Wer hat’s erfunden? Natürlich die Amis. Genauso wie den Cruiser oder Chopper, von denen sich der Motorrad-Typus „Bagger“ ableitet. Irgendwann müssen es die Fahrer der auf ein Minimum gechoppten Motorräder leid gewesen sein, dass ihr auf die Rückbank oder ans Heck gefummeltes Gepäck beim ersten Regenschauer pitschnass wurde und aus dem Cruising-Genuss echter Verdruss wurde. Also kam man in der Custom-Szene irgendwann auf die Idee, dichte Packtaschen fest in das Motorrad zu flanschen. Die sogenannten bags gaben dem Cruiser eine ganz neue, lang gezogene Linie, vorne hoch und nach hinten abgeflacht. Der Bagger war geboren, dem Genuss eines entspannten Weekends, locker in den Horizont dahingleitend, stand nichts mehr im Wege.
Andeutungen bereits im Jahr 2015
Mit der Konzeptstudie „Concept 101“ deutete BMW bereits 2015 im Rahmen des Concorso d’Eleganza Villa d’Este an, dass man den Traum vom „Grand American Touring“ nicht alleine den US-Herstellern überlassen wollte. Mit der K 1600 B haben die Münchener der Studie nun ein Serienmotorrad folgen lassen, das genau den Vorgaben eines echten Baggers folgt: Die Silhouette entspricht einer tropfenförmigen Linie, deren höchster Punkt die Frontverkleidung mit der gekappten, elektrisch stufenlos verstellbaren Windschutzscheibe ist, während sie nach hinten abfallend in den tief angebrachten und fest verschraubten Seitenkoffern mit integrierten Heckleuchten mündet.
Motorräder: Suzuki V-Strom 650XT, BMW K 1600 B, Triumph Street Triple, BMW G 310 GS, Yamaha TMAX, Yamaha XSR700/900, Yamaha WR250F & WR450F 2018 Touren: Nordhessisches Bergland, Leserreportage: Bergstraßen Andalusien, Unterwegs im mittleren Westen: USA, Mit Schwenker-Gespann und RT: Schwarzwald
Preis: 3,90 €
Sämtliche Leuchtmittel sind selbstverständlich in LED-Technologie ausgeführt. Aus rückwärtiger Sicht erinnern sie an einen V8-Ami-Schlitten aus den 1970er-Jahren. Um diesen Effekt erzielen zu können, haben die Techniker einen im Vergleich zu den Schwestermodellen K 1600 GT und GTL komplett neu entwickelten Heckrahmen verbaut, der zudem die Sitzhöhe selbst für kleine Personen auf niedrige 780 mm reduziert. Im Zuge der Neuauslegung des Hecks erhielt der Bagger eine zusätzliche Heck-Mittelabdeckung. Der hintere Kotflügel lässt sich so nach oben hin aufklappen, um den Ausbau des Hinterrades zu erleichtern.
Geborgenheit wie in Abrahams Schoß
Einmal auf dem BMW-Bagger Platz genommen, fühlt man sich geborgen wie in Abrahams Schoß. Cruiser-typisch mit langen Armen einen breiten Lenker in den Händen haltend ist man sogleich Teil des Motorrades und kein Fremdkörper. Vor den Augen breitet sich ein beeindruckendes Kino mit multifunktionaler Instrumentenkombination aus. Die besteht aus zwei klassischen Rundinstrumenten für Tacho und Drehzahl sowie aus einem 5,7-Zoll-TFT-Display für die Anzeige von allerlei Textfeldern und Grafiken. Dazu gehören zum Beispiel auch die über verschiedene Menüs und Knöpfe anwählbaren Einstellungen für die serienmäßig verbaute elektronische Fahrwerksanpassung Dynamic ESA. In der Standardeinstellung „Road“ ist die Dämpfungsanpassung voll automatisiert. Sie stellt in jedem Fahrzustand und bei beliebiger Beladung die optimale Dämpfung zur Verfügung. Alternativ kann der Fahrer per Knopfdruck in den Modus „Cruise“ übergehen, wodurch auf eine sanftere Dämpfung umgeschaltet wird. In schnellen Passagen mit flott hintereinander folgenden Kurven fühlt man sich dann allerdings ein wenig wie auf einem leicht schlingernden Kreuzfahrtschiff. Im Road-Modus meistert der Bagger solche Aufgaben souveräner.
Wendiger Koloss
Die eigentliche Überraschung für ein vollgetankt 336 kg wiegendes Motorrad ist dessen Wendigkeit. So lässig und relaxed ist man nur auf wenigen Cruisern dieser Gewichtsklasse unterwegs. Spurstabil und zielgenau folgt der Bagger den Lenkbefehlen seines Fahrers, ohne dass der regulierend eingreifen muss. Selbst das Handling der Respekt einflößenden Masse gestaltet sich problemlos. Für knifflige Rangiermanöver besitzt die K 1600 B sogar eine Rückfahrhilfe. Sie lässt sich bequem per Knopfdruck von der linken Lenkerarmatur aus aktivieren. Die Fortbewegung erfolgt durch Drücken auf den Starterknopf. So kommt man selbst aus abschüssigen Parkplätzen ohne eigenen Körpereinsatz.
Fürs Vorwärtskommen ist der bekannte Sechszylinder-Reihenmotor mit 1.649 ccm Hubraum zuständig. Noch beeindruckender als die 160 PS des knapp 103 kg wiegenden Antriebs ist sein Drehmoment von 175 Nm. Schaltvorgänge werden nahezu überflüssig. Selbst im sechsten Gang aus 1.500 U/min beschleunigt der Motor ohne Mucken gleichmäßig und effektiv aus dem Drehzahlkeller. Überholvorgänge auf der Landstraße werden so zu kurzweiligen Unterbrechungen des genussvollen Dahingleitens. Muss doch einmal geschaltet werden, dann ermöglicht der als Sonderausstattung erhältliche Schaltassistent Pro ein Hoch- und Runterschalten der sechs Gänge in den relevanten Drehzahlbereichen ohne Kupplungsbetätigung. Zusammen mit den ebenfalls als Zubehör erhältlichen Trittbrettern für eine „Feed Forward“-Haltung kommt man sich vor wie auf einem Riesen-Roller. Fast wie auf einem Vollautomaten sitzend, hat man Zeit, die Landschaft zu genießen oder Ausschau nach einem Picknickplatz zu halten. Apropos Zubehör und Sonderausstattung, da besitzt BMW ein umfangreiches Aufbauprogramm für den Bagger. Angefangen mit der Bremserweiterung ABS Pro über adaptives Kurvenlicht bis hin zu Sitz- und Griffheizung reicht die Angebotspalette. So kommen zu den 21.900,-- Euro, die die K 1600 B standardmäßig kostet, schnell noch ein paar Euro hinzu. Der Genuss, in den Horizont cruisen zu können, hat seinen Preis.