Irgendwo da drüben müssen Stronsay, Swona, Cava, Hoy und Co. sein. Lauter kleine Inselchen, die zum Orkney-Archipel gehören, ein krümeliger Eiland-Haufen rund 30 Kilometer nördlich des schottischen Festlands. Von den zahllosen Türmen und Erkern des Castle of Mey, so heißt es, kann man die letzte Bastion des Empires vor dem polaren Nordmeer bei klarem Wetter recht gut sehen. Prince Charles könnte das vermutlich bestätigen. Er verbringt an dieser
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Abrisskante Schottlands gern die Wochenenden. 1952, kurz nach dem Tod von Opa König Georg VI., kaufte seine Großmutter das sturmerprobte Gemäuer aus dem 16. Jahrhundert. Sie ließ fließend Wasser installieren und Strom legen. Und verbrachte fortan die Monate August bis Oktober in der malerischen Einöde ihrer schottischen Heimat.
Wo die Liebe hinfällt
Seit Queen Mum anno 2002 ihrem Gatten ins Jenseits folgte, ist es an Enkel Charles, bei einem leicht rauchigen Gläschen Bunnahabhain oder Glenmorangie auf das Erscheinen der „grünen Lady" zu warten. Das liebeskummerkranke Schlossgespenst soll seit ein paar Hundert Jahren durchs Castle geistern. Ihr Vater, der gestrenge 5. Earl of Caithness, hat das arme Mädel auf dem Schlossboden eingesperrt, damit sie sich einen Landarbeiter aus dem Kopfe und dem Herzen schlage. Sie zog einen Sprung in die Tiefe vor.
Bildgewaltiger Roadtrip
Kastellan Miles wird immer ganz weh ums Herz, wenn er diese Geschichte erzählt. Der kernige Kilt-Träger ist einer der Verwalter, die im Auftrag des Queen Elizabeth Castle of Mey Trusts das Anwesen in Schuss halten. Heute hat er zur Abwechslung mal alle Hände voll zu tun, nicht nur, weil Charly-Boy und Camilla in drei Tagen anreisen: Das Schloss unweit von John O' Groats ist der offizielle Startpunkt der Heritage-Rallye „The Great Mile“ – die längste und aufregendste Motorrad-Rallye Großbritanniens, so das Versprechen von Veranstalter Malle London, einem jungen Label für edles Reisegepäck und klassische Accessoires.
Buckelige einsame Sekundärpisten
1.250 Meilen durchs Vereinigte Königreich. Das verspricht mehr als 2.000 Kilometer feinstes Riding. Vom nordöstlichsten Punkt Schottlands bis zum Südzipfel Englands. Anfangs die Küste entlang. Dann durch die Highlands und Lowlands nach Wales und von dort runter nach The Lizard in Cornwall. Fünf Tagesetappen à 320 bis 480 Kilometer Länge sind angesetzt. Wo es geht, führt die Strecke über einspurige, stets gewundene Straßen zweiter oder dritter Güte. Wer sich verfährt – und das tun irgendwann die meisten Teilnehmer –, ist gern auch mal mehr als 500 km am Tag unterwegs. Und das in der Regel auf „inappropriate bikes“– eher „ungeeigneten Maschinen“, weil alt und anfällig und wenig komfortabel. Ausgelegt ist „die große Meile“ auf Motorräder im Heritage-/Vintage-Look. Galionsfigur Robert Nightingale (35), einer der beiden Köpfe hinter Malle London, geht mit bestem Beispiel voran: Er fährt eine urwüchsige hellblaue 1957er Triumph Thunderbird, ein Erbstück seines Vaters. Der 650er Parallel-Twin war zu Lebzeiten ihr kleines Geheimnis: „Don’t tell mum“ – nicht Mutti erzählen, hatte sein Dad ihm immer eingebläut. Die hielt nämlich nichts von Zweirädern. Aber nun: So etwas schreckt echte Haudegen natürlich nicht ab.
