Aufwendige Neigetechnik, famoser Grip: Die Yamaha Niken GT steht mit ihren zwei Vorderrädern für ein hohes Maß an Fahrspaß und Sicherheit, vor allem in Kurven. Erste Testfahrt mit der modellgepflegten Generation.
Zwei Räder vorn – also wirklich. Auf so etwas können die allermeisten Biker gar nicht. Dreiradroller fahren so herum. Und Can-Am Roadster. Vehikel für Menschen, die Angst vor dem Umfallen haben. Aber echte Biker? Die Heroen der Einspurmobilität? Die steigen da doch nicht drauf. Never ever. Ein absolutes No-Go, mäkeln eingefleischte Easy Rider. Aber hey, das ist nicht fair, gemessen daran, wie saugut und vor allem sicher die Yamaha „Niken GT“ fährt. Auf trockenem und sogar auf nassem Asphalt.
Frankreich und Italien größte Märkte
Übersichtliche 551 Einheiten hat Yamaha seit der Markteinführung anno 2018 in Deutschland verkauft. Das fällt – gemessen am Gesamtabsatz der Japaner – unter die Rubrik Peanuts. Trotz aller Werbebemühungen im internationalen Radrennsport, wo die TV-Teams bei den „Great Cycling Tours of Europe“ à la Tour de France auf Niken GT der Meute hinterherjagen oder vorausfahren. Sehr publikumswirksam ist das, vorwiegend in Frankreich und Italien, wo Yamaha 22 Prozent beziehungsweise 18 Prozent seiner Niken verkauft. Deutschland folgt mit 15 Prozent auf Rang drei. Es gibt sie also, die Niken-Käufer, auch wenn sie im Straßenbild eher selten aufpoppen (persönliche Empirik in Norddeutschland).
Fahrtests: Yamaha Niken GT, KTM 890 SMT, Yamaha Tracer 9 GT+, Harley-Davidson Breakout 117, BMW R 18 Classic, Kawasaki Versys 1000 Motorräder: Royal Enfield Himalayan 450, KTM 390 Duke, BMW R 1300 GS, BMW M 1000 XR, Kawasaki ZX-6R, Eliminator & KX-Modelle, Suzuki Limited Edition, Yamaha Ténéré 700 World Rally, LiveWire S2 Del Mar, BMWmehr R 18 Roctane Touren: Provence – mehr als nur Lavendel, Skandinavien – von Riesen und Trollen, Nord-Ostsee-Kanal – Kosename „NOK“ Tests: Spidi J&Dyneema Evo, Spidi X-Force, Spidi Carbo 5, Held Sanford, Modeka Valeno, Büse Travel Pro, Rukka Armagate, Modeka Air Ride Dry, Bell SRT Modular, Garmin zumo XT2, Held Omberg, Held Creek, Held Woodland, Spidi Genesis Magazin: Ausstellung „120 Jahre Harley-Davidson“, Classic Superbikes Museum
Yamaha Niken GT, KTM 890 SMT, Yamaha Tracer 9 GT+, Harley-Davidson Breakout 117, BMW R 18 Classic, Kawasaki Versys 1000
Motorräder:
Royal Enfield Himalayan 450, KTM 390 Duke, BMW R 1300 GS, BMW M 1000 XR, Kawasaki ZX-6R, Eliminator & KX-Modelle, Suzuki Limited Edition, Yamaha Ténéré 700 World Rally, LiveWire S2 Del Mar, BMW R 18 Roctane Touren:
Provence – mehr als nur Lavendel, Skandinavien – von Riesen und Trollen, Nord-Ostsee-Kanal – Kosename „NOK“
Tests:
Spidi J&Dyneema Evo, Spidi X-Force, Spidi Carbo 5, Held Sanford, Modeka Valeno, Büse Travel Pro, Rukka Armagate, Modeka Air Ride Dry, Bell SRT Modular, Garmin zumo XT2, Held Omberg, Held Creek, Held Woodland, Spidi Genesis
Magazin:
Ausstellung „120 Jahre Harley-Davidson“, Classic Superbikes Museum
Preis: 5,90 €
Aber wer weiß: Vielleicht sieht man sie auch nur so selten, die Niken-Fahrer, weil sie permanent unter dem Radar fliegen? Yamaha verspricht „ein Fahrerlebnis der Extraklasse“ – und übertreibt nicht einmal damit. In der Tat kann man mit der „Niken GT“ erstaunlich präzise und echt schräg durch Kurven jagen. Das ausgeklügelte Fahrwerk mit Parallelogramm-Radaufhängung (Ackermann-Lenkung) und Cantilever-Teleskopfederung macht dabei einen wunderbaren Job.
Grip, Grip, Hurra
Imposante Technik: Die Doppelvorderachse ragt auf wie ein Gebirge Erfahrene Fahrer wissen natürlich: Zwei Räder vorn, das bedeutet doppelte Aufstandsfläche der Reifen beim wichtigsten Kontaktorgan eines Motorrads, dem Vorderrad, also in diesem Fall den beiden (nur) 15 Zoll (ca. 38 cm) großen, 410 mm auseinanderstehenden Vorderrädern. Wer jemals sah, wie schmal das bisschen Gummifläche ist, das einen Reifen in Kurven mit dem Asphalt verbindet, der ahnt, was das bedeutet. Nämlich sehr viel mehr Grip. Yamaha spricht von plus 80 Prozent.
