Energica Experia – erste Testfahrt mit dem neuen Elektrotourer
Kaum enthüllt, schon präsentiert: Energica hat zum ersten Fahrtest der Experia geladen. So schlägt sich der neue elektrische „Green Tourer“ in den Bergen.
Wolkenstein in Gröden. Uuaahh. Diese drei Wörter jagen bergaffinen Motorradfahrern sofort einen Schauer über den Rücken. Einen Schauer der Vorfreude und Erregung. Die Dolomiten. Majestätisch. Episch. Und vor allem: kurvig. Eine steile Kehre folgt der nächsten. Rauf, runter, spitz und spitzer. Wer den Kopf nicht wenigstens bis zur Schulter drehen kann, braucht hier gar nicht erst anzureisen.
Das wissen die Jungs von Energica natürlich nur zu gut. Ihr Headquarter in Modena ist rund 300 Kilometer entfernt. Mit einem Sprinter bist du in drei Stunden hier. Auf eigener Achse würde es mit ihrem Fuhrpark vermutlich länger dauern: Elektroantrieb und Langstrecke – das ist bekanntlich so eine Sache. Ganz gleich, ob mit zwei oder vier Rädern, wie Ladetests und –erfahrungsberichte immer wieder zeigen.
Optische Anleihen bei Ducati und BMW Motorrad
Imposante Erscheinung: Die Energica Experia zielt auf schnelle Crossover-Bikes wie BMW S 1000 XR und Ducati Multistrada Pikes Peak, bloß elektrisch Aber das soll sich jetzt ändern. Mit der Energica Experia. Dem ersten Tourer der Italiener. Genau genommen ihrem ersten „Green Tourer“. So nämlich bezeichnen sie ihren Adventure-Crossover, der rein optisch eine Kreuzung aus Ducati Multistrada und BMW S 1000 XR sein könnte.
Kleiner Windschild, Habichtnase im Stil der Ducati Multistrada Was, Hand aufs Herz, durchaus eine gelungene Mischung verspricht. „Born to be wind“, lautet der Werbeslogan, frei nach Steppenwolfs Gassenhauer von 1968. Na denn: „Looking for adventure, in what ever comes our way.“
Mindestens 208 km „echte“ Reichweite verspricht Energica
Über Tempo, Reichweite und Batteriezustand informiert ein vollfarbiges TFT-Display Über die technischen Daten der Experia haben wir bereits Ende Mai alles Wissenswerte berichtet: 80 PS Dauerleistung, 102 PS Maximalleistung, 180 km/h Spitze, laut Energica bis zu 420 km Reichweite im City-Modus, laut WMTC immerhin 222 km kombiniert beziehungsweise 208 km „außerorts“. Was das bedeutet, kann sich jeder vorstellen bei der DNA der MotoE-Begründer: Zwischenspurts am Rande der Legalität. Energica ist bislang das Nonplusultra der E-Beschleunigung: 200 Newtonmeter schickt die Eva Esseesse9+ aus dem Stand ans Hinterrad, 215 Nm sind es bei der Eva Ribelle und Ego+. Höchstgeschwindigkeit: 200 bis 240 km/h. Aberwitzig und – wenn man ehrlich ist – viel zu viel für bergige Routen.
Die neue Energica Experia – Straßenmaschine Nummer 4 der Italiener – begnügt sich deshalb mit 115 Nm. Die sind jederzeit souverän beherrschbar und mehr als ausreichend. Wie es sich gehört, schieben sie dem Fahrer beim beherzten Dreh am Stromgriff konstant die Wangentaschen nach hinten und zaubern ihm so das berühmte Beschleunigungsgrinsen ins Gesicht, das sich insgeheim wohl jeder wünscht, sobald er den Helm über den Kopf zieht.
Die Energica Experia wiegt fahrbereit 260 kg
Also machen wir das doch einfach mal. Die Route, die uns erwartet, ist übersichtlich: Rund 60 km hat Energica ausgekundschaftet. Um die Reichweitenangaben zu verifizieren, reicht das, ähem, bei Weitem nicht. Für einen Fahreindruck und einen Vergleich mit den ebenfalls zur Ausfahrt bereitstehenden Schwestermodellen aber durchaus. Erster Eindruck gleich nach dem Aufsteigen: Hier passt alles. Die offizielle Sitzhöhe beträgt nicht zu verachtende 847 mm. Durch die Wespentaille, die Energica der Experia verpasst hat, kommen aber beide Füße vollflächig auf den Boden. Sehr beruhigend bei einem Bike, das immerhin 260 Kilogramm wiegt.
