Hanspeter Küffer
Francesc Montero, Felix Romero, Ula Serra, Zep Gori
Reihenvierzylinder haben in der mittleren Hubraumklasse derzeit einen schweren Stand. Noch vor wenigen Jahren dominierten die klassischen „Drehorgeln“ dieses beliebte Segment. Technische und kalkulatorische Gründe bewogen jedoch in den letzten Jahren zunehmend mehr Hersteller dazu, neue Motorenkonzepte zu entwickeln. Reihenzweizylinder (zum Beispiel Kawasaki Z650), V2-Motoren (Suzuki SV650) sowie Reihendreizylinder (Yamaha MT-09) haben den Reihenvierern mittlerweile den Rang abgelaufen. Mit dem überarbeiteten Nakedbike CB650F und dem baugleichen, ebenfalls optimierten Sporttourer CBR650F hält Honda an der bewährten Motorkonstruktion mit vier in einer Reihe angeordneten Zylindern fest – zumindest vorerst noch.
Die neue CB rollt mit minimaler Leistungssteigerung an
Vor drei Jahren hat Honda die beliebte Hornet 600 durch die CB650 ersetzt. Trotz größerem Hubraum rollte die damals Neue mit beachtlichen 15 PS weniger an den Start. Der hübsch gezeichneten CB gelang es nicht zuletzt auch aus diesem Grund nie wirklich, ihrer Vorgängerin das Wasser zu reichen. Die erste Überarbeitung der beiden CB650-Modelle beinhaltet jetzt neben den Anpassungen an die Euro-4-Regularien auch eine minimale Leistungssteigerung um drei PS auf 90 PS, wobei diese maximale Power erst im fünfstelligen Drehzahlbereich bei 11.000 U/min erreicht wird (Kawasaki Z650 68 PS bei 8.000 U/min, Suzuki SV650 76 PS bei 8.500 U/min, Yamaha MT-07 75 PS bei 9.000 U/min). Das maximale Drehmoment von 64 Nm steht bei 8.000 U/min an.
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Die komplette Ausgabe 82/2017 von Motorrad & Reisen als PDF
Inhalt:
- PDF-e-Paper-Ausgabe - 116 Seiten
Zuletzt aktualisiert: 01.09.2017
Motorräder: BMW R nineT, Aprilia Shiver 900, Honda CB & CBR650F, BMW R 1200 RT, Yamaha SCR950, Kawasaki Z900
Touren: Kurven, Burgen und Wein - Mosel, Drumherum statt mittendurch - Harz, Dolomiten, Donnersbergrunde Pfälzer Wald, Ostseeküste und Hinterland: Fischland – Darß
An der Konstruktion des Brückenrahmens hat Honda nichts geändert. Stahlrohre mit ovalem Querschnitt gewährleisten hohe Steifigkeit und suggerieren gleichzeitig hochwertige Alu-Optik. Die vordere Radaufhängung übernimmt eine neue, allerdings nicht einstellbare Telegabel von Showa. Hinten kommt die bisherige, allerdings nun schwarz lackierte Alu-Schwinge mit direkt angelenktem Federbein zum Einsatz. Einstellbar ist hier lediglich die Federvorspannung. Steiler Lenkkopfwinkel (25,5°), geringer Nachlauf (101 mm) und ausgewogen dimensionierte Reifen (120/70-17 vorne, 180/55-17 hinten) gewährleisten angenehme Handlingeigenschaften. Und das obwohl die CB650F vollgetankt 208 Kilogramm wiegt und damit rund 20 Kilogramm schwerer ist als ihre direkten Mitbewerber.
Der Motor dominiert die Gesamtoptik
Motor, Fahrwerk und Geometrie sind bei beiden Modellen identisch. Aufgehübscht durch leichte Retuschen erkennt man die neue CB650F am ehesten an den filigraneren Seitenteilen, welche den Motor nun optisch stärker ins Zentrum rücken. Dazu kommt eine moderner gezeichnete Lampenmaske mit einem Scheinwerfer in zeitgemäßer LED-Lichttechnik. Ähnliches gilt für die CBR650F, deren Vollverkleidung nun derjenigen der großen Supersport-Schwester nachempfunden ist.
Der Lenker des Nakedbikes ist 30 Millimeter tiefer positioniert, woraus eine etwas sportlichere Sitzposition resultiert. Die direkt an den Gabelholmen über der oberen Gabelbrücke montierten Lenkerhälften der CBR650F sind insgesamt um 30 Millimeter schmaler als der Lenker der CB650F. Sie liegen zudem um beachtliche 90 Millimeter tiefer als zuvor. Die Sitzposition auf dem verschalten Sporttourer passt bei entsprechend flotter Gangart sehr gut und damit ausgezeichnet zum Konzept. Auf der CB650 sitzt man aufrechter und relaxter, aber auch deutlich exponierter, was den anbrausenden Fahrtwind betrifft.
Klar kann man mit den beiden 650ern auch gemütlich durch die Landschaft cruisen, doch wer sich für einen der beiden Reihenvierer entscheidet, will wahrscheinlich eher ein bisschen beherzter am Gasquirl drehen und die spezielle Drehorgel-Charakteristik genießen. Bei konstantem Tempo signalisiert der Drehzahlmesser im schlichten Digitalcockpit zwischen rund 5.000 und 6.000 U/min. Ab diesem Bereich hat man immer guten Anschluss, wobei je nach Fahrweise zwischen 8.000 und 11.000 U/min in den nächsten Gang geschaltet wird. Der nahezu vibrationslose Motorlauf ist ein Gedicht, und das gut abgestimmte, butterweich zu schaltende Sechsganggetriebe ist es auch. Um aufgrund der harten Gasannahme beim Beschleunigen aus dem Teillastbereich unangenehmes Ruckeln zu vermeiden, wird vom Fahrer beim Gasanlegen zuweilen etwas Feingefühl gefordert.
Der Supersportler ist satter und stabiler
Ist es die aggressivere Sitzposition oder einfach das Gefühl, auf einem Sportbike zu sitzen? Irgendwie entsteht das Gefühl, mit der CBR650F zügiger unterwegs zu sein als mit der unverkleideten Schwester. Insbesondere im höheren Tempobereich liegt der Sporttourer satter und stabiler. Dagegen wirkt die CB650F in schnellen Wechselkurven agiler und wendiger. Aufgrund der aufrechteren, aber ebenfalls recht sportlichen Sitzposition gehen Gewichtsverlagerungen leichter von der Hand und mit dem breiten Lenker ist präzises Einlenken einfacher. Die Dunlop Sportmax-Bereifung (120/70-17 vorne, 180/55-17 hinten) überzeugte bei unseren trockenen Testfahrbedingungen auf beiden Bikes mit gutem Grip und klarem Feedback. Ähnlich gut funktioniert auch die fein dosierbare Dreischeiben-Bremsanlage mit unauffällig regelndem ABS.
Toll, dass Honda auch in der unteren Mittelklasse am bewährten Reihenvierer-Konzept festhält. In keiner anderen Klasse macht das Fahren mit den klassischen Drehorgeln gleichermaßen viel Freude. Die CBR650F ist insgesamt eher das vielseitigere Bike, die CB650F das coolere, trendigere. Der im Vergleich zu anderen Motorkonzepten höhere technische Aufwand hat logischerweise auch Auswirkungen auf den Preis. Mit 8.390,-- (CB650F) respektive 8.990,-- Euro (CBR650F) kosten die beiden Drehorgeln deutlich mehr als (vermeintlich) vergleichbare Modelle der Mitbewerber – viel Geld für sehr viel Fahrspaß.