M&R-PlusTraumtour für Reiseenduros: Tschechische Grenze

Reiseenduro-Fans aufgepasst! Die Tour, die Rudi Malis und Frank Klose hier vorstellen, gehört sicher zum Besten, was man in dieser Kategorie unter die Reifen bekommen kann.
M&R Archiv
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Dabei führt sie zum großen Teil durchs Niemandsland auf der tschechischen Seite der Grenze zu Deutschland entlang und besticht durch kleinste und allerkleinste Straßen. Die gehören garantiert nicht zu den glatt gebügelten und sportlertauglichen Pisten – und so gibt es Reiseenduro-Spaß pur.
„Wir ha­ben frei – also auf zur tschechischen Gren­ze!“, freut sich Frank am Telefon: „Wollten wir doch schon seit Jahren machen!“ „Recht hast Du – also nichts wie los.“ Gesagt, getan, und schon dü­sen wir nach Lössnitz zu unserem Freund René Bernhardt. Er ist der dortige KTM-Händler und wir mieten bei ihm zwei Adventure S – garantiert genau das Richtige für die kleinen und mitunter auch etwas holprigen Straßen, die im Nachbarland Tschechien auf uns warten.
Fichtelberg
Fichtelberg
Fix wird das Gepäck auf den orange-blauen Spaß-Motorrädern verstaut und schon geht’s los. Zunächst pfeilen wir stets bergan in Richtung Oberwiesen­thal. Die satten Kurven im wunderschönen Erzgebirge machen gleich mal richtig viel Spaß und obendrein schnuppern wir bald eine ordentliche Prise frischer Bergluft auf dem rund 1.200 Meter hohen Fichtelberg. Aber nicht nur das, denn dort oben erleben wir eine grandiose – weil nahezu dunstfreie – Aus­sicht, die fast bis in Tschechiens Haupt­stadt Prag hinein reicht. Von Oberwiesenthal aus könnte man bezüglich Kultur übrigens eine gemütliche Tagestour in die „Goldene Stadt“ starten.
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Der nächste Morgen beginnt ein wenig gruselig. Dichte Wolkenmassen hüllen Keilberg und Fichtelberg – die beiden höchsten Gipfel im Gebiet – ein. Einen Moment zögern wir: „Sollen wir wirklich losfahren?“ Frank entdeckt bei einem zweiten Blick nach draußen einen hellen Fleck am Horizont: „In diese Richtung müssen wir und dort ist das Wetter bestimmt besser!“ Also los geht’s. Über das tschechische Boži Dar, das früher einmal Gottes Gab hieß, suchen wir unseren Weg. Und der führt fast im­mer ganz dicht an der Deutschen Grenze entlang. So kommen wir in eine landschaftlich einmalige Szenerie, die uns mit ihren Hoch­mooren an Skandinavien erinnert. Dazu passen Vegetation, Einsamkeit und über uns hinweg wehende Wolkenfetzen, in denen sich allerdings auch schon die ersten Sonnenstrahlen des Tages spiegeln.
Nahe der tschechischen Gren­ze finden sich Schotterpisten wie bei Tachov
Nahe der tschechischen Gren­ze finden sich Schotterpisten wie bei Tachov
Die im Moment noch feuchte Straße wird aber weiter südlich immer trockener. Gut so, denn als wir nach einer kurzen Pause in der Nähe von Tachov weiter fahren wollen, endet plötzlich der Teer. Frank hat die Angaben seines Navis falsch ausgelegt. Vor uns eröffnet sich also eine superschmale Schot­terpiste, die etwas weiter nur noch aus zwei tief ausgefahrenen Fahrspuren besteht. Was soll’s – wozu sind wir mit den Adventures unterwegs. Außerdem treffen wir am Abend zwei uns wohlbekannte Motorradmädels, die auf ihrem Weg von St. Peter Ording nach Bernried ihr Navi ebenfalls ein wenig zu großzügig interpretierten.
Einsamkeit an der deutsch-tschechischen Grenze
Einsamkeit an der deutsch-tschechischen Grenze
Sie wundern sich schon, dass sie weit und breit die beiden Einzigen auf der fun­kelnagelneuen Autobahn südlich des Harzes waren. „Unglaublich. Schlafen die hier alle noch? Es ist gleich Mittag“, rufen sie sich ungläubig per Helmfunk zu. Abends erfahren sie allerdings den höchst plausiblen Grund für ihre Einsamkeit: Der A 38-Neubauabschnitt zwischen Sanger­hausen und Halle-Süd war zu diesem Zeitpunkt noch nicht für den öffentlichen Verkehr freigegeben!
Ein lang gezogenes „Ooooh …“ in Kombination mit einer gesunden Gesichtsfarbe ist die Antwort und dann wollen sie lieber mit uns – nicht, dass das mit der Autobahn noch irgendjemand mitbekommt – über unsere Grenztour reden. Frank erzählt also von Dörfern, die zum Teil nur aus drei bis vier Häuser bestehen: „Meist, haben wir keine Menschseele gesehen und höchstens alle halbe Stun­de kam uns ein Auto entgegen.“ Er lacht und fügt hinzu: „Aber alles legal!“
