M&R-PlusRoadtrip Amalfiküste – Alla Vita! Auf das Leben!

Ride 70s veranstaltet großartige Roadtrips auf Kult-Motorrädern der Siebzigerjahre. Wir waren an der Amalfiküste. Auf einer BMW R 90 S. In bester Gesellschaft.
Roadtrip Amalfiküste – Alla Vita! Auf das Leben!
Roadtrip Amalfiküste – Alla Vita! Auf das Leben! Hach, endlich! Eine BMW R 90 S wollte Autor Ralf Bielefeldt schon immer mal fahren. An der Amalfiküste war es endlich so weit. Dieses Exemplar in „Daytona Orange“ stammt aus dem Jahr 1975. Bis auf ein kurzes Tropfintermezzo der Dellorto-Vergaser überzeugte die saucoole „Strich Sechs“ uneingeschränkt
18 Bilder
Fabio Affuso, Rachel Billings, Mykola Romanovskyy
Amalfiküste. Allein das Wort weckt Sehnsüchte. Nach Meer, das bis zum Horizont in der Sonne funkelt. Nach kunterbunten Häusern, die sich an steilen Hängen stapeln wie Legosteine. Nach großen Schüsseln mit dampfender Pasta, garniert mit passierten Tomaten, frisch erlegten Meeresfrüchten und am Tisch gehobeltem Parmesan. Dazu eiskalter Vino bianco. Salute, dolce vita! Es lebe das süße Leben in „Bella Italia“!

Hach ja. Positano, Praiano, Amalfi,
M&R-Plus
Salerno. Können Städtenamen schöner und italienischer klingen? Ich wollte da immer schon mal hin, habe es aber irgendwie nie geschafft. Und dann das. Eine Einladung per E-Mail. „Lasst uns das Leben und die Freundschaft feiern! Mit einer höllisch schönen Tour! Wir fahren mit unseren klassischen Motorrädern vom Vesuv nach Sorrent, an die Amalfiküste, in den außergewöhnlichen Cilento-Nationalpark und dann zurück in die Jahrtausende alte Stadt Neapel, wo wir eine gute alte Abschlussparty feiern!“ Eine Reise voller epischer Straßen, unglaublicher Landschaften und köstlicher Speisen soll es werden. Weinerlebnisse, Kulturerbe, schöne Hotels, schwimmen in versteckten Buchten und natürlich feiern. Und fahren! Start in Italiens drittgrößter Stadt, dann das malerische Küstenjuwel Kampaniens entlang, ab ins verwunschene Hinterland und schließlich mit Blick auf den Golf von Neapel wieder retour. Fantastico!

Verwegene Zeitreise in die Ära der Kickstarter

Ride 70s Flotte
Modellschau: Im Innenhof des „Relais Casa Raiola“ in Ercolano wartet die Ride-70s-Flotte auf die Teilnehmer. Hier zu sehen (von links): Moto Guzzi 850 Le Mans (Baujahr 1976), Harley-Davidson Aermacchi 350 SS (Bj. 1975), Honda CB 500 Four (Bj. 1971), Norton Commando Fastback (Bj. 1971), Triumph Bonneville T120R (Bj. 1969), Ducati Scrambler 350 (Bj. 1971), Yamaha XT 500 (Bj. 1981)
Absender der verheißungsvollen Einladung sind Fabio Affuso und Pietro Casadio Pirazzoli, die Köpfe hinter Ride 70s, einem italienischen Tourenanbieter, der ausschließlich auf Bikes aus den Siebzigerjahren unterwegs ist (siehe Motorrad & Reisen 118). Ein exklusives, im wahrsten Sinne unvergessliches Erlebnis. Eine bestens organisierte und dennoch grandios verwegene Zeitreise in die Ära der Kickstarter, Trommelbremsen und launischen Motoren. 16 ikonische Maschinen haben die beiden derzeit in ihrer Ride-70s-Flotte. Laufen die Kultbikes von Herstellern wie Laverda, Moto Morini, Ducati, Honda, Triumph und BMW Motorrad wie gewünscht, reitest du auf ihnen direkt in den siebten Himmel der Zweiradkultur.

