Sportler, Tourer, Enduro, City-Bike – Die Ducati Multistrada will so etwas wie das Schweizer Taschenmesser unter den Motorrädern sein. Seit 2003 führt die Rote Marke aus Bologna die „Multi“ im Angebot, doch erst die 2010 lancierte und rundum neue Multistrada 1200 mit dem imposanten V2-Testastretta-Motor wird dieser Modellbezeichnung wirklich gerecht. Nach ersten Überarbeitungen, 2012 und 2015, lässt Ducati nun bereits die vierte Generation dieses Multi-Tools anrollen und das gleich in vier Versionen: Das Basismodell Multistrada 1260 (ab 16.990 Euro), die hochwertiger ausgestattete und von uns gefahrene 1260 S (ab 19.390 Euro) die als 1260 S D|air (ab 20.090 Euro) mit integrierten Airbag-Komponenten erhältlich ist sowie die Sportvariante Multistrada 1260 Pikes Peak (ab 23.990 Euro) im exklusiven Leichtbaufinish.
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Die komplette Ausgabe 84/2018 von Motorrad & Reisen als PDF
Inhalt:
- PDF-e-Paper-Ausgabe - 100 Seiten
Zuletzt aktualisiert: 21.12.2017
Motorräder: Harley-Davidson Sport Glide, Indian Scout Bobber, Ducati Multistrada 1260 S, KTM 1290 Super Adventure S, Kawasaki Z900RS (Cafe)
Touren: Jakobsweg, Australien, Zollernalb, Portugal
Die neuste Version des 90°-Testastretta-L2
Die bedeutendste Änderung zum Vorgängermodell ist der Motor und der ist bei allen vier Modellen gleich. Die neuste Version des 90°-Testastretta-L2 basiert auf dem Aggregat des Power-Cruisers X-Diavel. Aus 1.262 Kubikzentimetern Hubraum drückt das nun auf das Konzept der Multi optimierte Herzstück eine maximale Leistung von 158 PS und ein maximales Drehmoment von 129,5 Nm auf die Kurbelwelle. DVT (Ducati Variable Timing), ein aufwendiges System, das abhängig von Faktoren wie Drehzahl, Fahrmodi etc., variable Öffnungszeiten der traditionell desmodromisch gesteuerten Ein- und Auslassventile ermöglicht, verleiht dem Motor eine einzigartige Charakteristik – äußerst druckvoll aus dem Drehzahlkeller, stramm und linear durch die Mitte und drehfreudig bis in den roten Bereich, bis 11.000 U/min. Bereits bei 3.500 U/min liegen 85 Prozent des maximalen Drehmoments an. Bei 5.500 Touren übertrifft das neue Modell diesbezüglich den Vorgänger um stolze 18 Prozent.
Natürlich ist die Charakteristik abhängig vom gewählten Fahrmodus, der nebst Motorsteuerung auch die Fahrwerksabstimmung beeinflusst. Auf unserer kurvenreichen Testrunde kreuz und quer über die spanische Ferieninsel Gran Canaria waren wir meist im Touring- und Sportmodus unterwegs. Beide rufen die volle Leistung ab wobei letzterer mit einer direkteren Gasannahme mehr Gefühl am Gasgriff erfordert. Urban- und Enduromodus beschränken die Leistung bei spürbar sanfterem Ansprechverhalten auf maximal 100 PS. Sämtliche Parameter von Motor, Fahrwerk, Traktionskontrolle, ABS etc. können in verschiedenen Modi auf die ganz persönlichen Präferenzen eingestellt werden.
Längere Schwinge und größerer Lenkkopfwinkel
Längere Schwinge und ein geringfügig größerer Lenkkopfwinkel bewirken den um 55 Millimeter längeren Radstand von nun 1.585 Millimetern. Dazu kommt das überarbeitete semiaktive Ducati Skyhook-Fahrwerk mit 48-Millimeter Upside-down-Gabel von Sachs und dem ebenfalls elektronisch geregelten Zentralfederbein. Ob sich die Fahrstabilität im hohen Tempobereich dadurch wie von Ducati versprochen deutlich verbessert, können wir aufgrund mangelnder Testmöglichkeit nicht bestätigen. Bestätigen können wir jedoch, dass der 235 Kilogramm schwere und mit 17-Zöllern ausgestattete Allrounder gleichermaßen flink, zielgenau und stabil um die Ecken wieselt wie sein Vorgänger. Die in Zusammenarbeit mit Pirelli entwickelten Scorpion Trial II Reifen verkrallen sich dabei vertrauenserweckend mit dem groben und griffen Asphalt des Testreviers, was tolle Schräglagen ermöglicht und ein gutes, sicheres Gefühl vermittelt.