Am bisher erlebten Gesamtbild ändert auch der nächste Tourtag nichts. Wir brauchen dringend Benzin und dort findet sich eine der im Dreiländereck inzwischen – Tanktourismus nach Österreich und Tschechien sei Dank – rar gewordenen Tank­stel­len. Mit vollen Tanks rollen wir also über Philipps­reut nach Tsche­chi­en. Wir folgen dort der Mol­dau (tschechisch: Vlta­va) in den über 69.000 Hektar großen National­park des uralten Šumava-Gebirges. So kommen wir auch am ziemlich großen Lipno-Stausee entlang, der einst gebaut wur­de, um einerseits für effektiven Hochwasserschutz zu sorgen und andererseits ökologischen Strom aus Wasserkraft zu erzeugen. Der See passt aber ins Bild, stört also überhaupt nicht und Frank meint, nachdem er sich ein wenig länger umgesehen hat: „Ganz ähnlich schaut’s in Süd-Norwegen aus.“ Zu dieser Aussage passt auch die Einsamkeit der kleinen Sträßchen. Auf diesen düsen wir wei­ter Richtung Süden und treffen dabei wieder keine Autos.
Deshalb scheint auch der bald erreichte Grenz­­­ü­ber­gang zu Österreich verkehrstechnisch eher bedeutungslos zu sein. Ausweiskontrollen finden auch keine mehr statt, nur Schilder weisen darauf hin, dass wir von Tschechien in die Alpenrepublik rollen. Allerdings wirkt das Do­nautal im Vergleich zum gerade verlassenen Böhmen viel lieblicher. Es wird auch gleich deutlich wär­­mer. Das Gefühl, in Skandinavien zu sein, findet also seine Unterbrechung. Nach der Fährüberfahrt nahe der bekannten Schlö­ge­ner Schlin­ge, wo sich die Donau durch eine enge 180°-Kehre windet, folgen wir dem Verlauf der Donau anschließend flussaufwärts über En­gel­­hartszell – mit seinem weithin be­kannten Klo­s­ter – in Rich­tung Passau. Hier legen wir eine Stadtbesichtigungspause ein. Immerhin entwickelte sich die Drei-Flüsse-Stadt schon aus dem keltischen Oppidum Boiodurum. Später ka­men die Römer und errichteten das Kastell Batavis als Teil der Limesbefestigung. Aus Batavis entwickelte sich auch der heutige Name Passau. Im Jahr 476 errichteten die Bajuwaren dort eine Herzogsburg und bereits im Jahr 739 war Pas­sau Bischofssitz. 1662 legte ein Brand die Stadt in Schutt und Asche. Italienische Baumeister (Carlone und Lurago) bauten Passau danach wieder auf und so erhielt die Stadt ihr heutiges südländisch anmutendes barockes Aussehen.
Passau
Passau
Die Donau weist nach dem Kurz-Stadttrip den Weg zurück nach Bernried. Dort erzählt Frank, dass wir über Prag nach Zittau fahren wollen. Aber Hausherr Luggi meint, dass wir das lieber lassen sollten, denn die Straßen in Tschechien sind voll mit Lkws: „Fahrt doch besser die Grenze wieder hoch. Ihr könnt ja auf der deutschen Seite bleiben – lässt sich wundervoll fahren.“ Gesagt, getan und so studieren wir erst mal die Generalkarten für den Weg vom Bayerischen Wald ins Erzgebirge. Luggi hat natürlich recht und der Fahrspaß fängt gleich in Bernried an. So kurven wir also über Schwar­zach nach Elisabethszell und gönnen uns nach diesem Kurvenpotpourri eine Kaffeepause am Blaibacher See. Anschließend genießen wir die recht flotte Fahrt über Kötzting nach Furth im Wald, schon wieder ganz dicht an der tschechischen Grenze gelegen. Diese bestimmt nun wieder unseren Weg, denn so nah wie möglich rollen wir nun daran entlang in nordwestliche Richtung. Dabei passieren wir Orte wie Waldmünchen, wo jährlich Festspiele an den berüchtigte Pandurenoberst Franz von der Trenck erinnert, der 1742 mit seinen wilden Horden durch Ostbayern zog.
Über Schönsee geht es dann weiter nach Waidhaus. Auch hier ignorieren wir den bekannten Grenzübergang und bleiben zunächst noch in Bayern, und zwar bis nach Selb. Die Geschichte dieser Stadt reicht zurück bis ins 12. Jahrhundert. Seit 1437 gehört die Stadt zum sogenann­ten „Sechsämterland“. Hier waren die Verwaltungsaufgaben dezentral auf sechs Amtsstädte verteilt. Eines dieser sechs Ämter war Selb. Diese Verwaltungsstruktur gab dann auch dem Sechsämtertropfen seinen Namen. Dieser beliebte wie bekannte Kräuterlikör wurde vom Apotheker Gottlieb Vetter erfunden und 1895 erstmals verkauft. Aber Selb ist noch für etwas Anderes weithin bekannt: Porzellan. 1857 errichtete Lorenz Hutschenreuther die erste Porzellanfabrik dort. Er gilt als Pionier der Porzellanfertigung, weil er erfolgreich die industri­elle Serienfertigung des „Weißen Goldes“ ermöglichte und es ­so auch für Normalbürger erschwinglich wurde. Die Folge war ein Boom, es gründeten sich etwa 20 weitere Porzellanfabriken. Auch heute sind weltweit bekannte Marken wie Rosenthal, Hutschenreuther und Villeroy & Boch in Selb ansässig.
