Seriensiegerin und zwei Jahre in Folge Weltmeisterbike in der WorldSBK – große Fußstapfen für die komplett neue Ducati Panigale V2! Erste Eindrücke der S-Version auf dem Circuito de Sevilla.
Wir sind auf dem Circuito de Sevilla. Eine relativ neue und wenig bekannte Rennstrecke, etwa 15 Autominuten östlich von Sevilla. Der Kurs bietet eine Vielzahl bekannter Streckenlayouts, die schnelle Elemente mit engen und verwinkelten Kurvenpassagen kombinieren. Dabei geht es auf der Berg-und-Tal-Achterbahn mit knapp 5 % Steigung ordentlich zur Sache. Zwar hätten wir die neue Panigale V2 auch gerne auf der Straße getestet, doch bietet dieser Kurs gute Anlagen, um die Alltagstauglichkeit erahnen zu können. Denn die Zeit drängt! So werden aktuell die ersten Bikes ausgeliefert und stehen ab 16.390,-- Euro in der Standardversion und ab 18.890,-- Euro in der hier getesteten S-Variante bereits in den Schaufenstern.
Power für die Straße – Ducatis Panigale V2 S überzeugt mit sattem Drehmoment und sportlichem Klang
Der neue V2 ohne Desmodromik
Bruch mit der Ducati-Tradition oder einfach nur konsequent die technischen Vorzüge sowie das Marktgeschehen in Einklang gebracht? Eher Letzteres! Denn was nützen technisch herausragende Lösungen, wenn sie kostenseitig in immer neue Sphären vorstoßen und der Markt sich nach einem alltagstauglichen und bezahlbaren Supersportmotorrad sehnt? So ist eine klassische Ventilsteuerung per Federn eben deutlich günstiger in der Herstellung und auch im Unterhalt. Ölwechsel nach zwei Jahren oder 15.000 km und Ventilkontrolle alle 30.000 km, gepaart mit kürzeren Servicezeiten, lassen die Kosten purzeln.
Trackday-ready – die Panigale V2 ist perfekt für Straße und Rennstrecke Der neue Euro5+ 90°-V2-Motor mit 890 ccm Hubraum und variabler Einlassventilsteuerung (IVT) wiegt nur noch 54,4 kg und ist damit 9,5 kg leichter als das 955-ccm-Superquadro-Aggregat. Allerdings leistet er jetzt 35 PS und 11 Nm weniger, was 120 PS bei 10.750 Touren und 93,3 Nm bei 8.250 Touren entspricht. Bei 11.500 Umdrehungen pro Minute greift der Begrenzer ein.
Supersport-600-Championship-Fahrer Davide Stirpe zeigt auf der Teststrecke von Vallelunga eindrucksvoll auf, dass er mit der neuen Panigale V2 nur 0,22 Sekunden langsamer ist als mit der vermeintlich stärkeren Vorgängerin. Auch Marc Márquez konnte bereits einen Vergleich ziehen und kommentierte diesen mit Worten wie „amazingly light“, „corner much better“ oder „easier to ride“. Mit Blick auf neue Panigale-Fans wird die A2-Variante mit 48 PS, die es in der Standard- und S-Version gibt, noch interessanter.
Ergonomie für den Alltag – höhere Lenkerstummel und eine straffe Sitzbank sorgen für Komfort Denn entscheidend ist nicht nur die Spitzenleistung, sondern auch die Verfügbarkeit über das gesamte Drehzahlband. Und hier glänzt der neue V2 mit mindestens 80 Prozent Leistung zwischen 4.000 und 11.000 Touren. Damit lässt sich auch ein verpasster Gangwechsel vor der Kurve gut kaschieren, was der Alltagstauglichkeit zugutekommt.
Neues Chassis und leistungsstarkes Fahrwerk
Der Schlüssel zum Erfolg liegt ebenso im komplett neu aufgebauten Chassis. Insgesamt bringt die S-Version fahrfertig (ohne Benzin) 176 Kilogramm auf die Straße und ist damit 17 Kilogramm leichter als das Vorgängermodell. Das neue Monocoque nutzt den Motor als tragendes Element. Er wird um 20 Grad nach hinten gekippt eingebaut und kommt dadurch ohne Ausgleichswelle aus. Der Fahrer sitzt 837 mm hoch und darf seine Füße nun etwas tiefer und weiter vorne positionieren. Deutlich alltagstauglicher sind die Lenkerenden angebracht, die 6 cm höher und weiter zum Fahrer ausgerichtet sind. So finden auch 193 cm entspannt auf der straffen, aber trotzdem angenehm gepolsterten Sitzbank Platz. Für alle, die es doch maximal sportlich haben möchten, gibt es im Time-Attack-Paket entsprechend tiefe Lenkerenden. Die Tankform lehnt sich stark an die der Panigale V4 an und bietet einen direkten Beinschluss mit viel Gefühl im Hang-off.
