BMW fächert bei der neuen R 1300 R das Eigenschaftsspektrum deutlich stärker auf, stärkt aber in jedem Fall die sportliche Grundauslegung des bayerischen Dynamic Roadsters.
Die eine BMW Boxer-R gibt es bei BMW Motorrad nicht mehr; stattdessen finden sich im 2025er-Modellprogramm der Bayern mindestens deren zwei. Die Entwickler haben es nämlich geschafft, bei der R 1300 R mit intelligenter Varianz – man könnte auch sagen: durch Feintuning – einen viel breiteren Bereich als nur den eines sportiven Naked Bikes abzudecken.
Vier verschiedene Wege zum R-Fahrspaß
Die vier Varianten der neuen R 1300 R unterscheiden sich nicht nur optisch und im Preis, sondern aufgrund der enthaltenen Ausstattungspakete auch technisch ziemlich deutlich. Während die Basisversion (ab 16.450,-- Euro) – erkennbar an ihrer Lackierung in einem hellen Blau („Snapper Rocks metallic“) und an konventionellen Spiegeln – gemäßigt sportlich gestaltet ist, sieht das bei der „Performance“-Ausstattungsversion (plus 3.205,-- Euro) ganz anders aus: Sowohl die Lackierung in „Lightwhite uni“, Weiß mit Blau und Rot, als auch die Lenkerendenspiegel verraten bereits, wes Geistes Kind hier vor dem Betrachter steht. Dazu kommen dann noch diverse unübersehbare Applikationen rund ums Bike.
Auch die linke Fahrzeugseite offenbart die sportlich-fließende Linie; sie folgt dem Ansatz „Nose down, tail up!“ (Nase runter, Heck rauf) Einen wesentlichen Unterschied macht zudem das hier enthaltne Dynamic-Paket mit dem Schaltassistent Pro, Sportbremse, Sportbereifung und Dynamic Suspension Adjustment (DSA); auch Sportsitze und eine um 10 mm höhere Sitzposition gehören dazu. Etwas dezenter gestaltet ist die Variante „Exclusive“ (plus 765,-- Euro), die in dunklem Blau gehalten ist. Extrem auffallend präsentiert sich dann wieder die Version „Option 719 Kilauea“ (plus 2.200,-- Euro), bei der Schwarzmetallic und kräftiges Rot dominieren und neben Lenkerendenspiegeln zudem zahlreiche Alu-Frästeile verbaut sind.
Die Lenkerendenspiegel, bei der Performance-Variante serienmäßig, ermöglichen gute Rücksicht Während sich also die Basisversion und auch die Variante Exclusive trotz ihrer gegenüber der R 1250 R wesentlich sportlicheren Grundauslegung (neuer Motor, neues Fahrwerk, stärker vorderradorientierte Sitzposition) als Beinahe-Allrounder geben, ist das insbesondere bei der Performance-Variante komplett anders: Sie ist ihrem Wesen nach im Grunde ein Hypernaked Bike, geht also mehr in die ultimativ sportliche Richtung, wie das auch eine KTM Super Duke, eine Triumph Speed Triple oder eine Yamaha MT-10 SP tun, auch wenn die maximale Motorleistung der BMW etwas niedriger liegt (was abseits der Rennstrecke bedeutungslos sein dürfte). BMW gibt dem geneigten Kunden also die Chance, sich bei der R 1300 R für ganz verschiedene Wege zum Fahrspaß zu entscheiden. Dass diese Wahlmöglichkeiten in jedem Fall ordentlich Geld kosten, weiß jeder, der sich schon einmal mit dem BMW-Konfigurationsrechner beschäftigt hat.
Erste Ausfahrt mit der „Performance“
Die Performance-Variante der R 1300 R bündelt eine Reihe von Ausstattungs-Finessen und kombiniert diese mit einer auffälligen Lackierung Genug des langen Vorworts und aufgestiegen. Wir sind bei der ersten Ausfahrt ausschließlich mit der „Performance“ unterwegs. Diese Version ist im praktischen Fahrbetrieb auf bayerischen Landstraßen unterschiedlichen Ausbaugrades trotz spürbarer Sportlichkeit keineswegs als unkomfortabel zu bezeichnen. Mit einem solchen Motorrad in Begleitung einer halbwegs gelenkigen Sozia unterwegs zu sein, erscheint für somit nicht als belastend. Eine Boden-Boden-Rakete ist dieses Boxermodell bei Bedarf natürlich trotzdem: Das Drehvermögen des Shift Cam-Boxers mit seinen 145 PS Maximalleistung in Verbindung mit der sehr gut passenden Getriebeabstufung, aber vor allem dem mächtigen Drehmoment von bis zu 149 Newtonmetern, macht die mindestens 239 Kilogramm wiegende Maschine zu einem teuflisch schnellen Gerät. Für fixe Überholmanöver im 80 km/h-Bereich genügt ein halbsekundenkurzer Dreh am Gasgriff, um das gerade nötige Tempoplus bereitzustellen; die gewählte Gangstufe ist ziemlich egal.