Knorrige Bikes, urige Typen
Ältestes Motorrad im Tross ist eine Rudge von 1932, die mangels Zeit allerdings nur zwei Etappen in Schottland begleitet. Nahezu alles an dem Vorkriegs-Bike ist noch im Originalzustand, auch der vom Zahn der Zeit zersetzte Sattel. Ein paar Moto Guzzi und Honda aus den 70er-Jahren sind dabei, dazu zahlreiche Triumph, Norton sowie BMW R65, R80 und zwei bildschöne BMW G/S der ersten Generation. Neue Vertreter der Heritage-Zunft sind unsere BMW R nineT Scrambler, Racer, Urban G/S und Pure – wir starten als Team #BleibEinHeld – sowie ein paar Triumph Thruxton, Bonneville und Street Twin. Plus zwei neue Harley-Davidson Sport Glide für die Sinroja-Boys. Kennern der Custom-Szene dürften die beiden ein Begriff sein: Die Brüder Rahul und Birju betreiben in Leicester eine der angesagtesten Motorrad-Zauberbuden der Insel. Mit Robert und seinem Kompagnon & Cousin Jonathan „Jonny” Cazzola (36) verbindet sie eine langjährige Freundschaft, gewachsen über diverse Messen und Events in und um London. „Ehrensache, dass wir dabei sind”, sagen die Inder.
Neuauflage mit längerer Strecke
2017 lief die Rallye zum ersten Mal, allerdings auf einer etwas kürzeren Route (1.000 Meilen) – und versank komplett im Regen. „Ich habe drei Monate gebraucht, um meine Lederjacke wieder zu trocknen und aufzuarbeiten”, graust es Mark noch heute. Er ist einer der Pioniere, die wieder mit dabei sind. Dieses Jahr fährt er vorsorglich in Wachsjacke. „Schottlands Wetter kannst du nicht trauen, nicht mal im Jahrhundert-Sommer.” Er soll recht behalten. Knapp 50 Fahrer sind zur Rallye angetreten. Die beiden jüngsten Teilnehmer sind gerade einmal 27 Jahre alt, die ältesten sind über 70. Von der jungen Hotelfachfrau über eine Führerscheinanfängerin bis zum ehemaligen Chef von Barclaycard ist alles vertreten. Ein Schnäppchen ist der Spaß nicht: Das Rundum-Sorglos-Paket inklusive Bike-Transport von London nach Schottland und von Cornwall zurück nach London kostet knapp 2.100,-- Euro. Vollverpflegung und Übernachtung im Vier-Mann-Glamping-Zelt sind inklusive, Sprit sowie An- und Abreise kommen obendrauf. Wer auf eigener Achse anreist und im eigenen Zelt schläft, ist mit 1.250,-- Euro dabei.
Tag 1: The Castle of Mey – Torridon Estate, 239 Meilen/385 km
Kurz nach sechs, der erste Handywecker klingelt, ab 6:30 gibt es Frühstück. Leicht eingerostet schälen sich meine Teamgefährten aus ihren Daunendecken.
Kaffee oder Dusche?
Wir schlafen auf bierkistenhohen Kingsize-Luftmatratzen in großen Vier-Mann-Jurten. Glamping vom Feinsten, mit allabendlich wechselndem Betthupferl. Dummerweise funktioniert im angrenzenden Bed&Breakfast-Bau nur eine Dusche.
Die Schlange der Badelatschenträger mit Kulturbeutel unterm Arm windet sich durch den Fuhrpark. Das schenke ich mir dann mal. Das Frühstück wirkt eh einladender: Es gibt warme Croissants und ein unvermutet leckeres Linsengericht. Fürs Catering sorgen heute und an zwei weiteren Tagen die Jungs von The Nomadic Kitchen. Nomadic-Chef Tom Perkins und seine Mannschaft sammeln weltweit Rezeptideen und kochen dann meistens mobil. Während die nächste Kanne Kaffee durchläuft, hetzen die ersten Marshalls an uns vorbei. Sie müssen die insgesamt fünf Checkpoints aufbauen, die wir ab heute täglich ansteuern. Für Craig, der immer die letzte Station vorm Nachtlager besetzt, bedeutet das vier bis sechs Stunden Fahrt – und dann heißt es warten.
