrem Gatten hier einen Lebensmittelladen eröffnet. Ende der 1960er kam das Restaurant hinzu. Hier wird gegessen, was auf den Tisch kommt, zum Beispiel Riesenportionen deftiges Gofio (eine Art kanarischer Mehlbrei), Salat und leckere Kohlsuppe und man sollte Zeit mitbringen. Efegenia selbst ist grob geschätzt halb so dünn wie der Autor, macht dann 35 Kilogramm Lebendgewicht. Im Gegensatz dazu gibt’s hier riesige Portionen. Wir zwei weniger Hungrigen hätten uns vielleicht eine Portion teilen sollen. Nach der Mahlzeit beschenkt mich die Insel noch mit einem sensationellen Schauspiel. An einem Aussichtspunkt, knapp zwei Kilometer Luftlinie von Valle Gran Rey entfernt, krabbelt der Nebel durchs Tal den Berg hoch. Das ist nur schwer zu toppen! Auch wenn ich durch den Nebel die Häuser im Tal sehen kann, das Navi sagt: Bis ins Tal sind es 19,7 Kilometer. 19,7 km Achterbahn! Abendessen fällt nach der Völlerei bei Efegenia aus. Aber gerne noch ein Carajillo in der Hafenspelunke!

Tag 3 – Atemberaubende Ausblicke

Mirador de Abrante
Blick in die Tiefe vom Mirador de Abrante
Irgendetwas fehlt uns noch … genau, ein kleiner Spaziergang durch das schnuckelige Dörfchen Agulo, das haben wir zwar schon gesehen, aber nur von oben. Die Aussichtsplattform vom Mirador de Abrante schwebt über Agulo. Von dort sind wir gestern nach Süden gefahren, also fahren wir heute auf direktem Weg nach Agulo, das heißt 40,7 km Wegstrecke, Luftlinie sind’s nur 17,8 km. Alles klar? Bis Las Rosas sind wir die Strecke ja schon in anderer Richtung gefahren. Das macht aber gar nichts, wir kennen den Effekt aus den Alpen. Fahren wir einen Pass in die andere Richtung, schaut er reichlich anders aus. Hier ist es genauso. Ab Las Rosas folgt einer der geilsten Streckenabschnitte der Insel.
Mirador de Abrante
Nichts für Menschen mit Höhenangst: der atemberaubende Ausblick vom Mirador de Abrante
Nach dem wilden Hin und Her, rechts und links und rechts und links, folgt ein Spaziergang durch Agulo, das schönste Dorf der Insel. Erst besuchen wir die „Iglesia de San Marcos“, eine Kirche im maurischen Stil, und nach dem Gebet gibt es eine „Torta de Cuajada“, eine Leckerei aus gebackener Milch. Wir nehmen Kurs auf Hermigua. Das romantische Dorf liegt zwischen hohen Bergketten. Wir surfen ca. 5 km nach oben und biegen rechts Richtung El Cedro ab. Nach ca. 7,5 km auf einer kleinen, verwunschenen Straße stoßen wir wieder auf die große GM-2 und fahren ca. 3,5 km die gleiche Strecke wie am ersten Tag. Im Regenwald tobt der endlose Kampf zwischen Sonne und Nebel und beschenkt uns mit mystischen Bildern, die sich im Sekundentakt verwandeln. Wir biegen links ab in Richtung Chipude und ja, auch hier waren wir schon mal. Doch heute sind wir ein wenig später dran und die tiefer stehende Sonne hüllt alles wieder in ein vollkommen anderes Licht.

Tag 4 – Neue und bekannte Kurven

Regenwald
Unterwegs im Regenwald

Heute steht der Süden auf der Agenda. Ab Arure könnte uns die Route theoretisch bekannt vorkommen. Obwohl wir gestern schon einmal hier entlanggefahren sind, ist alles anders. Wie war das noch gleich mit der Nürburgring-Nordschleife? 1.000 Runden Minimum, um ein wenig den Überblick zu erlangen? Wie soll man sich also dieses Gewirr von Kurven binnen dreier Tagen so sehr einprägen, dass Langeweile aufkommen könnte? Hinter Igualero, hier waren wir noch nicht, wird es für gomeranische Verhältnisse recht karg und wir sehen, wie die Straße sich in langen Schwüngen den Berg herunterwindet.

