Es war Jochens Idee. „Wie wäre es mal mit einer Tour durch Portugal?“, fragte er am Ende eines trüben Herbsttages im kalten Hamburg. Klar nickte ich, lässiges Land, frischer Fisch, Portwein, Sonne. „Wann denn?“ Antwort: „Am besten Mitte April. Da ist es schon warm und nicht mehr so schlammig.“
Schlammig? Ich stutzte: „Äh, wie jetzt, schlammig?“ Und Jochen so, der alte GS-Trophy-Held, ganz trocken: „Wir versuchen es mal ohne Straßen, das geht, sagen die Jungs von Touratech.“ Na denn. Auf zum „Adventure Country Track“ (ACT) Portugal!
Portugal ist echt ein Stück weit weg von Deutschland. Rund dreieinhalb Flugstunden ab HH, mit dem Auto oder Motorrad ist man locker zwei bis drei Tage unterwegs, selbst wenn man sich ranhält. Also Flieger. Unseren Fuhrpark organisieren wir über Ducati und Nissan: zwei rote Scrambler Desert Sled – leicht, hochbeinig, drehmomentstark – und einen kupferfarbenen Navara Pick-up mit riesiger Ladefläche. Den steuert meistens unser dritter Mann: Fotograf Peter Musch.
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„Männer, ich würde wahnsinnig gern mitkommen“, gesteht Hugo Ramos. Er und Filipe Elias sind Touratechs Statthalter in Lissabon. Ihr bestens bestückter Klamotten- und Zubehör-Shop samt Werkstatt thront schnieke über dem Hafen. Für solch einen Ausblick bei der Arbeit würden manche täglich im Morgengrauen erscheinen, ohne Überstunden zu notieren.
Hugo Ramos und Filipe Elias sind Touratechs Statthalter in Lissabon. Die beiden haben den ACT Portugal ausbaldowert und mehrfach abgefahren. In Griechenland gibt es eine ähnliche Tour, weitere Länder sollen folgen. Sinn des Ganzen: jede Menge Fahrspaß, klar, und Land und Leute kennenlernen – abseits der bekannten und überlaufenen Touri-Routen. In Portugal ist das problemlos möglich: Man darf nahezu überall lang- und durchfahren.
„Das Problem ist, dass sich die Tracks immer mal wieder ändern können“, sagt Filipe. Starkregen, Erdrutsche, Sperrungen auf den Verbindungsetappen. „Wenn du dich abseits klassischer Straßen bewegst, bleibt es halt spannend“, grinst er. Uns signalisiert der Haudegen grünes Licht: „Gerade gestern kamen drei Engländer zurück, alles gut unterwegs.“ Dann los!
Einziger Zwischenstopp auf dem Weg nach Braganca, dem Start der ACT Portugal: Nazaré. Der weltberühmte Surfspot, wo jährlich tollkühne Profis nach neuen Weltrekorden im Wellenreiten trachten. Mehr als 24 Meter hoch türmen sich die Giganto-Wellen des Atlantiks hier auf. Ein aberwitziges Spektakel, dem wir vielleicht ein bisschen zu viel Zeit widmen. Der Blick auf die Uhr offenbart: Bis wir in Braganca aufschlagen, wird es stockdunkle Nacht sein, auch wenn die Autobahn gen Norden sehr gut ausgebaut und nahezu leer ist. Das Einzige, was uns regelmäßig ausbremst, sind die Mautstellen. Und die übersichtliche Reichweite bei flotter Fahrt: Alle 200 km möchte die Desert Sled etwas zu trinken haben.
Fahrtag 1: Von Braganca nach Torre de Moncorvo, 180 km, 55 % Offroad
Braganca ist malerisch. Der ideale Ort, um die Tour zu starten, nicht nur geografisch. Stattlich thront die Burg über der Stadt, kleine Kopfsteinpflastergässchen führen aus der „Cidadela“ (Oberstadt) runter ins ummauerte Stadtgebiet. Cafés reihen sich an Bars und Boutiquen. Mittendrin – wie in fast allen Städten auf der ACT – komplett zerbröselte Ruinen. Eingeschlagene Fenster, schief im Rahmen baumelnde Türen, sprießende Biotope in den Fensterrahmen und Regenrinnen. Zwei Häuser weiter stehen feinst restaurierte Mittelalterbauten mit Optikern oder Schuhgeschäften.
