Fahrtest: Ducati Scrambler 1100 Special – Ducatis Scrambler-Familie wird erwachsen

Die Marke erweitert die erfolgreiche Baureihe durch die neue Scrambler 1100 – in drei unterschiedlichen Versionen.
Fahrtest: Ducati Scrambler 1100 Special – Ducatis Scrambler-Familie wird erwachsen
Fahrtest: Ducati Scrambler 1100 Special – Ducatis Scrambler-Familie wird erwachsen
10 Bilder
21.05.2018
| Lesezeit ca. 5 Min.
Hanspeter Küffer
Luca Gambuti, Thomas Maccabelli, Alberto Crevetti, Marco Zamponi
Sie ist eines der legendärsten Modelle von Ducati – die Scrambler. In den frühen 1960er-Jahren für den amerikanischen Markt entwickelt, wurde das leichte, geländegängige Bike erst später auch in Europa angeboten. Als Antrieb kamen Einzylinder-Viertaktmotoren mit 250, 350 und 450 ccm Hubraum zum Einsatz. Besonderheiten waren der Antrieb der oben liegenden Nockenwelle mittels Königswelle sowie ab 1968 die aus dem Straßenrennsport abgeleiteten zwangsgesteuerten Ventile mittels Desmodromik.
Ducati Scrambler 1100 Special Vorderrad
Alleinstellungsmerkmal der Special: Drahtspeichenräder

Revolution im eigenen Haus

Vor drei Jahren hat Ducati nun dieses legendäre Bike erstmals komplett neu aufgelegt und mit der neuen Scrambler so etwas wie eine kleine Revolution im eigenen Haus ausgelöst. Statt traditionellem Rot dominierte die Farbe Gelb, statt Hightech, Performance und schnellen Rundenzeiten standen nun plötzlich cooler Lifestyle und entspannter Fahrgenuss ohne elektronische Helferlein im Mittelpunkt. Um ein möglichst breites Zielpublikum anzusprechen, ließ Ducati die Scrambler von Anfang an in vier verschiedenen Versionen anrollen, allesamt mit identischer Fahrwerksbasis und dem gleichen 800-ccm-L2-Motor.
Ducati Scrambler 1100 Special Sitzbank
Sattel aus braunem Kunstleder mit feinem Karo-Stepp
Dieses trendige Konzept schlug ein wie eine Bombe und bescherte der zuvor etwas kränkelnden Marke einen fulminanten Aufschwung und Verkaufserfolg. Mittlerweile wurde die Scrambler-Baureihe um die 400er-Variante Sixty2 erweitert und auf insgesamt acht verschiedene Modelle ausgebaut. Bis heute entschieden sich weltweit über 46.000 Kunden für eines dieser trendigen Lifestyle-Bikes. Damit ist die Scrambler derzeit das mit Abstand beliebteste Motorrad der Marke – ein guter Grund, die Modellreihe weiter auszubauen.
infotainment

Genau das realisiert Ducati nun mit der Scrambler 1100. Und wie vor drei Jahren kommt die Neue gleich in ­mehreren Versionen auf den Markt, wobei Motor und Fahrwerk wiederum bei allen weitgehend identisch sind. In der Standardvariante ist die große Scrambler im typischen Scrambler-Gelb und in Schwarz erhältlich (12.990,-- Euro). Top-Modell ist die Scrambler 1100 Sport (14.990,-- Euro). Im Gegensatz zu den beiden anderen 1100er-Schwestermodellen ist sie mit hochwertigeren Federelementen von Öhlins ausgestattet. Gebürstete Alu-Parts und goldfarbene Zierstreifen am Tank setzen kontrastreiche Akzente am ansonsten nahezu gänzlich in düsterem Schwarz gehaltenen Bike. Die von uns gefahrene und nachfolgend vorgestellte Scrambler 1100 Special (14.290,-- Euro) hat als einzige schicke Drahtspeichenräder mit schwarz lackierten Felgen. Sie rollt jedoch wie die anderen auf grobstolligen Pirelli-MT60-RS-Reifen. Die Auspuffrohre sind verchromt, die Gabel-Standrohre goldfarben eloxiert, Auspuffblenden, Schwinge und das vordere Alu-Schutzblech fein gebürstet. Der schwarz lackierte Lenker ist etwas weniger weit nach oben gekröpft als bei den anderen Modellen. Liebe zum Detail zeigt Ducati zudem mit der besonderen Machart des Sattels aus braunem Kunstleder mit feinem Karo-Stepp in Kontrastfarbe. Die Scrambler 1100 Special ist ausschließlich in der Trendfarbe „Custom Gey“ erhältlich.
Ducati Scrambler 1100 Special Tank und Standrohre
Goldfarben eloxierte Gabel-Standrohre

