Hinter der Türkischen Riviera erhebt sich das mächtige Taurusgebirge als spannendes Winterparadies für Motorrradfahrer, die eine Prise Abenteuer suchen.
Die im letzten Heft (M&R 02/09) schon angekündigt, folgt nun nach dem fantastischen Türkei-Trip in die Antike jener ins absolut beeindruckende Taurusgebirge. Das geht schon deswegen definitiv nicht ohne Guide, weil an der Türkischen Riviera kein brauchbares Kartenmaterial erhältlich ist. Allerdings steht neuerdings für TomTom-Navis eine digitale Türkeikarte zur Verfügung. Die werden wir natürlich in Kürze ausprobieren und dann in einem der nächsten Hefte darüber berichten. Wie auch immer, ohne ortskundigen Guide oder gar allein sollte man im einsamen Taurusgebirge niemals auf Tour gehen. So sind wir also heute mit Mehmet – unserem überaus freundlichen Motorradvermieter aus Kumköy – unterwegs. Anfangs wissen wir zwar in etwa, wo er mit uns hin will, was aber genau dabei auf uns zukommt, ahnen wir nicht.
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Von Kumköy düsen wir also erst einmal flott durch Manavgat Richtung Berge, immer hinter Mehmets blauer Yamaha XT 600 hinterher. Das Tempo sinkt aber bald deutlich, denn die Straße wird schmaler und auch ein wenig ruppiger. Mit den äußerst handlichen Honda NX4 Falcons – an die wir uns inzwischen auch so richtig gut gewöhnt haben, ist das alles gar kein Problem. Vielmehr bieten die nun zahlreichen Kurven, wo man auch immer mal mit der ein- oder anderen Spur Schotter rechnen muss, einen flotten Fahrspaß. Das Motto lautet: Motorrad nicht in die Kurven legen, sondern drücken – so hat man bei diesen Straßenverhältnissen eine bessere Kontrolle. Das gilt auch, als Mehmet plötzlich links abbiegt und uns zu einem römischen Aquädukt führt, das einst Trinkwasser über eine etwa 70 (!) Kilometer lange Strecke von den nahen Bergen ins historische Side transportierte. Ein Teil des antiken Relikts wurde später wohl als Brücke – recht schmal und ohne Geländer – genutzt. Logisch, dass Mehmets Tour genau da entlang führt. Für uns fühlt sich das an wie ein Hochseilakt an, und genau hier hat das Motorrad-Abenteuer Taurusgebirge begonnen. Unser Guide will mit uns übrigens erst einmal in die Ruinenstadt Lyrbe, dass man auch als Seleukeia kennt, fahren. Um dorthin zu gelangen, folgen wir Mehmet nach Bucakşıhlar. Dort halten wir uns rechts und an der Moschee nochmals rechts. Nun sind es knapp fünf Kilometer zur Stadt, vor der kein Kassenhäuschen steht. Mehmet kennt jede Ecke dort, also ein Rundgang muss sein. Außerdem erzählt er uns die Geschichte der Stadt mit der besterhaltenen Agora (Marktplatz) Kleinasiens. Neue Forschungen deuten allerdings darauf hin, dass die Ruinen zu einer Stadt namens Lyrbe gehören und nicht zu Seleukeia in Pamphylien. Das ist zwar in mehreren geografischen Werken der Antike namentlich benannt, die Geschichte der Stadt liegt aber im Dunkeln. Die Stätte wurde vor rund 40 Jahren von Istanbuler Archäologen erforscht, die als kunsthistorisch wertvollste Funde ein Orpheusmosaik und eine Bronzestatue des Apollon sicherten – heute im Museum von Antalya zu sehen. Lyrbe wird wohl um 300 vor unserer Zeitrechnung gegründet worden sein. Die Fundamente einer byzantinischen Kirche in unmittelbarer Nähe von vier ionischen Säulen an der Nordseite des Marktplatzes zeigen, dass der Ort im Mittelalter noch oder zumindest vorübergehend wieder bewohnt war. Wegen ihrer Plateau-Lage auf einem abfallenden Berghang brauchte die Stadt nur im Süden durch eine - auch heute noch – bis zu einer Höhe von 9 Metern erhaltenen Stadtmauer geschützt zu werden. Außerdem finden sich acht zweigeschossige Ladengebäude, wie sie in ihrer Erhaltung nur aus Pompeji oder Herculaneum bekannt sind. Weiter westlich, heute überwaldet, lassen sich große Thermen erkennen, deren Reste massiver Marmorauskleidungen für den einstigen Reichtum von Lyrbe sprechen. Ach ja, ich vergaß, dass Hin- und Rückweg zur Stadt zur Hälfte über eine Schotterpiste führen, mit einigem losem Geröll und fiesen Wasserrillen garniert. Mehmet meint, dass diese Piste sonst viel besser in Schuss ist. Er will