BMW R 1250 GS - Shiftcam-Boxer im Fahrtest

Ob beim Überholen oder beim sportlichen Beschleunigen aus Kurven zieht die 1250er GS dermaßen souverän und druckvoll an, dass es eine wahre Freude ist.
BMW R 1250 GS - Shiftcam-Boxer im Fahrtest
BMW R 1250 GS - Shiftcam-Boxer im Fahrtest
10 Bilder
17.06.2020
| Lesezeit ca. 6 Min.
Hanspeter Küffer
Markus Jahn, Arnold Debus, Amelie Mesecke, Jörg Künstle
BMW legt die Messlatte im Segment der Reiseenduros erneut eine Stufe höher. Die neueste Version der großen GS glänzt nicht mit neuem Design, sondern vielmehr mit dem umfassend erneuerten und erstmals mit variabler Ventilsteuerung ausgestatteten Zweizylinder-Boxermotor.
BMW R 1250 GS auf Reise

Stillstand ist Rückschritt – das gilt ganz besonders auch für ein so erfolgreiches Motorrad wie die Boxer-GS von BMW. Bei der Lancierung vor nahezu 40 Jahren stand das Buchstabenkürzel der damals ersten R 80 GS noch für Gelände/Sport, später und bis heute für Gelände/Straße. Die bisher größten Entwicklungsschritte durchlief die Zweizylinder-Boxer-GS mit dem neuen Vierventilmotor und Telelever-Fahrwerk 1999 (R 1150 GS) und vier Jahre später mit der ersten Zwölfer-GS, die seither in verschiedenen Versionen über 700.000-mal produziert wurde. In zahlreichen europäischen Ländern, allen voran in Deutschland, ist die GS seit vielen Jahren das mit großem Abstand meistverkaufte Motorrad.
BMW R 1250 GS Motor

Größerer Hubraum für mehr Leistung

Eine dermaßen gute und beliebte Ikone noch besser zu machen, ist nicht einfach. Dennoch muss in der schnelllebigen Zeit von heute schon allein aus Marketinggründen selbst der erfolgreichste Bestseller nachgeschärft werden. „Nachschärfen“ ist im Fall der neuen R 1250 GS jedoch massiv untertrieben: Nach knapp 15 Jahren spendiert BMW dem Vierventilboxer ein weiteres Mal mehr Hubraum, wobei die Erweiterung von 1.170 ccm auf neu 1.254 ccm wesentlich größer ausfällt, als es die Bezeichnung der Neuen vermuten lässt. Das Verhältnis zwischen Bohrung und Hub beträgt nun 102,5 zu 76 Millimeter (vorher 101 zu 73 mm), die Leistung steigt auf 136 PS bei 7.750 U/min (vorher 125 PS) und das maximale Drehmoment um 14 Prozent auf 143 Newtonmeter bei identischer Drehzahl wie beim Vorgängermodell.

Neue ShiftCam-Technologie ist Teil der neuen BMW R 1250 GS

Neben der beachtlichen Leistungssteigerung überzeugt der neue Boxermotor mit signifikant verbesserter Laufkultur und Laufruhe sowie optimierten Emissions- und Verbrauchswerten. Erreicht wurden diese durch die sogenannte ShiftCam, eine von BMW entwickelte Technik zur Variation der einlassseitigen Ventilsteuerzeiten und des Ventilhubs. Herzstück dieser Technik ist die axial verschiebbare Einlass-Nockenwelle, die pro zu betätigendem Ventil über zwei unterschiedlich gestaltete Nocken verfügt. Die sogenannten Teillastnocken mit geringerem Hub und asynchronen Öffnungszeiten optimieren die Laufkultur und den Verbrauch, die Volllastnocken mit maximalem Hub die Leistung.
Downloads & Produkte zum Thema
ShiftCam funktioniert abhängig von Last und/oder Drehzahl. Eine Schaltkulisse auf der Nockenwelle und ein kurzzeitig darin im Eingriff befindlicher elektromechanisch angesteuerter Pin (Stift) bewirkt die axiale Verschiebung der Einlassnockenwelle und damit den Einsatz der Teillast- respektive Volllastnocken. Wird im unteren Drehzahlbereich stark beschleunigt, schießt der Pin in die Schaltkulisse und verschiebt dadurch die Nockenwelle in fünf Millisekunden axial auf die schärferen Volllastnocken. Gleiches passiert, wenn die Drehzahl von 5.000 U/min überschritten wird. Bei konstantem Gas und unter 5.000 U/min werden die Einlassventile über die Teillastnocken angesteuert. Im Vergleich zum sparsamen Vorgänger soll die ShiftCam-Technologie dadurch eine Reduzierung des Benzinverbrauchs um bis zu vier Prozent bewirken.
BMW R 1250 GS Kurvenfahrt

