Kawasaki feiert 50 Jahre Z-Modelle. In einer mehrteiligen Reportage erzählt Kawasaki die Geschichte dazu, beginnend mit der ersten Episode: Von der 900Z1 bis zur Z1000
1972 wird das Jahr für Kawasaki. Nach fünf Jahren Entwicklungsarbeit steht sie endlich da, die 900Z1 Super Four. Das japanische Superbike in Vollendung! Damit leiten die Grünen ihre große Viertaktoffensive in den Siebzigern ein und legen den Grundstein für die bis heute erfolgreichen Z-Modelle.
Trendwende im Motorradgeschäft – Viertakter kommen in Mode
Ende der Sechzigerjahre zeichnet sich bereits eine Trendwende im Motorradgeschäft ab: Zweitakter sind allmählich out, Viertakter bestimmen mehr und mehr die Portfolios der Hersteller. Vor allem die europäischen Marken haben längst bei den Viertaktern ihr Heil gesucht. Grund sind die immer restriktiveren Abgasbestimmungen, die bei einem Zweitaktmotor größere Kompromisse erfordern. Viertakter hingegen schaffen locker die erforderlichen Normwerte. Vor allem im potenziell stärksten Markt der Welt, den USA, ist dies ein wichtiges Argument. Europäische Hersteller verkaufen auf der anderen Seite des Atlantiks seit vielen Jahren sehr erfolgreich. Technisch gesehen muss man sich hier lediglich mit den V2-Triebwerken der Amerikaner messen, da reichen die Parallelzweizylinder aus England, italienische V2s und deutsche Boxermotoren locker aus. Die für die Szene so wichtige Vision entsteht aber gerade am anderen Ende der Welt, in Japan.
Kawasaki 900 Super 4 (Z1) aus dem Jahr 1973 Ingenieur Gyoichi Ben Inamura hat für Kawasaki Heavy Industries (KHI) gerade eben den ersten großen Viertakter, die W1 mit 650 Kubikzentimetern Hubraum, entwickelt. Basis war die K2 von Hersteller Meguro, den sich Kawasaki 1961 einverleibte. Der Parallelzweizylinder der W1 mit 50 PS Leistung ist in Japan erfolgreich, wird in Europa und den USA aber als BSA-Kopie verschmäht. Völlig zu Unrecht, wie man heute weiß. Da ist es nur gut, dass man eine zweite Produktlinie mit schnellen Zweitaktern aufbieten kann, die aus der Produktlinie der ehemaligen Firma Meihatsu hervorgehen – einem weiteren Hersteller, den Kawasaki in weiser Voraussicht aufgekauft hat. Die drehschiebergesteuerten 250A1 Samurai und die 350A7 Avenger können 1966 und 1967 auch hubraumstärkeren Bikes noch voll Paroli bieten. Dennoch plant Kawasaki für die Zukunft, zweigleisig zu fahren. Zum Einen mit schnellen Dreizylinder-Zweitaktern vom Schlage 500H1 Mach III (60 PS), die 1968 vorgestellt wird, zum Anderen mit großen Viertaktern. Ben Inamura wird 1967 nach langen Debatten in Akashi mit der Aufgabe betraut, einen großen Viertakter mit vier Zylindern zu entwickeln. Viele Leute in den wichtigen Führungspositionen halten das Ingenieursgenie und seine Idee nach wie vor für reichlich durchgeknallt. Doch bereits ein Jahr später läuft der luftgekühlte Vierzylinder erstmals erfolgreich auf dem Prüfstand. 749 Kubikzentimeter Hubraum, zwei oben liegende Nockenwellen (dohc) und Tassenstößel machen ihn drehzahlfest, 70 bis 75 PS sind locker drin. Dauerdrehzahlen von 9.000 U/min kann er mühelos verkraften. Fast wie ein echter Rennmotor! Allen Unkenrufen im eigenen Hause zum Trotz hat Inamura seinen Traum Wirklichkeit werden lassen. Das Projekt N600 kann beginnen.