Neuer Antriebsakku mit mächtigen 22,5 kWh
Mal was anderes: Ladefach an der rechten „Tankseite“. Der 22,5-kWh-Akku sitzt unterhalb davon Die mehr als fünf Zentner fallen aber kaum ins Gewicht: Dank der neuen Plattformgeneration ist die Experia hervorragend ausbalanciert. Gefühlt wiegt die Maschine keine 200 kg. Der Schwerpunkt ist dank des neuen 22,5-kW-h-Akkublocks (19,6 kWh effektiv) – mehr Ladekapazität bietet derzeit kein anderes E-Motorrad – viel weiter unten als bei Energica Ego+ und Co. Die gesamte Antriebseinheit ist länger (höher), schmaler und weiter hinten platziert. Dadurch verliert die Energica die Kopflastigkeit des dicken Akkublocks der ersten Generation. Vom Gewicht geben sich die beiden indes nichts: Sie landen jeweils bei rund 100 kg.
Motorräder Neue Farben & Preise: Kawasaki Modelle 2023, Test: Royal Enfield Hunter 350, Dauertest: Harley-Davidson Pan America, Neue Farben für Triumphs Modern Classics, Updates für 2023: Ducati Panigale V4, Projekt abgeschlossen: Triumph „TE-1“, BMW, H-D und Indian beim 1. Bagger Party Race, Test: Yamaha XSR900 – Schnellere Söhne 2.0,mehr BMW Motorräder Modelljahr 2023, Gebaut für die Langstrecke: Energica Experia, Honda Africa Twin Updates 2023, Test: Modern Classic – Brixton Cromwell 1200, Weltneuheit: Can-Am Elektromotorräder
Roller Vespa Pic Nic – Für alle Picknicker, BMW Roller für das Modelljahr 2023, Test: Piaggio MP3 – Maxi-Scooter mit Radar, Suzuki Address & Avenis 125 – Auch in Deutschland erhältlich
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Rückwärtsgang und Schleichfahrtmodus
Zum Rangieren gibt es bei Energica grundsätzlich einen Rückwärtsgang. Um den einzulegen, drückt man bei gezogener Handbremse drei Sekunden lang den Anlasser, dann erscheint unübersehbar ein „R“ auf dem Display und es geht per Gasgriff im Schleichtempo nach hinten. Kurzes Antippen, dann wechselt der Rückwärts- in den Vorwärts-Schleichmodus. Langsame Fahrt voraus – auch das dient zum Rangieren, damit Ungeübte nicht plötzlich einen Satz nach vorn machen, falls sie unbedarft am Stromkabel ziehen. Beides ist ein Alleinstellungsmerkmal im Adventure-Touren-Segment.
Aber wir wollen ja gar nicht rangieren, wir wollen los. Vier konfigurierte und drei frei zusammenstellbare Fahrprogramme bietet Energica dafür an. Sport, Urban, Regen („Wet“) und Eco heißen sie. Jedes hat eigens aufs jeweilige Profil abgestimmte Parameter für die Traktionskontrolle (sechsstufig) und die Rekuperation (vierstufig). Auf Stufe null rollt die Experia quasi ungebremst den Berg runter. Das macht sie übrigens auch, wenn man sie in die falsche Richtung abstellt: Eine Parkbremse gibt es nicht.
Mit Düsentrieb light durch die Dolomiten
Ich starte im Urban-Modus, Rekuperation auf „B3“, also volle Bremsenergierückgewinnung. Bremsen wird dadurch bekanntlich weitgehend überflüssig. Ich mag das. Andere nicht. Die Italiener vor mir testen offenbar vor bzw. in jeder Kehre das Kurven-ABS. Aber nun, dafür ist es ja da. Die Gas-, äh, Pardon, Stromannahme erfolgt schön smooth und linear. Das tramähnliche „Whuuiiiii“ beim Beschleunigen fällt nach kurzer Eingewöhnung nicht weiter unangenehm auf. Ohne Sound nix los auf dem Moped? Käse. Das lautlose Davonzischen auf der Experia ist einfach geil.
Ohne Sound nix los auf dem Moped? Käse. Das lautlose Davonzischen auf der Experia ist einfach geil Rechts und links verdrehen immer wieder Biker-Gruppen die Köpfe, wenn wir vorbeistromern. Ein paar schütteln den Kopf. „E-Motoren, auweia“, denken sie sichtbar. Eine nach wie vor weitverbreitete Meinung unter Motorradfahrern. Aber hey, einfach mal ausprobieren, Leute, irgendwann kommt man im durchgangsbeschränkten „urbanen Bereich“ vermutlich eh nicht mehr daran vorbei. Und mal ehrlich: Aus Anwohnersicht – nicht nur in den Dolomiten – wäre das ein Segen. Kurzzeitig mischt sich mal nach Ampelstopps ein Vergaser-Bike älteren Baujahres unter uns. Und bei aller Liebe zu „sauberen“ Verbrennern: Der Benzingestank nervt enorm, wenn man hier in den Bergen erst einmal „abgasfrei“ unterwegs war und von jedem Fahrradkraxler einen Daumen bekam.