Motor, Fahrmodi, Sitzposition und Bremsen
Der knapp geschnittene Soziussitz ist bei der Performance-Variante abgedeckt; das Rücklicht ist direkt am Sitzende fixiert. Die blaue Sitzbankabdeckung ist Sonderzubehör (195,-- Euro) Das bereits aus der R 1300 GS, deren Adventure-Schwester und aus der neuen RT bekannte Triebwerk agiert kultiviert, die Fahrmodi sind gut nutzbar; „Rain“ gibt sich tatsächlich sanftmütig, Dynamic dagegen explosiv. Die mit der sogenannten Sportbremse ausgerüstete „Performance“ bremst fantastisch und bleibt auch bei Gewaltbremsungen bockstabil; der Unterschied zur Normalbremse ist aber vermutlich eher ein optisch-emotionaler. Mit 810 mm Sitzhöhe offenbart sich auch diese um 10 mm höher gelegte Variante als bestens zugängliches Motorrad, der sogenannte Sportsitz überzeugt durch guten Halt. Ebenfalls gefallen haben die Bedienungselemente; alle Schalter, Tasten und Hebel an der „Performance“ überzeugen durch ihre Anmutung, die Handgriffe für Bremse und Kupplung lassen sich in der Griffweite verstellen; sie sind gut geformt und lassen sich mit wenig Kraftaufwand präzise bedienen.
Sportlich, aber nicht eingezwängt präsentiert sich die Sitzposition auf der BMW R 1300 R. Das Heck fällt kurz und knackig aus
Quickshifter und ASA
Der im Testbike vorhandene Quickshifter macht zumindest in den Fahrstufen vier bis sechs seine Sache ausgezeichnet; in den unteren drei Gängen kann es dagegen vorkommen, dass ein mehr oder minder großer Ruck den Gangwechsel begleitet. Wer einmal den automatischen Schaltassistenten, also das ASA ausprobieren kann, merkt schnell, dass mit dem ASA manuelle Gangwechsel deutlich angenehmer ablaufen als unter Zuhilfenahme des Schaltassistenten Pro. Das ASA in die sportlichste R-Variante einbauen zu lassen, stellt keinen Widerspruch zum sportlichen Auftreten der R 1300 R dar: Das System stört nie, da der Fahrer ja zu jedem Zeitpunkt die Automatik „überstimmen“ kann, sofern er nicht grundsätzlich im mechanischen Modus unterwegs ist. Und der Automatik-Modus hat ja ohnehin seine Berechtigung, beispielsweise beim touristischen Fahren, im dichten Verkehr oder auch im Soziusbetrieb.
Riding Assistant mit Frontradar: Angepasst an das Roadster-Konzept
Noch niemals zuvor hat BMW seinen Riding Assistant, also die Radarsensorik, in ein Nakedbike bzw. einen Roadster eingebaut. Bei der R 1300 R beschränkt sich das Assistenzsystem freilich aus optischen Gründen auf das Frontradar; die hintere Radareinheit würde nach BMW-Überzeugung die zierlich-kurze Heckpartie des Roadsters verunstalten. So gibt es also lediglich eine radarbasierte Cruise Control und auch die Frontkollisionswarnung, die Totwinkelwarnung entfällt. Eine gute Lösung, weil der Spurwechselwarner die am wenigsten bedeutsame Technologie darstellt. Fairerweise kostet der Riding Assistant in der R auch 220,-- Euro weniger als beispielsweise in der BMW R 1300 RT und auch in der RS. Im Sporttourer, der ja in sehr vielen Teilen mit der R identisch ist, wird der „volle“ Riding Assistant, also mit Heckradar, angeboten.
Komfort- und Touringoptionen
Wesentlich sportlicher als beim Vorgängermodell fällt das Fahrgefühl auf der R 1300 R aus Bei der R 1300 R zeigt sich, dass BMW konsequent daran arbeitet, so viele Ausstattungsoptionen wie möglich in so vielen Fahrzeugversionen wie nur denkbar anzubieten; beispielsweise lassen sich nicht nur heizbare Griffe ordern, sondern auch ein heizbarer Fahrersitz. Das für den Roadster gültige Komfortpaket bietet trotz der sportlichen Grundkonzeption auch die Möglichkeit, die Vorbereitung für das Gepäcksystem zu ordern; damit können nicht nur Kofferhalter einfach nachgerüstet werden, sondern auch es wird auch die zentrale Verriegelung der Koffer ermöglicht, weil das Set ein Steuergerät und einen modifizierten Kabelbaum enthält.
