Die RT setzt bei BMW seit 1979 jeher den Standard für gediegenes Reisen. Die neue R 1300 RT hält an dieser Tradition fest, weist aber zugleich ein noch höheres Dynamik-Talent als ihre Vorgängerin auf.
Erstmals im BMW-Modellprogramm fand sich das Typenkürzel „RT“ im Jahr 1979; aus dem Sporttourer R 100 RT hatte man in München einen schlanken Tourer mit großer, bereits im Windkanal optimierter Scheibe entwickelt. Seither steht die Boxer-RT für überlegte Touring-Eigenschaften. Die wichtigsten Aspekte sind der Fahr- und Sitzkomfort, die Fahrsicherheit, viel Platz für Fahrer, Sozia und Gepäck, dazu aber auch Fahrdynamik, Reichweite, Zuladung, leichte Bedienbarkeit, Wind- und Wetterschutz sowie nicht zuletzt die Zuverlässigkeit. R 1250 RT hieß die bislang letzte ihrer Art. Wegen der immer größeren Modellvielfalt des BMW-Programmes – auch mit einer S 1000 XR lässt sich bekanntlich nicht schlecht reisen – ist die RT im Lauf der vergangenen zehn Jahre aber unter Druck geraten.
Motorkunde
Ein wenig stärker nach vorne orientiert gibt sich die Sitzposition auf der neuen RT In Form der neuen R 1300 RT erscheint nun die nächste RT-Generation. Deren Boxerherz ist bereits seit zwei Jahren bekannt; der exakt 1300 Kubikzentimeter große Vierventil-Flattwin mit variabler Ventilsteuerung (107 kW/145 PS, 149 Nm Drehmoment) fand zuerst Platz in der R 1300 GS und anschließend in deren kantiger Adventure-Schwester. Dieser Boxer ist ein ganz besonders kräftiger Bursche mit extrastrammen Wadln. Bis auf die Auspuffanlage unverändert, findet dieser nun ab Mitte dieses Jahres seinen Weg nicht nur in die hier vorzustellende R 1300 RT, sondern wird auch in die unverkleidete R 1300 R sowie den nicht minder dynamischen Sporttourer R 1300 RS eingebaut.
Wichtig zu wissen: Der 1.300er-Motor ist nicht nur leistungsfähiger als der 1.250er-Vorgänger, sondern er ist um 3,9 Kilogramm leichter, weil das Getriebe ja nicht mehr hinter, sondern unter dem Motor angeordnet ist und so die Getriebewellen deutlich kürzer werden konnten. Insgesamt haben die Ingenieure am Motor sowie an der Paraleverschwinge, also am gesamten Antrieb, 6,5 Kilogramm Gewicht einsparen können. Zugleich wurde die Massenkonzentration verbessert.
Frischer Wind im Touring-Segment
Der unterm Zylinder sichtbare Bügel schafft es, die Luftströmung im Stiefelbereich positiv zu beeinflussen Die neue R 1300 RT könnte einen frischen Wind in das Tourer-Segment bringen. Denn ihre Fahrdynamik in Verbindung mit einer hochklassigen Ausstattung überzeugt. Verändert hat BMW das Ergonomiedreieck Lenker-Fußrasten-Sitzfläche; bei der R 1300 RT stellt sich eine aktivere, stärker nach vorne orientierte Sitzhaltung ein. Natürlich sind reichlich Möglichkeiten zur individuellen Einstellung gegeben. Die Findigkeit der BMW-Entwickler hat aber darüber hinaus eine neue Fahrwerkstechnologie hervorgebracht, welche die Aspekte Fahrkomfort und Fahrdynamik erheblich dichter zueinander bringt und jenseits des serienmäßigen Dynamic-ESA, also der semiaktiven Fahrwerksregelung, angesiedelt ist. Das neue adaptive Fahrwerksregelsystem heißt Dynamic Chassis Adaption und kürzelt mit DCA.
