Motorräder: BMW F 800 R, Ducati Multistrada 1200 S, Yamaha Tracer 700, Harley-Touring-Modelle 2017, Triumph Bonneville Bobber Präsentation, UT TS 252
Touren: Madeira: Pico Ruivo, Weinanbaugebiet Saale-Unstrut, Chiemgau: Bayerisches Meer, Tourtagebuch: 21.000 km Amerika – Teil 2
Preis: 5,90 €
So lange ist die letzte Renovierung der beliebten F 800 R ja noch gar nicht her (2015), schießt es mir durch den Kopf, als ich vor der BMW stehe. Ins Auge fallen einige Dinge, beispielsweise der neue, symmetrische Scheinwerfer. Endlich, möchte ich beinahe sagen, denn der Vorgänger mit den beiden unterschiedlichen Leuchten erinnerte mich irgendwie an Karl Dall – und der ist ja nun wirklich nicht als Schönheit zu bezeichnen. Auffällig ist des Weiteren die neue Upside-down-Gabel, die die bisherige Telegabel ablöst. Außerdem wurde die Position der Fußrasten geändert. Diese wandern nun um 10 Millimeter nach vorne und unten. In Verbindung mit dem neuen, weniger gekröpften Lenker und der ebenfalls geänderten Sitzbank hat sich seitens der Ergonomie also einiges getan. Da die Sitzhöhe auf 790 Millimeter verringert wurde, kommen nun auch etwas kleinere Fahrer gut mit der F 800 R zurecht. Bei Bedarf stehen weitere Polster zur Auswahl (770 bis 820 Millimeter), um einen passenden Bodenabstand zu realisieren.
Bedienelemente befinden sich dort wo sie hingehören
Kein kerniger Sound
Welche am besten passt, kann über den Sitzhöhen-Konfigurator auf der BMW Homepage ermittelt werden. Ausprobieren erscheint uns aber in diesem Fall das wesentlich probatere Mittel zu sein, wenngleich die Internethilfe schon eine Tendenz vorgibt. Das Probesitzen, egal bei welcher Körpergröße, fällt dann aber auch durchweg positiv aus. Die Ergonomie passt BMW-typisch auf Anhieb. Nichts, was nicht an seinem Platz wäre. Der Lenker liegt gut in der Hand und auch der Kniewinkel und die Sitzposition gefallen – zumindest vorerst. Es folgt der Druck auf den Starter, der den Twin zum Leben erweckt und mir ein Schmunzeln ins Gesicht zaubert. Etwas dürftig atmet der Motor durch das Endrohr aus. Da haben die BMW-Ingenieure schon bessere Klangkulissen geschaffen. Vielleicht wird es ja während der Fahrt besser, hoffe ich. Mitnichten – der Motor hört sich auch im Fahrbetrieb nicht kräftiger an. Er klingt irgendwie gequält, beinahe zugestopft und tönt gar nicht so, als ob es ihm Freude bereiten würde, die R vorwärts zu bewegen und lässt sich nicht unbedingt mit der Motorcharakteristik in Einklang bringen, denn der Antrieb reagiert spontan und willig auf jedwede Stellung des Gasgriffs.
Fahrwerk, Handling und der dazu passende Motor bescheren der 800er ein vorzügliches Fahrverhalten
Kleines Kraftpaket
Ich habe irgendwie das Gefühl, als ob es nicht so richtig vorwärts gehen will, ein Blick auf das funktionelle Kombiinstrument straft mich aber Lügen. So eng liegen Sound und Empfinden beieinander! Ähnlich dem Gefühl bei Elektrofahrzeugen – die Leistung passt auch da nicht zur Klangkulisse. Vielleicht bin ich ja auch altmodisch? Aber ich stehe nun mal auf einen kernigen Klang! Die Grenze zwischen gemütlichem Landstraßensurfen und Kurvenwetzen liegt bei rund 5.500 Touren. Da schiebt das „kleine“ Kraftpaket noch einmal energisch an und dreht willig bis in den Begrenzer. Sauber und ruckelfrei kann auch bei geringen Geschwindigkeiten, beispielsweise aus engen Kehren im zweiten Gang, durchbeschleunigt werden. Überholvorgänge geschehen zügig, auch ohne Gangwechsel, obwohl sich die Schaltbox sauber betätigen lässt. Bis auf den Leerlauf, denn den suche ich bisweilen vergeblich. Die Motorabstimmung ist BMW (gebaut wird der Motor von Rotax) sehr gut gelungen und kommt sowohl Fahranfängern wie auch alten Hasen sehr entgegen. Plötzliche Leistungsausbrüche oder Ruckeleien sind dem Triebwerk ebenso fremd wie übermäßige Trinksitten. Auf unserer 300 Kilometer langen Testrunde, sowie im Alltagsbetrieb genehmigte sich die 800er gerade einmal 4,7 Liter auf einhundert Kilometer. Zu den knurrigen Lebensäußerungen gesellen sich ab rund 4.500 Umdrehungen aber auch Vibrationen, besonders in den Lenkerenden, recht schnell schlafen dadurch die Hände ein. So richtig wohl fühlt sich die BMW auf der möglichst kurvenreichen Landstraße. Die Testumgebung in deutschen Mittelgebirgen hält allerlei verschiedene Radien und Steigungen sowie unterschiedliche Oberflächen bereit, um der F 800 R so richtig auf den Zahn zu fühlen.