Die Gegend um Aš beschreibt auf der Karte rein optisch einen lang gezogenen Zipfel, der sich zwischen Selb und Bad Elster auf einer Breite von nur rund 10 Kilometern nach Norden hin in deutsches Staatsgebiet reckt. Wir überlegen, ob wir diese umrunden, schließlich käme man dabei auch nach Hinterprex an das ehemalige Dreiländereck von DDR, alter Tsche­choslowakei und Bundesrebulik Deutschland. „Lass uns abkürzen, da gibt es nicht mehr ganz viel zu sehen“, meint Frank und so rollen wir gleich über Aš in Richtung Klingenthal.
Das liegt auf einer Seehöhe von etwa 700 Metern, und zwar im Vogtland. 1591 errichtete Sebastian Köppel hier wegen Eisenerzvorkommen und ausgedehnter Wälder ein Hammerwerk. Am 1. Februar 1602 erfolgte dann auch die erste Erwähnung des Namens „Höllhammer“ im Kirchenbuch von Schöneck. Mitte des 17. Jahrhunderts führten Emigranten, die im Zuge der Gegenreformation Böhmen verließen, den Geigenbau ein. Auch heute noch werden in Klingenthal Musikinstrumente gebaut, allerdings ü­berwiegend Harmonikaprodukte.
Außerdem genießt Klingenthal in der motorradfreien Zeit einen hervorragenden Ruf. Das liegt an der Vogt­land Are­na mit der Skisprunganlage am Schwarzberg. Bald sehen wir auch noch mehr Sprunganlagen, und zwar vom Balkon unseres Hotelzimmers aus, denn unsere heutige Touretappe endet in Oberwiesenthal. Am A­bend wird es dort noch richtig gemütlich: Unser Freund und KTM-Vermieter René Bernhardt besucht uns, der Hotelchef Harry gesellt sich dazu – Motorradgeschichten gibt es halt genug.
Bizarre Felsen aus Sandstein
Bizarre Felsen aus Sandstein
Die klingen am nächsten Morgen noch in den Ohren, als wir bei herrlichem Wetter wieder die Grenze zu Tschechien queren und uns dann ganz dicht an ihr Richtung Osten halten. René hatte erzählt, dass man da durch eine wundervolle Einsamkeit düst. Recht hat er und Frank meint begeistert: „Das ist eine der schönsten Motorradstrecken, die ich jemals unter den Rädern hatte!“
Grob gesagt folgen wir meist dem Erzgebirgskamm, der nach Sü­den steil abfällt. So kommen wir über Kliny, Foj­tovice und Děčín nach Hřensko. Das liegt an der Elbe, aber auch ganz nah an Deutschland und genau deshalb herrscht hier ein buntes Treiben, dass ziemlich offensichtlich von vietnamesischen Händlern dominiert wird.
Die Tour verläuft immer knapp entlang der deutsch-tschechischen Grenze auf meist kleinen und einsamen Straßen
In der Nähe von Hřensko an der Elbe
Wir sind den Trubel nicht mehr gewöhnt und setzten uns blitzschnell ab.
Das nächste Zwischenziel heißt Varnsdorf, wo wir die Grenze passieren und über Großschönau den Hinweisen nach Zittau folgen. Allerdings nicht direkt, son­­dern durchs Zittauer Gebirge, mit seinen heraus geputzten Orten, wie Jonsdorf oder Oybin beispielsweise. Und so endet der nächste Traumtag dieser Tour, denn ein paar Schräglagen weiter laufen wir im M&R Hotel Riedel in Zittau ein. Das findet sich kurz vor dem Verlauf der Neiße, also an der polnischen Grenze. So­mit endet dort natürlich der deutsch-tschechische Grenz­verlauf. Der letzte Wen­depunkt unserer Traumtour ist also erreicht. Die Scheinwerfer der KTM’s zeigen fortan wieder nach Westen und wir sausen getreu unserem Motto dicht an der Grenze entlang, und zwar meist auf deutscher Seite, wo es auch wundervolle Kurven unter die Reifen zu nehmen gilt. Also, nach einem kräftigen Frühstück starten wir und über Eibau schwin­gen wir wieder in Richtung Böhmische Schweiz. Noch einmal sind wir also ein Stück ein Tschechien unterwegs, und zwar bis Sebnitz, das dann folgerichtig schon zur Sächsischen Schweiz gehört. Die beiden Schweizen zusammen bilden übrigens das weithin bekannte Elbsandsteingebirge mit seinen sehr markanten Fels­formationen. Bei Bad Schandau überqueren wir dann die Elbe und nähern uns so zügig dem Ost-Erzgebirge. Dann geht es weiter und über Deutschneudorf und Reitzenhain nähern wir uns immer mehr dem Start dieser Tour in Oberwiesenthal. Frank schaut bei einer Kaffeepause ein wenig mürrisch drein, macht dann aber seinem vorübergehenden Launetiefpunkt Luft: „Vorbei ist’s!“ Das gefällt ihm offenbar gar nicht. Mir übri­­gens auch nicht und ich schlage vor, diese sensationelle Tour gleich erneut zu fahren: „Wie wäre es mit andersherum?“