Fahrwerkskomponenten für höchste Präzision – bei der S-Version setzt Ducati auf voll einstellbare Öhlins-Komponenten Fahrwerksseitig setzt die S-Version auf eine Öhlins-NIX30-Gabel (43 mm) und ein Öhlins-Federbein (Standard: Marzocchi-Gabel und Kayaba-Federbein), die jeweils voll einstellbar sind und genügend Reserven bieten. Auf ein semiaktives, elektronisch einstellbares Fahrwerk wurde aus Kostengründen verzichtet.
Schwingenseitig kommt die gleiche Konstruktion wie bei der großen Schwester Panigale V4 zum Einsatz – eine Zweiarmlösung. Sie fügt sich optisch einwandfrei ins Gesamtbild ein und ist angesichts der immer besser werdenden Reifenleistung einfacher und kostengünstiger zu realisieren. Beide Modelle werden auf leichten Sechs-Speichen-Aluminiumgussfelgen mit den Standardreifendimensionen 120/70 ZR17 und 190/55 ZR17 ausgeliefert. Für den Test durften wir jedoch auf die sehr sportlichen und mit Heizdecken vorgewärmten Pirelli Diablo Superbike in der Dimension 190/60 R17 hinten zurückgreifen, die auf der Panigale V2 für Grip ohne Ende sorgen.
17 Kilo leichter und 35 PS weniger
Hat man die anspruchsvolle Strecke ein wenig verinnerlicht, vergisst man schnell die 120 PS und die doch recht bequeme Sitzposition. Denn der V2 schiebt früh an und man kann selbst enge und langsame Passagen im 2. Gang fahren. Der Motor läuft sehr ruhig und ist auch im unteren Drehzahlbereich nicht ruppig. Die Bereitstellung von über 70 % des maximalen Drehmoments bei 3.000 Touren macht es einem auch einfach, hier aus den Ecken zu ziehen. Auf den beiden langen Geraden schaltet man mit dem Quickshifter 2.0 entspannt durch die Gänge und erreicht im 5. Gang locker über 230 km/h.
Eingewöhnung erforderlich
Bei schnellen Richtungswechseln ist die V2 extrem agil, ohne dabei unruhig zu werden. Es war etwas Eingewöhnung notwendig, um mit dem spielerischen Handling klarzukommen, da man aus der Gewohnheit heraus zu viel Kraft zum Umlegen aufwendet und so zu früh im Inneren der Kurve ist. Auf der Bremse, gerade mit den höheren Lenkerstummeln, liegt sie satt und präzise – fast schon zu unspektakulär und entspannt für die Rennstrecke. Die elektrischen Fahrhilfen tun hier sicher ihr Übriges dazu.
Elektronik wie eine Große
Bei der Elektronik setzt Ducati – auf Basis der Sechs-Achsen-Inertialplattform IMU von Bosch – die komplette Palette an Assistenzsystemen ein. Es stehen vier verschiedene Fahrmodi (Race, Sport, Road und Wet) zur Verfügung, die sich intuitiv und schnell über das Bedienkreuz an der linken Lenkeramatur wechseln und einstellen lassen. Dabei stehen, bis auf den Wet-Modus, immer 120 PS zur Verfügung (Wet reduziert auf 95 PS), die je nach Powermodus entsprechend direkt zur Sache gehen. Mit den Helferlein in der Hinterhand und der Leichtigkeit, mit der sich die Panigale V2 bewegen lässt, bremst man immer später und geht früher ans Gas. Dabei nehmen einem Ducati Traction- und Wheelie-Control jegliche Furcht, es übertreiben zu können. Im Race-Modus sorgt das Kurven-ABS in Kombination mit der einstellbaren Motorbremse für Bremspunkte, die am Morgen noch unmöglich erschienen. Die Brembo-M50-Monoblock-Bremssättel packen hier unnachgiebig auf die 320-mm-Scheiben.
Elektronik wie bei der großen Panigale V4 – es fehlt an nichts! Das neue 5-Zoll-TFT-Farbdisplay ist perfekt strukturiert und selbst bei direkter Sonneneinstrahlung hervorragend ablesbar. So kann man schnell aus dem Augenwinkel erkennen, welcher Gang eingelegt ist und welche Einstellungen die Fahrhilfen haben. Drei Anzeigemodi lassen keine Wünsche offen. Und wer den optional erhältlichen Lap Timer Pro dazu bestellt, bekommt einen automatisch arbeitenden Laptimer auf dem Display angezeigt – Zeitenjagd eben.
