Fahrtest: Suzuki V-Strom 1000

Die neue Suzuki V-Strom bietet ganz schön viel und sie entpuppt sich als Motorrad für alle Fälle und Jedermann. Wir schnappten uns eine der ersten fahrfertigen V-Stroms.
12.01.2014
| Lesezeit ca. 7 Min.
Walter Hasselbring
Suzuki
Suzuki sorgte auf der diesjährigen Eicma in Mailand für wenig Aufsehen. Kein Wunder, denn die Japaner zeigten nur ein einziges neues Modell. Auf der komplett neuen V-Strom 1000 lasten nun die gesamten Hoffnungen für steigende Absatzzahlen. Folgerichtig steht das Motorrad aus Hamamatsu, das sich im Segment der großen Reise-Enduros tummeln wird, schon ab Januar bei den Händlern. Für Suzuki stellt sich das Modell als besonders wichtig dar, weil die Japaner in diesem Segment über Jahre hin­weg kein konkurrenzfähiges Produkt entgegensetzen konnten. Das Marktsegment ist gegenwärtig vom „Immermehr“ geprägt. Das fängt beim Preis an, geht über die technische Hochrüstung bis zum Gewicht der Maschinen. Suzuki macht das nicht mit. Bewusst positioniert man die V-Strom zwischen den Fahrzeugen mit rund 1200 cm³ und den 800 cm³ Motorrädern der Konkurrenz. Da hat man es beispielsweise mit der BMW R 1200 GS, der Triumph Tiger 800 oder mit der KTM 1190 Adventure zu tun. Um es vorweg zu nehmen: Das könnte eine kluge Taktik sein. Außerdem machten Suzukis Marktforscher ein hohes Nachfragepotenzial in dieser Hubraumgrößenklasse aus.
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Suzuki V-Strom 1000 Gabel

Wir fuhren die Maschine kürzlich in Andalusien und ließen uns von ihr gleich begeistern. Auf Anhieb fühlten wir uns auf dem Motorrad wie in Abrahams Schoß. Vor allem für Liebhaber langer Motorradreisen dürfte die V-Strom also das passende Gefährt sein. Zum Wohlbefinden trägt auch das mit 228 Kilogramm geringe Gewicht der neuen Suzuki bei. Die Große fühlt sich damit eher wie die kleine Schwester, die äußerst beliebte 650er V-Strom an. Für die Gewichtsersparnisse sorgen viele kleine Maßnahmen an der gesamten Konstruktion gegenüber dem Vorgängermodell. So wurde der Flüssigkeitskühler zwar kleiner als bei der Vorgängerin, gleichzeitig ist er aber viel leistungsfähiger.

So konnten die japanischen Ingenieure auf einen zusätzlichen Ölkühler verzichten. Auch der neu konstruierte Rahmen ist erheblich leichter geworden. Der Tank schrumpfte ebenfalls um zwei Liter, die Reichweite liegt aber trotzdem bei über 400 Kilometer, weil der Verbrauch von 5,8 auf 4,75 Liter gedrosselt werden konnte. Bei der hohen Testbeanspruchung in den Bergen Andalusiens konnten wir diese Werksangaben natürlich nicht hieb - und stichfest überprüfen, da muss später ein Dauertest her. Der Rahmen der V- Strom verlor nicht nur an Gewicht, sondern gewann auch an Länge. Das führt zu einem größeren Radstand, verbesserter Sitzergonomie und damit auch insgesamt zu größerem Komfort. Nimmt man dann auf der Sitzbank Platz, fällt einem erneut die 650er V-Strom ein, die ja als sehr bequem gilt. Allerdings sitzt man auf der neuen Großen aufrechter und viel näher am Lenker.
infotainment
Suzuki V-Strom 1000 Fahrbild