Jeder Teilnehmer muss an den Checkpoints sein Rallyebuch vorzeigen und abstempeln lassen. Fein säuberlich werden An- und Abfahrtszeit eingetragen. Das wirkt sehr professionell, dient aber nicht dazu, die besten Zeiten zu ermitteln, sondern soll lediglich sicherstellen, dass jeder die „CPs” passiert hat und keiner verloren geht. Der Weg ist das Ziel, Ankommen die Mission. Aufsteigen, Starten, Losfahren – was auf der BMW R nineT normal ist, ist auf Bikes wie den alten Guzzis die absolute Ausnahme. Jeden Morgen und Abend checken die Fahrer penibel den Ölstand und justieren hier ein bisschen, dort ein bisschen mehr. Ich gebe es zu: wäre nicht meins. Ich bin heilfroh, dass wir uns auf moderne Großserientechnik verlassen können. Langstrecke mit Linksverkehr ist aufregend genug.
Episches Kopfkino
Das Wetter ist unser Freund. Schottland umarmt uns während der ersten drei Fahrtage mit grandiosem Sonnenschein und hochsommerlichen Temperaturen. Das ist hier wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Wir passieren grandiose Landschaften. Die Highlands sind unfassbar schön. Bestes Kopfkino. Und wir mittendrin. Episch beschreibt es wohl am ehesten.
Irrsinnig schön geschwungene Straßen verlieren sich zwischen den schroffen Bergkämmen. Der offenporige Asphalt treibt dir erst den Schweiß auf die Stirn, weil du ihm nicht traust, aber dann belohnt er dich in jeder lang gezogenen Kurve mit tollem Grip. Wir passieren Thurso, Durness, Ullapool, Gairloch. Und erreichen nach rund acht Stunden Fahrt Torridon Estate. Ein märchenhaftes Anwesen am Ende einer kilometerlangen Privatstraße. 1875 erbaut, mit riesigem Park, verwunschenen Bäumen und fast direkt am Wasser. Ein Traum. Und Checkpoint Nummer fünf, unser heutiges Nachtlager.
Privatkonzert und schottische Tapas
Hinterm Anwesen versorgt eine der ältesten Turbinen Großbritanniens sämtliche Gebäude mit Strom. Pete MacLeod, der eigens angereiste Vater der Hausherrin, gibt uns abends eine persönliche Führung. 72 Jahre ist er alt. Aber seine Augen strahlen wie die eines kleinen Jungen, der gerade seine erste Eisenbahn aufgebaut hat, als er uns haarklein erklärt, wie das Teil funktioniert. Seine Tochter Sarah (35) ist Ex-Weltmeisterin auf der „Celtic Fiddle“. Ihr deutscher Ehemann Felix (53) hat das Anwesen vor knapp drei Jahren gekauft. Seitdem haben sie es aufwändig renoviert. Und mit Leben erfüllt. Vier Cottages auf dem 60-Hektar-Besitz vermieten sie an Gäste. Im Haus selbst gibt es 24 Schlafzimmer. Die meisten sind ständig mit Freunden, Musikern oder Gästen belegt. Was für ein Leben. Abends gibt es erst „schottische Tapas” (Garnelen, Bohnen, Tomaten, Hack), dann ein Privatkonzert: Sarah und Felix mit Fidel, Gitarre und Gesang. Erst vorm Haus, dann im Wohnzimmer, gleich neben der riesigen Eingangshalle. An den Wänden hängen großformatige Bilder von Dieter Kaufmann, dem ehemaligen Plakatmaler der „Komischen Oper” in Berlin. „Die habe ich seiner Witwe abgerungen”, sinniert der Schlossherr, der im früheren Leben Musikproduzent in Mannheim war. Besoffen vor lauter Eindrücken sinken wir in unsere Daunen. Was für ein Auftakt.
