Manche Einladungen, die in der Redaktion eintreffen, versprechen ganz viel Spaß. Das gilt vor allem, wenn es sich dabei um das Thema Enduro dreht. Wir kennen das schon ausführlich von der Lüneburger Heide her, aber nun steht Nordostdeutschland auf dem Programm. Gerade für Motorradreisefans, die meistens guten Asphalt unter den Rädern haben, ist das immer wieder eine Herausforderung. Zunächst erlebt man die Natur bei solchen Touren immer ein wenig näher, auch
wenn keine Bodenprobe ansteht. Wie auch immer, der Ausgangspunkt für Schotterfans findet sich in einem Ort namens Demern. Hier gibt es für die Stollenreiter auch ein nettes Quartier mit guter Küche und einem akkuraten Frühstücksbuffet. Das gibt dann die nötige Power, um direkt das Gelände anzusteuern. Für Neulinge der Endurowelt ist es allerdings gar nicht so einfach eine Maschine mit einer Sitzhöhe von rund 95 cm zu besteigen und auch das Ankicken kennen Straßenfahrer nicht.
Man(n) und auch Frau stellt also schnell fest, dass Körpergröße und Masse nicht von Nachteil sind. Hut ab vor einem Mädel in unserer Gruppe, das sich auch nach dem zehnten Aufstiegsversuch immer noch nicht auf das Gefährt helfen lässt, es dann aber allein schafft! Inzwischen kommen Fahrer hinzu, die nur einen Tag der Tour gebucht haben. Bevor es losgeht, werden wir noch in zwei Gruppen geteilt – erfahrene Biker und Quereinsteiger. Die Ausrüstung macht deutlich, wer wohin gehört. Ich sehe Hardenduros der Marken KTM, Husqvarna und sogar eine Scorpa, während in meiner Gruppe unter anderem eine GS 650 und eine Africa Twin zu finden sind. Einige Streckübungen später verlassen wir dann Demern auf öffentlichen Wegen Richtung Schaalsee. Dabei machen wir die ersten Erfahrungen hinsichtlich der Tatsache, wie das Motorrad auf die unterschiedlichsten Untergründe reagiert. Mal präsentiert sich das Geläuf als sandig, dann wird es matschig oder wir rattern durch ausgetrocknete Spurrillen. Dabei kommen einige Furen schon mal ins Schlingern und man lernt, dass ein beherzter Dreh am Gashahn oft mehr Sicherheit gibt als ein allzu vorsichtiges Fahren! Während unserer ersten Pause erzählt Guide Burkhardt dann etwas über das Biosphärenreservat Schaalsee: Es liegt an der Grenze zu Schleswig-Holstein und entstand aus dem Sperrgebiet der innerdeutschen Grenze. Die staatlich verordnete Zwangsruhe prägte in dieser Zeit das Niemandsland und die Natur gewann an Raum, sodass im Jahr 2000 das schützenswerte Gebiet als Biosphärenreservat ausgewiesen wurde. Auf der schleswig-holsteinischen Seite der Grenze schließt sich der schon 1961 gegründete Naturpark Lauenburgische Seen an. Dann erfahren wir mehr über die Techniken des Endurofahrens. Das Gewichtsverlagern beim Beschleunigen, das Lenken mit den Beinen und die richtige Haltung beim „im Stehen“ fahren. Gleich wird alles in die Praxis umgesetzt. Bei der Weiterfahrt durch ein ungefähr 1,5 m hohes Brennesselfeld bekomme ich schon ein wenig weiche Knie – bloß nicht anhalten! Weiter geht es Richtung Zarrentin, wo wir an der Tankstelle nicht nur Sprit, sondern auch die original „Roten Kracker“ bekommen. Gut gesättigt und voller Tatendrang fahren wir in eine Industriebrache.