Probleme? Löst Pietro im Handumdrehen

Aber wehe, sie mucken rum, die Feuerstühle der 1970er: tropfende Vergaser, schwarze Wolken aus dem Auspuff, Zylinderausfälle, gerissener Gaszug … Lappalien aus der Sicht erfahrener Schrauber. Alltag für die Besitzer alter Motorräder. Aber als Oldie-Rookie und Techniklaie glotzt du rammdösig auf den Chrompatienten und kannst nur hoffen, dass Pietro nicht weit ist. Der schlaksige Mittfünfziger kann jedes seiner Bikes blind zerlegen und wieder zum Laufen bringen. Manchmal hilft schon ein Blick von ihm. Oder ein kurzes Handauflegen. Weiß der Henker, wie er das anstellt. Sollte überraschenderweise nichts von beidem helfen, öffnet er die Seitentür des Begleitvans und fischt das benötigte Ersatzteil heraus. Problem erkannt, Problem gebannt.

Generalprobe für die 2025er-Tour

Kennenlernen
Briefing am (leeren) Pool – entspannter kann der erste Fahrtag der Amalfi-Tour von Ride 70s kaum beginnen. Nach einer kurzen Streckenbesprechung heißt es: Alle auf die Maschinen – los geht's!
Fünf Fahrtage und rund 650 Kilometer sind für unseren „Spring Raid“-Roadtrip an der Amalfiküste angesetzt. 2025 wird die Tour offiziell ins Programm von Ride 70s aufgenommen und kann frei gebucht werden; wir sind quasi die Generalprobe. Geladen dazu: begeisterte Biker aus aller Herren Länder. „Friends & Family“ der Ride-70s-Macher aus England, Deutschland, der Schweiz, Italien, der Ukraine, den Vereinigten Staaten und den Arabischen Emiraten. Beim Auftakt-Lunch in Neapel trifft sich im wahrsten Sinne ein bunter Haufen von Benzin-Aficionados zum gemeinsamen Amalfi-Ride. Drei Frauen sind dabei und gut ein Dutzend Kerle. „Normalerweise sind die Gruppen eher halb so groß“, sagt Fabio. Aber beim Season-Opener können es auch mal ein paar mehr sein.

Nachtlager am Fuße des Vesuv

Die erste Nacht verbringen wir im Relais Casa Raiola in Ercolano, ein mondänes Anwesen hinter einem schlichten grünen Tor. Vom Garten schweift der Blick über Teile der 30 Kilometer breiten Bucht vor Neapel bis rüber nach Capri. Besitzer Chicco freut sich jeden Tag über den Baustopp, den die Granden der Stadt über das Gebiet zu Füßen seines Elternhauses verhängt haben. „Unverbaubarer Blick, dem Vesuv sei Dank“, sagt er und lacht. Solange der 1.281 Meter hohe Vulkan aktiv vor sich hin brodelt, darf in gewissen Regionen nicht neu gebaut werden. 1944 ist der über 17.000 Jahre alte Vesuv zum bislang letzten Mal ausgebrochen. In jüngster Zeit kommt es immer wieder zu kleineren Erdbeben, seismologisch kein gutes Omen mit Blick auf den verheerenden Ausbruch, der im Jahr 79 nach Christus für Tod und Verderben sorgte. „Tutto facile“, alles easy, gestikuliert Chicco italienisch gelassen. Ihm kann es eh schnuppe sein: Drüben auf Capri besitzt der Privatier ein weiteres Anwesen im Stil der Casa Raiola. Er selbst lebt in einem Stadtpalais in Rom und schaut nur ab und zu mal nach dem Rechten in seinem neapolitanischen Airbnb-Träumchen.