Tag 2: Torridon Estate – Kelburn Castle/Glasgow, 259 Meilen/417 km
Stromausfall am Morgen, na super. Kaffee? Sorry, kein heißes Wasser for the moment. Dann halt Porridge. Das ist zumindest noch halb warm, weil vor dem Blackout zubereitet. An ruhige Momente nach dem Aufstehen ist heute eh nicht zu denken: Eine üble Horde „midges” (Mücken) hat beschlossen, ihren Tag mit einem ausgiebigen Frühstück im Park des Torridon Estate zu beginnen. Und wir sind das angestrebte Futter. Gestern Abend hätten sie es einfacher gehabt mit der Jagd: Da gab es ein großes, schweißtreibendes Tauziehen im Park. „Real Europeans“ contra „British Brexit-Generation“. Es ging drei zu null aus für die Europäer. Das macht Hoffnung. Nicht nur den Schotten, die mit einem EU-Ausstieg nichts am Hut haben.
Einspurig über Bealach na Bà
Teamabfahrt um 08:46. Es geht ohne größere Umschweife direkt wieder in die Highlands. Auf superengen einspurigen Straßen, die alle 50 bis 100 Meter durch „Passing Places“ erweitert werden – wechselseitig angeordnete Parkbuchten. Wer näher dran ist, weicht aus und lässt den entgegenkommenden Verkehr passieren. Das klappt sehr gut. Meistens jedenfalls. „Passt bloß auf die Wohnmobile auf”, mahnt Robert jeden Morgen beim launigen Briefing. „Die wissen nicht immer, was sie tun.” Wir fahren heute über den „Applecross“-Pass, auf Schottisch Bealach na Bà – die Route der Viehtreiber, vielleicht der Pass der Pässe. Nach 312 Kurven (persönliche Empirik) kommst du an diesem Punkt an, an dem die Welt offenbar nur noch aus hintereinander angeordneten Berggipfeln und aneinandergereihten Kehren besteht. Absolut irre. Magisch. Rau. Demut gebietend. Auf rund acht Kilometern Strecke geht es 600 Höhenmeter in die Tiefe. Mittelerde lässt grüßen. Auch von den Ortsschildern. Wir passieren Kyle of Lochalsh, Bidean Nam Bian, Loch Lomond & The Trossachs.
Vorboten der Zivilisation
Es geht auf und ab, Berge links, Wasser rechts, die Luft riecht nach einem Tag am Meer und Fischen, die in die Pfanne wollen. Dann zeichnet sich langsam ab, was uns die kommenden Tage immer mal wieder erwartet: Städte, zähfließender Verkehr, Ampelstaus. Nach zwei Tagen in den schottischen Highlands sind wir zurück in der Zivilisation, im hektischen Alltag. Und ganz ehrlich: Das braucht keiner, selbst wenn er nicht gerade in Großbritannien eine großartige Rallye fährt. Kelburn Castle, unser heutiges Nachtlager, macht den Kulturschock dann wieder gut. Brasilianische Streetart-Künstler haben Teile des Gemäuers aus dem 15. Jahrhundert mit farbenprächtigem Graffiti versehen. Im dschungelartigen Schlosspark lauern skurrile Skulpturen. Eine holprige Brücke warnt: „Hier lauert der Tod.” Tiefschwarzer Humor. Draußen auf unserem gepflegten Grün grillen die Jungs vom Nomadic-Team Berge von Fleisch. Wir speisen an einer 16 Meter langen Tafel und schauen der Sonne zu, wie sie im Firth of Clyde versinkt und dabei die Halbinsel Kintyre küsst.
Tag 3: Kelburn Castle – Heskin Hall, 269 Meilen/433 km
Schnarchen kann klingen wie ein schlecht eingestellter Leerlauf, gewürzt mit gelegentlichen Fehlzündungen. Wer in dieser Nacht für das Sprotzen und Knattern sorgte, weiß nur der liebe Gott. Aber es muss in fast allen Zelten zu hören gewesen sein, so misstrauisch-amüsiert, wie sich heute Morgen alle anschauen. Den morgendlichen Kaffee gibt es wie den abendlichen Wein aus dem „Great Mile Mug”. Am ersten Rallye-Tag hat jeder Teilnehmer seinen Universal-Emaille-Becher in die Hand gedrückt bekommen. Er dient auch zum „Whisky Pairing”. Jeden Abend gibt es bei Benzingesprächen und Schrauberlatein eine andere Sorte des schottischen Nationalgetränks. Und dazu mal einen Happen Lachs, mal lokalen Käse, mal Karamell. Geschmacksnerventraining auf britische Art.
