Es soll ja eine ganze Menge Motorradfahrer geben, die den Kurvenspaß ganz gern mit vielen Sehenswürdigkeiten verbinden. Alle, die zu jener Spezies gehören, die sind hier richtig. Versprochen!
Eigentlich führt diese Tour gar nicht durch Erfurt – aber sie startet halt nahe der wunderschönen Stadt, in der man sich vor allem die Krämerbrücke anschauen sollte. Wie auch immer, wir fahren von Kerspleben – das gehört zwar schon zu Erfurt, liegt aber noch richtig auf dem Lande – zunächst in östliche Richtung. Diese Tour wird sich dann zu einem Mix entwickeln, der viele wundervolle Kurven, herrliche Landschaften und auch viel Sehenswertes bietet! Dazu gehört leider auch ein Relikt aus der dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte – das KZ Buchenwald. Am besten entscheidet jeder selbst, ob man das sehen muss. Das Konzentrationslager betrieben die Nazis von Juli 1937 bis April 1945 auf dem Ettersberg oberhalb von Weimar als Arbeitslager. Insgesamt inhaftierte man hier rund 250.000 Menschen aus allen Ländern Europas. Die Zahl der Todesopfer wird auf etwa 56.000 geschätzt. Als US-Truppen sich am 11. April 1945 dem riesigen Lagerbereich näherten, kam es zum Aufstand der Häftlinge. Sie entkamen der sogenannten Evakuierung, nahmen 125 der Bewacher fest, öffneten die Tore und hissten die weiße Fahne. Nach Abzug der US-Truppen blieb Buchenwald aber eine Stätte von Gewalt und Mord. Die sowjetische Besatzungsmacht richtete an gleicher Stelle nämlich das Speziallager Nr. 2 ein! Es existierte bis 1950 und forderte weitere 7.000 Todesopfer. Auf dem Gelände des ehemaligen Lagers ließ die Regierung der DDR 1958 die Nationale Mahn- und Gedenkstätte KZ Buchenwald eröffnen. Über die sowjetische Nutzung wurde seinerzeit allerdings geschwiegen. Heute finden sich in der ab dem Jahr 1991 neugestalteten Gedenkstätte Buchenwald viele Ausstellungen zur äußerst grausamen Geschichte des Lagers. Es wirkt auch durchaus ernüchternd, dass in Sichtweite der Stätte, wo Not, Mord und Totschlag regierten, Weimar mit all seiner Kultur Besucher anzieht. Die heute kreisfreie Stadt in Thüringen beherbergt neben der Bauhaus-Universität auch die Franz Liszt-Hochschule für Musik sowie die Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Zum kulturellen Erbe der Stadt gehören neben den Traditionen der Weimarer Klassik um Wieland, Goethe, Herder und Schiller auch das Bauhaus und die Nationalversammlung von 1919, von der sich der Name der Weimarer Republik herleitet.
Das „klassische Weimar“
Das „klassische Weimar“ wurde im Dezember 1998 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Also, wer Weimar besichtigen möchte, nur zu, denn die Tour geht ganz nah an der Stadt vorbei, die 1999 Kulturhauptstadt Europas war. Allerdings sei auch mal darauf hingewiesen, dass alle, die sich nicht so für Kultur interessieren, auch auf ihre Kosten kommen. Jeder sollte sich halt die eigene Dosierung in Sachen Sehenswertem selbst verordnen. So kann man Buchenwald sowie Weimar auch einfach mal ignorieren und auf wunderbaren Sträßchen weiter in Richtung Saale fahren.
Die Saale und ihre Landschaften
Der aus dem Fichtelgebirge kommende Fluss formte gerade auch zwischen Jena und Naumburg eine der schönsten Flusslandschaften Deutschlands. Die entdeckte seinerzeit natürlich auch schon Goethe. Schon in den frühen Morgenstunden soll der Dichterfürst im Nebel der Weinberge den Sonnenaufgang erwartet haben. „Weithingestreckte, der belebenden Sonne zugewendete, hinabwärts gepflanzte, tiefgrünende Weinhügel. Aufwärts an Mauergeländern üppige Reben, reich an reifenden, Genuss zusagenden Traubenbüschel“ schrieb er begeistert. Aber es ist ja auch bestens bekannt, dass sich das Universalgenie aus Weimar nicht nur für die schönen Dinge des Lebens begeisterte, sondern sich auch ernsthafteren Themen widmete. Dazu gehörte auch der Naumburger Dom, im Saaletal weithin sichtbar. Das monumentale Bauwerk stammt größtenteils aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und gehört zu den bedeutendsten Bauwerken der Spätromanik. Hier ist also die nächste Gelegenheit, dem Motorrad eine Pause zu gönnen und auf den Pfaden der Kultur zu wandeln. Da könnte man auch einen Mittagsstopp einplanen und sich einen „Naumburger“ gönnen. Für was auch immer man sich entscheidet, die Tour führt nun weiter an der Unstrut entlang. Zusammen mit der Saale markiert sie das nördlichste Qualitätsweinanbaugebiet Deutschlands. Landschaften mit Weinbergen, Steilterrassen, jahrhundertealte Trockenmauern, Weinberghäuschen prägen die rund 760 Hektar große Region, wo schon seit über 1.000 Jahren der begehrte Rebensaft gewonnen wird. Gebietstypisch zeichnen sich die Weine von Saale-Unstrut durch ein feingliedriges und fruchtiges Bukett mit mineralischen Nuancen aus.