Auf dem Weg dorthin kommen wir über richtig tief ausgefahrene Sandwege. Hier zeigt man uns, wie ein richtig guter Wheelie im Gelände aussieht! Auf dieser riesigen Spielwiese gibt es auch kein Halten mehr: Wir können uns nach Herzenslust austoben – ja, da wird auch mal die Africa Twin eingegraben oder eine Bodenprobe genommen. Weiter geht es auf dem sandigen Untergrund in Richtung Norden. In den kleinen Dörfern fühlen wir uns in die Vergangenheit zurückversetzt. Alte, gut erhaltene Dorfkerne mit Fachwerkhäusern entschädigen für den Anblick der riesigen LPG-Bauten am Rande der Ortschaften. Es bleibt noch Zeit für einen Abstecher ins idyllisch gelegene Lassahn. Das Dorf wurde 1945 der sowjetischen Besatzungszone zugeordnet und in der Zeit der deutschen Teilung durch die immer perfider ausgebauten Grenzanlagen stark beeinflusst. Die Bewohner waren vom See vollkommen abgeschnitten. An verschiedenen Stellen wurden ganze Ortsteile abgerissen, um Grenzanlagen zu erweitern. Uns gefällt die Aussicht auf den See, und zwar vom Seeblick Pavilion viel besser als die alten Gruselgeschichten der DDR. Nach dem abwechslungsreichen ersten Fahrtag führt uns Burkhardt dann zurück nach Demern. Während die meisten Tourteilnehmer zum Abendessen gehen, entschließen Burkhardt und ich uns noch eine Runde über Carlow nach Rehna zu fahren und die Abendsonne fürs Fotografieren zu nutzen.
Zwischendurch erzählt er mir auch die Geschichte des Wappens von Rehna, das am 10. April 1858 von Friedrich Franz II., Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, festgelegt wurde. Es zeigt einen schwarzen Stierkopf mit goldener Krone, silbernen Hörnern, weit aufgerissenem Maul, ausgeschlagener roter Zunge und abgerissenem Halsfell, welches bogenförmig aufgeschnitten ist und sieben Spitzen zeigt. Gruselig! Dafür wirkt das in rotem Backstein gebaute Kloster am Fluss Radegast in der Abendsonne wunderschön und wird von alten Bäumen im Vorhof stimmungsvoll eingerahmt. Dann treibt uns der Hunger nach Demern. Frisch geduscht treffen wir den Rest der Truppe beim Nachtisch, während wir uns auch den Braten schmecken lassen! In einer gemütlichen Runde klingt der Abend aus und einige Endurofotos kommen auf den Tisch. Am Sonntagmorgen verlassen wir Demern nordwestwärts Richtung Carlow. Von dort geht’s im großen Bogen vorbei an einem riesigen ehemaligen LPG-Gelände gen Rehna. Stattdessen halten wir auf einer Anhöhe und genießen eine fantastische Aussicht, auch Lübeck erkennen wir in der Ferne. Dann führen uns sandige Wege weiter hin zu einer alten Obstbaumwiese, die zu einem Tummelplatz für Crossfahrer geworden ist. Das Areal ist rund 6 Hektar groß und bietet mit seinen vielen Möglichkeiten für jeden Fahrer das ganz besondere Etwas! Auf für den öffentlichen Verkehr freigegebenen Wegen kommen wir weiter voran durch Tunnel aus Gestrüpp und tiefen, weichen Sand.
Die Strecke fordert uns, aber im Vergleich zum Vortag geht alles schon ein wenig leichter von der Hand. Die guten Ratschläge und Übungen zeigen ihre Wirkung und der Spaßfaktor steigt beim Tun! In einem wilderen Waldstück treffen wir auch die andere Gruppe, deren zügigere und gekonntere Fahrweise uns auf jeden Fall mächtig beeindruckt. Wir haben am eigenen Leib erfahren, dass das Handling einer Enduromaschine gar nicht so leicht ist. Die Könner kurven über den matschigen Weg hinweg und balancieren die Bikes über einen Baumstamm. Oder sie fahren zwischen den Bäumen hindurch Zickzack, was einen ziemlich zum Staunen bringt.
Über Stock und über Stein! Dieses Motto trifft wohl ganz auf das Wochenende zu, was wir hier erleben. Wir nehmen an einer geführten Enduro-Tour teil und tauchen ein in die Welt von Schotter und Staub. Hier kommen alle Offroader auf ihre Kosten. Im schönen MC Pomm tragen viele Verbindungswege nämlich noch keine Asphalthaube. Landwege, holprige Wellblechstrecken, lange Tiefsandpassagen und alleenbestandene Kopfsteinpflasterwege erlebt man hier. Und bei allen Problemen steht der freundliche Guide auch immer mit Rat und Tat zur Seite.
Auch außerhalb der Nationalparks gibt es im Herzen Mecklenburg-Vorpommerns traumhafte See- und Waldlandschaften. Die gesamte Region wird mehr und mehr touristisch erschlossen. Überall gibt es Rastplätze, Aussichtstürme oder Beobachtungsstände, die natürlich auch den Motorradfahrern zur Verfügung stehen.
Mecklenburg-Vorpommern lässt sich aus allen Richtungen über Autobahnen erreichen.
Von März bis Oktober.