Der V2-Sound
Die Soundkulisse der V2 S, in Kombination mit der hochgelegten Doppelrohr-Auspuffanlage, verstärkt den Adrenalin-Kick und erinnert stark an die 1299 Final Edition – ohne dabei aufdringlich oder übermäßig laut zu sein. Die edel verlegte Auspuffanlage unterstreicht den sportlichen Charakter der Panigale, die mit ihrer markanten Linienführung sowie den LED-Scheinwerfern und Rückleuchten ihre Familienzugehörigkeit unmissverständlich zeigt.
Design mit Wiedererkennungswert – die Panigale V2 S verrät dank ihrer Linienführung ihre Familienzugehörigkeit Wer seine Panigale V2 S ausschließlich auf der Rennstrecke bewegen möchte, kann mit einer Termignoni-Anlage 6 PS und 5 Nm mehr Leistung herauskitzeln und dabei noch 4,5 kg Gewicht einsparen. Der Sound dieser Anlage sorgt zudem für noch mehr Gänsehaut.
Eleganz und keine Winglets
So wie der Sound der Racing-Anlage einen in den Bann zieht, verliert man sich auch in den Details der Linienführung. Diese wirkt nicht mehr so brachial wie früher, hat mehr in Ducati Rot lackierte Teile und wirkt eher sportlich edel. Auf Winglets wird gänzlich verzichtet – denn laut Ducati „wird nur etwas verbaut, was auch wirklich benötigt wird“. Will sagen: Bei 120 PS geht es auch locker ohne Flügelchen.
Keine Winglets, aber viel Style – Ducati verzichtet angesichts der übersichtlichen Leistung von 120 PS bewusst auf Winglets und setzt auf eine cleane, sportliche Optik Unter der Verkleidung wurde ein passives Belüftungssystem integriert, das stets für ausreichend Frischluft sorgt und heiße Ducati-Beine der Vergangenheit angehören lässt. Auch der Windschild fügt sich harmonisch in die Gesamtlinie ein und bietet – auf dem Tank liegend, mit dem Kinn in der eigens dafür ausgesparten Tankmulde – einen guten Windschutz. Aufrecht sitzend kommt schon etwas Wind auf den Körper. Störende Verwirbelungen traten aber, soweit auf der Rennstrecke erfahrbar, nicht auf.
Fazit Ducati Panigale V2 S
Ja – 120 PS reichen vollkommen aus, um mächtig Spaß zu haben. Die neue Ducati Panigale V2 S macht es einem leicht und lässt sich spielerisch bewegen. Ihr Motor läuft seidig weich durch das gesamte Drehzahlband, liefert satten Druck aus niedrigen Drehzahlen und verwöhnt mit einem sportlichen Klang. Dabei finden selbst große Fahrer auf ihr ausreichend Platz. Wer gelegentlich Racing-Feeling spüren möchte und sonst gerne sportlich auf Tour geht, wird mit ihr viel Freude haben. Aber auch Rennstrecken-Enthusiasten können mit der kleinen Panigale, in Verbindung mit dem Time-Attack-Paket, ideal in die Welt der Trackdays einsteigen.
Unterschiede: Ducati Panigale V2 und Panigale V2 S
Panigale V2
Panigale V2 S
Fahrwerk
voll einstellbar, 43-mm-Marzocchi-Gabel und Kayaba-Federbein
voll einstellbar, 43-mm-Öhlins-NIX30-Gabel und Öhlins-Federbein
Batterie
Standardbatterie
leichtere Lithium-Ionen
Sozius-/Solo-Betrieb
mit Sitzpolster; optional auf Singlebetrieb umbaubar
Singlebetrieb, optional auf mit Soziussitz umbaubar
Launch Control/Pit Limiter
optional
Serie
Leergewicht
179 kg
176 kg
Zubehör – Time-Attack-Paket
Termignoni Racing-Anlage (+6 PS / +5 Nm / –4,5 kg)
Öhlins Lenkungsdämpfer
verstellbare Fußrasten
niedrigerer Lenker
Abdeckung für die Spiegelhalterungen
Motordeckel-Abdeckungen
Lap Timer Pro
Zubehör – Touring-Paket
Tempomat
Turn-by-Turn-Navigation über Display und Smartphone-App
Reifendrucksensor
USB-Ladebuchse
Pro
kultivierter und kraftvoller V2
intuitiv bedienbare Einstellungen
fein arbeitende Bosch Elektronik und Assistenz-Systeme