Ein paar Kilometer hinter der Stadtgrenze biegen wir ab in einen unscheinbaren Kiesweg. Das ist er also, der „Einstieg“ in den ACT Portugal! Fortan geht es abwechselnd über Schotterpisten, schmale Trampelpfade, steile felsige Trassen und asphaltierte Verbindungsetappen. „Expertenlevel: easy/medium“, urteilt Adventure-Spezialist Touratech auf seiner Website. Passt. Auch unser 190 PS starker Nissan Navara kommt wie erwartet problemlos mit den Offroad-Passagen klar. Ihn mitzunehmen, war eine weise Entscheidung: Ohne Gepäck am Heck reist es sich sehr viel angenehmer durchs Hinterland. Myriaden blühender Zistrosen verwandeln die Landschaft in ein gelb-weißes Farbenmeer. Bei schönstem Sonnenschein passieren wir das Flüsschen Sabor. Finger-rein-Test – Baden ist noch nicht, bannig kalt, das Wasser. Die Häuseransammlungen und Dörfchen, die wir gelegentlich passieren, haben teilweise nicht mal Namen.
Hier und da schrecken wir eine dösende Meute Köter auf. Wüst kläffend wollen uns die Vierbeiner klarmachen, wir hätten hier nichts verloren. Pah!
Fahrtag 2: Von Torre de Moncorvo nach Vale do Rossim, 255 km, 50 % Offroad
Portugal ist das Land der Brücken. Flüsse, Schluchten, Gleise – irgendwo geht es immer rüber. Unser zweiter Tagestrip führt uns durchs Tal des Douro in den Nationalpark Vale do Rossim. 75 km mehr als gestern stehen heute auf dem Programm. Fahrerisch ist es gefühlt etwas anspruchsvoller. Es liegt ziemlich viel Geröll auf den Offroad-Passagen, teils ist das Geläuf übel felsig und von tiefen Furchen zerfressen. Jochen macht den Tourguide: Auf seinem Handy läuft die Touratech-App, die mit einer dicken blauen Linie auf der Navigationskarte anzeigt, wo es langgeht. Bewegt sich unser Positionspfeil abseits davon, haben wir die falsche Abzweigung genommen. Eigentlich ganz einfach. An manchen Gabelungen und Wegpunkten dauert es etwas länger, den richtigen Abzweig zu bestimmen. Aber hey, wir haben ja Zeit: Fünf Fahrtage sind angesetzt, keine Hektik.
Zum Mittag gibt es Gegrilltes von der selbstgemauerten Feuerstelle Pünktlich zur Mittagszeit erreichen wir Paz d’Ouro. Am Fuße der pitoresken Steinbrücke gibt es Gegrilltes von der selbstgemauerten Feuerstelle. Englisch hat hier noch nicht den Status Weltsprache erreicht. Aber geht es um Fleisch und Bier, verstehen sich Männer auch ohne Worte. Wir lernen: Superbock gibt es auch alkoholfrei. Gar nicht mal unlecker. Und: Parke nie dein Motorrad in der Nähe eines Kindes mit Wasserpistolen-Pumpgun. Es wird sie benutzen.
Der Weg ins Eco Resort, für das unser heutiges Hotelvoucher gilt, führt über die Berge der Serra da Estrela und Serra da Gardunha. Auf den Gipfeln säuseln die Rotoren der Windanlagen. Einen Flügel hat es zerlegt, warum auch immer. Sein Glasfaserskelett rottet hinter Buschwerk würdelos vor sich hin. Wie Klauen pflügen die übrigen Rotoren weiter durch die vorbeischleichenden Wolken. Ein mystischer Ort. Wie das aus Jurten bestandene Eco Resort in der Serra da Estrela. Letzten Herbst wäre es fast den Waldbränden zum Opfer gefallen, die weite Teile dieser Region in schwarze Erde verwandelt haben. In letzter Sekunde konnten die Flammen aufgehalten werden.
Fahrtag 3: Von Vale do Rossim nach Alamal, 235 km, 40 % Offroad
Nur 40 Prozent Offroad heute? Nö, das machen wir anders. Das Gute an der ACT-Route ist, man kann sie auch mal problemlos verlassen und entweder mehr Strecke auf der Straße einbauen, um Zeit zu sparen, oder eben mehr Zeit abseits der vorgeschlagenen Pfade zu verbringen. So wie wir heute.
Die Abfahrt aus dem Eco Resort ist rasant, auch wenn die Straßen schlecht sind. Man muss es auch mal krachen lassen, ähm, wenn weit und breit niemand anderes unterwegs ist. Gegenverkehr ist hier so selten wie Polarlichter über Portugal. Und die Desert Sled geht einfach zu gut, um immer nur gesittet damit zu fahren. Portugals Polizei hat zudem Wichtigeres zu tun, als sich um unsere Trampelpfade zu kümmern. Wobei: Bergstraßen kann er ja auch, der Portugiese. Grandiose Kurven reihen sich kilometerweit aneinander. Kurz keimt in mir der Gedanke, wir sollten nur noch Asphaltrouten wählen. Aber darum geht es hier ja nicht.