Zuschlag für die BMW R 90 S

BMW R 90 S
Hach, endlich! Eine BMW R 90 S wollte Autor Ralf Bielefeldt schon immer mal fahren. An der Amalfiküste war es endlich so weit. Dieses Exemplar in Daytona Orange stammt aus dem Jahr 1975. Bis auf ein kurzes Tropfintermezzo der Dellorto-Vergaser überzeugte die saucoole „Strich Sechs“ uneingeschränkt
Sauber aufgereiht erwarten uns die Seventy-Beauties im Innenhof von Chiccos Refugium. Freie Auswahl ist angesagt. Ich entscheide mich für die BMW R 90 S in Daytona Orange, Baujahr 1975. Fünf Jahrzehnte hat das bislang einzige deutsche Schmuckstück im Fuhrpark bereits auf seinen Speichenrädern, unfassbar. Exakt 17.465 Einheiten wurden vom Spitzenmodell der „Strich-Sechs“-Baureihe produziert, weiß Wikipedia. Pietro hat bereits ein zweites Exemplar im Visier. Vorn packt dankenswerterweise bereits eine Doppelscheibenbremse zu. Das weckt Vertrauen und versprüht einen Hauch von Moderne, gleiches gilt für den Startknopf; Ankicken ist nicht so meins. Der Zweizylinder-Boxermotor leistet 67 PS und 76 Nm. Mit 200 km/h Spitze war die BMW R 90 S eines der schnellsten Serienmotorräder ihrer Zeit. Italienische Wettbewerber wie die knallrote Laverda 750 SF (Baujahr 1973) lässt sie locker hinter sich. Einzig die schlanke Moto Guzzi 850 Le Mans (Baujahr 1976) und ihre kleine Schwester 750 S (Baujahr 1974) können an guten Tagen mithalten. Und natürlich die pfeilschnelle 900er Kawasaki Z1 (Baujahr 1975). „Die läuft locker 210 und mehr“, raunt Fabio.

Eingrooven auf dem Vesuv

Ride 70S Gruppe
Alle da? Allgemeines Sammeln vor einer kurzen Autobahnverbindungsetappe
Bevor es zum Abendessen in einen Fischtempel geht, steht eine kurze Panorama-Ausfahrt auf dem Programm: rauf zum Vesuv, Neapel von oben bestaunen, bei zunehmender Dunkelheit. „Macht euch mit den Maschinen vertraut“, rät Pietro bei der technischen Einweisung, „morgen wird ein langer Tag.“ Zudem droht Regen. Und das nicht zu knapp. Meine BMW springt sofort an. Nach wenigen Gasschüben kann der Choke wieder rein, der Boxer läuft tadellos. Von den Lastwechselreaktionen des Kardanantriebs, vor denen mich manche Kollegen warnten, ist weniger zu spüren, als ich befürchtet habe. Nach wenigen Straßenzügen sind wir eins, meine Ride-70s-R und ich. Das kann man allerdings nicht von allen Paarungen behaupten: US-Boy „Bill“ beispielsweise hadert mit dem leicht verölten Schalthebel der Guzzi Le Mans, der seine nagelneuen Red-Wing-Boots – genau genommen den linken – im Minutentakt altern lässt. Rachel aus England müht sich, die Bedienlogik ihrer Ducati Scrambler 450 (Baujahr 1972) zu verinnerlichen: Fußbremse links, Fußschaltung rechts, 1. Gang nach oben. Der Ukrainer Myk muss bei jedem Stopp seine XT 500 neu ankicken. Ihm gelingt das bravourös, anderen bei ihren Bikes nicht. Also eilt Pietro herbei. Ein Kick, dann läuft’s – ganz gleich, welches Modell. Für mich die pure Magie. Genau wie der Blick übers nächtliche Lichtermeer Neapels.

Ohrenbetäubender Start

Tankstelle
Sprit fassen! Wer in Italien selber tankt, spart bis zu 20 Cent pro Liter
Frühstück im Gewölbekeller. Wie gemalt fällt durchs einzige Fenster ein Sonnenstrahl auf die endlos lange Tafel. Der Tag könnte kaum besser beginnen, was auch an den famosen Croissants liegt. Und natürlich am Cappuccino, der nie und nirgends besser schmeckt als morgens in Italien. Um 10 Uhr haben die letzten Ride-70s-Jünger ihre Maschinen durchs Eingangsportal auf die Straße geschoben. Wir brechen auf. Spätestens jetzt dürfte selbst der schwerhörigste Anwohner der Via Gabriele d’Annunzio wach sein: Der Sound der 70s-Flotte ist ohrenbetäubend. Und leider geil. Wo immer wir in den nächsten Tagen aufschlagen, sind uns die Blicke und die ungeteilte Aufmerksamkeit aller sicher. Erster Beweis dafür ist die nahegelegene Tanke, wo alle Teilnehmer noch mal Treibstoff in ihre Stahltanks füllen. Kaum rollen wir an die Zapfsäulen, scheint die Zeit stillzustehen. 15 chromblitzende alte Bikes auf einmal – so etwas gibt es wirklich nicht alle Tage auf der Straße zu sehen, nicht einmal im Zweirad-Mekka Italien.