Dort, zwischen rasanten Kurven und gemütlichen Überlandfahrten, spielt sie ihre Stärken aus.
Übersichtliches Kombiinstrument mit allen relevanten Informationen
Ausgezeichnetes Fahrwerk
Spielerisch kippt sie zwar nicht in die Kurven, gibt sich aber handlich, sportlich und gut ausbalanciert. Womöglich einer der Gründe, warum sich Stuntprofi Chris Pfeiffer ihrer bedient? 2010 legte BMW daher eine Sonderserie „Chris Pfeiffer“ auf, schicker Lack, LED-Blinker und Akrapovic-Endschalldämpfer inklusive. Aus der Ruhe bringen kann den Kurvenflitzer weder schlechter Fahrbahnbelag noch Kurskorrekturen oder harsche Bremsmanöver. Ob es sich nun um schnelles Umlegen in Wechselkurven oder auch scharfe Kehren handelt, souverän zieht die R ihre Bahn. Sie erinnert mich an die Werbung eines deutschen Automobilherstellers, der vor vielen Jahren seine Limousinen wie auf Schienen durch die Gegend fahren ließ. Kurzum: Das Fahrwerk präsentiert sich ausgezeichnet. Egal ob man als Solist die kleine Bajuwarin tanzen lässt oder mit der Liebsten die Tagestour unter die Räder nimmt. ESA sei Dank stellt sich die BMW auf Knopfdruck auf verschiedene Anforderungen ein. So bügelt man mit „Komfort“ manch schlechte Straße einfach glatt, „Sport“ macht seiner Bezeichnung alle Ehre und „Normal“ sorgt, wie soll es anders sein, für bestes Fahrverhalten bei den restlichen Gegebenheiten. Lediglich kurze Stöße dringen bei schlechtem Fahrbahnbelag gelegentlich zur Besatzung durch. Über eine ausgewogene Abstimmung verfügt auch die Bremsanlage. Zu keiner Zeit fühlen sich die Stopper überfordert oder gar unterdimensioniert an. Fein dosierbar, mit einem spürbaren Druckpunkt und grandioser Verzögerung bringen sie die Maschine dank radial montierter Brembo-Bremszangen immer sicher zum Stehen.
Radial montierte Brembozangen beißen in die 320er Scheiben Auch Sozius und Gepäck trüben diesen Eindruck nicht im Geringsten. Im Gefahrenfall steht dem BMW Motorrad ABS hilfreich zur Seite und kann womöglich Schlimmeres verhindern. Apropos Sozius: zusammen fährt man durchaus komfortabel und, auf Wunsch, auch recht sportlich durch die Lande. Der Wetterschutz hält sich bauartbedingt natürlich in Grenzen und auch der Windschutz verdient eher die Bezeichnung rudimentär. Mit zwei Personen besetzt und zusätzlichem Gepäck leidet zwar etwas die Spritzigkeit des Motors, untermotorisiert kommt man sich dennoch niemals vor. Die Tourentauglichkeit der BMW F 800 R geht prinzipiell völlig in Ordnung. Nach einem ganzen Tag auf Tour, mit vielen Kurven, Steigungen und guten sowie schlechten Straßen merkt man dann aber doch die Handgelenke und den Allerwertesten. Allein unterwegs sollten die Handgelenke keine, oder nur wenige Probleme bereiten, aber der erhöht sitzende Beifahrer übt, gerade beim Bremsen, in bergigem Gelände doch einen gewissen Druck nach vorne aus. Der Kniewinkel erscheint mir bei meiner Körpergröße von 1,80 Meter etwas zu gering. Abhilfe schafft da eine der optional erhältlichen Sitzbänke (siehe Technikkasten). Somit schließt sich der Kreis zur anfangs erwähnten Sitzprobe.