Die Weinregion Saale-Unstrut
Muschelkalkverwitterungsböden, aber auch Buntsandstein, Lößlehm und Kupferschiefer sind zu finden. In den Flusstälern sorgen „Wärmeinseln“ für ein besonders mildes Mikroklima. Die Sonne scheint etwa 1600 Stunden im Jahr. Mit rund 500 mm Niederschlag jährlich zählt die Weinbauregion zu den niederschlagsärmsten in Deutschland.
Die Himmelsscheibe von Nebra
Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass der gar nicht weit entfernte Harz quasi als Schutzmauer gegen fieses und kaltes Wetter aus dem Nordwesten Europas dient. Dagegen ist es nicht überliefert, ob die Kelten seinerzeit auch schon die Wetterschattenseite des Harzes schätzten und genau deshalb in dieser Gegend siedelten. Also kurven wir mal nach Nebra, dem Fundort der inzwischen weltberühmten Himmelsscheibe. Das 3.600 Jahre alte Kunstwerk aus Bronze misst 32 cm im Durchmesser und stellt den Kosmos dar. Das einzigartige Zeugnis der Menschheitsgeschichte zeigt die Sonne, eine Mondsichel sowie insgesamt 32 goldene Sterne. Übrigens: Das von den Kelten verwendete Kupfer stammt nachweislich vom Hochkönig bei Salzburg. Das Gold könnte in Rumänien oder Cornwall abgebaut worden sein. Kurzum, die Kelten verfügten schon lange vor unserer Zeitrechnung über weit verzweigte Handelskontakte. Wer also in die Welt der Kelten eintauchen möchte, dem sei ein Besuch der Arche Nebra empfohlen. Das Original der Himmelsscheibe lässt sich dagegen im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle an der Saale bestaunen. Allerdings liegt das nun nicht gerade am Weg, denn hinsichtlich einer gesunden Mischung aus Sehenswertem und Fahrspaß steht nun der Kyffhäuser auf dem Programm. Über den steinalten Höhenzug gleich südlich vom Harz gelegen, führt eine wundervolle Kurvenpiste mit 36 Kehren. Seit Jahren besteht hier die Gefahr einer Motorradsperre, da sie uneinsichtige Zeitgenossen immer wieder als Rennpiste illegal missbrauchen. Man muss sich an dieser Stelle auch mal herzlich bei der Polizei bedanken, die Sorge trug, dass Motorradfahrer hier nicht ausgesperrt wurden. Man hat lediglich einige Verkehrssicherungsmaßnahmen auf und an der alten Bergrennstrecke durchgeführt, die für eine angemessene Sicherheit aller Motorradfahrer sorgen soll. Gut so, denn damit liegt das Kyffhäuser-Denkmal gottlob nicht im Motorradsperrgebiet. So kann man sich dort eine preiswerte Bratwurst gönnen und natürlich auch das Denkmal erklimmen. Der monumentale und 81 Meter hohe Bau wurde 1890 bis 1896 zu Ehren von Kaiser Wilhelm I. errichtet und ist nach dem Völkerschlachtdenkmal in Leipzig und dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica das drittgrößte Denkmal. Hinauf führen 247 Stufen, die Aussicht ist gigantisch. Der Blick fällt nicht nur ins Kyffhäusergebirge, sondern auch zum Harz mit dem Brocken, ins Obstanbaugebiet Goldene Aue und bis hin zum Thüringer Wald im Süden. In genau jene Richtung führt die „Sehenswert-Tour“ nun. Dabei stehen wieder oft kleine Straßen im Vordergrund, der Fahrspaß kommt also nochmals so richtig auf Touren, bevor Kerspleben und damit der Ausgangspunkt dieser wundervollen Tour wieder erreicht wird. Es steht aber zu befürchten, dass es nötig sein wird, diese Runde nochmals zu fahren, wenn man wirklich alles sehen will – vielleicht geht man sie andersherum an!
Motorradtour Saale-Unstrut-Kyffhäuser - Die Sehenswert-Tour – Infos
Allgemeine Infos
Erfurt samt seinem wundervollen Umland bietet unglaublich viele Tourenmöglichkeiten. In Reichweite liegen beispielsweise Harz, Thüringer Wald und Rhön. Aber selbst, wenn man diese Mittelgebirge erst mal nicht ins Visier nimmt, bietet sich diese Sehenswert-Tour für Kurvenfans und Kulturbegeisterte an.
Sehens- & Erlebenswert Diese Roadbooktour begeistert durch die Kombination von Fahrspaß, wundervollen Landschaften und vielen Sehenswürdigkeiten. Allerdings dürfte beim ersten Stopp ein sehr flaues Gefühl im Magen aufkommen, denn dort findet sich das KZ- und späteres Sowjetspeziallager Buchenwald. Gar nicht weit entfernt vom Ort des Grauens bietet Weimar allen Kulturinteressierten ein großes Portfolio. Des Weiteren muss man Naumburg mit dem bekannten Dom erwähnen. Auch sollte man in Nebra wegen der Himmelsscheibe der Kelten stoppen. Monumental erhebt sich obendrein das Kyffhäuser-Denkmal bei Kelbra.
Anreise
Der Startpunkt liegt in Kerspleben nahe der A4 -Abfahrt Erfurt Ost. Von dort folgt man der Osttangente von Erfurt bis zur Abfahrt Kerspleben.
Beste Reisezeit
Da diese Tour nicht in große Höhenlangen vorstößt, kann man den Zeitraum von März bis in den November hinein - je nach Großwetterlage eben - in Angriff nehmen.
Es ist gut zu wissen, wo sich die kulturellen und landschaftlichen Sehenswürdigkeiten befinden. Das Kartenbild der MARCO POLO Karte führt Sie nicht nur zu diesen Stellen, sondern zeigt Ihnen außerdem noch viele andere wissenswerte Details.