dem Bürgermeister vom nahen Dorf Bucakşıhlar Bescheid sagen – der schickt dann eine Planierraupe. Als wir den Schottertrail wieder runter zirkeln, fragen wir uns allerdings, ob das nun wirklich sinnvoll ist, denn langsam aber sicher gewinnen wir richtig Spaß an dem Ganzen. Mehmet hört es mit Vergnügen. Als nächstes „guided“ er uns in Richtung Green Canyon. Die recht schmale und kurvige Straße dorthin führt kilometerlang an herrlich türkisgrünen Stauseen entlang und verfügt meistens über eine geteerte Oberfläche. Nur die Serpentinenstrecke zur gewaltigen Staumauer des oberen Stausees gehört in die Kategorie recht rüder Staubpisten. Doch die Auffahrt lohnt sich immer, denn der Blick über den See ist einfach nur himmlisch. Man könnte hier auch weiter tief in die Bergwelt des Taurus hinein fahren, erzählt Mehmet, aber da kenne er sich nicht mehr so gut aus. Sein Freund Abdullah wird uns daher am nächsten Tag als Tourguide unterstützen. Im Winterhalbjahr ist er dort nämlich jeden Tag mit seiner Suzuki-Enduro unterwegs und so kennt er dort praktisch jeden Stein. Unsere heutige Tour führt daher am Manavgat-Fluss retour in Richtung Sandstrand. Unterhalb des Staudammes zeigt uns Mehmet noch die Reste einer alten römischen Staumauer, die zur Wasserleitung nach Side gehörte. Wir fahren danach ein Stück weiter und proben den Einkehrschwung. Knackiger Salat, frische saftige Orangen, direkt vom Strauch gepflückte sehr scharfe Peperonis, Fladenbrot und gebratenes Rindfleisch bilden ein leckeres Mahl. Mit einem schon zur guten Gewohnheit gewordenen Verpflegungsstopp beginnt auch der nächste Tag, an dem der Offroadfan Abdullah – wie bereits angekündigt – unser Tourguide ist. Bevor wir nämlich so richtig durchstarten, gibt es einen kurzen Halt auf einem Parkplatz neben der Straße in Richtung Konya. Wir „tanken“ wieder frisch gepressten Granatapfelsaft. „Das gibt Kraft“, grinst Abdullah weise. Der Obstverkäufer zeigt zudem auf einen Berg in der Nähe, der sehr gut erreichbar sei und eine wundervolle Aussicht eröffnet. Das schauen wir uns natürlich an. Wir fahren also auf einem schmalen und zum Teil sehr steilen Schotterweg direkt auf den Gipfel, von wo aus man wirklich eine ganz fantastische Aussicht erlebt. Die reicht vom auch im Dezember badewarmen Mittelmeer hin zu Abdullahs Heimatdorf Ahmetler, unser nächstes Ziel in den Bergen. Kurz danach biegen wir also auf den einzigen Zufahrtsweg dorthin ab. Auf Teer und durch enge Kurven geht es erst einmal weit bergab bis fast auf Meereshöhe. An einer Brücke beginnt dann die Berganpartie. Diese führt zunächst an einem Marmor-Steinbruch vorbei, wo einige riesige Quader des edlen Gesteins zur Abholung mit überdimensionalen Lkws bereitliegen. Kurz danach führt die Straße in eine atemberaubende Schlucht, bevor sie sich wie ein Korkenzieher in die Höhe windet. Abdullah zeigt uns danach sein Heimatdorf, welches in seiner ganzen Ursprünglichkeit einen sehr deutlichen Kontrast zu den neuen und modernen Hotelmeilen am Meer eröffnet. Außerdem beginnt in Ahmetler ein einzigartiges Abenteuer. Wir wählen eben nicht dieselbe Straße zurück, sondern biegen gleich nach dem Dorf rechts ab und landen so im Nullkommanichts in der Einsamkeit des Taurusgebirges. Hier sind wir in Abdullahs Endurorevier, denn Teer gibt es jetzt nicht mehr. Auf Schotterwegen, die teilweise auch für Allradautos sicher nicht mehr zu meistern sind, fahren wir weiter. Etwas später sitzt Abdullah, der mit seiner superleichten Suzuki wieselflink unterwegs ist, in der Sonne und lächelt. Irgendwie kann ich keinen Weg mehr entdecken, sehe seinen roten Flitzer, aber etwas weiter unten direkt an einem kleinen Fluss stehen. Abdullahs Daumen zeigt genau dorthin und er gibt mir lächelnd folgende Worte mit auf den Weg: „Immer am Gas bleiben, im Fluss ist es glitschig. Und nach dem Wasser gleich weiter fahren, denn das alles dort drüben ist nur angespült – da sackt man sonst ein!“ Ah ja! Also, meine NX wird nun fast zum Unterwasserfahrzeug. Das 21“ Vorderrad versinkt zu rund 70 % Prozent im Wasser. Ich lasse den Gasgriff definitiv nicht los und halte die Drehzahl.