Neue Maßstäbe setzt die Multistrada 1260 S nicht zuletzt auch dank dem Gyrosensor von Bosch, der sogenannten IMU (Inertial Measurement Unit). Diese elektronische Ausstattung, welche die Bewegungen des Fahrzeugs in verschiedenen Achsen überwacht, misst und analysiert, steuert das Kurven-ABS, das in den Voll-LED-Scheinwerfer integrierte Kurvenlicht sowie die Ducati Wheelie Control (DWC). Letztere und die Traktionskontrolle lassen sich achtfach einstellen und bei Bedarf abschalten. Außerdem interagiert die IMU mit dem semiaktiven Ducati Skyhook Suspension (DSS) Evolution System der „S“. Die Berganfahrhilfe Vehicle Hold Control und selbstrückstellende Blinker gehören ebenso zur Serienausstattung aller neuen Multistrada Versionen wie die elektronische Geschwindigkeitsregulierung und natürlich das schlüssellose Transpondersystem, das allerdings das Öffnen des Tankdeckels und der optionalen Koffer ausklammert.
Weitere Errungenschaft: der Schaltassistent
Eine weitere Errungenschaft, die man vor allem bei sportlicher Fahrweise nach kurzer Eingewöhnungszeit nicht mehr missen möchte, ist der Schaltassistent. Mit diesem Quickshifter lassen sich die Gänge ohne zu Kuppeln nahtlos rauf- und runterschalten. Besonders interessant ist dabei das in Abhängigkeit vom gewählten Fahrmodus für jeden Gang unterschiedlich ausgelegte Bremsmoment des Motors. Das System erfordert zwar klare Schaltimpulse, funktioniert jedoch selbst bei geringer Drehzahl sehr gut. Im Unterschied zum Basismodell profitiert die S von einem neuen, hochauflösenden TFT-Farbdisplay, welches bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen gleichermaßen gut und reflektionsfrei ablesbar ist und dementsprechend selbständig von Tag- auf Nachtbildschirm oder umgekehrt umschaltet. Mit den Bedienelementen am linken Lenkergriff kann eine Vielzahl von Informationen aufgerufen werden. Über die gleichen Tasten werden auch Fahrwerk, Motor und Assistenzsysteme eingestellt, und das funktioniert aufgrund der neuen, logischer aufgebauten Menüführung und -struktur wesentlich einfacher und schneller als bisher.
Markante Linienführung und touristische Optik
Greifvogelartige Front, Wespentaille, sportliches Heck – das Grundlayout der neuen Multistrada bleibt unverändert. Die Designänderungen liegen im Detail. Markanteste Erkennungsmerkmale sind die leichteren Gussräder mit je fünf Y-förmigen Speichen sowie die nun großflächiger wirkenden Seitenverkleidungen. Diese geringfügig modifizierten Teile bewirken eine eher touristische Optik. Sie optimieren zudem den Wetterschutz, welcher nicht zuletzt auch durch die selbst während der Fahrt mit nur einer Hand höhenverstellbare Scheibe zufriedenstellend ausfällt. Im Gegensatz dazu wird zur Reduzierung der Sitzhöhe um zwei Zentimeter Werkzeug benötigt. Alles an der neuen Multi wurde im Hinblick auf Praktikabilität und Effektivität entworfen – so können nun sowohl die bekannten Kunststoffkoffer als auch die größeren, von der Multistrada 1200 Enduro entliehenen Alu-Koffer von Touratech am Heck montiert werden. Aufgrund der an diversen Stellen unterschiedlichen Spaltmaße entspricht die Fertigungsqualität leider nicht dem ansonsten insgesamt sehr hochwertigen Fahrzeug.
Vier Fahrmodi mit entsprechenden Zubehörpaketen
Sport, Touring, Enduro, Urban – passend zu den vier Fahrmodi und Einsatzgebieten hält Ducati entsprechende Zubehörpakete bereit. Die einzelnen Komponenten können auch separat bezogen und die Pakete kombiniert werden. Das Touring Pack (980,39 Euro) beinhaltet Heizgriffe, Seitenkoffer und einen Zentralständer, das Sport-Pack (1.095,49 Euro) einen Termignoni-Dämpfer, Karbon-Kotflügel sowie edlere Expansionsgefäße aus Aluminium. Wer sich für Enduro-Pack (998,00 Euro) entscheidet bekommt Sturzbügel, Kühler- und Motorschutz, Offroad-Fußrasten und zwei LED-Zusatzscheinwerfer. Im Urban-Pack (973,63 Euro) sind ein 48-Liter-Topcase, ein kleiner Tankrucksack mit Klarsicht-Smartphone-Hülle sowie ein USB-Hub zum Aufladen diverser Geräte enthalten.