Bike-Besprechung Horex VR6 RAW 99 – Hansdampf in allen Gassen
Mit der VR6 RAW99 will Horex ein Ausrufezeichen setzen. Brachiale Leistung und hochwertige Komponenten sind die Zutaten für dieses exklusive Super-Naked-Bike.
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Preis: 5,90 €
Black in black – die Horex VR6 RAW99 ist die letzte Sonderedition. Das Konzept und eine Motorenversion für die erste VR6 lagen schon auf dem Tisch, als Horex 2015 von Karsten Jerschke und der 3C-Carbon Group AG übernommen wurde. Vom ursprünglichen Entwurf ist bis auf wenige Ausnahmen jedoch nicht viel übrig geblieben. Die Expertise der Muttergesellschaft zeigte sich von Beginn an nicht nur im großflächigen Einsatz diverser Carbonteile und der damit verbundenen radikalen Gewichtsersparnis, sondern hauptsächlich in der Neukonstruktion des VR6-Motors. Dazu konnte Horex auf die zu IDM-Zeiten geknüpften Kontakte der 3C-Carbon Group zurückgreifen und zusammen mit Conti dem Motor auch die Elektronik geben, die er braucht und verdient. Die ersten Horex VR6 waren noch limitierte Sondereditionen der Silver- und Black-Edition, doch schon bald folgten die Serienmodelle Horex VR6 Classic und VR6 Café Racer. Beide Serienmodelle bilden seit Jahren das Rückgrat der Marke. Nun möchte Horex der VR6 mit einer letzten, ebenfalls limitierten Sonderedition einen würdigen Abschluss bescheren und hat mit der Horex VR6 RAW99 ein erneut im Gewicht reduziertes, mit exklusiven Komponenten ausgestattetes Motorrad vorgestellt.
Kohlefaser-Diät für das Kraftpaket
Karbon an Scheinwerfer und Display.Deshalb nähern wir uns schrittweise an und beginnen mit den Fakten. Die von uns gefahrenen Maschinen waren allesamt Horex VR6 in der auf 99 Exemplare limitierten RAW 99-Edition. Diese unterscheidet sich zum Teil erheblich von der Serien-VR6. Seit 2015 gehört Horex zur 3C-Carbon Group AG und das spürt man deutlich. An jeder Stelle des Motorrads begegnet einem nun Kohlefaserkomposit. Das beginnt vorne am Fender, der Maske des Frontscheinwerfers und dem Lenkkopf und zieht sich über das Display, die Fußrastenaufnahmen bis zum komplett aus Karbon gefertigten Heckrahmen. Insgesamt bringt der großzügige Einsatz von Kohlefaser 5 Kilogramm Gewichtsersparnis. Das Trockengewicht der Horex schrumpft damit auf ordentliche 215 Kilogramm. Für einen 6-Zylinder-Sport-Motor immer noch ein sehr respektabler Wert.
Durchzug in allen Lagen
Kraftpaket im Karbon-Gewand Apropos Motor. Der ist unverändert giftig und drückt bei 9.600 U/min 163 PS Leistung aus den sechs Zylindern. Das höchste Drehmoment wird mit 128 Nm bei 7.600 U/min erreicht. Doch auch im niedrigen Drehzahlbereich lässt sich die fast unverschämte Power beim kurzen Zucken mit der Gashand jederzeit spüren. Das Ansprechverhalten ist direkt und sorgt sofort für ein breites und anhaltendes Dauergrinsen. Dabei spielt es keine Rolle, ob man den Drehzahlbereich einmal komplett durchquert oder sich aus höheren Gängen ohne Schaltvorgang für einen kurzen Zwischensprit beim Überholvorgang entscheidet. Wo wir grad beim Schalten wären: Einen Quickshifter gibt es zwar, jedoch nur als Kaufoption; er ist nicht in der Grundausstattung. Die Leistung der VR 6 RAW ist sofort abrufbar und drückt Mensch und Maschine ohne Vorwarnung nach vorne. Dampf in allen Gassen eben. Nötig ist das jedoch nicht, denn der 6-Zylinder fühlt sich bei gediegener Fahrt im niedrigen Drehzahlbereich genauso wohl und ermöglicht Ortsdurchfahrten in anwohnerfreundlicher Lautstärke.
Exklusives Understatement
Abgespeckt und limitiert: Die RAW 99 wird die vermutlich letzte Version der seit 2015 produzierten Horex VR6 seinAuffällig unauffällig ist auch der optische Auftritt. Klar, der Frontscheinwerfer samt riesigem H und der bullige Motor sind ein sofortiges Statement und auch das wunderschöne Horex-Logo auf beiden Seiten des Tanks lassen Liebhaberherzen sofort höherschlagen. Davon abgesehen sieht man der Horex VR6 RAW 99 ihre Exklusivität aber erst mit dem Blick auf die Details an. Die Verarbeitung der Carbonteile war da nur der Anfang, aber vor allem das Öhlins-Fahrwerk, bestehend aus der FGR-Gabel und einem TTX 36 Federbein, ermöglichen eine große Bandbreite an Einstellungen nach den Vorlieben des Fahrers. Mit diesem Set-up lassen sich sowohl Fahreigenschaften aus dem (Super-) Sportbereich verwirklichen, als auch Einstellungen, die für gemütliche Langstrecken tauglich sind. Eingestellt wird das Set-up übrigens für jeden Käufer individuell vor Ort und auf Wunsch von Horex-Mechanikern am Firmensitz in Landsberg am Lech. Auch die aus Aluminium geschmiedeten Felgen sehen nicht nur gut aus, sondern tragen zum verhältnismäßig geringen Gewicht der VR6 RAW 99 bei. Vorne arbeitet ein 120/70–17-Zoll-Vorderrad an der 43-mm-Upside-down-Gabel, während das Hinterrad mit einem 190/55–17-Zoll-Reifen an einer Einarmschwinge seine Arbeit verrichten darf.