Erwachsener als die 800er

Die maßgebenden Konstruktionsmerkmale der 800er wurden beibehalten, doch die 1100er ist klar das erwachsenere Motorrad. Sie ist größer, die Sitzposition ist um 20 Millimeter höher (810 mm) und der Radstand um 69 Millimeter länger (1.514 mm). Und mit 211 Kilogramm bringt sie 25 Kilogramm mehr auf die Waage als beispielsweise das 800er-Basismodell Icon. Der Stahlgitterrahmen nimmt den L2-Motor ebenfalls als tragendes Element in die Pflicht, wobei der Heckrahmen nun aus Aluguss gefertigt und angeschraubt ist, was allfälliges Customizing erleichtert. Die Marzocchi Upside-down-Gabel und das Kayaba-Monofederbein sind stärker dimensioniert, wobei letzteres wie bei den kleinen Modellen direkt angelenkt und auf der linken Fahrzeugseite positioniert ist.
Ducati Scrambler 1100 Special Lenkergriffe
Bedienelemente am linken und rechten Lenkergriff

Moderne Interpretation der Vorläuferin

Chefdesigner Jeremy Faraud hat die 1100er komplett neu gezeichnet und dabei die starken Elemente der kleineren Modelle sowie der Versionen von einst einbezogen. Die klassische Silhouette ist unverkennbar. Dennoch kommt die Neue nicht als Retrobike, sondern vielmehr als moderne Interpretation ihrer gleichnamigen Vorläuferin von vor über 50 Jahren. Ein diesbezüglich tolles Detail ist beispielsweise die bogenförmig über die Instrumente geführte Leitung der Vorderbremse, welche dieses Thema aus den 1960ern stilvoll in die Gegenwart transferiert. Apropos Instrumente: Auch hier wurde aufs Wesentliche reduziert und die klassischen Analogelemente von einst in zeitgemäße Digitalanzeigen umgesetzt. Als Antrieb kommt der bestens bewährte L2 aus der altgedienten Monster 1100 zum Einsatz. Übrigens: Ducati bezeichnet die Zweizylindermotoren aufgrund des 90-Grad-Zylinderwinkels und der entsprechenden Einbaulage mit nahezu liegendem bzw. stehendem Zylinder als L2 und nicht wie üblich als V2. Der auf Euro 4 getrimmte, luftgekühlte Zweiventiler passt ausgezeichnet zum neo-klassischen Konzept, wenngleich die Leistung auf 86 PS relativ stark reduziert wurde. Mit 88 Newtonmetern musste auch das maximale Drehmoment Federn lassen, allerdings wird es nun bereits bei 4.750 U/min erreicht und bleibt bis nahezu 7.000 U/min konstant. Aufgrund dieser gutmütigen Charakteristik erübrigen sich im Grunde genommen die drei wählbaren Modi „Activ“, „Journey“ und „City“, welche die Motorleistung, das Ansprechverhalten sowie den Einsatz der Traktionskontrolle den Bezeichnungen entsprechend regulieren.
Ducati Scrambler 1100 Special Modellvarianten
Die Ducati Scrambler 1100 (rechts), Special (Mitte) und Sport (links)

