
1968, Tokyo Motor Show – Auf dem Honda-Stand herrscht dichtes Gedränge. Fasziniert umlagern und begutachten die Fans vor allem eine Neuheit – die CB750. Reihenvierzylindermotor, 750 ccm Hubraum, sagenhafte 68 PS, Scheibenbremse – Ja, sie ist wirklich eine atemberaubende Maschine, die in vielerlei Hinsicht Maßstäbe setzt. Mit einem dermaßen innovativen Bike konnten die anderen Hersteller damals nicht mithalten. Ihre Markteinführung revolutionierte 1969 die europäische Motorrad-Szene nachhaltig.

Ein Blick in die Vergangenheit …
Zeitsprung: 2007, wiederum ist Tokio Motor Show – Neben anderen Neuheiten wie der futuristischen DN-01 enthüllt Honda den Prototypen CB1100. Reihenvierer, Kühlrippen, Vier-in-eins-Auspuffanlage – Kein Zweifel, die Neue ist ihrer fast 40jährigen Vorfahrin wie aus dem Gesicht geschnitten. Ein faszinierendes Retrobike, das beim genaueren Betrachten mit allen Attributen eines modernen Motorrades aufwarten kann. Doch anscheinend glaubten die Verantwortlichen damals nicht wirklich an den kommerziellen Erfolg eines solchen Retro-Klassikers. Erst nach drei Jahren wurde die erste Serie aufgelegt und die Maschinen zunächst auf dem Heimmarkt sowie in Australien und Neuseeland angeboten. Und es dauerte weitere drei Jahre, bis die CB1100 2013 erstmals offiziell in Europa angeboten wurde.
… und zurück ins Heute
Im Gegensatz zu weiteren Mitbewerbern, die diverse Modelle mit luftgekühlten Motoren aufgrund von Euro 4 aus dem Sortiment genommen haben, hat die Honda große Herausforderung angenommen und das 1.140 ccm große Vierzylinder-Aggregat dieser neuen Gesetzgebung entsprechend weiterentwickelt.Zur diesjährigen Motorrad-Saison präsentiert sich die CB1100 grundlegend überarbeitet und das gleich in zwei Versionen. Das Modell CB1100 EX kommt als stilvoller Klassiker mit allen dazu gehörenden Attributen. Im Gegensatz dazu zeigt die CB1100 RS moderne und sportlichere Besonderheiten ohne jedoch die charakterprägenden Klassikmerkmale zu vernachlässigen. Motor, Rahmen und diverse weitere Bauteile sind bei beiden Modellen identisch.
Von den aufwendigen Überarbeitungen lässt sich der Reihenvierer nichts anmerken. Das Layout mit den ausgeprägten Kühlrippen und den beiden markanten Nockenwellenbänken des Zylinderkopfs bleibt unverändert. Ähnliches gilt für die maximale Leistung, die mit 89 PS lediglich 1 PS geringer ausfällt als beim Vorgängermodell. Und selbst das maximale Drehmoment von 91 Nm bei 5500 U/min ist weitgehend gleich geblieben. Eine Rutschkupplung reduziert den Kraftaufwand am entsprechenden Handhebel und verhindert das kurzzeitige Blockieren (Stempeln) des Hinterrades beim unachtsamen Runterschalten. Neu, schlanker, 70 Millimeter kürzer und 2,4 Kilogramm leichter sind auch die beiden hochglanzverchromten Schalldämpfertüten, deren Sound zumindest ansatzweise an die kernige Geräuschkulisse der legendären CB750 von einst erinnert. Der klassische Stahlrohrrahmen bleibt indes unangetastet.

Die EX überzeugt nicht bloß mit zeitgemäßer Technik
Ganz besonders die Modellvariante EX überzeugt nicht bloß mit zeitgemäßer Technik und guten Fahreigenschaften sondern auch durch ein tolles Klassik-Design mit vielen liebevoll zurechtgemachten Details. Der gänzlich verchromte Rundscheinwerfer mit moderner LED-Lichttechnik, Stereofederbeine, eine bequeme, nahezu flache Doppelsitzbank, der hohe, in angenehmem Winkel gekröpfte Lenker, sowie die runden, analogen Doppelinstrumente sichern als Ganzes die wirklich lupenreine Retro-Optik. Dazu kommen der etwas größere, im neuen Seamless-Verfahren (Nahtlos-Verfahren) wirklich toll verarbeitete 16,8-Liter-Tank, die stärker gewölbten Schutzbleche aus Edelstahl sowie die großen runden Blinker im Stil der 1970er Jahre.Mit kleineren 17-Zoll-Gussrädern und goldfarben eloxierten Teilen an Gabel, Federbeinen und Bremsen macht die RS ihren sportlicheren Anspruch geltend. Untermauert wird dieser durch hochwertigere Federelemente von Showa und Bremsen mit radial verschraubten vorderen Bremszangen von Tokico. Weitere Unterschiede zur EX sind die dritte Gabelbrücke über dem vorderen Kotflügel, das sportlichere Layout des Sattels sowie die schicken LED-Mini-Blinker und der bis auf die Seitendeckel gänzlich schwarz lackierte Motor. Die ebenfalls schwarz lackierten Schutzbleche sind aus Kunststoff gefertigt.

Die RS kommt insgesamt sportlicher daher
Durch den um fünf Millimeter höher positionierten Sattel und den um 50 Millimeter schmaleren, tiefer und weiter vorne montierten Lenker ergibt sich auf der RS eine insgesamt sportlichere, weiter nach vorne geneigte Sitzposition. Der Lenkkopfwinkel ist mit 26 Grad ein Grad steiler als derjenige der EX. Daraus reduzieren sich Nachlauf (99 mm) und Radstand (1.485 mm) um je fünf Millimeter. Diese Eckdaten lassen eigentlich ein agileres Handling vermuten, doch weit gefehlt: Durch die breitere Bereifung von 120/70R-17 vorne und 180/55R17 hinten (EX:110/80R-18 v, 140/70R-18 h) benötigt die RS zum Einlenken deutlich stärkere Lenkimpulse als die EX. Allerdings liegt die RS insbesondere bei höheren Tempi stabiler und ruhiger, und das sowohl in Kurven als auch geradeaus.Wie bereits bei seinem Vorgänger steht beim überarbeiteten luftgekühlten Reihenvierer nicht die reine Power sondern lineare, gut beherrschbare Kraftentfaltung im Fokus. Zwischen 3.000 und 8.000 U/min liegt immer ein ansprechendes Drehmoment an. Die Bedienung der neuen Anti-Hopping-Kupplung erfordert kaum Kraft, und die fünf Gänge flutschen ohne Klack- und andere Nebengeräusche sauber rein. Betreffend der Bremsen hat die RS die Nase vorn. Die mit radial verschraubten, goldfarben eloxierten Doppelkolbensätteln bestückten, 310 Millimeter großen Doppelscheiben funktionieren bezüglich Dosierbarkeit, Druckpunkt und Wirkung spürbar besser. Was jedoch nicht heißen soll, dass die etwas einfacheren und kleineren Bremsen der EX nicht auch durchaus zufriedenstellend arbeiten.
