Pfaffenhofen an der Ilm liegt im größten zusammenhängenden Hopfenanbaugebiet der Welt. Mehr als 80 Prozent des gesamten deutschen Hopfenanbaus wachsen im Herzen Bayerns an Fäden in die Höhe. Über 16 Sorten – vom Aromahopfen bis zum Hochalphahopfen – unterscheidet der Fachmann hier in der Hallertau. Ein weites Feld, im wahrsten Sinne.
Fahrer der Royal Enfield Scram 411 können der allgegenwärtigen Biergrundzutat vermutlich im Vorbeigleiten beim Wachsen zusehen: Die Rankgeschwindigkeit des bayerischen Gewächses und der Vortrieb des indisch-britischen Kultbikes dürften latent vergleichbar sein. Nachhaltige 24 PS und 32 Nm mobilisiert das neueste Gefährt aus dem Hause Royal Enfield. Wie niedlich, mögen leistungsbezogene Biker denken. Doch wie beim beliebten Hopfenkaltgetränk gilt: Umdrehungen sind nicht alles – die Mischung macht es. Und die ist bei der Scram 411 ausgesprochen lecker.
Basis des neuen „Urban Adventure Bikes“ ist die Himalayan, Royal Enfields 2017 gelaunchtes, unkaputtbares Geländebike. Motor, Rahmen und die robuste Einzylinder-Technik sind identisch, Attitüde und Ergonomie neu. Die Himalayan ist bekanntlich auf der Langstrecke zu Hause, unbeirrt rollt sie über Stock und Stein, vor allem weibliche Globetrotter schätzen sie für ihr geringes Gewicht (199 kg fahrbereit). Die Scram 411 hingegen (192 kg fahrbereit) sucht das Abenteuer Alltag. Leichte Offroad-Skills reichen ihr vollkommen zum Glücklichsein und Glücklichmachen. Sie will im „Urban Jungle“ überzeugen und, ja, ab und an auch mal ein bisschen Schotter aufwirbeln, beim Wochenendausflug zum Beispiel.
„Die meisten Scrambler-Motorräder konzentrieren sich nur auf Ästhetik und Aussehen“, sagt Mark Wells, Chief of Design bei Royal Enfield. „Als wir mit der Arbeit an der Scram 411 begannen, waren wir fest entschlossen, ein Motorrad zu schaffen, das sich durch sein Design und seine Zweckbestimmung auszeichnet und das Beste aus den Möglichkeiten der rauen Straße in die Stadt bringt. Mit ihrem schlichten Look und Design, den verspielten Farben und dem zugänglichen Fahrverhalten ist die Scram 411 der ultimative ADV-Crossover für die urbane Umgebung."
Keine Fahrmodi, keine Fahrhilfen außer Zweikanal-ABS, kein tiefschürfendes Bordmenü. Egal ob London, Neu-Delhi, Tokio oder Pfaffenhofen: Die anspruchslose Scram 411 passt mit ihrer unaufgeregten, selbsterklärenden Art überall hin. Und kommt überall an. Die Bedienung ist simpel, das Fahrverhalten zutraulich. Aufsteigen, Gas geben, happy sein. Die Gasannahme ist gemütlich, aber konsequent. Die Bremse agiert vorn wie hinten ausgesprochen gutmütig, aber effektiv. Und die Sitzposition ist einfach großartig. Menschen, die wie ich in die Kategorie Einsachtzig mit Schuhen fallen, sitzen nahezu perfekt auf der Scram 411.
Das Fahrerdreieck wurde gegenüber der Himalayan überarbeitet. Den Lenker greift der Fahrer etwas tiefer, die Sitzhöhe hat Royal Enfield um 5 Millimeter abgesenkt auf 795 mm, dazu die zweiteilige Sitzbank durch ein einteiliges, leicht geripptes Zwei-Personen-Polster ersetzt. Die Füße kommen dank der sehr schlanken Taille jederzeit vollflächig auf den Boden. Wenden und Rangieren sind so einfach wie mit dem Fahrrad. Die motorisierte Leichtigkeit des Seins auf zwei Rädern.