Hauptsache trockene Füße

Küstenstraße
Sie kann auch düster sein, die eigentlich pastellbunte Amalfiküste. Am ersten Fahrtag wartete jede Menge Regen auf uns. Allgegenwärtig: die steilen Berghänge entlang der berühmten Küste
Rund 100 Kilometer liegen heute vor uns. Klingt übersichtlich, zieht sich aber enorm. Nach einer schnellen Autobahnetappe biegen wir auf die malerische Küstenstraße Strada Statale 145 ab. Und dann setzt der Regen ein. Erst leicht, dann immer heftiger. Das war es dann mit der erhofften Postkartenidylle. Unter einem Felsvorsprung streife ich meine Regenklamotten über. Die Hälfte des Trosses tröpfelt an meinem steinernen Schirm vorbei – pitschepatschenass auf einer pickepackevollen Straße. Ich lasse mir gut behütet Zeit und versuche, dem steingrauen Meer und der dramatischen Wolkendecke etwas abzugewinnen. Aber seien wir ehrlich: Im strömenden Regen ist keine Küste schön. Auch Kurven verlieren ihren Reiz – und seien sie noch so perfekt in die Landschaft gefräst. Zeit für einen Espresso macchiato im nächstbesten Café. Noch sind die Füße trocken.

Futtern wie bei Muttern

Scampi
Sooo lecker: Sardellenfilets in Öl dürfen nicht fehlen, wenn in Italien Antipasti gereicht werden
Essen ist heilig in Italien. Erst recht an der Amalfiküste. In den Sechzigerjahren haben Restauranttester hier den ersten italienischen Stern vergeben. Heute ist die Sterne-Restaurant-Dichte nirgends im Land größer. Famos speisen kann man aber auch in nahezu allen Trattorien, die auf dem Weg liegen. Bei den Ride-70s-Touren wird daraus jedes Mal ein kulinarisches Event, am ersten Fahrtag zum Beispiel in der Trattoria San Gennaro in Praiano, hoch über dem Meer.
Gemeinsames Essen
Mittagessen in der Sonne: Die Trattoria San Gennaro in Praiano begrüßte uns mit herrlichstem Sonnenschein. Spezialität des Hauses: Pasta con Vongole – Nudeln mit Venusmuscheln
Vorspeisenplatte für alle, diverse Pasta-Kreationen mit Muscheln und Scampis, Dolce (Süßes) hinterher und Espresso – ein Ritual. Tagsüber draußen, abends meist drinnen. Viva la socializzazione – es lebe die Geselligkeit. Am späten Nachmittag checken wir im Appartement-Hotel Limoneto di Ercole ein, oberhalb des kleinen Küstendorfs Erchie mit seinen zahlreichen Stränden. Jetzt erst mal ein Birra!