Nur die Ruhe, wenn es um die Reichweite geht
Wechsel in den Sport-Modus. Die angezeigte Restreichweite sinkt um ein paar Kilometer, aber nur bis zur nächsten Gefällepassage. Wir lernen: Ruhe bewahren, wenn es um die Angaben des Bordrechners geht. Batteriekapazität und Reichweite bis zum Nachladen werden konstant auf dem neuen 5-Zoll-Display angezeigt, das aufmerksame Beobachter von der Aprilia Tuareg 660 kennen. Beim Start meldete es 158 km Reichweite bei 98 Prozent Ladestand. Nach den ersten Kilometern kletterte die Reichweite auf 223 km bei 96 Prozent. Am Ende der Testfahrt blieben 180,6 km Reichweite bei 75 Prozent Batteriestand. Macht unterm Strich 60 gefahrene Kilometer mit etwas mehr als einem Fünftel des Ladestroms. Geht doch.
Hochgerechnet kommen die 256 km Reichweite, die Energica für den Mixbetrieb aus Stadt/Land/Berg/Speed angibt, vermutlich ganz gut hin, wobei wir bei unserem Testride selten mehr als 200 Meter geradeaus gefahren sind. Insoweit gilt es, da durchaus noch längere Testfahrten abzuwarten, um die Reichweite beurteilen zu können. 1200 Ladezyklen von null auf 80 Prozent verspricht Energica in puncto Lebensdauer. Damit hielte der Akku mehr als 250.000 Kilometer. Die Garantie gilt für drei Jahre/50.000 km.
Made in Motorvalley Modena
Geladen werden kann erstmals bei Energica über alle drei gängigen Ladesteckersysteme inklusive CHAdeMO für den asiatischen Markt (ab Ende 2022). Am DC-Schnelllader (Level 3 Mode 4) zieht der Akku 6,7 km Reichweite pro Minute, macht rund 400 km City-Reichweite in einer Stunde. An der Haushaltssteckdose (Level 2 Mode 2) sinkt das Ladetempo auf 63,5 km in der Stunde, macht eine Ladezeit von rund 6,5 Stunden für einen vollen Akku. Wie der Permanent-Magnet-Synchronmotor ist die Antriebsbatterie komplett neu und – genau wie das komplette Bike – „Made in Motorvalley“ Modena. Darauf sind die Italiener von Energica mächtig stolz.
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Größter Markt der Highspeed-E-Schmiede ist traditionell Amerika, gefolgt von Großbritannien. Skandinavien ist im Kommen, Deutschland rangiert auf Platz fünf. „Wir hatten in den vergangenen Jahren zahlreiche Interessenten, die immer mal wieder vorbeikamen und sagten: Ich mag eure Marke, aber für mich ist leider nicht das richtige Bike dabei. Die holen wir jetzt ab mit der Experia“, frohlockt Laurence Kuykendall, Marketing Director USA & Global Marketing Strategy Support. Der Green Tourer soll das Volumenmodell werden, auch in Europa.
Launch-Edition zum Start kostet 30.452,-- Euro
Stückzahlen gibt Energica wie die Wettbewerber Zero Motorcycles und LiveWire nicht preis, nur so viel: Die Käufer setzen sich zur Hälfte aus Neu- und Bestandskunden zusammen. Bis Ende 2022 will Energica die weltweite Zahl seiner Händler und Vertriebspunkte von 95 auf 115 ausbauen, Ende 2023 sollen es 140 sein. On top kommen jeweils die US-Dealer. Derzeit sind es elf, 25 sollen es werden in den kommenden zwei Jahren. Der erfolgreichste US-Händler sitzt derzeit in Austin, Texas. Der deutsche Absatz konzentriert sich auf die Achse München – Stuttgart. „Dort befinden sich sechs unserer 14 deutschen Händler“, sagt Marketing-Direktor Giacomo Leone.
Ende September 2022 soll die Experia in den Handel kommen. 25.590,-- Euro beträgt der Einheitspreis für die zum Start einzig verfügbare Launch-Edition inklusive Givi-Gepäckset (112 Liter), Tempomat, Griffheizung und vier USB-Ladebuchsen (davon 2 x USB-C) – plus lokale Mehrwertsteuer, macht in Deutschland also 30.452,--Euro. Eine Menge Geld für ein Touren-Motorrad, aber nun, Elektromobilität hat bekanntlich ihren Preis, vor allem in Deutschland, wo elektrische Zweiräder bestenfalls lokal gefördert werden. Kleiner Trost: Einziges Extra, das bei der Launch-Edition on top kommen kann, ist das Keyless-System (Preis noch nicht kommuniziert). Das Basismodell soll für 23.700,-- Euro folgen.
Die Launch-Edition inklusive Givi-Gepäckset (112 Liter), Tempomat, Griffheizung und vier USB-Ladebuchsen (davon 2x USB-C) gibt es in Deutschland ab 30.452,--Euro. Reichweite: 222 km (WMTC), der Hersteller gibt die Reichweite in urbanem Terrain mit bis zu 420 Kilometern an