Härteprüfung Hartknott-Pass
Wir verlassen Glasgow und die westlichen Lowlands im vertrauten Sonnenschein. Anfangs lullt uns die Landschaft mit morgendlicher Langeweile ein. Wir folgen den öden Überlandstraßen A71, A76 und A75 bis ins romantische Hochzeitsparadies Gretna Green – Checkpoint zwei des Tages. Stempel Nummer eins gibt es immer morgens in dem Camp, das man verlässt. Zwei komplette Glamping-Zeltstädte sind während der Tour im Wechsel unterwegs. Wird das eine Camp abgebrochen, steht das andere bereits am nächsten Etappenpunkt. Über Carlisle und Braithwaite erreichen wir den Lake District. Vom Checkpoint Buttermere geht es Richtung Hardknott-Pass. Bis zu 30 Prozent Steigung machen die Römer-Passage aus dem 2. Jahrhundert zu einer der steilsten Straßen Großbritanniens. Im Winter ist der 393 Meter hohe Hardcore-Pfad oft unpassierbar. Geschlossen wegen Eis und Schnee. Die Kehren sind teils so eng, dass man ohne Rangieren nicht rum kommt – weder mit den Bikes, geschweige denn mit dem Classic Mini, unserem Begleit- und Fotofahrzeug.
Herzensbrecher auf Jubiläumsausflug
Das Werks-Cabrio feiert dieses Jahr 25-jähriges Jubiläum. In puncto Stil, Komfort und Leistung passt es bestens zu den Oldie-Mopeds im Tross. Darum hat es sich diesen Geburtstags-Trip redlich verdient. Den Leistungsüberschuss der 110 PS starken nineT-Familie gleicht es mit seinem Gokart-Feeling aus. 63 PS ziehen zwar nicht die Wurst vom Teller, vor allem nicht am Berg, aber die Pferdchen machen echt Laune, vor allem mit geöffnetem Verdeck, und reichen locker für eine muntere Hatz durch die von Mauern und Hecken gesäumten Nebenstraßen von Yorkshire Dale. Zumindest solange man keinen Caravan vor der Nase hat. Oder Urlauber, die sich partout nicht an die falsche Straßenseite gewöhnen wollen und immer in den falschen Passing Place ausweichen, was die Briten rasend macht. Teamintern sind die vier R nineTs natürlich erste Wahl. Die Scrambler punktet mit der entspanntesten Sitzposition und der bequemsten Sitzbank. Die Pure ist mit ihrem kleineren Vorderrad und dem flacheren Lenker radikaler ausgelegt. Die Urban G/S lockt mit der höchsten Sitzposition. Und die Racer, tja, die ist die Überraschung der Tour. Hat man den Bogen erst mal raus, ist sie selbst auf langen Strecken der Hit, trotz der extremen Rennsemmel-Sitzposition. „Das Geheimnis ist, sich auf der Maschine zu bewegen, jede Kurve aktiv anzugehen”, sagt Teamkollege Jochen. „Wenn du das machst, ist die Racer ein Garant für Glücksgefühle.” Soundtechnisch ist sie ohnehin eine Klasse für sich. Und sie ist und bleibt der absolute Hingucker. Einzig die „Snipe”, der spektakuläre Custom-Umbau der Yamaha SR 400 von Stilikone Alex, zieht im Rallye-Fuhrpark und auf den Straßen noch mehr Blicke auf sich.