Ab ins Landesinnere

Grotta di San Michele Arcangelo
Pilgerstätte in Tufo: Die Grotta di San Michele Arcangelo, eine Art Felsen-Kathedrale, ist eine der ältesten religiösen Stätten in Irpinien
Zweiter Fahrtag, wir verlassen die Küste und folgen Fabio ins Hinterland. Erste Station: ein unscheinbares Gewerbegebiet in Battipaglia. Mittendrin: der Mozzarella-Tempel Caseifico Jemma. 2022 und 2023 holte der Spezialbetrieb Platz eins bei Italiens Mozzarella Championship. Der Bufala Campana ist eine Sensation. Wir kaufen so viel, wie wir schleppen können, dazu Wurst und Ciabatta, und besetzen das firmeneigene Picknick-Plätzchen – Brotzeit! Nach der Völlerei keimt der Wunsch nach einem Nickerchen in mir auf, aber keine Zeit. Über Eboli cruisen wir auf klitzekleinen Straßen nach Tufo. Dort befindet sich die Grotta di San Michele Arcangelo, eine Art Felsen-Kathedrale, über 50 Meter lang und eine der ältesten religiösen Stätten in Irpinien. Die eindrucksvolle, natürliche Höhle frühchristlichen Ursprungs wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entdeckt. Bis heute pilgern Gläubige hierher und erbitten Beistand vom Schutzpatron und Namensgeber, dem Heiligen Michael. Vermutlich sprach einst auch der ein oder andere Bewohner von Roscigno bei ihm vor. Allerdings mit mäßigem Erfolg.

Geisterstadt als UNESCO-Weltkulturerbe

Roscigno Vecchia
Malerische Geisterstadt als UNESCO-Weltkulturerbe: Das verlassene Dorf Roscigno Vecchia wird heute vorwiegend von Katzen bewohnt. Wegen eines drohenden Erdrutsches wurden die Bewohner Anfang des 20. Jahrhunderts umgesiedelt
Die Gemeinde Roscigno in der Provinz Salerno fand erstmals im 11. Jahrhundert Erwähnung. Anfang des 20. Jahrhunderts keimte die Befürchtung auf, das malerische Stein-Dörfchen könnte von den umliegenden Berghängen bei einem Erdrutsch verschüttet werden. Zum Schutz der Bewohner wurde beschlossen, das Dorf etwas versetzt neu aufzubauen und die jahrhundertealten Gemäuer zu verlassen. So entstanden Roscigno Nuova und das verlassene Roscigno Vecchia. Eine Geisterstadt, nach wie vor unverschüttet, bewohnt nur noch von Katzen, aber als UNESCO-Weltkulturerbe geschützt vor dem endgültigen Verfall.

In einigen der früher vermutlich durchaus stattlichen Gemäuer stehen noch alte Kommoden und Anrichten, manche Gärten scheinen nach wie vor gepflegt zu werden. Jährlich kommen Touristen und bestaunen den morbiden Charme. Ein kleines Museum im Ortskern zeigt, mit welchen rudimentären Geräten einst die umliegenden Felder bestellt wurden. Ein hartes, entbehrungsreiches Leben, das sich die Bewohner mit selbst angebautem Wein versüßten. Wir naschen abends von den Vino-Vorräten der Familie Salamone. Phillippo, Rosa, Amelia und John betreiben im nahegelegenen Corleto Monforte das „Agriturismo Terra Nostra“. Die hausgemachte Pasta des Landhotels schlägt sogar die fotorealistischen Tattoos von „Dick und Doof“ (Stan und Olli) auf Johns Beinen.

Myriaden von Kurven

Das Aufstehen am nächsten Morgen fällt schwer, aber hey, wir sind zum Motorradfahren hier! Myriaden von Kurven warten auf uns auf den Minipisten, die uns durch den Nationalpark Cilento und das Vallo di Diano führen. Die Ride-70s-Bikes schlagen sich wacker. Jeden Morgen führt Pietro einen Technik-Check-up durch. Irgendwas findet er immer – ein Tröpfchen Öl hier, ein paar Muttern nachziehen dort. Meine BMW läuft und läuft und läuft. Über den Tag bilden sich kleine Gruppen heraus, die das gleiche Tempo fahren. Per GPX-File geht es sicher von Treffpunkt zu Treffpunkt.
BMW R 90 S
Lust auf die Amalfiküste bekommen? 2025 findet die Tour vom 2. bis 7. April statt. Preis pro Teilnehmer: 2.650,-- Euro auf einem Ride-70s-Bike beziehungsweise 2.000,-- Euro mit der passenden eigenen Maschine. On top kommen Anreise, Verpflegung und Sprit
Je länger wir unterwegs sind, desto seltener checke ich meine E-Mails und Posts. Das normale Leben verblasst. Du tauchst jeden Tag ein bisschen mehr ein in den Ride-70s-Groove. Der allgegenwärtige Benzingeruch, wenn du im Pulk fährst. Das Bollern der Auspuffanlagen, wenn alle gemeinsam an einer Ampel losfahren. Die lässige Meute von Lebenskünstlern und Bike-Begeisterten, die du von morgens und abends um dich hast. Das alles ist schon sehr lässig und ultracool. „Diesen Maschinen machen dich zu Gefährten“, sinniert Pietro. „Sie haben Seele und Charakter. Das schafft eine Verbindung – und genau das geht fast allen neuen Bikes völlig ab“, meint er.

