M&R-PlusBMW Adventure Vergleichstest: BMW R 1250 GS & F 850 GS Adventure

Reiseenduro der Mittel- oder der Oberklasse? Nach den Serienversionen der F 850 GS & R 1250 GS folgen bei BMW Motorrad die Adventure-Varianten der GS-Klassiker.
BMW Adventure Vergleichstest: BMW R 1250 GS & F 850 GS Adventure BMW F 850 GS Adventure
BMW Adventure Vergleichstest: BMW R 1250 GS & F 850 GS Adventure BMW F 850 GS Adventure
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05.07.2020
| Lesezeit ca. 5 Min.
Jörg Künstle, Markus Jahn
Was für ein Berg. Das dürfte bei den allermeisten der erste Gedanke sein, wenn sie vor einer BMW R 1250 GS Adventure stehen. Die Modellgeneration 2019 macht da keine Ausnahme: Fast einen Meter misst sie über den Außenspiegeln. Eine Etage tiefer – auf Höhe der neu gestalteten Tank- und Motorschutzbügel – dürfte es kaum weniger sein. Wie ein Technik-Gebirge breitet sich die große Adventure vor dem Fahrer aus. Die opulenten Formen, Boxerzylinder inklusive, bieten fraglos guten Wetterschutz, ringen einem aber auch eine gehörige Portion Respekt ab. 890 bis 910 mm Sitzhöhe, 269 Kilogramm Fahrgewicht, bis zu 217 kg Zuladung (bei Serienausstattung) – macht am Ende ein zulässiges Gesamtgewicht von 485 kg. Heidewitzka, Herr Kapitän.
Motorradtest: BMW F 850 GS Adventure

Offroad-Vergnügen für Groß und Klein

Die kleine Schwester F 850 GS Adventure nimmt sich dazu vergleichsweise schlank aus, obwohl sie durchaus amtlich dasteht: 939 mm breit, benötigt sie nicht einmal zwei Zentimeter mehr Platz als die Serienversion, bei der R 1250 GS beträgt der Respektabstand zum Adventure-Modell mit Giga-Tank (30 statt 20 Liter) knapp drei Zentimeter. Das fahrfertige Gewicht der Mittelklasse-Adventure liest sich mit 244 kg und einer Sitzhöhe von 875 mm durchaus sozialverträglich. Mittels Tieferlegung kann es fürs Gesäß schrittweise runtergehen bis auf 815 mm über Grund. Mit der kurzen Rallye-Bank klettert die Sitzhöhe auf 890 mm. Die nackten Fahrdaten sind identisch mit den Serienversionen. 136 PS und bullige 143 Nm entlockt BMW der neuen R 1250 GS mit ShiftCam-Technologie. Die variable Nockenwellensteuerung macht den unerschütterlichen Boxer noch „Smoother“ in der Gasannahme. Mit der Sanftheit eines handzahmen, gutmütigen Riesen nimmt die große GS die Gasbefehle entgegen, um dann auf Kommando abzugehen wie eine SpaceX-Rakete.
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Elektronisches Fahrwerk erster Wahl

Die Fahrdynamik der Boxer-GS ist immer wieder beeindruckend: Extreme Schräglagen, enge Kehren – einmal im Rollen fährt sie wieselflink, Vertrauen einflößend und souverän wie ein hubraumstarker Premium-SUV über Asphalt, Stock und Stein. Erst recht, wenn man das empfehlenswerte Touren-Paket mit dem hinlänglich bekannten, elektronischen Fahrwerk Dynamic ESA ordert. Für 2.000,-- Euro beinhaltet es zusätzlich Keyless Ride (schlüsselloser Komfortzugang), Temporegelung, LED-Zusatzscheinwerfer, Vorbereitung fürs Navigationsgerät und Halter für die bewährten Alukoffer. Packt man on top noch das Dynamik-Paket für 990,-- Euro, sind auch Schaltassistent Pro, Fahrmodi Pro, Tagfahrlicht und weiße LED-Blinker an Bord. Voll-LED-Scheinwerfer sind Serie, ebenso das 6,5 Zoll große, vollfarbige TFT-Display mit BMW Motorrad Connectivity und Multi Controller am linken Griff. Auch die praktische Hill Start Control (HCS), die BMW seiner Mittelklasse-Adventure vorenthält, ist hier ab Werk am Werkeln.
Motorradtest: BMW R 1250 GS Adventure