Mehr Komfort, mehr Dynamik
Dabei werden eine variable Federratenverstellung, zwei individuell anpassbare Dämpfungsmodi sowie zwei unabhängige Fahrlagen geboten. In der Konsequenz bedeutet das: Die neue RT stellt quasi zwei verschiedene Motorräder dar. Einmal ist sie konsequent komfortorientiert und unterstreicht dies durch deutlich größere Federwege (vor allem hinten), zum anderen ist sie konsequent dynamisch. Die Spreizung Komfort/Dynamik ist also vergrößert worden, ohne dass der Fahrer aber bei einem der beiden Pole Abstriche machen müsste. Das Geheimnis begründet sich folgendermaßen: Es stehen eine straffere Dämpfungsabstimmung, eine höhere Federrate und eine Höherlegung des Fahrzeugs zur Verfügung, und zwar stets zusammen. Ergänzt wird das Änderungspaket um eine gegenüber der Frontpartie noch stärkere Anhebung des Hecks; damit ergeben sich ein steilerer Lenkkopfwinkel und ein verringerter Nachlauf. Das Motorrad wird damit lenkwilliger und handlicher. Gekoppelt ist das optionale DCA an den optionalen Dynamic-Fahrmodus; aktiviert man ihn per Tastendruck, werden binnen Zehntelsekunden die genannten Fahrwerksänderungen wirksam. Serienmäßig werden drei Fahrmodi geliefert: Rain, Road und Eco, dazu kommen dann auf Wunsch Dynamic und Dynamic Pro sowie eine Fahrmodi-Vorauswahl. Auf kurvigem Geläuf am Rande des Altmühltals mit seinen kräftigen Kehren und Kurven macht sich der Unterschied zwischen beiden Fahrlagen des DCA deutlich bemerkbar; die tradtionell unerwartet handliche RT in neuester Form legt dann nämlich in puncto Agilität nochmals deutlich zu. Sehr pfiffig, was den Ingenieuren mit dem DCA gelungen ist!
Wer die Option DCA gewählt hat, ist fein dran: Die dann möglichen Fahrwerksveränderungen machen die RT noch kurvenfreudiger
Lichttechnik mit geschwindigkeits- und schräglagenabhängiger Regelung
Ebenfalls neu ist die Lichttechnologie: Die neuen (optionalen) Lichtmodi leuchten die Fahrbahn stets optimal aus; ihre jeweilige Funktion ist von der momentan gefahrenen Geschwindigkeit abhängig. Das Licht wird in drei Stufen geregelt; es wird bei langsamer Fahrt stärker ausgebreitet, bei sehr schneller Fahrt leuchtet es dagegen weiter nach vorne. Das gilt für Geradeaus- wie auch Kurvenfahrt. Mit zunehmendem Fahrtempo werden zudem die LEDs heller. Wer die Ausstattung „Headlight Pro“ wählt, der verfügt beim Abblend- und Fernlicht über 16 LEDS, für Fern- und Kurvenlicht kommen weitere 31 LEDs dazu. Das Kurvenlicht kennt drei von der Schräglage abhängige Leuchtmodi, die sich zudem je nach Fahrtempo in ihrer Lichtleistung (Reichweite) unterscheiden. Ohne Headlight Pro stehen 12 (Abblendlicht) plus 5 LEDs (Fernlicht) zur Verfügung.
Extrem stabil lässt sich die BMW R 1300 RT über Landstraßen aller Kategorien treiben; sie kann hochdynamisch, aber auch genussvoll gleiten Die Sache hört sich kompliziert an und ihre Steuerungsalgorithmen sind sicherlich auch nicht ganz leicht zu bündeln; für den Fahrer ist aber alles höchst einfach: Der zum Fahrtempo passende Lichtmodus stellt sich nämlich automatisch ein. Das Überprüfen der BMW-Angaben auf den Praxisnutzen war uns während der beiden Testtage leider nicht möglich; fürs Fahren bei Dunkelheit war es Ende Mai einfach zu lange hell. Mit der optionalen Ausstattung Headlight Pro wird übrigens ein Stellmotor mitgeliefert, der für einen Nickausgleich beim Bremsen oder kräftigen Beschleunigen sorgt. Damit wird die Hell-Dunkel-Grenze bestmöglich stabilisiert.