Nachdem das Wasser aufhört zu spritzen, wühle ich mich im wahrsten Sinne des Wortes weiter. Es staubt gewaltig. Aber ich finde wieder festen Grund unter den Rädern. Als Nächster kommt Mehmet. Seine Schutzbekleidung besteht unter anderem aus einer Jeans, über die er Protektoren geschnallt hat – definitiv nicht wasserdicht. Er fährt aber völlig lässig mit nach vorn gestreckten Beinen durch das kühle Nass. Abdullahs Flussdurchfahrt ist dagegen nicht so richtig wahrnehmbar. Mit Vollgas fliegt er fast hindurch. Als letzter kommt Rudi dran. Auch er schafft die Wasserdurchfahrt problemlos. Allerdings stoppt er sofort danach und sackt im Trockenen weg. Als er Gas gibt, gräbt er sich noch weiter ein. Mit Abdullahs Hilfe schiebt er die NX auf den nahen Schotterweg. Der führt nun durch eine traumhaft schöne Schlucht (siehe auch vorherige Doppelseite) in Richtung Murtiçi. Bevor wir dort ankommen, steht erst einmal ein Einkehrschwung an. Wir machen Mittagsrast an einer alten Wassermühle, die man nur über eine wahrlich abenteuerliche, schmale und reichlich schwankende Hängebrücke erreicht. „Esst nicht so viel“, feixt Mehmet, „nicht dass die Brücke – die wurde aus Treibholz zusammen genagelt – einstürzt.“ Wir genießen dennoch das zünftige Mahl mit Fladenbrot, Schafskäse, frischem Salat und – natürlich – türkischem Tee, bevor diese Tour und damit unsere Türkeireise zu Ende geht.
Motorradtour Taurusgebirge – Infos
Gleich hinter der Türkischen Riviera erhebt sich das mächtige Taurusgebirge als ein spannendes Winterparadies für Motorradfahrer, die die ein- oder andere Prise Abenteuer suchen.
Allgemeine Infos
Die Türkische Riviera bietet sich - wie auch in Heft M&R 02/09 ausführlich berichtet - als tolles Winterziel für Motorradfahrer an. Aber man muss ja nicht nur am Sandstrand zwischen Antalya im Westen und dem Kap Anamur im Osten bleiben. Das nahe Taurusgebirge bietet erstklassige und vor allem aber frei befahrbare Abenteuerpisten, die man natürlich auch im Winterhalbjahr unter die Reifen nehmen kann.
Anreise
Wer auf eigene Achse zur Türkischen Riviera fahren will, ist lange unterwegs. Das gilt auch, wenn man ab Ancona mit der Fähre nach Cesme fährt. Daher bietet sich das Flugzeug (Sun-Express - eine 50% Lufthansa-Tochter - fliegt ab vielen europäischen Flughäfen nach Antalya) für eine schnelle und bequeme Anreise an.
Beste Reisezeit
Als Motorradsaison im Taurusgebirge sei der Zeitraum von Oktober bis Mai empfohlen. Wer im Meer baden will, sollte den Zeitraum von Oktober bis kurz vor Weihnachten oder den Mai wählen. Der Hochsommer ist dagegen zu heiß zum Motorradfahren.
Verpflegung
In der Türkei stehen das Fleisch von Lamm, Rindfleisch und Geflügel hoch im Kurs. Besonders erwähnen muss man in diesem Zusammenhang das schmackhafte Gemüse und das stets frische Obst. Zwischen September und Dezember wird auf fast allen Obstständen auch frischer Granatapfelsaft angeboten - ein äußerst leckeres Lebenselexier.
GPS-Daten, Karten & Reiseführer passend zur Tour
Als Reiseführer empfehlen wir den Baedeker Allianz Reiseführer "Türkische Mittelmeerküste" (mit Übersichtskarte), Mairdumont, Preis: 19,95 Euro