Tankstopp im Nirgendwo. Futter wäre jetzt schön, aber Restaurants gibt es hier nicht. Dafür bietet die Auslage der Tanke das Nationalgericht der Kneipen und schnellen Gastronomie feil: Toasta Mista. Zwei fingerdicke Scheiben Brot mit knackiger Kruste, dazwischen Berge von geschmolzenem Käse und mehrere Lagen Kochschinken. Macht knapp drei Euro. Abends gibt es dazu das obligatorische nationale Kaltgetränk. Drei Flaschen Bier kosten 2,40 Euro, 23 Prozent Mehrwertsteuer inklusive. Die Reisespeisekarte steht.
Fahrtag 4: Von Alamal nach Moura, 285 km, 40 % Offroad
Heute ist Badetag. Was. Für. Pfützen! Ach was, Krater! Tümpel! Jochens Ducati ist locker bis zur Radnabe weg, die Bugwelle des Nissan schwappt gepflegt bis zur Motorhaube. Crazy shit! Nach der fünften Tauchfahrt sinkt die Hemmschwelle, dass da vielleicht doch irgendwo ein Findling in der schlammbraunen Brühe lauert. Was für eine Gaudi!
Wo kein Wasser steht, wird es mühsam. Die Natur wuchert wild dieser Tage. Teilweise müssen wir anhalten und dornige Äste zur Seite drücken, damit der Nissan passieren kann, ohne sich den Lack bis aufs nackte Blech runterzuraspeln. Mopeds und Auto werden heute mächtig durchgerüttelt. Die Landschaft wechselt merklich beim Übergang von Nord- nach Südportugal. Es wird flacher, ebener, weidelandiger. Wir stehen erstmals vor einem geschlossenen Tor. Kein massives, ein simpler Wildzaun mit Holzpfosten, auch kein Schloss oder Verbotsschild. Trotzdem fragen wir uns unwillkürlich: Dürfen wir..? Einfach so? Geht es wirklich da weiter?
Das legendäre Café Perdigao von Inhacia und Amador Tut es, sagt die App. Also auf, durch, zu und weiter. Vorbei an Kolonien von teilgeschälten Korkeichen, deren Rinde von hier aus in alle Welt exportiert wird. Wir erreichen Rosario, ein 300-Seelen-Nest am Ende der vielleicht schönsten Kurven dieser Tour. Auf dem Fußballfeld grasen Schafe, neben der Trainerbank döst der schwarze Bock dazu. Unser Ziel ist das legendäre Café Perdigao. An der Seite geht es rein durch einen Flattervorhang. Dahinter beginnt die Welt von Inhacia und Amador. Sie ist 88, er 80. Seit 57 Jahren sind die beiden verheiratet. Fast genauso lange betreiben sie ihr „Café“, was so viel mehr ist: Dorfmittelpunkt, Friseur, Barbier, Supermarkt, Elektroladen, Kneipe, Tombola-Veranstaltungszentrum, Altmetall-Sammelstelle – und irgendwie auch Night Club. Klopft jemand nachts um elf, kriegt er den gewünschten Drink und ein paar warme Worte. Wir belassen es bei einer Rasur (zehn Euro), einer Bartpflege (fünf Euro) und einem Haarschnitt (zehn Euro), dazu Espresso für einen Euro. Wären wir gestern gekommen, hätten wir warten müssen: Donnerstags machen die beiden ihren heiligen Nachmittagsspaziergang. „Einmal die Woche muss das sein, wir brauchen ja auch mal Zeit für uns“, grinst Inhacia.
Fahrtag 5: Von Moura nach Cacela Velha, 245 km, 65 % Offroad
Letzter Tag, unfassbar, schon? Als hätten sie sich den Höhepunkt für heute aufgespart, schickt uns der ACT Portugal heute über grandiose Bergstraßen und durch unfassbar schöne, teils dramatische Landstriche. Höhepunkt: die seit über 50 Jahren stillgelegte Mine von São Domingo. Eine Alienlandschaft, die in allen Farben dieser Welt schillert. Und wo man gar nicht so genau wissen will, was für Chemikalien hier einst verwendet worden sind beim Kupfer-Erz-Abbau. So ein bisschen treibt uns der Ehrgeiz, zur Kirche in Cacela Velha zu kommen. Der berühmte Aussichtspunkt markiert das Ende der Reise. Heute ist das Dorf ein kleines Museum, früher war der Weiler an der Küste der Algarve ein gefürchtetes Piratennest.