Honda schockt Kawasaki und bringt die CB 750 Four
Ingenieure und Designer gehen mit viel Enthusiasmus ans Werk, schließlich muss man ja noch das ganze Motorrad rund um den Motor entwickeln. Doch dann kommt der Mega-Knall. Auf der Tokio Motor Show im Herbst 1968 lüftet Mitstreiter Honda das Tuch von der CB 750 Four. Reihenvierer, ohc-Ventiltrieb, 67 PS, 200 km/h Spitze, 4-in-4-Auspuffanlage und Scheibenbremse vorn. Ein Schock für die Kawa-Leute. Es hatte zuvor keinerlei Anzeichen für einen solchen Vorstoß gegeben. Die 750er-Four ist dem potenziellen Konkurrenten aus Akashi bis auf wenige Ausnahmen viel zu ähnlich, um ihn zur Serienreife zu bringen. Kawasakis Mannen ziehen sich zurück und lecken ihre Wunden, das Projekt N600 wird auf Eis gelegt – vorerst. Doch bereits im Juli 1969 rückt man wieder eng zusammen und beginnt die Arbeit am großen Reihenvierzylinder neu. Im August muss sich ein Prototyp im direkten Duell mit der CB 750 Four beweisen und zeigt hier klare Vorteile. Die spätere Entscheidung, den Hubraum auf 903 Kubikzentimeter zu erhöhen, basiert auf jüngsten Marktforschungsergebnissen aus den USA, die in diese Richtung weisen. Dennoch ist das nach Ansicht der Verantwortlichen bei Kawasaki nicht genug. Die neue Maschine mit dem Produktcode T103 muss sich in fast allen Punkten von der CB 750 Four unterscheiden. Man will ein ganz eigenes Motorrad, um nicht den geringsten Verdacht einer Kopie aufkommen zu lassen. Die neue Kawasaki soll das stärkste und schnellste Big-Bike in Großserienfertigung werden, garniert mit den besten technischen Zutaten, den schönsten Details und dem aufregendsten Design.
Erstmals will KHI ganz eng mit den amerikanischen Kollegen von Kawasaki Motors Corporation (KMC) aus Kalifornien zusammenarbeiten. Denn die Kollegen aus den USA besitzen großes strategisches Wissen und beliefern den stärksten Motorradmarkt der Welt, der auch für das vorerst T103 getaufte Bike das größte Potenzial bietet. Intensive Fahrtests und ausgedehnte Produkt-Meetings führen die Maschine schließlich ins Stadium mit dem Code 9057. Die Vorbereitungen mit Überlegungen zu Kostenplanung, Zulieferern und Produktionstechnik gehen in die entscheidende Phase. Anfang 1972 werden noch mal Tests in den USA gefahren. Zwei Teams legen je 6.000 Meilen auf öffentlichen Straßen von Atlanta/Georgia nach Santa Ana/Kalifornien zurück, eines davon auch auf dem Talladega Speedway in Alabama. Die Motorräder – zum Teil mit Honda-Emblemen am Tank getarnt – bestehen diese Distanz ohne jegliche Schäden. Dennoch nehmen sich der britische Rennfahrer Paul Smart und der japanische Testfahrer Kiyohara die 9057 anschließend noch einmal in Talladega zur Brust. Disziplinen: Dauer- und Höchstgeschwindigkeitsprüfungen. Dann noch mal Tests in Japan. Am Ende steht fest: Die Z1 ist die Schnellste und Standfesteste. Kein Wunder, dass sich dieser Motor in den nächsten zehn Jahren auf allen Rennstrecken der Welt als Siegertyp bewährt!
Querschnitt des Serienmotors der Z1 aus dem Jahr 1972
Showdown in Köln – die Z1 kommt nach Deutschland
Fünf Jahre Entwicklungszeit sind vergangen und rund 800.000 US-Dollar investiert worden. Jetzt will das Ganze professionell und rentabel verkauft werden. In den USA wird ein komplett neues Vertriebsnetz aufgezogen, das Werbebudget übersteigt alles bislang Dagewesene. Kaufmänner und Marketing-Fachleute tüfteln die passende Strategie aus. Alan Masek, General Manager bei KMC in den USA, und Osamu Sam Tanegashima, Vertriebs- und Verkaufsspezialist, bringen die vier größten amerikanischen Magazine nach Kobe und zeigen ihnen das neue Superbike. Und am darauf folgenden Tag wird Probe gefahren. Ergebnis: Die US-Boys sind begeistert. Danach kehren sie in ihre Redaktionsräume zurück und schreiben Top-Storys über die neue 900Z1 Super Four. Rapide steigende Auflagenzahlen deuten an, was da für eine Lawine losgetreten ist. Und das nicht nur in den USA, sondern weltweit. Das Sahnehäubchen auf der Geburtstagstorte holt sich aber der deutsche Kawasaki-Importeur Detlev Louis, der die Z1 zur IFMA 1972 in Köln weltexklusiv und erstmals live der Öffentlichkeit präsentieren darf. Showdown in Kölle sozusagen!