Bis zum Mond und gern noch weiter

Egal, wie steil der Hang, egal wie schotterig der Untergrund, (fast) egal wie tief die Furt: Der neue große Boxer bahnt sich stoisch und unaufhaltsam wie ein Tagebaubagger seinen Weg. Ansprechverhalten, Dosierbarkeit der Bremsen, Federungskomfort, die bis zu sechs Fahrmodi (zwei sind Serie) – das grenzt alles sehr an Perfektion. Sollte eines schönen Tages jemand einen Offroad-Track zum Mond scouten wollen, sei ihm hiermit die große Adventure ans Herz gelegt. Die erhöht seine Chancen, dort oben anzukommen, vermutlich ungemein. Bei einer durchschnittlichen Entfernung von 384.400 Kilometern zum einzigen natürlichen Satelliten der Erde, könnte der Weltraumtrotter mit 610 Tankfüllungen auskommen – BMW verspricht 4,75 l/100 km, was bei 30 Litern einen Radius von sahara-tauglichen 630 km ohne Tankstopp ergibt. Bei den offroadlastigen Testfahrten im Hinterland Andalusiens gönnte sich die R-Adventure 5,4 l/100 km. Macht 555 Tankfüllungen bis zum Mond. Auch gut.

Die F-Adventure knausert mit dem Sprit

Die 95 PS starke F 850 GS Adventure begnügt sich laut Datenblatt mit 4,1 l/100 km. Unsere Testbikes kamen zwischen Málaga und Granada im Schnitt auf respektable 4,6 bis 4,8 l/100 km. Der 23-Liter-Tank ermöglicht also rechnerische Reichweiten von gut 560 Kilometern ohne Tankstopp. Auf beiden Bikes lassen sich solche Entfernungen problemlos abreißen: Der Fahrer sitzt aufrecht und schlüssig hinterm breiten Lenker. Der große Touren-Windschild lässt sich bei der R-Adventure stufenlos verstellen, bei der F-Variante gibt es zwei Positionen: hoch und tief. Wer hinter der transparenten Scheibe Ruhe sucht, findet sie auch, wenn er etwas abtaucht. Selbst der Sozius sitzt vergleichsweise windgeschützt. Und kann ans optionale Topcase – alu-leicht oder softbaggig – gelehnt, entspannt die Landschaft genießen. Fahrdynamisch spielt auch die BMW F 850 GS in einer eigenen Liga. Der 2-Zylinder-Reihenmotor hängt wunderbar am Gas und weiß zu überzeugen. Auf den dramatisch schönen Kurven der Landstraße 3208 hinter Granada kann ihr die R-Adventure trotz der beeindruckenden Mehrleistung nicht nennenswert entfleuchen, Cojones vorausgesetzt. Der Sound – gut, nicht ganz so sonor und fesselnd wie bei der R 1250 GS, die einen schon beim Anlassen auf die Knie sinken lässt vor Hingebungsbereitschaft und Paarungswilligkeit. Aber hey, ein Reihenmotor ist nunmal kein Boxer. 197 km/h zu über 200 km/h Spitze machen den Kohl auch nicht entscheidend fett. Eher ist es wohl der Wunsch nach Perfektion und Prestige, der viele Fahrer instinktiv zum Boxer greifen lässt.
Vergleichstest: BMW F 850 GS Adventure & BMW R 1250 GS Adventure