Oft unterschätztes Motorrad für Anfänger, Wiedereinsteiger und Fortgeschrittene, bummeln und brennen – die BMW F 800 R kann beides. Der Preis ist akzeptabel, egal ob Neu- oder Gebrauchtmaschine, keine gravierenden Macken trüben das gute Gesamtbild. Lediglich der magere Sound dürfte etwas fülliger sein. Abhilfe schafft im Zweifel jedoch das Sortiment zahlreicher Zubehörhersteller.
Die F 800 R ist aufgrund der schon genannten Neuerungen nicht nur optisch ein wahres Schätzchen. Auf dem kompakten Display sind alle wichtigen Informationen auf einen Blick erkennbar. Alle Armaturen sind ohne lange Eingewöhnungszeit auch für Einsteiger intuitiv zu bedienen. Die Standardsitzhöhe von 790 Millimetern eignet sich, eine Körpergröße von rund 1,70 Meter vorausgesetzt, auch für die Damenwelt. Selbst ohne „Lady-Absatzstiefel“ hat man – oder in diesem Fall Frau – stets einen sicheren Stand. Statistiken bescheinigen der europäischen Dame ohnehin eine durchschnittliche Größe von 1,71 Metern, was dafür sorgt, dass eine Tieferlegung und verschiedene Abpolsterungen zwar möglich sind, aber in vielen Fällen bereits die Standardausführung „passt“. Schon bei der ersten Ausfahrt gefällt das einfache Handling sowie die sehr bequeme Sitzposition. Auch längere Strecken am Stück oder Touren über 250 km sind angenehm zu fahren. Keine einschlafenden Arme oder Beine, die einen zum Pausieren „zwingen“.
Auf Landstraßen fühlt sich die F 800 R wohl, besonders wenn es flott ums Eck geht. Und auch der Allerwerteste wird wohlig weich auf der Sitzbank gelagert. Autobahnfahrten sind ohne weiteres möglich, jedoch lädt das knapp bemessene Windschild nicht gerade dazu ein, dort häufiger vorbeizuschauen. Für lange Hochgeschwindigkeitsfahrten ist diese Maschine definitiv nicht gemacht. Fahrten auf kurvigen Landstraßen und den Waldsträßchen der Mittelgebirge sind genau ihr Ding. Viele Schaltvorgänge sind im Kurvengeschlängel nicht nötig. Das Naked-Bike in Roadster-Optik beschleunigt zügig und kraftvoll aus den Kurven heraus. Überholvorgänge gehen spielend von der Hand. Der Durchzug ist jederzeit ausreichend. Sollte ein plötzliches Bremsmanöver nötig sein, verrichten die Bremsen zuverlässig ihre Arbeit. Und das auch, oder eben gerade, wenn sie einmal fester zupacken müssen. Der Klang der Maschine ist für die Akustikfans unter uns sicherlich kein berauschender Ohrenschmaus. Für Motorradfahrer, die so wie ich entspannt dahingleiten möchten ohne den Putz von den Wänden zu holen, ist dieser jedoch genau richtig! Nicht zu laut, nicht aufdringlich, nicht störend und das in allen Lebenslagen.
Fazit II
Die F 800 R aus dem Hause BMW kommt unkompliziert und durchgestylt als typisches Allround-Naked-Bike daher. Die matt-lackierten Teile stellen dabei einen echten „Hingucker“ dar. Draufsetzen, losfahren, wohlfühlen lautet die Devise meiner Testfahrt. Dabei ist der Roadster sowohl für Damen wie auch für Herren konzipiert und steht dementsprechend beiden Geschlechtern gleichermaßen gut zu Gesicht. Tolles, einsteigertaugliches Motorrad!