Die Scram 411 entschleunigt und begeistert gleichermaßen. Sie ist quasi der Isländer unter den Motorrädern – drollig, aber anmutig. Mit eigener Gangart und Ästhetik: Tölten mit fünf Gängen und eigenständigem Look. Nehmen wir zum Beispiel die „Urban Plates“. So heißen die seitlichen Anbauteile vorn am Rahmen. Einziger Zweck: Farbe ins Spiel bringen. Rot, Gelb, Blau oder Grau-Türkis, um genau zu sein. Ein optisches Gimmick, mehr nicht, das aber den Charakter der Scram 411 gleich mal in Richtung Lifestyle-Gadget pusht.
Für die Geschwindigkeits- und Tankfüllstandanzeige hat Royal Enfield ein hübsches rundes Instrument entworfen, das optisch Anleihen nimmt bei Himalayan und Meteor. Drehzahlmesser? Gibt es nicht. Verbrauchsanzeige? Auch nicht. Egal. 3,2 l/100 km gibt Royal Enfield an. Bei der ca. 150 km langen Testfahrt leerte sich der 15-Liter-Tank zu einem Drittel. Kommt also hin. Neben dem Zentralinstrument sitzt – deutlich kleiner – die ebenfalls runde, googlegetriebene Turn-by-Turn-Navigation, die Royal Enfield immer mehr Baureihen spendiert, serienmäßig wohlgemerkt.
190 mm Federweg vorn (Himalayan: 200 mm), 180 mm hinten, Teleskopgabel und Zentralfederbein – fahrwerkstechnisch geben sich Scram und Himalayan so gut wie nichts. Der Sound ist kernig, aber nicht aufdringlich. Ehrlich trifft es wohl am besten. Und das gilt fürs gesamte Bike. Faire 4.990,-- Euro ruft Royal Enfield für die Scram 411 auf. Wer eine der beiden Premium-Varianten („Silver Spirit“, „White Flame“) begehrt, erkennbar an der etwas aufwendigeren Lackierung, zahlt 200 Euro mehr – und damit genauso viel wie für die Basis-Himalayan (ab 5.190,-- Euro).
Sorge, dass sich die beiden Bikes kannibalisieren, hat Royal Enfield nicht. Im Gegenteil: Mit dem Start der Scram 411 schossen die Himalayan-Verkäufe in Indien um 70 Prozent in die Höhe. Happy family.
Technische Daten Royal Enfield Scram 411 2022 | |
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Nutzerbewertungen | |
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Bewertung | |
Preis-/ | |
Motor | |
Bohrung x Hub | 78 x 86 mm |
Hubraum | 411 ccm |
Zylinder, Kühlung, Ventile | Einzylinder, luftgekühlt, vier Ventile pro Zylinder |
Abgasreinigung/-norm | Euro 5 |
Leistung | 24 PS (18 kW) bei 6500 U/min |
Drehmoment | 32 Nm bei 4.000 U/min |
Verdichtung | 9,5:1 |
Kraftübertragung | |
Kupplung | Mehrscheiben-Nasskupplung |
Schaltung | 5-Gang |
Sekundärantrieb | Kette |
Fahrwerk & Bremsen | |
Rahmen | Halbduplex |
Federelemente vorn | 41-mm-Teleskopgabel |
Federelemente hinten | Monoshock mit Gestänge |
Federweg v/h | 190 mm / 180 mm |
Radstand | 1.455 mm |
Räder | Drahtspeichenräder |
Reifen vorn | 100/90 -19 |
Reifen hinten | 120/90 - 17 |
Bremse vorn | 300-mm-Einscheibenbremse |
Bremse hinten | 240-mm-Einscheibenbremse |
Maße & Gewicht | |
Länge | 2.210 mm |
Breite | 840 mm |
Höhe | 1.165 mm |
Gewicht | 185 kg |
Sitzhöhe | 795 mm |
Standgeräusch | 86 dB(A) |
Tankinhalt | 15 Liter |
Fahrerassistenzsysteme | ABS |
Fahrzeugpreis ab | 4.990 € |