
Ein messerscharfes Fahrwerk
Diese Fahrwerkskombination geriet so messerscharf, dass die 890 Duke R zu Recht den Beinamen „Super Skalpell“ verdient. Agil – nein – spielerisch ist ihr Handling und dabei trotzdem zielgenau und niemals auch nur ansatzweise nervös. Das ist gut so, denn was der knapp 900 ccm große Motor mit dem trocken nur 166 Kilogramm leichten Bike anzustellen vermag, ist mit Worten schwer zu beschreiben. Der Hubraum des aus der 790er Duke bekannten Reihenzweizylinders wuchs mittels größerer Bohrung und mehr Kurbelwellenhub. Trotz größerem Durchmesser wiegen die Schmiedekolben mit ihren aus Bronze gefertigten Pleuellagern weniger als zuvor. Die Verdichtung wurde angehoben, die Ventile des neuen Zylinderkopfs vergrößert und die Nockenwellenprofile geschärft. 121 PS und 99 Nm resultieren aus dieser Leistungskur. Während dem Beschleunigen schwebt meist das Vorderrad in der Höhe und beim kräftigen Verzögern über die Ein-Finger-Bremse lupft die Duke regelmäßig ihr Hinterrad. Vom Straßenrand muss es aussehen, als wäre ich nicht ganz gescheit.Das Ganze wird akustisch äußerst präsent begleitet: 96 dB(A) Standgeräusch sind selbst für das Lechtal ihrer österreichischen Heimat zu laut. Auch der Kollege hinter der Kamera hebt nach wiederholter Vorbeifahrt despektierlich die Augenbrauen. Beim Herunterschalten vor Kurven hagelt es Fehlzündungen, unter voller Beschleunigung gibt’s kernigen Zweizylinder-Sound, gekreuzt mit einem Hauch von Supermoto – und das schon mit dem Serienauspuff. Ein Wahnsinn auf zwei Rädern und doch spielerisch leicht zu fahren und wunderbar zu beherrschen.

Höchstleistung mit Leichtigkeit
Die Frage nach dem Sinn? Natürlich kann man sie bei der 890 Duke R stellen. Die Antwort ist simpel: Performance! Und diesem Ziel ordnet sich alles unter. Dazu braucht es weder Verkleidung, noch Gepäckbrücke, keinen Soziusplatz und keinen gut ablesbaren Tacho. Wer Zeit für den Blick aufs Instrument hat, hat das Super Skalpell ohnehin nicht verstanden. Trotzdem ist sie kein unangenehmes Foltergerät, das mir alles abverlangt. Ich sitze bequem, höher als auf der 790er, habe Platz für die Beine und guten Knieschluss. Die Rasten wanderten nach hinten und zugleich nach oben, um die Schräglagenfreiheit nochmals zu erhöhen. Flacher gekröpft, tiefer und weiter vorn ist der breite Lenker der 890er montiert. Sein Abstand zum Fahrer lässt sich mehrfach verstellen. Vielleicht ist gerade deshalb alles so easy: Weil die Duke es dem Piloten leicht macht.

Ready to Race
„Ready to Race“ lautet das Firmenmotto von KTM und die 890 Duke R treibt es auf die Spitze. Für den Motorradfahrer im Sattel stellt sie technisch die Krone der Naked-Bike-Schöpfung dar, die selbst ihre Konkurrenz derzeit „alt“ aussehen lässt. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Dem Anwohner am Straßenrand wird sie seit der Motorradlärmdebatte des letzten Jahres eher ein Dorn im Auge sein. Nicht etwa, weil das Standgeräusch des willkürlichen Tiroler Limits um ein Dezibel verpasst würde. Die in Ausgabe 100 getestete Brixton, mit ebenfalls 96 dB(A) im Stand, machte im Fahrbetrieb deutlich weniger Spektakel als die KTM 890 Duke R. Dass Standgeräusch und Fahrgeräusch zwei paar Schuhe sind, wird hier erneut mehr als deutlich. Also holen wir eine BMW F 850 GS hinzu. Ebenfalls von einem Reihenzweizylinder mit ähnlichem Hubraum angetrieben, steht im Schein derselbe Fahrgeräuschwert wie bei der 890 Duke R: 76 dB(A). Doch bei der Vorbeifahrt wird auch in diesem Vergleich die KTM als deutlich lauter empfunden. Denn viel mehr als jeder Messwert und jede gesetzliche Regelung bestimmen das Klangbild des Motors und der eigene Fahrstil die Lärmemissionen eines Fahrzeugs, was zeigt: Wir haben es selbst in der rechten Hand.
Geringere Sitzhöhe und alltagstaugliche Reifen
Weniger extrem als bei ihrer R-Schwester fällt das Setup der 890 Duke aus. Auf 820 Millimetern Höhe sitzt der Fahrer vierzehn Millimeter niedriger. Die Bremsscheiben haben nur 300 Millimeter Durchmesser – zwanzig weniger als die „R“. Gleichzeitig ersetzen Bremszangen von Bybre die edlen Brembo-Stylema-Sättel. Und auch die Bereifung mit ContiRoad zielt mehr auf den Alltag als die beinahe profillosen Michelin Power Cup 2 der R-Version.
Elektronik auf Augenhöhe der exklusiven 890 Duke R
Bei der Elektronik gibt es dafür kaum Unterschiede zwischen Duke und Duke R. Beide verfügen über Traktionskontrolle, Anti-Wheelie-Modus und die gleichen Fahrmodi. Im Rain-Modus regelt die Traktionskontrolle am sensibelsten, die Anti-Wheelie-Kontrolle ist aktiv, die Motorleistung reduziert und die Gasannahme seidenweich. Im Street-Modus reagieren Gasannahme und Traktionskontrolle normal und die volle Motorleistung ist abrufbar, während der Anti-Wheelie-Modus weiterhin das Vorderrad am Boden hält. Im Sport-Modus springt der Twin bei voller Leistung zusätzlich deutlich spontaner ans Gas. Die Traktionskontrolle hält sich mit Eingriffen vornehm zurück. Auch im Sport-Modus sind keine Wheelies möglich. Wer die genießen möchte, muss die KTM 890 Duke mit dem optionalen Track-Modus bestellen, um den entsprechenden Schalter umlegen zu können und die Traktionskontrolle auf eigene Faust in neun Stufen zu justieren. Schnelle Starts ermöglicht eine Launch Control, die automatisch die optimale Motordrehzahl für die maximale Beschleunigung hält. Ebenfalls optional ist der neu abgestimmte Quickshifter+ für kupplungsfreies Schalten. Verglichen mit der 790er, fällt der Schalthebel nun kürzer aus und das Fahrwerk besitzt eine an die Leistung angepasste Abstimmung. Auf der Höhe der Zeit ist die KTM mit Voll-LED-Scheinwerfer und myRide-App. Mit den bekannten KTM Powerparts lässt sie sich zudem vielfältig individualisieren. Der Listenpreis der KTM 890 Duke beträgt in Deutschland 10.895,-- Euro.- bärenstarker Zweizylinder
- brillantes Fahrwerk
- Ein-Finger-Bremse
- aufdringlich laut
- kein Soziusplatz
- Display schlecht ablesbar