Kawasaki Poster IFMA 1972 Der Stand ist an keinem der Besuchertage frei begehbar, alles schart und drängelt sich um den neuen Superstar der Motorradszene. Importeur Detlev Louis kann schon im ersten Verkaufsjahr (1973) rund 2.500 Einheiten absetzen, zu einem Preis von 7.200 DM. Die Käufer können froh sein, überhaupt eine Maschine bekommen zu haben, denn die Nachfrage übersteigt das Angebot. Die Nachfolgemodelle Z1A (1974) mit silbernem Motor und Z1B (1975) mit erstmalig verwendeter, langlebiger O-Ring-Kette toppen das Ganze noch mal mit rund 1.000 Stück mehr – trotz des um 1300 DM gestiegenen Kaufpreises. Kawasaki hat alles richtig gemacht, auch in den USA sind die Leute wie besessen von diesem Bike. In Deutschland wächst der Marktanteil Kawasakis von weniger als zehn Prozent in 1972 auf rund 17 Prozent im Jahr 1975. Der Viertaktzug ist mächtig ins Rollen gekommen.
Kawasaki Z900: Frankensteins Tochter
Kawasaki Z900 (1976) 1976 kommt die Nachfolgerin der Z1 auf den Markt, die Z900. Die Wandstärke der Rahmenrohre ist von 1,8 auf 2,3 Millimeter erhöht worden. Außerdem hat man den Lenkkopfbereich verstärkt und eine zusätzliche Strebe unter dem geänderten Batteriekasten (nun mit kleinerer Batterie) eingeschweißt. Die Tauchrohre der 36er-Telegabel fallen etwas länger aus, das bringt wegen der größeren Überlappung von Stand- und Tauchrohr mehr Stabilität. Mit all diesen Maßnahmen will man das tendenziell etwas labile Fahrwerk in den Griff bekommen. Außerdem erhält die Maschine neben vielen anderen Neuerungen eine Doppelscheibenbremse im Vorderrad, die die Leistung besser in Schach hält. Der Reihenvierzylinder ist noch stärker auf Durchzug getrimmt. 26er- statt 28er-Vergaser und trichterförmige Ansaugstutzen zwischen Vergasern und Luftfilterkasten erhöhen die Strömungsgeschwindigkeit und verbessern die Sprintqualitäten im hohen Gang. Ein größeres Luftfilterelement sowie im Volumen angeglichene Ansaugwege zielen in die gleiche Richtung. Neue Dämpfereinsätze in den Schalldämpfern senken den Geräuschpegel. Was aber nicht heißt, dass die Z900 eine weichgespülte Mutation der Z1 ist. Im Gegenteil: 81 PS bei 8.000 U/min ermöglichen weiterhin famose Fahrleistungen, die das verbesserte Fahrwerk auch besser auf die Straße bringt. Die richtigen Worte findet 1976 Tester Franz-Josef Schermer mit der Headline zu seinem Artikel: „Frankensteins Tochter“.
Werbeanzeige aus dem Jahr 1972
Kawasaki Z1000: Hubraum-Dosis
Wie kann man der sehr erfolgreichen, epochalen 900er-Serie noch eins draufsetzen? Nun, indem man den vollen Liter Hubraum einschenkt. In der zweiten Hälfte der Siebziger drängen immer mehr hubraumstarke Bikes nach vorn. Die Mitbewerber aus Fernost, Europa und Amerika sind bereits bei 1000 Kubikzentimetern Hubraum angelangt. Das bringt auch die Mannen aus Akashi unter Zugzwang. Vor allem auf dem US-amerikanischen Markt, dem wichtigsten, weil größten Absatzmarkt, ist viel Hubraum gefragt. Um nicht die bis dato dominierende Rolle zu verlieren, bohren die Kawasaki-Ingenieure den 900er um vier Millimeter auf 70 Millimeter auf. Bei gleichem Hub von 66 Millimetern ergibt das 1016 Kubikzentimeter, mit denen man wieder voll im Bläserchor mitspielen kann, ohne einen komplett neuen Motor entwickeln zu müssen. Das Kurbelgehäuse wird allerdings verstärkt. Denn die Kurbelwelle besitzt massivere Kurbelwangen, ist damit zwei Kilogramm schwerer. Auf diese Weise bekommt man die Vibrationen – hin und wieder ein Kritikpunkt an den 900ern – besser in den Griff. Auch die neue Vier-in-zwei-Auspuffanlage lässt die neue Z1000 etwas sanfter auftreten. Wieder einmal wirken sich verschärfte Geräusch- und Abgasnormen in den USA auf die gesamte Weltproduktion aus. Dabei kommen die Motoren für den US-Markt weiterhin aus Akashi, die Motorräder werden aber im seit 1974 in Betrieb genommenen Werk in Lincoln/Nebraska gebaut. Europa wird weiterhin komplett aus Japan beliefert.