Druckvollere Beschleunigungen zeichnen die 1250 GS aus

Satte Beschleunigungen aus dem Drehzahlkeller zählten ja bereits bis anhin zu den Stärken der Boxer-GS. Die Neue kann das jetzt noch ein ordentliches Stück besser und vor allem auch souveräner, druckvoller und mit spürbar weniger Vibrationen. Der Boxer-typische Charakter ist nach wie vor da, obschon der in Teilbereichen flüssigkeitsgekühlte Zweizylinder kultivierter läuft. Zwar drückt die R 1250 GS 11 PS mehr auf die Kurbelwelle, doch das fällt eigentlich weniger ins Gewicht, zumal das Surfen auf der jetzt noch gewaltigeren, ausgeglicheneren und länger anhaltenden Drehmomentwelle einfach noch mehr Freude macht, als die Gänge immer voll auszudrehen. Die Gasannahme funktioniert in unterschiedlichen Bereichen perfekt.
BMW R 1250 GS Seitenansicht

Zuverlässig im leichten Gelände

Auf Asphalt und mehr noch auf Schotter und im leichten Gelände offenbaren sich die Vorteile des bauchigeren Drehmoments. Ob beim Überholen oder ganz einfach beim sportlichen Beschleunigen aus Kurven zieht die 1250er GS dermaßen souverän und druckvoll an, dass es eine wahre Freude ist. Abseits befestigter Pfade setzt sich der Antritt von ganz weit unten noch beeindruckender in Szene. Wenn es gilt, heikle Passagen im Schritttempo im Trialstil zu passieren, zum Beispiel ein ausgewaschenes Flussbett zu durchqueren, sinkt die Drehzahl gelegentlich auf Standgasniveau. Doch selbst aus solchen Situationen, wo praktisch jeder einzelne Kolbenschlag zu spüren ist, hängt der Boxer sauber am Gas und beschleunigt kraftvoll, ohne abzusterben. Es ist wirklich erstaunlich, wie einfach die GS trotz schierer Größe und 249 Kilogramm Gewicht leichtes Gelände meistert.
infotainment

Drei Ausführungen bietet BMW an

Anlässlich der Modellvorstellung in Portugal fuhren wir auf der Straße die mit viel Sonderausstattung aufgewertete Basisversion R 1250 GS Cosmicblue Metallic und im Gelände die ebenfalls top-bestückte Style-Variante R 1250 GS HP mit Sportfahrwerk und offroad-tauglicher Metzeler-Karoo-3-Bereifung. Die weitere Style-Version R 1250 GS Exclusive unterscheidet sich wie bis anhin durch eine hochwertigere Lackierung und üppigere Serienausstattung von den beiden Schwestermodellen. Fahrwerk-seitig bleibt bei allen drei Versionen weitgehend alles beim Alten und das ist gut so. Ähnliches gilt für das Design, das bis auf winzige Retuschen sowie Farb- und Graphic-Updates beibehalten wurde. Die markantesten optischen Erkennungsmerkmale sind der R-1250-GS-Schriftzug auf den Seitencovers und die neuen Zylinderkopfdeckel mit geprägtem ShiftCam-Logo.
BMW R 1250 GS Front

Umfangreichere Grundausstattung

Bezüglich Ausstattung haben alle drei Modelle weiter zugelegt. Neben den beiden Fahrmodi Rain und Road, ABS und der automatischen Stabilitätskontrolle ASC ist bei allen neu auch Hill Start Control (HSC) für komfortables Anfahren am Berg serienmäßig an Bord. Zur Grundausstattung gehört ebenfalls der LED-Scheinwerfer, wobei das LED-Tagfahrlicht weiterhin optionale Sonderausstattung bleibt. Als weiteres bisher aufpreispflichtiges Feature ist nun auch das 6,5 Zoll große TFT-Farbdisplay dabei. In Verbindung mit dem am rechten Lenkergriff platzierten Multi-Controller kann der Fahrer damit schnell und komfortabel auf verschiedene Fahrzeug- und Connectivity-Funktionen wie Telefon und Musik etc. zugreifen.
BMW R 1250 GS Fahrfoto