Tag 4: Heskin Hall – Warren Farm, 297 Meilen/478 km
Der längste Fahrtag. Und das nach dem gestrigen Dilemma: Vollsperrung auf der Autobahn-Verbindungsetappe. Die meisten von uns standen stundenlang im Stau, trotz Benutzung des Mittelstreifens. Wir hatten Glück: Kurz vor Stauende entwischten wir über eine Ausfahrt. Den Rest erledigte die Smartphone-Navigation. Trotzdem waren wir erst gegen 22 Uhr im Camp. Da schliefen die ersten schon. Navigieren ist auf dieser Rallye ohnehin die Königsdiziplin. Das ständige Verfahren und Herumirren in wirren Kreisverkehren zerrt an den Nerven. Teams, die morgens zu viert aufbrechen, kommen abends gern mal in Zweier-Einheiten an. Jeden Tag gibt es eine neue Roadmap. Auf der ist grob der Weg skizziert. Orientierung bieten vor allem die Straßennummern. Genauer geht es natürlich mit der Handy-Navigation. Aber die muckt in GB erstaunlich oft herum – kein Netz. Besser geht es dann mit der guten alten Straßenkarte. Vor allem die Franzosen von Team 11 schwören darauf. Stundenlang, so scheint es, baldowern Jeff, Philip, Stéphane und Frédéric die ideale Route aus. BMW-R80/7-Fahrer David mixt das Ganze: Er schreibt sich die Daten aus der Karte auf einen Smartphone-Dummy aus Metall. Den klemmt er dann in eine spezielle Halterung am Lenker – und navigiert analog.
Nationalpark Snowdonia
Spektakuläres erstes Ziel heute ist Snowdonia, der berühmte Nationalpark von Wales. Durch die sehr unterschiedlichen Motorisierungen und Grundgeschwindigkeiten der einzelnen Teams ist das Feld meist weit auseinandergerissen. Trifft man sich unterwegs oder an den Checkpoints, geht es eine Zeit lang im Konvoi weiter. Diese Rallye macht euch zu Gefährten.
Helfende Hände
Jeder hilft jedem. Mit Tipps und Ersatzteilen. Oder tröstenden Worten, wenn wieder die Ölleitung leckt. Obwohl sie doch gerade erst getauscht wurde. Manchmal wird es aber auch zu viel des Guten. „Ich bin echt erstaunt, wie schlecht hier einige vorbereitet sind”, raunt Peter, einer der beiden Holländer. „Ständig borgt sich einer meinen kleinen Öleinfüll-Trichter. Ich mein, hey, daran kann man doch auch mal vorher denken, oder?” Zumal die Malle-Jungs im Vorfeld ein glasklares Mailing verschickt hatten, was man vorsichtshalber mitnehmen sollte. Vom Moskitonetz bis zum Keilriemen war alles aufgeführt. Turnusmäßig eilt Calum von „deBolex Engineering” bei technischen Problemen zu Hilfe. Mindestens genauso begehrt sind die „Bavarian Twins”, Sepp und Peter, das Support-Team von BMW Classic, das sich um das Wohlergehen des rüstigen Mini kümmert. Schnell spricht sich herum, dass Reparatur-Genie Sepp schon am ersten und zweiten Fahrtag zahllose Breakdowns in der britischen Diaspora verhindert hat. Im Vorbeifahren, sozusagen. Pures Glück für die Liegenbleiber. „Ehrensache”, meint Sepp, selbst Biker mit Leib und Seele. Nachmittags fängt es saumäßig an zu plattern. Das ist er also, der gefürchtete englische Regen. Wäre ja auch zu schön gewesen... Gegen 21 Uhr sind wir endlich im Camp. Mitten auf einem freien Feld bei Cheddar Gorge, Englands berühmtester Felsschlucht unweit der berühmten Käse-Stadt. Es gibt einen Duschwagen. Preiset den Herren. Sechs Warmwasser-Kabinen. Für ausreichend Wasserdruck sorgt ein Generator. Nie war Duschen schöner.
Wacker übern Acker
Highlight des Abends ist ein improvisiertes Stoppelfeldrennen mit einem chinesischen Nachbau der Honda Dax. Das Winz-Bike schlägt sich wacker auf dem Acker. Trotzdem hängen es engagierte Läufer locker ab. Darauf ein Bier. Und noch eins. Und ab ins Zelt.
