Fahrbericht Can-Am Canyon Redrock – Der Spyder fürs Grobe
Auf drei Rädern durchs Gelände? Der neue Can-Am Canyon macht vor, wie’s geht. Übertreiben sollte man den Spaß aber nicht – die Bodenfreiheit ist begrenzt.
Schotter ist sein Revier. Waldwege mag er auch. Schlechten Asphalt sowieso. Da bügelt der Can-Am Canyon drüber, als wäre es ein frisch eröffneter neuer Autobahnabschnitt. Aber wehe, es naht eine Bodenwelle bei beherztem Tempo abseits befestigter Straßen. Siehst du die zu spät, meldet sich die Unterbodenkonstruktion mit einem lauten Rumms! Aufgesetzt. Und das nicht zu knapp. Beim Fahrer kommt davon im Wesentlichen nur das Geräusch an. Die Federung des Canyon – speziell das elektronische Fahrwerk des von uns gefahrenen Topmodells Redrock – schluckt selbst solche Schläge mit der Gelassenheit eines Kreuzfahrtschiffs in schwerer See. Deutlich robuster reagiert das Basismodell mit konventionellen Sachs-Stoßdämpfern. Einen guten Kompromiss bietet der Canyon XT mit Luftfederung und selbstregelnder Vorstufeneinstellung. Alle drei verfügen über 260 mm Federweg vorn und 235 mm hinten. Die Bodenfreiheit beträgt unisono 169 mm. Das sind immerhin 54 mm mehr als bei den Spyder-Modellen der F3- und RT-Familie.
Offroad-Beplankung im GS-Adventure-Style
Auf der Straße bietet der Canyon Redrock jede Menge Komfort. Der Fahrer sitzt aufrecht und entspannt auf einer höchst bequemen XXL-Sitzbank, Beifahrer dürfen sich über die Rückenlehne freuen
Wir sind in der Provence. An zwei, drei Stellen zeigt sich bereits scheu der erste Lavendel. Die riesigen lila Landschaften, für die diese Region Frankreichs bekannt ist, knausern aber noch mit ihrer Pracht. Auch gut, so kommt der neue Canyon noch besser zur Geltung. Über mangelnde Aufmerksamkeit müssen sich der hochgelegte Ableger des Can-Am Spyder und sein Fahrer ohnehin nicht beschweren: Wo du mit dem gut 2,55 Meter langen Teil auftauchst, gehören die Blicke dir. Motorradfahrer entdecken in dem auffälligen Design vermutlich eine gehörige Portion GS-Adventure-Style. Die flächigen vorderen Flanken haben in der Farbe Sterling Silver Satin eine frappierende Ähnlichkeit mit der Beplankung der neuen Langstrecken-BMW.
Rotax-Dreizylinder mit 115 PS
Vorn 16 Zoll, hinten 15 Zoll. Das grobe Profil der Reifen ist auf leichtes Gelände getrimmt In der dem Redrock vorbehaltenen Lackierung namens Moss Green Satin ändert sich das aber. Das matte Grün verleiht dem Can-Am Canyon eine gewisse Eleganz, trotz der ausladenden, auf manche nach wie vor irritierend wirkenden Formen. Zwischen den beiden 16-Zoll-Vorderrädern erreicht der Canyon in typischer Spyder-Manier die Spurweite des seligen Smart fortwo. Hinten ruht er mittig auf einem 15-Zoll-Rad mit 225/50-Bereifung, das ihn dank Rotax-Dreizylinder im Porsche-911-Tempo von null auf 100 km/h beschleunigt, wenn man es darauf anlegt. Höchstgeschwindigkeit laut Hersteller: 180 km/h. Mehr als genug für solch ein Gefährt. Die Leistung beträgt wie bei den Geschwister-Modellen F3 und RT 115 PS bei 7.250 Touren und 130 Nm bei 5.000 U/min.