Höhepunkt des 5. Fahrtages: die seit über 50 Jahren stillgelegte Mine von São Domingo Ein bisschen Wehmut breitet sich aus. Der ACT Portugal holt dich komplett raus aus deinem Alltag. Spätestens nach einem Tag geht es nur noch ums Biken, nichts anderes. Biken auf grandiosen Strecken, die zumindest ich in Portugal so gar nicht erwartet hätte. Mal wähnst du dich im australischen Outback, dann im kambodschanischen Dschungel, einen Tag später pflügst du gefühlt durch die Provence. Essen und Trinken kostet abseits der Touripfade einen Bruchteil dessen, was man hierzulande auf den Tisch legt. Die Strecken sind alle problemlos zu meistern, selbst Enduro-Anfänger sollten mit ein bisschen Selbstvertrauen alle Passagen meistern. „Easy“, wie Filipe zu sagen pflegt. Und darum auch mit einem 4×4-Auto machbar, was Fahrer- und Fahrzeugwechsel ermöglicht, was durchaus seinen Charme hat. Dann und wann braucht so ein Hintern ja auch mal was Breites zum Daraufsitzen. Rund 1.250 Kilometer misst der Track, hält man sich sklavisch an die Route. Wählte man die direkte Strecke von Braganca nach Cacela Velho, wären es 787 km, Fahrzeit laut Google Maps 10:21 Stunden. Mit Anfahrt ab Lissabon und Rückweg über die Küste haben wir rund 2.200 Kilometer abgerissen in einer Woche. Jeder Einzelne war es wert.
Motorradtour Portugal - Einmal quer durchs Portweinland – Infos
Einmal von Nord nach Süd, 1.250 km durch das Portweinland und das abseits der Straßen – mit unseren Ducati Desert Sleds ein pures Abenteuer. Atemberaubenden Landschaften und purer Fahrspaß stehen auf dieser Tour an oberster Stelle.
Allgemeine Infos
Die Adventure Country Tracks (ACT) von Touratech kombinieren die interessantesten Motorradstrecken mit atemberaubenden Landschaften und purem Fahrspaß, sind perfekt ausgearbeitet und lassen sich innerhalb eines ganz normalen Urlaubs bewältigen – 100 Prozent konzentriertes Abenteuer! Sorgfältig ausgearbeitete Routen führen durch die schönsten Regionen Europas. Kleiner Wermutstropfen: Die ACT Portugal kann man aus Versicherungsgründen nicht mit lokalen Miet-Motorrädern fahren, sagt Touratech. Man muss also sein eigenes Bike mitbringen. Gleiches gilt für 4x4-Fahrzeuge.
Anreise
Der Weg ist das Ziel – das gilt auch für die Fahrt nach Portugal auf eigener Achse. Von Deutschland aus geht es am schnellsten via Frankreich (Metz – Châlons-en-Champagne – Troyes – Tours – Bordeaux – Biarritz) und Spanien (San Sebastian – Valladolid) nach Braganca (1.930 km ab Frankfurt). Auf der Strecke werden Mautgebühren fällig. Tanken in Portugal möglichst abseits der Autobahnen: Auf der „Autoestrada” kostet der Liter Super bis zu 20 Cent mehr.
Beste Reisezeit
Der beste Zeitraum für eine Reise durch Portugal ist im Frühling oder Herbst. In dieser Jahreszeit ist das Wetter in ganz Portugal sehr angenehm, zwischen 18°C und 25°C.
Verpflegung
Die traditionelle Küche basiert auf großer Fisch- und Meeresfrüchtevielfalt, Fleisch, Gemüse, Reis und Kartoffeln. Eintöpfe und Suppen finden sich auf jeder Speisekarte. Zur Zubereitung der Speisen wird reichlich Olivenöl verwendet. Zu den kleinen kulinarischen Spezialitäten gehören die Petiscos.
Für die große Fahrt und kleine Abstecher. Die MARCO POLO Länderkarten mit leicht lesbarer Kartografie, in der durchgängig landschaftlich schöne Strecken und Orte markiert sind. Schon in der, im Kartendeckel befindlichen, ausklappbaren Übersichtskarte sind die schönsten Orte mit Marco Polo Highlight-Sternen, sowie gelben oder grünen Markierungen unterlegt, um unterwegs auch wirklich nichtsmehr zu verpassen. Die wichtigsten Ballungsraumkarten und Citypläne in den Karten sorgen zusammen mit dem praktischen Zoom-System für die beste Orientierung auch in den Städten.
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