Tag 5: Warren Farm – The Lizard, 198 Meilen/320 km
Der letzte Tag. Schon? Kaum zu glauben. Die letzten 300 Kilometer werden eine echte Prüfung. Es schifft ohne Unterlass. Auf unzählige Arten. Mal patschen dicke Tropfen aufs Visier, mal nebelt dich feinster Wasserdampf ein, zwei Kurven weiter siehst du die Hand vor Augen nicht vor lauter H2O-Bindfäden. Ohne Regenkombi oder richtig gute Funktionskleidung wärst du in Sekunden komplett durchnässt. Immerhin kommen heute alle heil an. Stuart, der Quoten-Australier im Team, wurde gleich am ersten Tag abgeschossen. In einer Kurve kam ihm ein Auto auf seiner Spur entgegen. Ihm blieb nur der rettende Ritt auf den Grünstreifen. Seine Street Cup ist seitdem rechtsseitig lädiert, seine Schulter und die Gashand schmerzen mehr, als er zugeben will. „Aufgeben ist keine Option”, scherzt er tapfer.
Am frühen Abend erreichen wir The Lizard. Die Malle-Zielflagge weht im Wind. Grau und sturmgepeitscht liegt die Keltische See vor uns. Da drüben hinterm Horizont ist Frankreich. Wir stoppen vor „Britain's Most Southern Café”. Abschlussfoto. Wir kommen uns vor wie Helden. Okay, es war „nur” eine Zuverlässigkeitsfahrt. Es ging nicht um die beste Zeit, den schnellsten Ritt, den Kampf gegen die Uhr. Ankommen war das Ziel. Alle. Und das haben wir geschafft. Wir fallen uns in die Arme. Was für ein fulminanter Ritt. Würden alle Menschen so gut aufeinander aufpassen wie diese Truppe, wäre die Welt ein besserer Ort. Godspeed!
The Great Mile – DVD-Trailer
Motorradtour The Great Mile – 2.000 km durch Großbritannien – Infos
Motorradfahren in den Highlands oder in Cornwall, das ist der Traum vieler Biker. Die Heritage-Rallye THE GREAT MILE verbindet beides: Sie führt vom Norden Schottlands in den Süden Englands. 2.000 Kilometer durch die schönsten und spektakulärsten Ecken Großbritanniens. Wir waren dabei. Mit vier BMW R nineT und einem Classic Mini Cabrio.
Allgemeine Infos
Malle London stellt edles Reisegepäck für Motorrad- und Autofahrer her. Hinzu kommen Gadgets wie Gamaschen und Kartenetuis sowie gebrandete Bekleidung (T-Shirts, Sweatshirts). Die Protektoren-Wachsjacke „Expedition“ überzeugt mich mit durchdachten Details: In den seitlichen Taschen befinden sich „Haltegriffe“ für den Sozius; so bleiben die Hände des Beifahrers warm und er hat konstant Kontakt zum Fahrer. Neben der Zuverlässigkeits-Rallye „The Great Mile“ veranstaltet Malle London seit 2015 jährlich „The Malle Mile“, eine Art Mini-Glemseck in Kevington Hall bei London.
Nachfahren Auf eigener Achse kommen ab und bis London rund 4.000 Kilometer zusammen. Dafür sollte man sich Zeit lassen. Zehn bis 14 Tage sollten es schon sein. Wer Abstecher in die zahlreichen schottischen Whisky-Destillerien plant, kann getrost noch ein paar Tage draufschlagen.
Anreise
Möchte man mit dem Motorrad nach Schottland reisen, bietet sich die Überfahrt mit einer Fähre an.
Beste Reisezeit
Von Juni bis September ist die Wetterprognose am besten. Regen ist in Schottland, Wales und England jederzeit möglich. Adäquate Bekleidung und mindestens ein paar Handschuhe zum Wechseln sind Pflicht.
Auf den schönsten Routen und Single Tracks durch Schottlands Highlands - von den Grampian Mountains über den Whisky Trail - zum legendären Loch Ness
Ein Landschaftserlebnis der...
Eine wunderbare Kulisse für eine Motorradreise – wenig befahrene Küstenstraßen und abwechslungsreiche Routen durch karge Berglandschaften! Die schroffe, immer wieder von kleinen...
Karg und schön: das Hochland und die Inseln von Schottland!
Fast jeder Motorradenthusiast hat diese Tour auf der „To-do-Liste“: Einmal auf zwei Rädern...