Walter Hasselbring
M&R, KTM
Fragt man sich, woher die Österreicher Ihre Stärke und Kompetenz beziehen, liegt die Antwort eigentlich schon auf der Hand. „Ready to Race“ - übersetzt: Fertig zum Rennen, lautet der Leitspruch des orangefarbenen Zweiradherstellers. So dürfte es niemanden verwundern, dass man die Kernkompetenz aus dem Rennsport bezieht. So gewann 2012 der Deutsche Sandro Cortese den Weltmeistertitel in der Moto- 2 –Klasse auf einer KTM. Bei der härtesten Rallye der Welt, der Rallye Dakar, landen KTM-Motorräder stets auf den vorderen Plätzen. Darüber hinaus baut KTM mit der 690 Duke die stärkste Einzylinder-Maschine. Auch andere Modelle wie der flotte Supersportler RC8 R und die kleine 125ziger Duke erfreuen sich größter Beliebtheit. Entsprechend erwartungsvoll reisen wir also nach Teneriffa, um das neue orangene Flaggschiff im Reise-Enduro Segment auf Herz und Nieren zu testen. Welch faszinierender Anblick, für die Touren werden wir mit fast jungfräulichen KTM 1190 Adventure Modellen ausgestattet.
Power besitzt sie jedenfalls genug. Mit 150 PS führt sie in der Liste der stärksten Reise-Enduros , die jemals in Serie gebaut wurden, gleichzeitig zählt sie mit gerade einmal 230 Kilogramm fahrfertigem Gewicht auch zu den Leichtesten des Segments. Die Power bezieht das Kraftrad aus dem Aggregat des Supersportlers RC8 R, einem V2–Triebwerk mit 1.195 cm³ Hubraum. Aber nicht nur die Leistungsdaten stimmen, auch das Drehmoment sorgt mit maximal 125 Newtonmeter für ordentlichen Schub. Das treibt die Maschine schon mit einem kleinen Dreh am Gasgriff kräftig nach vorne. Allerdings kann man die Gaszufuhr so fein dosieren, dass sogar Anfänger mit der Kraft dieser Maschine zurechtkommen. Die Dosierung wird durch die so genannte Ride by Wire - Technik geregelt, die ein ruckfreies Anfahren schon bei 2.500 Kurbelwellenumdrehungen möglich macht. Das System sorgt für eine lineare Kraftentfaltung des Vierventil - Motors. Aber selbst bei Bergauffahrten in Richtung des Vulkans Teide, des höchsten Berges Spaniens, besitzt die KTM immer noch genug Reserven.
Downloads & Produkte zum Thema
Die komplette Ausgabe 04/2013 von Motorrad & Reisen zum Download
Inhalt:
- PDF-Ausgabe
Zuletzt aktualisiert: 25.03.2013
Die DVD zu Heft 03 & 04/13 mit folgenden Inhalten:
- M&R Film: Märchenhaftes Deutschland
- M&R Film: Kaiman Motorradstiefel
- GPS Videoworkshop III
GPS-Touren:
- 10 Saisonstart Touren
- Großglockner
- Leipziger Allerlei
- Rund um Berlin
- 50 Alpentouren
- Pyrenäen
- Finland
- Schweden
Selbst bei 8.000 Touren auf glatter Straße geht es noch spürbar voran. Insgesamt lässt sich der Motor als sehr ausgewogen und vor allem laufruhig beschreiben. Dabei stehen dem Fahrer vier verschiedene Fahr-Modi zur Wahl, die nicht wenig Einfluss auf die gesamte Fahrdynamik besitzen. Bei der Regen- und Off-Road – Einstellung stehen immer noch 100 PS zur Verfügung, die Leistungsentfaltung fällt dann aber deutlich moderater aus. Zusätzlich arbeitet eine Traktionskontrolle an der Stabilität der Fuhre. Sie regelt den Schlupf am Hinterrad. Keine Angst, wer wie Dani Pedrosa oder Jorge Lorenzo durch die Kurven driften will, kann die Traktionskontrolle auch ausschalten. Dann wird das Motorrad allerdings ziemlich giftig. Hier wäre jetzt ein kleiner Exkurs zu den Reifen angebracht. Die Pneus (Trail/Attack 2) stammen aus dem Hause Continental und wurden in Hannover speziell und mit hohem Aufwand für die KTM 1190 Adventure entwickelt. Der Aufwand lohnt sich auf jeden Fall, denn die Pneus harmonieren so in jeder Situation mit Felgen und Fahrwerk.
Die Reifen-Ingenieure legen ihr Produkt eindeutig mehr zu Gunsten des Straßenbetriebes aus. Üblicherweise werden bei Offroad Motorrädern vorne 21 Zoll und hinten 17 Zoll Räder gefahren, bei der Adventure finden vorn 19 und hinten die üblichen 17 Zoll Verwendung. Das Fahrwerk selbst präsentiert sich als ein wahres Gewichtswunder. Noch nicht einmal zehn Kilogramm bringt es auf die Waage. Trotz- dem besitzt es eine enorme Stabilität. Selbst Geschwindigkeiten weit über 200 Stundenkilometer bringt es nicht aus der Ruhe. Die Federelemente, die einen Federweg von 190 Millimeter erlauben, sind komplett einstellbar. Optional kann man sogar ein elektronisches Fahrwerk erwerben. Dabei kann man die Federvorspannung vierfach verstellen. Die Dämpferein- stellung lässt sich in drei Stufen wählen. Wir nutzten die Federvorspannung zur Erhöhung der Sitzposition. Einfach den Modus Soziusbetrieb eingestellt und zusätzlich die Sitzbank in die höchste Position gebracht, und schon sitzen wir mit unserer Körpergröße von 1,90 Metern optimal auf der Maschine. Mit minimalem Aufwand lassen sich auch die Fußrasten und das wirkungsvolle Windschild verstellen. Perfekt! Das elektronische Fahrwerk dürfte bei den Kunden vermutlich der Renner werden, denn es kostet lediglich 800,-- Euro extra. Noch dazu kann man es mit vier Tasten auf der linken Lenkerseite einfach bedienen. Das Display neben dem lobenswert übersichtlichen Rundinstrument kann man sehr leicht ablesen und es wurde simpel strukturiert. Von Anfang an besitzen wir auf dem Motorrad ein Gefühl der Leichtigkeit. Es wiegt wie schon erwähnt zwar auch vollgetankt nur 230 Kilogramm, aber es kommt uns vor wie eine 650er Maschine und nicht wie eine bullige Reise-Enduro. Problemlos lässt die KTM sich in die Kurven lenken und mit einem sauberen Strich kommt man wieder heraus.
Auch im Gelände merkt man die sportlichen Gene. Wen es allerdings häufig in Staub, Matsch oder Sand zieht, sollte lieber auf das R-Modell warten. Dank der Combined-ABS-Bremsanlage verteilt sich die Bremskraft, egal welcher Hebel betätigt wird, optimal auf die beiden Räder. Darüber hinaus verfügt das System über eine Geländefunktion. Dabei kann das Hinterrad, beispielsweise bei Bergabfahrten, vom Fahrer blockiert werden. Von Anfang an konzipiert KTM das Modell mit dem nötigen Zubehör. Eine Bordsteckdose gehört ebenso dazu wie die Aufnahmen für ein Koffersystem, das man optional ordern kann. Kurzum: Auf Anhieb wird KTM den Platzhirschen BMW nicht verdrängen können. Aber sie ist eine ernst zu nehmende Alternative und eine echte Bereicherung des Segments. Für eher sportlich orientierte Kaufinteressenten wird sie die erste Wahl werden.