Zurück am Meer

BMW R 90 S
Einfach mal fliegen lassen: In der Vorsaison hat man die Küstenstraße auch mal für sich
190 Kilometer gestern, 220 Kilometer heute – das Roadbook, das wir vor dem Tourstart alle zugeschickt bekommen haben, kündigt für den dritten Fahrtag die längste Etappe unseres Amalfi-Roadtrips an. Der kurze Tagesausblick verspricht Fahrspaß vom Feinsten: „Zurück an der Küste fahren wir in nördlicher Richtung entlang der gesamten Cilento-Küste, vorbei an einigen der berühmtesten und schönsten Urlaubsorte Süditaliens: Marina di Camerota, Palinuro, Acciaroli, Agropoli und schließlich Paestum. Nach den aufregenden und herausfordernden Bergen wird dies eine entspannende und gemächliche Fahrt sein mit Stopps für Eis, Schwimmen, Kaffee, Meeresfrüchte-Mittagessen, mehr Kaffee und was immer uns sonst noch einfällt.“ Dann los!

Wir verlassen das heimelige Agriturismo Terra Nostra auf nahezu unbefahrenen Straßen. Über eine Länge von gut 30 Kilometern reiht sich auf der SP142 Kurve an Kurve. Die krumpelige Straße gehört quasi uns; unterwegs treffen wir höchstens mal auf ein paar tapfere Radfahrer, die sich mit ihren Rennrädern über die pickelige Strecke kämpfen. Das Wetter erlaubt sich heute mal wieder den einen oder anderen Schabernack mit uns. Auf die Hitze des Morgens, die unseren britischen Haudegen Chris spontan dazu veranlasste, sich seiner Lederjacke zu entledigen und mit nackten Armen zu fahren, folgt die nächste Regenfront. Bevor es gar zu arg wird, erreichen wir über die SR447 unseren Mittagsstopp, das Küstenstädtchen Marina di Pisciotta. Wir flüchten unter den Baldachin eines der vielen Strandrestaurants. Erst mal ne Nudel. Dann ein, zwei Cafés. Und siehe da: Der Regen gibt auf. Auf langsam abtrocknenden Nebenstraßen cruisen wir nach Castellabate, unser nächstes Nachtlager.

„I borghi più belli d’Italia“

Ausblick
Zimmer mit Ausblick: Die Apartments in der Residenz Matarazzo bieten einen sagenhaften Blick über die Ebene von Castellabate
Castellabate ist mit seinem historischen Stadtkern Mitglied der Vereinigung „I borghi più belli d’Italia“ – die schönsten Orte Italiens. Die Residenz Matarazzo, in der wir schlafen, und die davor liegende kleine Piazza bieten einen fantastischen Ausblick aufs nahe Meer und die umliegenden Hügel. Unsere 70er-Jahre-Maschinen passen perfekt ins leicht morbide Ambiente der 9.000-Seelen-Ortschaft. Im abendlichen Sonnenschein glänzen sie mit dem Kopfsteinpflaster um die Wette. Wir wuchten unser Gepäck in die Apartments und uns selbst auf die Dachterrasse. Kleiner Aperitif, bevor es ins fußläufig gelegene Restaurant geht. Das Feiern soll schließlich auch heute nicht zu kurz kommen. Glückes Geschick: Drei Ecken weiter gibt es an diesem Abend Livemusik. Pogo unter freiem Himmel. Alza la Gamba! Hoch das Bein!