Im Fahrbetrieb zeigt die 1000er aber klar die dazu gewonnenen Qualitäten. Das auf 81 Nm angestiegene maximale Drehmoment liegt nun schon 1.000 U/min früher, bei 6500 Kurbelwellenumdrehungen an. Schon ab 2.000 U/min steht deutlich mehr Druck zur Verfügung, vor allem im Soziusbetrieb lässt die Neue der 900er keine Chance. In der Beschleunigung von null auf 160 km/h mit Passagier nimmt die 1000er ihrer Vorgängerin eine satte Sekunde ab. Die schwereren Kurbelwangen kappen zwar ein wenig die Drehfreude und damit auch Topspeed. Doch 210 km/h Spitze sind nach wie vor ein stattlicher Wert. Um das Fahrwerk auch bei solchen Tempi im Zaum halten zu können, erfuhr die mit dem Zusatzkürzel A1 (1977) versehene Maschine zahlreiche Verbesserungen. Die Schwinge gleitet nun in standesgemäßen verschleißfesten Nadellagern, die für deutlich mehr Fahrstabilität sorgen. Auch die Scheibenbremse hinten passt von der Verzögerungsleistung und dem technischen Anspruch her deutlich besser zu einem Motorrad dieses Kalibers als die etwas antiquiert wirkende Simplex-Trommel der 900er. Der komplette Vorderbau inklusive Doppelscheibenbremse ist jedoch gleich geblieben.
Kawasaki Z1000 (1977) Zur IFMA 1976 wird die Z1000 neben der ebenfalls neuen Z650 präsentiert. Das Publikum ist aus dem Häuschen und belagert den Stand der frisch gegründeten deutschen Niederlassung, die nun in Frankfurt residiert. Leiter ist der bereits aus Z1-Tagen wohl bekannte Vertriebs- und Verkaufsprofi Osamu Sam Tanegashima, der die Geschäfte in Deutschland mit einer offiziellen Präsenz von Kawasaki als Werksniederlassung voranbringen will. Z1000 und auch Z650 sind die geeigneten Bikes, um dieses Vorhaben in die Wirklichkeit umzusetzen. Auch bei der Werbung für die neuen Motorräder geht man sehr moderne, professionelle Wege. Automobilrennfahrer Jochen Mass, ein echter Motorradnarr, wird für eine frühe Promotion-Kampagne gewonnen und gibt sein persönliches Statement zur Z1000 ab: „Dabei ist es nicht mal so sehr die urgewaltige Kraft dieses Triebwerks, die mich so an der neuen Z1000 beeindruckt, ’ne Menge Power hatten meine Z1 und später die Z900 auch. Es sind vielmehr die fantastischen Fahreigenschaften, die mir bei der neuen 1000er imponieren. Das Superfahrwerk, das immer noch ein bisschen schneller ist als die Tachonadel. Und die drei riesigen Bremsscheiben, die die ganze Kraft wieder im Handumdrehen zunichtemachen.“ Besser kann man die dazu gewonnen Qualitäten der Z1000 nicht auf den Punkt bringen.
Die Z1000A2 schließt das Kapitel der klassisch gestylten Z-Linie
Da ist es kein Wunder, dass auch die erste 1000er von Kawasaki ein großer Erfolg wird. Für gerade mal 500 DM mehr (Preis: 9.000 DM) kommt der Kunde in den Genuss der verbesserten Z. Die 1978 folgende Z1000A2 erhält nur wenige Modifikationen wie die hinter den Tauchrohren montierten Bremssättel, einen eckigen Hauptbremszylinder vorn, die jetzt vierfach nadelgelagerte Schwinge und neue Farben. Der Preis beträgt nun 9.237 DM. Geblieben ist die klassische Tank-Sitzbanklinie der Z1, die für viele Kawasaki-Motorräder längst zum typischen Stilmittel geworden ist und auch von vielen anderen Herstellern in jenen Tagen aufgegriffen wird. Die Z1000A2 ist die letzte Maschine der klassisch gestylten Z-Linie. Denn 1978 erfährt das Design mit der Z1000 Z-1R eine radikale Überarbeitung.