Vor der allerersten Fahrt beschäftigten wir uns natürlich erst mal eingehend mit dem Cockpit. Es fällt sehr kompakt aus und die Gestaltung darf man als bemerkenswert übersichtlich bezeichnen. Sämtliche Funktionen sind logisch aufgebaut und die Werte leicht ablesbar. Das Menü wird mit einem Multifunktions-Kippschalter bedient, der akkurat arbeitet. Allerdings müssen bei der V-Strom auch nicht ganz so viele Funktionen dargestellt werden, weil Suzuki die äußerst rasante elektronische Entwicklung, die bei der Konkurrenz hemmungslos ausgelebt wird, nur zurückhaltend mitmacht. Selbstverständlich verfügt die Neue über ein ABS, das ist heutzutage ein Muss. In diesem Falle arbeitet es vorne mit einer Doppelscheibe, auf die Vierkolbenbremszangen einwirken und hinten mit einer ein­fachen Schei­be. Die neu konstruierte Brem­se wirkt schon beim kleinsten Druck auf den He­bel. Das ist ebenso gewöhnungsbedürftig wie das recht frühe Eingreifen des Antiblockiersy­stems - alles in allem aber kein Fehler in Sachen Sicherheit.
Eine Traktionskontrolle spendierten die japanischen Konstrukteure dem Motorrad ebenfalls. Sie kann in zwei Modi verwendet oder auch abgeschaltet werden.
Die Federelemente lassen sich von Hand einstellen. Vorspannung und Dämpfung an der Upside-Down Gabel und an der Hinterradfederung sind problemlos individuell einstellbar. In Südspanien kamen wir allerdings schon ganz prächtig mit der Werkseinstellung zurecht. Sie bildet einen sehr guten Kompromiss zwischen der sportlichen Kurvenkratzerei in den Bergen und dem nötigen Komfort für zügige Touren.
Suzuki V-Strom 1000 Front

Auch in Sachen Reifen haben sich die Ingenieure ausgesprochen viele Gedanken gemacht. Schließlich stattet man diese Maschine jetzt mit speziell für dieses Modell entwickelten Reifen aus. Und die können viel mehr Schräglage vertragen als wir ihnen auf der flotten Berg- und Talfahrt im südlichen Spanien zugemutet haben. Kurz und Gut, an den Fahreigenschaften der neuen Suzuki V-Strom 1000 gibt es nichts zu meckern.
Das Motorrad läuft gutmütig, spurgenau und mit ihm fährt man fast automatisch dahin, wohin man schaut. Der Fahrer hat immer genügend Muße, sich auf andere Dinge als das Motorrad zu konzentrieren. Anders ausgedrückt: Man muss mit dieser Reise-Endruo nicht kämpfen!
Auch bei der Neu-Konstruktion des Motors sind die Ingenieure sehr feinfühlig vorgegangen. Statt einfach den Hubraum zu vergrößern, befasste man sich lieber mit der Erhöhung des Drehmoments. Das Ergebnis ist ein V2-Twin mit 100 PS bei 6.000 Kurbelwellenumdrehungen in der Minute. Bei 4.000 U/min liegt schon das maximale Drehmoment von 100 Newtonmetern an, das nenne ich mal reisetauglich.
Suzuki V-Strom 1000 Topcase