Fahren leicht gemacht
Brembo 320-mm-Doppelscheibenbremse an der Vierkolbenzange Apropos Arbeit: Starker Motor, leichtes Bike – das klingt erst mal nach viel Arbeit für den Fahrer, wenn er es sportlich angeht. Dem ist nicht so. Das Zusammenspiel der Komponenten gelingt erstaunlich einfach und beinahe intuitiv, sodass sich der Fahrer dem rawen, Verzeihung, rohen Fahrspaß der RAW hingeben kann. Obwohl sie durch den Motor einen recht hohen Schwerpunkt hat, lässt sich das Motorrad erstaunlich leicht in hohe Schräglagen bringen und anschließend wieder aufrichten. Auch schnelle Richtungswechsel und Gewichtsverlagerungen gelingen fast mühelos. Hilfreich ist dabei auch die breite Sitzbank, auf der dem Fahrer viel Raum zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit geboten wird. Gerade auf längeren Strecken dürfte das für Freude sorgen. Auch der recht hohe Tourenlenker verhilft zu einer angenehmen Ergonomie. Wer es dann krachen lassen will, der rutscht nach vorne, nimmt die Horex zwischen die Schenkel und lässt es krachen. Bei Bedarf bremst einen die exzellent abgestimmte Bremsanlage von Brembo und die 320-mm-Doppelscheibenbremse an der Vierkolbenzange zügig wieder ein. Alles möglich, alles kein Problem. Hansdampf in allen Gassen.
Erstaunte Reaktionen auf Voralpen-Tour
Trotz der sportlichen Wurzeln ist die Horex VR6 RAW99 durchaus tourentauglich. Klar ist aber auch, mit diesem Motorrad wird man vermutlich ebenso wenig auf die wochenlange Urlaubstour durch Europa fahren, wie man sie als reines Rennstreckenmotorrad sieht. Beides könnte man mit ihr machen, aber viel wohler fühlt sie sich auf den klassischen Tagestouren auf den Landstraßen in den Mittelgebirgen. Dort hat sie ihr Revier und genau dort kann sie ihre Vorteile ausspielen. Schub und Vortrieb, Kurven genießen und die verzückten Blicke bei der Pause am nächsten Biker-Treff mit einem Säuseln der sechs Zylinder quittieren. Auch bei unserer Tour durchs Alpenvorland rund um den Hohen Peißenberg hat sie all das zeigen können. Spannend waren die Begegnungen mit anderen Bikern, denen eine Horex auch nicht oft begegnet. „Horex gibt es noch?“, „Die hat man aber lang nicht mehr gesehen“ und „Mensch, das ist noch ein richtiges Motorrad“ sind da nur ein kleiner Auszug aus den Unterhaltungen.
Viel Geld für viel Know-how und Exklusivität
Ab 35.500,-- Euro zu haben. Zur Auswahl stehen „VR6 RAW Gloss“, „VR6 RAW Matt“ oder „VR6 RAW Red“. Horex wollte mit der VR6 ein Zeichen setzen und mit der RAW 99-Edition ist ihr ein Ausrufezeichen gelungen. Doch Qualität hat ihren Preis. Preislich geht es bei der Serienversion der Horex VR6 RAW mit 35.500,-- Euro los. Die Sonderedition RAW 99 ist etwas teurer, wer eines der limitierten Sonderexemplare käuflich erwerben will, kommt ab 50.000,-- Euro ins Geschäft und aufs Bike. Geboten wird einem dafür nicht nur die Gewissheit, etwas ganz Exklusives zu fahren, sondern auch ein edles und hochwertiges Motorrad mit Komponenten, die im Hinblick auf Qualität (Fahrwerk) und Verarbeitung (Karbon-Teile, Rahmenbau, Motor) seinesgleichen suchen. Schon die sehr aufwendige und zum Teil per Hand erfolgte Lackierung in „VR6 RAW Gloss“, „VR6 RAW Matt“ oder der „VR6 RAW Red“ dürfte zum Aufpreis beitragen. Ebenfalls im Preis inkludiert ist die Abholung am Firmensitz, samt der Anpassung des Set-ups und einer ausführlichen Einweisung des Fahrers.
Roh, unverfälscht und luxuriös
Exklusiv, roh, anders: die Horex VR6 in der RAW 99-EditionWer die Horex VR6 RAW99 fährt, spürt sofort, was für ein besonderes Motorrad unter einem arbeitet. Es ist zwar nicht nur die rohe, unverfälschte Kraft des 6-Zylinders, sondern das Zusammenspiel aller Komponenten, die das Erlebnis wirklich einzigartig machen. Die fahrerische Bandbreite, die mit ihr abgedeckt werden kann, ist beeindruckend und der Komfort für ein, rein nominell, Naked Bike ebenfalls als luxuriös zu bezeichnen. Am Ende bleibt es aber, Hansdampf in allen Gassen, der Punch und die Purheit des Motors, die einen anschließend noch tagelang dauerhaft grinsen lassen.