Kurven erfordern Köpfchen und Muskeln
Die breiten Fußrasten ermöglichen guten Halt. Bei Abstechern ins Gelände kann man sich bequem hinstellen und – wie auf einem Adventure-Bike – im Stehen lenken Wie alle Can-Am Spyder und Ryker kreuzt auch der neue Canyon die Fahrwelten von Auto und Motorrad. In Linkskurven schiebt es den Fahrer – wie am Steuer eines Autos – der Fliehkraft folgend nach rechts, in Rechtskurven folglich nach links. Das liegt an den beiden Vorderrädern. Sich in die Kurve zu legen wie mit einem Motorrad, kannst du vergessen: Seitenneigung ins Kurveninnere gibt es hier nicht. Um dennoch flott um die Kurven zu kommen, muss der Fahrer ein paar Kniffe und etwas Kraft anwenden: Oberkörper Richtung Lenker beugen, Vorwärtsdruck auf die kurvenäußere Fußraste ausüben, Lenker auf der kurveninneren Seite zu sich heranziehen und, klar, Blickführung. Dann geht der Canyon durchaus munter ums Eck – zumindest, bis die Traktionskontrolle den Fahrspaß ziemlich rigide einbremst. Schwerelosigkeit sollte dabei niemand erwarten: Schnelle Kurven erfordern Muskeleinsatz.
Im Rally-Modus drücken Traktionskontrolle und ABS beide Augen zu, der Fahrer kann nach Lust und Laune Drifts hinlegen. Bevor es zu wild wirkt, fängt ihn die Elektronik wieder ein Vier Fahrmodi stehen zur Wahl: Normal, Sport, All-Road und Rally. Letzterer macht am meisten Spaß auf Schotter. Der Rally-Modus ist so eine Art Drift-Modus. Er lässt dem Hinterrad jede Menge Freiheit und ermöglicht so kontrollierte Drifts mit dem Heck. Das macht einen diebischen Spaß, geeignete Landschaften und Strecken vorausgesetzt. Wir durften uns auf den Versorgungswegen eines Wein- und Lavendelguts austoben. Davon gibt es speziell im Süden Europas etliche, auch in Brandenburg verbinden nicht asphaltierte Straßen nach wie vor ganze Dörfer. Abschnitte des kies- und schotterlastigen westeuropäischen TETs traue ich dem Canyon problemlos zu. Wie es mit seinen Fähigkeiten im Tiefsand aussieht, konnten wir allerdings nicht testen. Fest steht nur: Fährt man sich mit dem Offroad-Spyder ernsthaft fest, muss ein Trecker ran. Rausschieben is’ nicht bei 452 bis 470 Kilogramm Trockengewicht.
Jede Menge Zubehör
Canyon XT nennt sich die mittlere Ausstattungsversion, erkennbar unter anderem am roten Kühlerschutz und Rahmen, dazu gibt es serienmäßig Alu-Seitenkoffer und Luftfederung Immerhin: Platz für eine Schaufel oder ähnlich handliches Bergegerät bietet der Canyon en masse. Über das von den übrigen Can-Am-Modellen bekannte LinQ-Befestigungssystem lassen sich softe oder feste Boxen auf dem Heck und dem Tank befestigen. XT und Canyon kommen serienmäßig mit festen Alu-Seitenkoffern und Topcase mit zusammen 120 Litern Stauraum. Im Zubehör gibt es alle erdenklichen Anbauteile: Actioncam-Halterungen für die Kotflügel, Rückenlehnen für Fahrer und Beifahrer, Akrapovič-Endtopf, Nebelscheinwerfer, beheizter Premiumsitz, Scheinwerfer- und Unterfahrschutz, hohe Verkleidungsscheibe, Abdeckplane, Anhängekupplung und derlei mehr.