Motorradtour Tschechische Grenze – Infos

Motorradtour Tschechische Grenze
Reiseenduro-Fans aufgepasst! Diese Tour gehört sicher zum Besten, was man in dieser Kategorie unter die Reifen bekommen kann. Dabei führt sie zum großen Teil durch Niemandsland auf tschechischer Seite entlang der Grenze zu Deutschland und besticht durch kleinste und allerkleinste Straßen. Die gehören garantiert nicht zu den glattgebügelten und sportlertauglichen Pisten – und so gibt es Reiseenduro-Spaß pur.

Allgemeine Infos

Diese Traumtour immer knapp entlang der deutsch-tschechischen Grenze verläuft meist auf kleinen und einsamen Straßen, die durch Erzgebirge, Lausitzer Gebirge – mit allem was dazu gehört – und Bayerischen Wald führt.

Sehens- und erlebenswert
Allein die Natur entlang der einsamen Strecke ist eine einzige Sehenswürdigkeit. Auch sei die wunderschöne Drei-Flüsse-Stadt Passau erwähnt, die einen Bummel lohnt.

Anreise

Der Startpunkt findet sich in Oberwiesenthal. Von Chemnitz aus führt die B95 nach Oberwiesenthal.

Beste Reisezeit

Da die Grenztour durchaus bis in Lagen von bis zu 1.000 Metern Seehöhe führt, dürfte der Zeitraum von Mai bis Oktober die beste Wahl sein. Ratsam ist es auch, sich vor dem geplanten Tourstart über die zu erwartende Großwetterlage zu informieren, denn gerade auf dem Erzgebirgskamm fühlt sich Regenwetter noch schlechter an, als im Flachland.

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