Ober sticht Unter

Welche nehmen?! Tja, eine gute Frage. Die wesentlichen Unterschiede liegen auf der Hand: 41 PS, 53 Nm und 4.750,-- Euro Preisunterschied liegen zwischen Oberklasse- und Mittelklasse-Adventure. Wer das Geld auf der hohen Kante hat, bekommt mit der extrem technisch anmutenden BMW R 1250 GS Adventure eines der besten Motorräder, das man derzeit für Geld kaufen kann. Das steht objektiv außer Frage. 17.700,-- Euro sind allerdings auch ein stolzer Einstiegspreis, zumal es dabei sicher nicht bleibt. Mit etwas Zubehör-Schnokus und Fahrwerkselektronik ist man schnell jenseits der 20.000,-- Euro. Die klassische GS gibt es ab 16.150,-- Euro. Käufer der BMW F 850 GS Adventure investieren ab 12.950,-- Euro. Der Aufpreis zur Serienversion beträgt moderate 1.050,-- Euro (ab 11.900,-- Euro). Siegt Portemonnaie über Herz und Antriebskultur, ist die neue F 850 GS Adventure eine ernst zu nehmende Alternative für Globetrotter. Es sei denn, man ist eingefleischter Boxer-Fan.

Dann gilt: Es kann nur eine geben.
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BMW R 1250 GS Adventure - Baujahr: 2018
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BMW F 850 GS Adventure 2018 BMW R 1250 GS Adventure 2018
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BMW BMW
Bewertung
Preis-/Leistungsverhältnis
Motor
Bohrung x Hub 84 x 77 mm 102 x 76 mm
Hubraum 853 ccm 1.254 ccm
Zylinder, Kühlung, Ventile Zweizylinder, wassergekühlt, 4 Ventile pro Zylinder Zweizylinder, Luft-flüssigkeitsgekühlt, 4 Ventile pro Zylinder
Abgasreinigung/-norm geregelter 3-Wege-Katalysator, Abgasnorm EU-4 Euro 4
Leistung 95 PS (70 kW) bei 8250 U/min 136 PS (100 kW) bei 7750 U/min
Drehmoment 92 Nm bei 6.250 U/min 143 Nm bei 6.250 U/min
Verdichtung 12,7:1 12,5:1
Höchstgeschwindigkeit 197 km/h über 200 km/h
Wartungsintervalle jährlich oder alle 10000 km
Kraftübertragung
Kupplung Mehrscheiben-Ölbadkupplung mit Anti-Hopping-Funktion Nasskupplung mit Anti-Hopping-Funktion, hydraulisch betätigt
Schaltung 6-Gang 6-Gang
Sekundärantrieb Kette Kardan
Fahrwerk & Bremsen
Rahmen Stahlrohr-Brückenrahmen Haupt- und angeschraubter Heckrahmen, mittragender Motor
Federelemente vorn 43-mm-Upside-Down-Gabel 37-mm-Telelever, Zentralfederbein
Federelemente hinten Zentralfederbein, Federbasis hydraulisch einstellbar, Zugstufendämpfung einstellbar Aluminiumguss-Einarmschwinge mit BMW Motorrad Paralever, WAD Federbein
Federweg v/h 230 mm / 215 mm 210 mm / 220 mm
Radstand 1.593 mm 1.504 mm
Nachlauf 124 mm 95 mm
Lenkkopfwinkel 62 ° 66 °
Räder Speichenräder Speichenräder
Reifen vorn 90/90 R 21 120/70 R 19
Reifen hinten 150/70 R 17 170/60 R 17
Bremse vorn Schwimmend gelagerte 305-mm-Doppelscheibenbremse, Zweikolben-Bremssattel Schwimmend gelagerte 305-mm-Doppelscheibenbremse, Vierkolben-Bremssattel
Bremse hinten 265-mm-Scheibenbremse, Einkolben-Bremssattel 276-mm-Scheibenbremse, Zweikolben-Bremssattel
Maße & Gewicht
Länge 2.300 mm 2.270 mm
Breite 939 mm 952 mm
Höhe 1.437 mm
Gewicht 244 kg 268 kg
zul. Gesamtgewicht 455 kg
Maximale Zuladung 211 kg 217 kg
Sitzhöhe 815 mm 890 mm oder 910 mm
Standgeräusch 90 dB(A)
Fahrgeräusch 80 dB(A)
Tankinhalt 23 Liter 30 Liter
Fahrerassistenzsysteme ABS ABS
Fahrzeugpreis ab 13.050 €