Das Aggregat ließ uns in der abwechslungsreichen südspanischen Geländestruktur keine Sekunde im Stich. Man darf es als gutmütig und gleichzeitig bissig bezeichnen, wenn es drauf ankommt. Auch zu spätes Zurückschalten nimmt es dem Fahrer nicht übel. Überhaupt wirkt an der V-Strom alles leicht und man könnte glauben, dass man auf einer hubraum- und gewichtskleineren Maschine säße.
Die Sitzhöhe von 850 Millimetern ist eher auf kleine Leute ausgerichtet, kann aber durch eine ab Werk lieferbare andere Sitzbank reguliert werden. Da gibt es sicherlich pfiffigere Systeme, aber unsere japanischen Freunde hatten bei der Entwicklung immer auch den Endpreis im Visier. An dieser Stelle darf man sicher ein wenig nörgeln, denn verstellbare Sitzbän­ke sind mittlerweile Standard.
Viele Gedanken machten sich die Entwickler beim Thema Wind- und Wetterprotektion. Die serienmäßige Scheibe lässt sich in drei Höhen mit dem Bordwerkzeug verstellen. Mit sanftem Fingerdruck kann der Wetterschutz in drei Stufen nach vorn oder hinten bewegt werden. Bei unserem Testmotorrad hätten wir uns dennoch die gegen Aufpreis erhältliche größere Schei­be gewünscht. Die Vorgabe für die Projektbeteiligten bei Suzuki war, dass die V-Strom im Verkaufspreis unter 12.000,-- Euro bleibt. Dafür sind natürlich Abstriche vom technisch Machbarem nötig. Allerdings hätten wir uns bei unserer Fahrt durch die Winterkühle der südspanischen Berglandschaft schon Handprotektoren gewünscht. Dann wären wir auch ohne Griffheizung ausgekommen.
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Suzuki V-Strom 1000 Fahrbild

Wie auch immer, die Aufpreisliste ist fast so lang wie die bei den autobauenden Kollegen aus Wolfsburg. Sehr pfiffig sind die schon ins Design integrierten Koffer, die sich sehr fein in die Silhuette des Motorrades einpassen und 28 beziehungsweise 26 Liter Gepäck fassen. Sie sind sehr einfach anzubringen und abzunehmen. Einen ebenfalls passend entworfenen Topcase gibt es mit 35 und 55 Litern Fassungsvermögen. Zusatzscheinwerfer, die das Fahrzeug zugegebenermaßen sehr cool aussehen lassen, beheizbare Griffe, ein harmonisch wirkender Tanksack und ein Hauptständer sind einige Beispiele aus dem Katalog. Dabei sollte man allerdings immer berücksichtigen, dass solche Teile auch das Gewicht des Motorrades erhöhen. Ein sicherheitsrelevantes Zubehörteil sollte sich aber jeder V-Strom Kunde gönnen: Eine Art Adapter, der die Spiegel weiter nach außen rückt, sodass nicht immer die Hälfte des Ärmels zu sehen ist sondern das Verkehrsgeschehen hinter dem Fahrzeug.
Kurzum: Die V –Strom ist definitiv ein richtiges Wohlfühlmotorrad. Auch die Aufsteiger aus niederen Hubraumklassen müssen vor diesem Motorrad keine Angst haben, nur Respekt. Es ist kein „Alpenkrawallo“ und auch kein „Mir – san – mir“- Boxer, es ist ein sehr gelungenes Motorrad für alle Fälle.
Technische Daten Suzuki V-Strom 1000 ABS 2013-2016
Motor
Bohrung x Hub 81 x 62,6 mm
Hubraum 1.037 ccm
Zylinder, Kühlung, Ventile Zweizylinder, flüssigkeitsgekühlt, 4 Ventile pro Zylinder
Leistung 100 PS (74 kW) bei 8000 U/min
Drehmoment 103 Nm bei 4000U/min
Höchstgeschwindigkeit 205 Km/h
Kraftübertragung
Kupplung Mehrscheiben-Nasskupplung
Schaltung 6-Gang
Antrieb Kette
Fahrwerk & Bremsen
Federelemente vorn Teleskopgabel
Radstand 1555 mm
Nachlauf 109 mm
Reifen vorn 110/80R19M/C 59V
Reifen hinten 150/70R17M/C 69V
Bremse vorn Doppelscheibenbremse
Bremse hinten Einscheibenbremse
Maße & Gewicht
Länge 2285 mm
Breite 865 mm
Höhe 1405 mm
Gewicht 228 kg
Sitzhöhe 850 mm
Tankinhalt 20 Liter
Fahrerassistenzsysteme
ABS
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