Das erweiterte Sonderausstattungssortiment komplettiert die BMW R 1250 GS

Es gibt nur wenige Motorräder mit einem ähnlich umfangreichen Programm an Sonderausstattungen und Zubehör. Für die neue R 1250 GS hat BMW das Sortiment erneut erweitert. Abgesehen von den bereits erwähnten Features gehört das elektronische Fahrwerk Dynamic ESA „Next Generation“ mit vollautomatischem Beladungsausgleich zu den am meisten georderten Optionen. Die Sonderausstattung „Fahrmodi Pro“ beinhaltet neben zusätzlichen Fahrmodi für Straße und Gelände die dynamische Traktionskontrolle (DTC), „ABS Pro“ (Kurven-ABS) und neu nun auch „Hill Start Control Pro“ sowie den Bremsassistenten „Dynamic Break Control“ (DBC). Eine komplette Auflistung weiterer Features mit entsprechenden Erklärungen der Funktionen würde den Rahmen dieser Berichterstattung sprengen. Die Preise für die neue BMW R 1250 GS starten hierzulande bei 16.450,-- Euro. Doch angesichts der fast unbegrenzten Möglichkeiten zur Individualisierung ist anzunehmen, dass sich dieser Preis wohl für die meisten verkauften Modelle noch um ein paar Tausender oder zumindest Hunderter erhöhen dürfte.
#BMW#Enduro#Test
Technische Daten BMW R 1250 GS 2021-2023
Motor
Bohrung x Hub 102,5 x 76 mm
Hubraum 1.254 ccm
Zylinder, Kühlung, Ventile luft-/flüssigkeitsgekühlt, 4 Ventile pro Zylinder
Abgasreinigung/-norm Euro 5
Leistung 136 PS (100 kW) bei 7.750 U/min
Drehmoment 143 Nm bei 6.250 U/min
Verdichtung 12,5:1
Höchstgeschwindigkeit über 200 km/h
Wartungsintervalle Erstinspektion bei 1.000 km, dann alle 10.000 km
Kraftübertragung
Kupplung Nasskupplung mit Anti-Hopping Funktion, hydraulisch betätigt
Schaltung 6-Gang
Antrieb Kardan
Fahrwerk & Bremsen
Rahmen Haupt- und angeschraubter Heckrahmen, mittragender Motor
Federelemente vorn 37-mm-Telelever, Zentralfederbein
Federelemente hinten Aluminiumguss-Einarmschwinge mit BMW Motorrad Paralever, WAD Federbein
Federweg v/h 190 mm/200 mm
Radstand 1.514 mm
Nachlauf 100,6 mm
Lenkkopfwinkel 25,7°
Räder Aluminium-Gussräder
Reifen vorn 120/70 R19
Reifen hinten 170/60 R17
Bremse vorn 305-mm-Doppelscheibenbremse, schwimmend gelagerte Bremsscheiben, Vierkolben-Radialbremssattel
Bremse hinten 276-mm-Einscheibenbremse, Zweikolben-Schwimmsattel
Maße & Gewicht
Länge 2.207 mm
Breite 952,5 mm
Höhe 1.460–1.570 mm
Gewicht 249 kg
zul. Gesamtgewicht 465 kg
Maximale Zuladung 216 kg
Sitzhöhe 850/870 mm
Standgeräusch 88 dB(A)
Fahrgeräusch 76 dB(A)
Tankinhalt 20 Liter
Weitere Baujahre 2018-2020
Fahrerassistenzsysteme
ABS
Traktionskontrolle
Fahrmodi
Fahrzeugpreis ab 16.580,-- Euro
Sonstiges Preis ab 2022: ab 17.750,-- Euro
Preis ab 2023 unverändert
Jetzt mitreden – deine Meinung zählt!
Schon dabei? und mitdiskutieren!
Ihr Kommentar wird abgespeichert...