Cooler Sound und angenehmer Kniewinkel

Höhere Sitzposition, weiterer Kniewinkel – die 1100er passt spürbar besser zu meiner Größe von 183 Zentimetern. Und auch den Sound hat Ducati einmal mehr richtig toll hingekriegt. Beim Starten meldet sich das Aggregat kraftvoll mit dumpfem Bollern, aber nicht unangenehm laut. Am coolsten brabbelt das Aggregat jedoch, wenn bei zügiger Talfahrt der Gasgriff abrupt geschlossen wird. Der große Rumps aus dem Drehzahlkeller fehlt zwar und auch im obersten Bereich lässt die Leistung spürbar nach. Dafür entschädigt der Motor mit einer starken Mitte, welche sehr gut zum Konzept des in jeder Situation einfach und sicher beherrschbaren Lifestyle-Bikes passt. Apropos sicher: Die neuen Scrambler 1100 sind als einzige in ihrem Segment mit Kurven-ABS ausgestattet. Auch die Grundabstimmung des Fahrwerks ist soweit gut gewählt, wenngleich bei zügiger Fahrweise die Front Unebenheiten nicht immer klaglos schluckt. Doch dafür gibt es ja genügend Möglichkeiten, die Federung und Dämpfung vorne wie hinten den eigenen Bedürfnissen entsprechend einzustellen. Die aufrechte Sitzposition mit breiter Armhaltung ist relaxt, allerdings lediglich bis zu einer Geschwindigkeit von rund 130 Stundenkilometern. Wenn's schneller gehen soll, hängt der Fahrer wie ein Segel im Wind und das wird auf Dauer ungemütlich. Nun, die Scrambler ist ja auch kein Sportler, obschon sie mit solchen Bikes bezüglich Kurvenstabilität und Schräglagenfreiheit gut mithalten kann.
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Ducati Scrambler 1100 Special Fahrbild

Fazit

Im Gegensatz zu anderen Neuheiten von Ducati, die wir in jüngster Zeit gefahren sind, begeistert die neue Scrambler 1100 Special mit toller Verarbeitung und vielen liebevoll gemachten Details. Weitere Stärken sind die einfache, tückenlose Fahrbarkeit sowie der tolle Look aller drei Versionen, welche bei Bedarf mit einer Fülle von Original-Zubehörteilen problemlos weiter personifiziert werden können. Im Konkurrenzumfeld trifft sie auf diverse bestens etablierte Mitbewerber, die bezüglich Leistung teilweise deutlich mehr bieten, doch genau das spielt in diesem Segment im Grunde genommen eine weitaus weniger wichtige Rolle.
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Ducati Scrambler 1100 Special - Baujahr: 2018
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Technische Daten Ducati Scrambler 1100 Special 2018
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Ducati
Motor
Bohrung x Hub 98 x 71 mm
Hubraum 1.079 ccm
Zylinder, Kühlung, Ventile Zweizylinder, luftgekühlt, 2 Ventile pro Zylinder
Abgasreinigung/-norm Euro 4
Leistung 86 PS (63 kW) bei 7.500 U/min
Drehmoment 88 Nm bei 4.750 U/min
Verdichtung 11:1
Wartungsintervalle Erstinspektion bei 1000 km, danach alle 12000 km oder jährlich
Kraftübertragung
Kupplung Mehrscheiben-Ölbad
Schaltung 6-Gang
Sekundärantrieb Kette
Fahrwerk & Bremsen
Rahmen Stahl-Gitterrohrrahmen
Federelemente vorn 45 mm Upside-Down-Gabel
Federelemente hinten Monofederbein
Federweg v/h 150 mm / 150 mm
Radstand 1.514 mm
Nachlauf 111 mm
Lenkkopfwinkel 65,5 °
Räder Speichenräder
Reifen vorn 120/70 ZR 18
Reifen hinten 180/55 ZR 1
Bremse vorn 320 mm Doppelscheibenbremse, 4-Kolben-Monoblock
Bremse hinten 245 mm Einscheibenbremse, Einkolben-Schwimmsattel
Maße & Gewicht
Länge 2.190 mm
Breite 920 mm
Höhe 1.290 mm
Gewicht 194 kg (Leergewicht)
Maximale Zuladung 205 kg
Sitzhöhe 810 mm
Tankinhalt 15 Liter
Fahrerassistenzsysteme Kurven-ABS, Traktionskontrolle, Fahrmodi
Fahrzeugpreis ab 14.990 €
Sonstiges Traktionskontrolle. | Einspritzung. Elektronische Kraftstoffeinspritzung, 55-mm-Drosselklappenkörper mit vollständigem Ride-by-Wire (RbW).
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