Doch fahren wir noch eine Runde: Wer keinen extra zu bestellenden „hohen Windschild“ vor sich hat, sitzt ziemlich frei im Fahrtwind; die sehr organisch über die Frontmaske hinausragende transparente Scheibe ist im touristischen Einsatz keine schlechte Sache.
Komplett neu entwickelt wurde die Paralever-Hinterachsführung der 1300er-Modelle; die Anbindung an den Rahmen ist deutlich steifer geworden
Fahrwerk, Aerodynamik und Fahrverhalten
Die sportliche Flyline der R 1300 R wird jedenfalls nicht „versaut“. Der Winddruck ist ohne Windschutz bis ins übliche Landstraßentempo gut erträglich; hier spielt die Abdeckung des Frontradars zusammen mit dem TFT-Display durchaus eine positive Rolle. Grob wird der Winddruck erst bei Tempi, die deutlich jenseits der auf Landstraßen tolerierbaren Geschwindigkeit liegen.
Bekannt ist das 6,5 Zoll große, sehr gut ablesbare Vollfarb-TFT-Display Das komplett neu konstruierte Fahrwerk der R 1300 R besteht aus einem Blechschalen-Hauptrahmen aus Stahl und einem Alu-Heckrahmen aus Druckguss. Das spürbar bessere Handling der R 1300 R im Vergleich zur Vorgängerin beruht nicht zuletzt darauf, dass die kompaktere Antriebseinheit – Motor mit darunterliegendem Getriebe – zusammen mit der neuen Fahrwerkskonstruktion eine verbesserte Massenkonzentration hin zum Gesamtschwerpunkt ermöglicht. Der neueste Roadster verhält sich deshalb beim Bremsen ausgesprochen präzise und stabil und benötigt beim Fahren, insbesondere beim Einlenken und in Wechselkurven, weniger Kraft. Zudem sprechen die Federelemente ausgesprochen gut an; „sportliche Härte“ ist hier nicht zu finden.
Fahrwerksoptionen: Dynamic ESA und DSA
Das Dynamic ESA, also das semiaktiv arbeitende Federungs- und Dämpfungssystem, ist in der R 1300 R serienmäßig verbaut. Die Dämpfung des Zentralfederbeins wird dabei dynamisch angepasst, die Federbasis muss manuell justiert werden. Vollkommen neu ist, dass BMW für die R 1300 R zusätzlich neue elektronische Fahrwerkselemente offeriert; das System nennt sich Dynamic Suspension Adjustment (DSA) und bedeutet, dass die dyanamische Anpassung der Dämpfung vorne und hinten mit einer entsprechenden Anpassung der Federrate kombiniert wird; die „Federsteifigkeit“ wird also beeinflusst. Laut BMW ist die R 1300 R damit „das erste Serienmotorrad, dessen USD-Gabel eine Anpassung der Federrate ermöglicht“. Die einstellbare Federbasis sorgt zudem für einen automatischen Beladungsausgleich. Sicher ist nach den ersten Testkilometern, dass sich der neue Roadster sehr leicht, sehr stabil und sehr sicher fährt. Und dazu äußerst komfortabel, denn die verschiedenen Fahrmodi und das Fahrwerkssetting sind weitergehender verzahnt; es sind mehr Individualisierungsmöglichkeiten gegeben als noch beim vergleichsweise „banalen“ Dynamic ESA.
Die Lenkergriffe liegen etwas weiter vorne und geringfügig tiefer als beim Vormodell; die Sitzposition passt zum geschärften Fahrzeugcharakter
Performance-Variante mit modifiziertem Fahrwerk und praktischer Aufbockhilfe
Besonders viel „Fahrwerk“ bietet die sportlichste Variante, die „Performance“. Bei ihr kommen eine längere USD-Telegabel und ein längeres Federbein zum Einsatz; damit steigern sich Boden- und Schräglagenfreiheit, zudem sorgt eine straffere Dämpfung in beiden Dämpfungsmodi für mehr Ruhe im Fahrwerk. Der Fahrer soll damit eine transparentere Rückmeldung erhalten – eine Sache, die vermutlich erst auf der Rennstrecke „herausgefahren“ werden kann. Für den Alltagsbetrieb wichtiger ist sicherlich die neue Funktion „Aufbockhilfe“ des DSA; sie erleichtert das Aufbocken des Roadsters auf den optional erhältlichen Hauptständer.
Lichtanlage
Die Beleuchtungsanlage der R 1300 R umfasst serienmäßig einen oktogonal gestalteten LED-Scheinwerfer sowie ein bestens erkennbares Tagfahrlicht in Form zweiter abgewinkelter seitlicher Streifen; der sehr flach stehende Scheinwerfer weist aber genügend Platz auf, um auch ein adaptives Kurvenlicht aufnehmen zu können, das freilich extra geordert und zusätzlich bezahlt werden muss („Headlight Pro“). Insgesamt sind schon in der Basisausstattung vier LED-Einheiten enthalten; zwei davon sind für Fern- und Abblendlicht zuständig, die beiden anderen für das Tagfahrlicht und das Positionslicht.