Etwas Nachdruck beim Einlenken muss sein
Auf den ersten Kilometern mögen die Fahrer leichter Motorräder noch hadern mit dem üppigen Vorbau, der natürlich etwas Nachdruck verlangt beim Einlenken. Das Umlegen des Bikes in schnellen Rechts-Links-Kombinationen mag einem anfangs schwerfällig vorkommen, aber das erledigt sich spätestens nach den ersten Kurven mit bis zu 45 Grad Schräglage. So viel Seitenneigung spricht Yamaha der „Niken GT“ zu. Schon nach sehr kurzer Zeit fühlst du dich als Fahrer bestens aufgehoben und baust ratzfatz ein inniges Vertrauensverhältnis auf zur „Niken GT“. Tiefer, immer tiefer, lautet die Losung.
Die drei Scheibenbremsen sind gut dosierbar und bringen die 270-kg-Fuhre zuverlässig zum Stehen. Zweimal 298 mm vorn, einmal 282 mm hinten – das langt dicke, um die „Yamaha Niken GT“ auch aus hohen Tempi punktgenau abzubremsen. Eine radargestützte Kombibremse, wie sie seit Neuestem die Sporttouring-Schwester „Tracer 9 GT+“ aufweist, bleibt der „Niken GT“ trotz großer Modellpflege vorerst verwehrt. Schade eigentlich; hier würden die automatische Bremskraftregelung und -verteilung sicher auch Sinn ergeben. Ganz abgesehen davon untermauerte es natürlich den Premiumanspruch, den Yamaha seiner Sporttouring-Flotte zuspricht.
Üppige Ausstattung
Oben Licht und Tempomat, unten Joystick und Home-/Zurück-Button. Wird der lange gedrückt, startet das Navigationsmenü Die Ausstattung ist recht üppig: LED-Beleuchtung rundum und neues Quick-Shift-System (rauf/runter) für kupplungsfreies Schalten sind Serie. Ebenso ein Tempomat. Auf Radar samt adaptivem Tempomaten – die neuen Technik-Highlights der „Tracer 9 GT+“ – muss die „Niken GT“ verzichten. Selbstrückstellende Blinker gibt es leider nicht für den Premium-Reisegleiter. Dafür bekommt auch die „Niken GT“ das neue 7-Zoll-Farbdisplay mit Joystick-Bedienung. Über den kleinen Penöpel an der linken Armatur kann der Fahrer selbsterklärend durchs übersichtliche Menü zappen. Smartphone und Borddisplay lassen sich über die kostenfreie Yamaha MyRide-App miteinander koppeln. Wer mag, kann sich die Garmin-Navigations-App vollflächig aufs Display zaubern. Das verschlingt dann aber eine monatliche Gebühr.
Ab durch die Mitte: Die neue Niken GT macht ganz schön Tempo. Dank der überarbeiteten Traktionskontrolle bringt sie ihre 115 PS souverän auf den Boden Der bewährte CP3-Motor besitzt in der „Niken GT“ eine größere Kurbelwellenmasse für eine „bessere Leistungsentfaltung im unteren Drehzahlbereich“, so Yamaha. Mit jetzt 42 ccm mehr Hubraum geht er kernig zur Sache, bleibt dabei aber erstaunlich leise; fast klingt der Dreizylinder hier etwas zu zahm. Mit 115 PS und 91 Nm liegt das Niken-GT-Zentralorgan leistungsmäßig knapp hinter seinen CP3-Motoren-Geschwistern wie „MT-09“ und „Tracer 9 GT“ (119 PS, 93 Nm). Das maximale Drehmoment liegt jetzt 1500 U/min früher an. Mangelnde Leistungsentfaltung braucht ohnehin keiner zu befürchten: Die „Niken GT“ hängt sauber am Gas und geht im oberen Drehzahlbereich noch mal richtig zur Sache. Erstaunlich ist der geringe Verbrauch: 5,8 l/100 km gibt Yamaha an. 5,5 l/100 km betrug unser Testverbrauch auf Sardinien – bei ambitionierter Testfahrt.
Ganz schöner Brocken: Der Aluminiumtank schluckt 18 Liter. Das sollte locker für 300 km reichen Die neue Einhandbedienung des Windschilds funktioniert tadellos. 70 mm rauf und runter beträgt der Spielraum. Wer wirklich windgeschützt sitzen möchte, muss sich allerdings ganz flach auf den breiten Tank (18 Liter) drücken, sonst zupft der Fahrtwind unentwegt am Helm. Die Sitzbank wurde im Bereich der Schenkelinnenseiten des Fahrers überarbeitet. Das verbessert die Erreichbarkeit des Bodens mit beiden Füßen (825 mm Sitzhöhe).
Selbstverständnis: das sicherste Motorrad in Kurven
Neu geformt: Die Sitzbank ist jetzt seitlich etwas schmaler. Das soll das Auf- und Absteigen erleichtern. Fahrer mit nicht ganz so langen Beinen kommen jetzt einfacher mit den Füßen auf den Boden Ab 18.399,-- Euro steht die neue „Niken GT“ ab Sommer 2023 beim Händler. Die Farbwahl fällt leicht: Schwarz – weitere Lackierungen gibt es nicht. Gleiches gilt für die Modellauswahl: GT und gut, die Basis-Variante nahm Yamaha aus dem Programm. Die beiden 30-l-Koffer kosten jeweils 438,-- Euro. Im Zubehör gibt es neben schmucken Anbauteilen auch Nützliches wie ein Innentaschenset, Tankrucksäcke und zwei unterschiedlich große Topcase (34 Liter und 45 Liter) für das nach Yamaha-Verständnis sicherste Motorrad seiner Art. Verstärkter Rahmen, verfeinerte Abstimmung der Hinterradfederung, verbesserte Leistung und moderne Konnektivität. Yamaha hat die „Niken GT“ zeitgemäß aufgerüstet. Hoffentlich reicht das für mehr Zuspruch.