Touristenmagnet Poseidonia

Parco Archeologico di Paestum
Kultur muss sein in Italien: Die ältesten Bauten im „Parco Archeologico di Paestum“ wurden um 600 vor Christus von den Griechen errichtet
Frühstück im Café gegenüber, kurzes Briefing, Gepäck in den Van, aufsitzen. Die Kultur ruft! In der Mittagshitze erreichen wir den „Parco Archeologico di Paestum“, ursprünglich gegründet um 600 vor Christus von den Griechen unter dem Namen Poseidonia. Im Laufe der Jahrhunderte entstanden hier großartige Bauwerke, deren Überreste teils bis heute sichtbar sind, beispielsweise der imposante, um 540 v. Chr. erbaute Hera-Tempel, der Tempel der Athene sowie der Poseidon-Tempel (450 v. Chr.), ein Comitium (Ort für gesetzgebende Volksversammlungen) und ein Amphitheater. Auch die fast fünf Kilometer lange Stadtmauer aus unterschiedlichen Bauphasen und ihre vier Stadttore sind noch recht gut erhalten. Sehr beeindruckend, solange es einem gelingt, die ganzen Souvenirstände auszublenden, die nahezu alle Wege des Geländes zupflastern.

Fahren wie die Italiener

BMW R 90 S
Kerniger Boxermotor mit 67 PS, stylische Halbverkleidung, ikonische Verlauf-Lackierung namens „Daytona Orange“: Die BMW R 90 S ist das bislang einzige deutsche Motorrad in der Flotte von Ride 70s. Nächstes Jahr könnte sie Gesellschaft bekommen von einer R 100 S: „Ich hab' da eine im Auge“, raunt Co-Chef Pietro
In den Sommermonaten herrscht auf der Küstenstraße zwischen Neapel und Salerno dichtes Gedränge. Busse, Lieferverkehr, Autos, Motorräder und Motorroller bahnen sich ihren Weg, immer auf Lücke, immer Stoßstange an Stoßstange. Mittendrin: unzählige Mietwagen mit Touristen, die entweder gedankenverloren die Umgebung bestaunen oder ob des Verkehrs kurz vorm Nervenzusammenbruch stehen. So oder so fahren sie – in der Regel – langsamer und erkennbar gehemmter als die Italiener. Einen Vorgeschmack darauf liefert bereits die gemäßigtere Vorsaison: Zirkelt irgendwo ein Reisebus um eine der besonders engen Kurven, hilft nur improvisieren. Und fahren. Manche lieben das. Andere verzweifeln daran.

Als Motorradfahrer muss man auf der Küstenstraße besonders auf der Hut sein: An den unmöglichsten Ecken taucht plötzlich Gegenverkehr auf – meist affenschnell und gern auf der falschen Spur, nämlich der eigenen. Quasi-Oldtimer wie die Ride-70s-Bikes kommen da technikbedingt schneller an ihre Grenzen: Viele sind nur mit Trommelbremsen bestückt. Die Bremswege sind folglich länger und die Bremswirkung setzt teils unvermittelt ein. Das sollte man immer im Hinterkopf haben, selbst bei den 70er-Bikes mit Scheibenbremse. ABS und Traktionskontrolle gab es damals für Zweiräder noch nicht. Eine gewisse fahrerische Expertise sollte man also mitbringen für die „Once in a lifetime“-Trips der Ride-70s-Boys. Den Rest regeln die Begeisterung und der grandiose Teamgeist, der sich vom ersten Tag an einstellt auf dieser „höllisch schönen Tour“.

Motorradtour Amalfiküste – Alla Vita – Infos

Allgemeine Infos

Die Amalfiküste erstreckt sich an der Westküste Italiens südlich von der Halbinsel Sorrent auf einer Länge von 50 Kilometern. Steil aufragende Felsen, zerklüftete Küsten, pastellfarbene Dörfer, ungezählte Sandstrände – die Perle Kampaniens ist eine der meistbesuchten Urlaubsregionen Italiens. Inseln wie Capri und Ischia liegen quasi vor der Haustür.