Der LED-Scheinwerfer mit einem Tagfahrlicht-Rahmen wird überragt vom dunkel verkleideten optionalen Frontradar
Vom Puristen zum Technologieträger: Die R 1300 R im Wandel
Anders als noch vor zehn Jahren, als eine R 1200 R ein recht mageres, tendenziell auch technisch puristisches Motorrad darstellte, hat BMW aus der R 1300 R einen Technologieträger ersten Ranges gemacht. Pur ist an ihr nur das verhältnismäßig freie Sitzen im Fahrtwind; die gesamte Technik ist kaum anders als in einer RT oder GS. Die Individualisierungsmöglichkeiten von Fahrwerk, Motor und auch der Fahrerpositionierung sind ins beinahe Unermessliche gewachsen. So verwundert natürlich auch nicht, dass die R 1300 R ein neues, natürlich höheres Preisniveau erreicht hat. 16.450,-- Euro für die Basisausführung sind schon ein Wort, auch wenn mancherlei „Goodies“ jetzt serienmäßig sind: Dynamic-ESA, das schlüssellose Start- und Schließsystem Keyless Ride, ein Tempomat und natürlich das schräglagenfähige Integral-Bremssystem sowie die ebenfalls schräglagenfähige Traktionskontrolle sind immer an Bord. Aber die Verführung, zu einer der hochwertigeren Varianten zu greifen und diese auch noch mit besonders attraktiven Finessen auszustatten, ist groß. Zurückhaltung auf diesem Gebiet kennt BMW nicht: Egal ob elektrifizierte Koffer, eine Navihalterung mit elektronischer Verriegelung oder ein Zylinderschutz aus Carbon – alles ist möglich. Auch ein im Fassungsvermögen variabler, mittels Quick-Lock-System sehr einfach zu befestigender Tankrucksack (5 bis 8 Liter Volumen) ist im Angebot: Er weist eine magnetische Führungshilfe auf, sodass er leicht fixierbar ist. 237,-- Euro kostet das kompakte Hightech-Teil. Nein, pur ist nichts mehr am Boxer-Roadster. Dafür aber technologisch alles top. Und dazu ausgesprochen ansehnlich.
Pro
extrem potenter, sehr sportlich designter Roadster
starkes, geschmeidiges Triebwerk in Kombination mit sportlich ausgelegtem Fahrwerk
bei Bedarf durchaus auch tourengeeignet
hochgradig individualisierbar, Kombination mit ASA sehr reizvoll
Contra
geht ganz schön ins Geld
hohe Verschmutzungsneigung im Hinterradbereich auf nasser Straße
Luft-/flüssigkeitsgekühlter 2-Zylinder-4-Takt-Boxermotor mit zwei obenliegenden, kettengetriebenen Nockenwellen, Ausgleichswelle und variabler Einlasssteuerung BMW ShiftCam
Abgasreinigung/-norm
Euro 5+
CO2 Emissionen
112 g CO2/km
Leistung
145 PS (107 kW) bei 7.750 U/min
Drehmoment
149 Nm bei 6.500 U/min
Verdichtung
13,1:1
Höchstgeschwindigkeit
über 200 km/h
Wartungsintervalle
Einfahrkontrolle bei 1.000 km, danach alle 10.000 km oder jährlich
Verbrauch pro 100 km
4,8 Liter
Kraftübertragung
Kupplung
Nasskupplung mit Anti-Hopping-Funktion, hydraulisch betätigt
Schaltung
6-Gang
Sekundärantrieb
Kardan
Fahrwerk & Bremsen
Rahmen
Zweiteiliges Rahmenkonzept bestehend aus Hauptrahmen mit angeschraubtem Heckrahmen, tragender Motor
Federelemente vorn
47-mm-Upside-down-Gabel
Federelemente hinten
Guss-Aluminium-Einarmschwinge mit BMW Motorrad EVO Paralever, WAD-Federbein
Federweg v/h
140 mm / 140 mm
Radstand
1.511 mm
Nachlauf
127 mm
Lenkkopfwinkel
62,5 °
Räder
Leichtmetall-Gussräder
Reifen vorn
120/70 ZR 17
Reifen hinten
190/55 ZR 17
Bremse vorn
Doppelscheibenbremse, schwimmend gelagerte Bremsscheiben, Ø 310 mm, 4-Kolben-Radialbremssättel
Bremse hinten
inzelscheibenbremse, Ø 285 mm, 2-Kolben-Schwimmsattel