Umfangreiche Serienausstattung
Wetterschutz ist wichtig auf dem All-Terrain-Dreirad Canyon. Der Windschild bietet eine gute Abdeckung. Per Drehrad lassen sich Höhe und Neigung einstellen Die Ausstattung des Canyon lässt wenig Wünsche offen: Tempomat, 10,25-Zoll-Touchscreen mit Konnektivität, LED-Scheinwerfer, Halbautomatik – schon das Basismodell ist zeitgemäß bestückt. Die Front ist deutlich schmaler als bei Spyder F3 und RT, der Böschungswinkel wurde für grobe Untergründe deutlich großzügiger ausgelegt, das Reifenprofil auf Adventure-Untergründe ausgelegt. Die Kühlergitter sind aus Metall, den Riemenantrieb schützen Protektoren – beides soll Schäden durch Steinschlag oder dicke Äste vermeiden. Der Windschild kann manuell per Drehrad in Höhe und Neigung je nach Fahrergröße eingestellt werden. Oberhalb des großen Displays gibt es ein Handyfach mit USB-C-Ladeanschluss. Griffschützer bewahren die Hände vor Schlägen und halten den Fahrtwind ab.
Topmodell Redrock mit Rückfahrkamera
Klare Sache: Der TFT-Touchscreen bietet eine Bildschirmdiagonale von 10,25 Zoll. Alternativ kann man sich auch über die Tasten der linken Lenkerbedieneinheit durchs Menü bewegen Dem Canyon GT spendiert Can-Am-Mutter BRP zusätzlich einen roten Kühlerschutz, Unterfahrschutz, Komfortfußrasten, den zweistufig beheizbaren Komfortsitz samt Beifahrer-Rückenlehne und Heizgriffe. Beim Canyon Redrock kommen neben dem semi-aktiven Fahrwerk noch orangefarbene Kühlerbumper hinzu, orangene Ziernähte am Komfortsitz, eine Rückfahrkamera sowie ein zusätzlicher Fahrmodus (Custom), über den Leistungsabgabe, Traktionskontrolle, ABS, Servolenkung und Aufhängung nach Belieben konfiguriert werden können.
Startpreis ab 27.799,-- Euro
Aufstellung fürs Familienfoto (von links nach rechts): Canyon (Basismodell ohne Koffer), Canyon Redrock (Topmodell mit Kofferset und semi-aktiver Federung) und Canyon XT (Kofferset und Luftfederung) Die Halbautomatik schaltet selbsttätig runter, aber nur auf Fingerkommando hoch. Die Schaltwippe dafür sitzt wie gehabt links am Lenker. Im unteren Drehzahlbereich wechseln die Schaltstufen fast unmerklich. Je höher man dreht, desto kerniger rasten die Gänge ein, es bleibt aber immer im Rahmen. Übers Farbdisplay kann navigiert und das Menü bedient werden. Das geschieht weitgehend intuitiv und ohne großes Verbindungszinnober. Die Brembo-Bremsen bringen den Canyon verlässlich zum Stehen. Das Bremsgefühl ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. Die Bremswirkung setzt mit einer Gedenksekunde ein. Über das Fußpedal werden alle drei Räder gleichzeitig abgebremst. Passt. Gleiches gilt für das anfangs etwas schwammig wirkende Fahrgefühl: Zwei Räder vorn, nur eins hinten – das bringt eine andere Fahrphysik mit sich, als man sie vom Motorrad oder Auto kennt. Spyder-Fahrer kennen und lieben es. Der Canyon dürfte sie schwer begeistern. Ab 27.799,-- Euro geht es los (inklusive Nebenkosten). Den Canyon XT gibt es ab 32.699,-- Euro, den Canyon Redrock ab 34.699,-- Euro. Teuerster Can-Am Spyder bleibt der RT Sea-To-Sky ab 36.099,-- Euro.
Hallo Norbert,
ich bin diesen Schraubeneimer am Wochenende gefahren. Es war ein Genuss. Er ist auch für unbefestigte Untergründe geeignet, allerdings hier nur bedingt. Sprich Bodenfreiheit. Aber der ist so bequem, da würde ich etliche hundert Kilometer drauf aushalten. Der ist so gut gefedert und die Sitze sind so angenehm wenn ich ihn mir leisten könnte, würde ich ihn kaufen.
Ein Kumpel von mir hat auf seinem Hof in SH noch so ein Teil. Immer eine Freude wenn das Ding zum Leben erweckt wird.
Dazu dann auch noch einen Deutz d35 und das Orchester ist komplett.
Ein Fremder ist ein Freund, den Du nur noch nicht kennen gelernt hast.