Mirador de la Curva del Queso
Die Käse-Kurve: Mirador de la Curva del Queso – hoch über dem Valle Gran Rey
Playa de Santiago bietet einen schicken Golfplatz und auch ein kleines Flughäfchen, das die besser Betuchten zum Golfspielen herbringt. An der extrem relaxten Strandpromenade, an der auch Normalos entspannen können, sehe ich wieder den alten Mann mit seinem superlangen Bart, der jedes Mal, wenn ich hier war, meinen Weg gekreuzt hat. Durst – wir haben die Wahl zwischen der „Bar Terraza Tarajal", einer Strandbar im ibizenkischen Stil, oder einem der Cafés an der Promenade. Wir entscheiden uns für die Bar, ein alkoholfreier Cocktail rinnt durch meinen Hals, während Deep House Music durch unsere Gehörgänge plätschert.
La Gomera Sonnenuntergang
Flower-Power-Feelings und magische Momente: Trommeln für den Sonnenuntergang
Wir bewegen uns wieder ins Inselinnere, nach ca. 15 km stoßen wir auf die GM-2 und biegen Richtung Valle Gran Rey ab. Rechts am Wegesrand ein Warnschild: „1 KM – Kurven“. Amüsant nach über 400 km Kurvengewimmel. Achim sagt, der Cousin des Bürgermeisters hätte eine Schilderfabrik. Hinter Arure rolle ich mit einer Träne im Auge die breite, griffige Straße hinab ins „Tal der großen Könige“. Vor der „Casa Maria“ bereiten sich die Hippies auf ihr Abendspektakel vor. Wir gleiten vorbei nach Vueltas – ein letztes Kaltgetränk auf der Hafenmauer …

Tag 5 – Keine Rushhour, niemals

San Sebastián
Palmen, dunkler Sand, blaues Meer: Strandspaziergang in San Sebastián
Bevor wir am 5. Tag in San Sebastián wieder auf die Fähre rollen, lockt die wunderschöne Altstadt. Von Weitem zieht es den Blick schon auf die vielen bunten Häuschen am Hang. Auch unten am Wasser laden Marktplatz und Hafen zu ausgedehnten Pausen ein. Aber jetzt geht’s wieder zurück nach Teneriffa. Nun ja, abseits der Rushhour kann der Teide-Nationalpark auch betörend faszinierend sein. Auf La Gomera hingegen gibt es keine Rushhour, niemals.

Motorradtour La Gomera – Die Achterbahn – Infos

Allgemeine Infos

Ganz untypisch für Spanien hat La Gomera nur eine kleine Mopedkultur. Motorräder haben hier Seltenheitswert. Eine Reise ist die Insel dennoch wert!
La Gomera gehört zu den Kanarischen Inseln und ist nach El Hierro die zweitkleinste der sieben Inseln des spanischen Archipels im Atlantik. Auf La Gomera erwartet dich eine Vielzahl von faszinierenden Landschaften. Im Jahre 2011 wurde die Insel von der UNESCO wegen ihrer Ökosysteme als Biosphärenreservat eingestuft und mit Prädikat versehen.
Motorräder zu mieten, gestaltet sich auf der Insel eher schwierig, meines Wissens gibt es einen Scooter-Verleih im Valle Gran Rey. Mein Tipp: Bei einem Vermieter auf Teneriffa ein Motorrad in Topzustand mieten und mit der Fähre nach La Gomera übersetzen. Binnen 3–5 Tagen kann man locker die zauberhafte Insel erkunden.

Motorradvermietung

Die Vermietung befindet sich 3,5 km vom Hafen Los Cristianos entfernt.
www.tenerife-moto-rent.com
Hier gibt’s verschiedene Fabrikate, von BMW über Honda, Kawasaki, KTM, Peugeot, Suzuki bis Yamaha. Ein großes Sortiment von 125 bis 1.200 ccm. Helme, Jacken und Handschuhe können ebenfalls ausgeliehen werden.

Übernachtung

Achim, motorradfahrender Schweizer mit Ruhrpott-Migrationshintergrund, vermietet hier vier individuell gestaltete Apartments, darunter ein großes Loft und ein Penthouse. Alles ist geschmackvoll, komfortabel und bestens ausgestattet. Die moderne Villa liegt zentral, sodass man Restaurants, Bars, den Strand und diverse Einkaufsmöglichkeiten bequem zu Fuß erreicht. Parkmöglichkeit im Garten vorhanden.
www.penthouse-loft-vallegranrey.com


  • So lang ist diese Motorradtour: ca. 420 km
  • Der höchste Punkt der Strecke: 1.370 Meter über NN

Anreise

Die Flugdauer aus Deutschland nach Teneriffa-Süd beträgt zwischen vier und fünf Stunden, Tickets gibt es ab circa 250 Euro (inklusive 23 Kilogramm Aufgabegepäck).

Fähre:

Hin- und Rückfahrt 1 Person inklusive Motorrad
Los Cristianos – San Sebastián de la Gomera
ab 112,-- Euro
www.directferries.de


Beste Reisezeit

Die Insel kann ganzjährig bereist werden. Im Winter liegen die Temperaturen tagsüber bei rund 21 Grad Celsius.


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