Sehens- und Erlebenswertes

Man muss nicht fromm oder gläubig sein, um sich für die römisch-katholische „Cattedrale di Sant’Andrea“ in Amalfi zu begeistern. Der spektakuläre Dom aus dem 9. Jahrhundert thront am Ende einer ausladenden Freitreppe an der Piazza del Duomo, dem Hauptplatz der Stadt, unweit der Marina. Zu Füßen der Kathedrale tobt das Leben. Als wir auf ein Gelato da waren, zog eine Blaskapelle vorbei und sorgte richtig für Stimmung. Bars, Cafés und grandiose Eisdielen rahmen den Platz. Unbedingt befahren sollte man den nahegelegenen Vesuv. Wer weiß schon, wie lange es ihn noch gibt in seiner jetzigen Form? Erst Ende Juli gab es wieder ein Beben der Stärke 4. Speziell nachts bietet der Parkplatz am Ende der einzigen Straße nach oben ein gigantisches Panorama der Metropolregion Neapel.

Unterkunft

Coole Airbnb-Relais, großzügige Apartments, charmante Hotels – die Macher von Ride 70s haben ein Händchen für stilvolle, überraschende Unterkünfte. Geschlafen wird in der Regel zu zweit im Doppelzimmer. Wer vor oder nach der Tour noch ein paar Tage vor Ort bleiben möchte, findet übers Web zahlreiche kleine Hotels direkt am Meer. In der Hauptsaison unbedingt vorab reservieren!

Relais Casa Raiola

Via Gabriele d´Annunzio 28/G
80056 Ercolano, Italien
casaraiolaercolano@gmail.com
www.casaraiolaercolanoluxuryrooms.com

Residenza Matarazzo

Via G. B. Forziati 40 angolo Piazza V. Matarazzo
84048 Castellabate
info@residenzamatarazzo.it
www.residenzamatarazzo.it 

Limoneto di Ercole

SS163, km 42
84010 Maiori, Italien
www.limonetodiercole.com

Routenverlauf

Neapel – Ercolano – Sorrento – Positano – Amalfi - Vietri sul Mare - Battipaglia - Roscigno Vecchia - Corleto Monforte - Moio della Civitella - Palinuro - Marina di Pisciotta - Santa Maria di Castellabate - Agropoli - Paestum - Neapel
  • So lang ist diese Motorradtour: ca. 620 km
  • Der höchste Punkt der Strecke: 831 Meter über NN

Anreise

Auf eigener Achse über die Schweiz und dann am besten ab Genua die Küste entlang bis nach Neapel. Alternativ über Mailand, Bologna, Florenz, Rom. Direktflüge ab Deutschland gibt es je nach Reisezeit und Abflughafen von 49,99 bis 149,99 Euro pro Strecke.

Beste Reisezeit

Spätestens ab April wird es sommerlich in Neapel und an der Amalfiküste – und zwar richtig. Bis zu 30 Grad und mehr kann es schon ab Mai geben. Baden und Wassersport sind wenigstens von Mai bis September angesagt, Städtereisen sollte man sich in den Hitzemonaten Juni bis August eher verkneifen. Im Sommer scheint die Sonne 10 bis 14 Stunden am Tag. Die Wassertemperaturen klettern bis auf 26 Grad. Im Juli regnet es statistisch nur an zwei Tagen, im September an sechs. Nass wird es von November (11 Regentage) bis April (9). Die Winter sind mild (tagsüber 12-17 Grad).

Verpflegung

Pizza, Pasta und Gelato (Eis) schmecken immer in Italien, an der Amalfiküste geht aber auch „Meer“. Das Tyrrhenische Meer versorgt den gesamten Küstenstrich mit fangfrischem Fisch und feinsten Meeresfrüchten. Lokale Spezialitäten sind „Ndunderi“, handgemachte Nudeln aus Ricotta-Käse oder „Scialatielli all’amalfitana“ mit Garnelen, Muscheln, Trüffeln, Muscheln, Tintenfischen, Kirschtomaten, grünen Oliven, Petersilie, Knoblauch und Kapern. Ein Muss, wenn man in der Gegend ist: Mozzarella di Bufala Campana von der Caseificio Jemma (Via Velia, 2, 84091 Battipaglia).

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