Automatisiertes Schaltsystem ASA
Neu für reine BMW-Straßenmotorräder ist das bisher nur in der Boxer-GS erhältliche automatisierte Schaltsystem ASA; hierbei werden die Gänge stets kupplungslos gewechselt, und zwar wahlweise mechanisch per Fußschalthebel oder, nach Knöpfchendruck, vollautomatisch. Dabei sind dann die Schaltpunkte vom gewählten Fahrmodus abhängig. Das Ganze funktioniert weitestgehend ruckfrei und damit absolut zufriedenstellend. Die RT wird nur wegen des ASA um unbedeutende zwei Kilogramm schwerer; sie wiegt jetzt vollgetankt stattliche 281 Kilogramm. Dabei ist die Ausrüstung umfänglicher denn je; beispielsweise ist die Griffheizung serienmäßig verbaut. Auch ein Ladefach fürs Handy ist stets an Bord.
Die Ladeschale für das Handy, vor dem Tankdeckel platziert, ist belüftet, um einen Hitzestau zu vermeiden. Die markanten Lautsprechergitter verraten das Audiosystem Pro Zum Boxer-Triebwerk selbst (Verbrauch: 4,9 l/100 km) ist nicht viel zu sagen: Dank der variablen Ventilsteuerung, ShiftCam genannt, gibt sich der 1,3-Liter-Motor als deutlich stärkstes, aber zugleich kultiviertestes Triebwerk, das jemals in einer RT agierte. Bärige Kraft in allen Lebenslagen, hohe Drehfreude und gewaltige Reichweite sind die wichtigsten Eigenschaften. Vorzüglich präsentierte sich bei der ersten Ausfahrt auch das neue DCA-Fahrwerk. Die Bandbreite zwischen Komfort und Dynamik ist größer denn je. Auch die radarbasierten Assistenz- und Warnsysteme arbeiten, wie sie sollen.
Sehr windschlüpfrig gibt sich die neue BMW R 1300 RT; der Windschild schützt perfekt, die gesamte Aerodynamik ist große Klasse Schon bisher lag die R 1250 RT im Hinblick auf Fahrkomfort sowie Wind- und Wetterschutz vor der motorisch überlegenen K 1600 GT mit Sechszylindermotor. Dieser Vorsprung ist nun noch größer geworden. Die beiden variablen Wind-Deflektoren an den Fahrzeugseiten (ab „Impulse“-Ausstattung) wirken echte Wunder. Mit einer neuen Windführung im Stiefelbereich schaffen die Entwickler, dass die Fahrerstiefel bei Regenfahrt praktisch komplett trocken bleiben.
Gepäck mit Ecken und Kanten
Das 45 Liter große Topcase lässt sich bestens mit dem Komfort-Sozius-Paket kombinieren; dann kann sich die Dame des Herzens als echte Gewinnerin fühlen Ein neues Niveau erreicht hat auch die Sanftheit, mit der alle Systeme an diesem Motorrad ineinandergreifen. Die oft zitierte Einschätzung, dass die RT ab einer Geschwindigkeit von 10 km/h gleich zentnerweise Gewicht verliert, gilt auch weiterhin. Die Bremsen packen ergreifend gut zu, können darüber hinaus aber noch durch eine „Sportbremse“ optimiert werden. Als nicht uneingeschränkt positiv einzuschätzen sind die im Volumen variablen Seitenkoffer; die nun mit interner Stromversorgung ausgestatteten, eckigeren Teile sind weniger gut nutzbar als die, zugegeben, klobigeren Vorgänger-Koffer. Der Öffnungs- und Schließmechanismus funktioniert bestens.
Gediegen gearbeitet sind die im Volumen variablen Seitenkoffer; ihre vielen Ecken schränken die Nutzbarkeit aber ein wenig ein Nicht noch größer als beim Vormodell wurde das 10,25 Zoll messende TFT-Display; die hinter der Oberfläche agierende Technik kann freilich weitaus mehr als bisher. Zu haben ist die BMW R 1300 RT ab sofort in den Modellvarianten Basis, Triple Black, Impulse und Option 719 „Camargue“. Sie unterscheiden sich nicht nur in den Lackierungen, sondern auch in den Ausstattungsumfängen. Nach oben hin gibt es dabei kaum Grenzen; wer den Konfigurator heißlaufen lässt, schafft es leicht, auf den Grundpreis von knapp 23.000,-- Euro weitere 10.000,-- Euro draufzupacken. Dafür bekommt man dann beispielsweise auch eine heizbare Rückenpolsterung am Topcase. Oder ein Audiosystem, das auf unterschiedliche Geschwindigkeiten mit verschiedenen Frequenzsteuerungen reagiert und damit den Klang optimiert. Und vieles, vieles mehr …
Pro
herausragender Fahrkomfort bei sehr hoher Fahrdynamik
technische Weiterentwicklungen wie Lichtmodi und Dynamic Chassis Adaption (DAC)
top Aerodynamik
exzellente Fahrleistungen
Contra
BMW-typische Aufpreisliste
Gepäckkoffer verstellbar, aber dennoch ist weniger Platz
Luft-/flüssigkeitsgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor mit zwei obenliegenden, kettengetriebenen Nockenwellen, Ausgleichswelle und variabler Steuerung der Einlassnockenwelle (BMW ShiftCam)
Abgasreinigung/-norm
Euro 5+
CO2 Emissionen
113 g CO2/km
Leistung
145 PS (107 kW) bei 7.750 U/min
Drehmoment
149 Nm bei 6.500 U/min
Verdichtung
13,3:1
Höchstgeschwindigkeit
231 km/h
Wartungsintervalle
Einfahrkontrolle bei 1.000 km, danach alle 10.000 km oder jährlich
Verbrauch pro 100 km
4,9 Liter
Kraftübertragung
Kupplung
Nasskupplung mit Anti-Hopping-Funktion, hydraulisch betätigt
Schaltung
6-Gang
Sekundärantrieb
Kardan
Fahrwerk & Bremsen
Rahmen
Zweiteiliges Rahmenkonzept (Hauptrahmen + verschraubter Heckrahmen), Motor mittragend
Federelemente vorn
BMW Motorrad EVO Telelever
Federelemente hinten
Aluminiumguss-Einarmschwinge mit BMW Motorrad EVO Paralever
Federweg v/h
149 mm / 158 mm
Radstand
1.500 mm
Nachlauf
115 mm
Lenkkopfwinkel
64 °
Räder
Leichtmetallgussräder
Reifen vorn
120/70 ZR 17
Reifen hinten
190/55 ZR 17
Bremse vorn
Doppelscheibenbremse, Ø 310 mm, schwimmend gelagert, 4-Kolben-Radialbremssättel
Bremse hinten
Einscheibenbremse, Ø 285 mm, 2-Kolben-Schwimmsattel
Die dynamische Optik der Neuen gefällt mir gut.
Weniger gut und meiner Meinung nach definitiv die falsch Richtung, ist das höhere Gewicht. Wenn man bedenkt, dass die Neue in der Basisausstattung keinen Hauptständer, eine leichtere Lithium-Ionen Batterie besitzt und weniger Kraftstoff im Tank hatt und trotzdem zwei Kg. mehr wiegt. Das dürfte in der Summe ca. 10kg Mehrgewicht bedeuten.
Gefallen und erwartet habe ich bei der Neuen ein deutlich besseres Leistungsgewicht. Denn die 9 PS mehr Leistung des 1300 Motors werden durch das Mehrgewicht vernichtet.
Ich Fahre die "Alte" 2023er mit Vollausstattung und bis auf das Fahrwerk der Neuen,
sehe ich den Mehrwert nicht.
Schade!!?