Fahrtest: Suzuki V-Strom 650 ABS – unterwegs auf leisen Sohlen

Fahrtest: Suzuki V-Strom 650 ABS – unterwegs auf leisen Sohlen

Lesezeit ca. 6 Min.
Sechs Kilometer hat sie auf dem Tacho. Jungfräulich halt. So übernehme ich die neue Suzuki V-Strom 650 ABS von Lüder Eckhoff. Scholly's Motorrad GmbH Drakenburg stellt mir Suzukis jüngsten Spross für einen ausgiebigen Praxistest zur Verfügung. Während ich interessiert seinen Ausführungen lausche, huschen meine Augen über die offensichtlichen Änderungen an der Reise-Enduro.


Als erstes fällt das neue Multifunktions-Kombi-Instrument auf. Links versieht ein analoger Drehzahlmesser seinen Dienst, auf der rechten Seite wur­de eine große LCD-Anzeige mit einstellbarer Helligkeit integriert. Die V-Strom verfügt zudem ü­ber eine sinnvolle Gang- und Ver­brauchsanzeige als Balkendiagramm, Frost-Warn- lampe und Temperaturanzeige. Das Kom- bi-Instrument ist sehr hoch und liegt damit voll im Blickwinkel des Fahrers.
Die sportliche, dynamische Front bietet mit dem doppelten Mulitreflektor die bestmögliche Lichtausbeute. Der Kotflügel schützt zusätzlich die Teleskopgabel vor Beschädigungen. Die in drei Stufen verstellbare Scheibe ist zur Verringerung der Turbulenzen um wenige Zentimeter nach hinten versetzt. Die Sitzbank wurde ergonomisch verbessert und lädt auch kleinere Fahrer dank einer Sitzhöhe von 83,5 Zentimeter zum Touren ein.
Optional ist zudem eine je 20 Millimeter höhere oder niedrigere Sitzbank im Zubehörangebot erhältlich. Ein wenig kritisch stehe ich dem weit vorstehenden Ölfilter gegenüber. Hoffentlich nimmt der mir meinen geplanten Ausflug ins Gelände nicht übel. Lüder Eckhoff beruhigt mich, im Zubehör gibt es eine Motorabdeckung die nicht nur den Motor schützt sondern auch optisch das Motorrad abrundet. Innerlich stelle ich mir die Frage, warum dieser Motorschutz nicht Serie ist.

Suzuki V-Strom 650 ABS
Scholly’s stellt das Bike in der schwarzen (Glass Sparkle Black) Ausführung zur Verfügung. Mal abgesehen von dem Gemeckere des Fotografen (der liebt leuchtende Farben) ist das eindeutig die Couleur, welche am besten zum schwarzen Rahmen passt. Suzuki bietet noch einen Pearl Mirage White beziehungsweise Metallic Fox Orange Lacksatz an. Der nun gerade - anstelle abgewinkelte Auspuff - schmiegt sich an die rechte Fahrzeugseite an und wirkt kürzer als jener des erfolgreichen Vorgängermodells. Während der Krüm­mer in Edelstahl gehalten ist, hat Suzuki den Endtopf in mattschwarzem Stahlblech ausgeführt und mit einer verchromten Abdeckung versehen. Plötzlich fällt mir wieder der leicht vor sich hin rostende mattschwarze Auspuff meiner DRZ 400 ein. Der Exhaust Zubehörhandel hat sicher Alternativen.

Suzuki V-Strom 650 ABS

Okay, genug Benzin gesprochen, das Motorrad will entjungfert werden. Der 90° Grad-V2 Motor startet kalt völlig problemlos. Nebenbei teste ich den Nolan N71 auf seine Gebrauchsfähigkeit. Warum erwähne ich das in diesem Test - weil ich nicht viel vom Motorrad höre! Deutsche Abgasnormen und ein sehr leiser Helm führen nämlich fast zu einer ungewöhnlichen Stille. Als Vertreter der Richtung “Loud pipes save lives“ erwarte ich vom Zubehörhandel Alternativen und die wird es ganz sicher geben. Die Suzuki V-Strom ist also sehr leise. Das kann natürlich kein ernstzunehmender Kritikpunkt sein, die auch von mündigen Motorradfahrern gewählte Obrigkeit will das eben so. Also rolle ich auf “leisen Sohlen” durch Nienburg. “Erstaunlich handlich”, denke ich mir. Ortsunkenntnis und ein neues Motorrad führen schon mal zu Problemen. In diesem Fall nicht!
Der mit 20 Litern Fassungsvermögen größte Tank seiner Klasse und die Rahmenverkleidung verjüngen sich zu einer schlanken Einheit und geben einen sicheren Halt. Der Motor liefert dank des überarbeiteten Nockenprofils ein recht hohes Drehmoment im unteren bis mittleren Drehzahlbereich. Mit anderen Worten, Schalten ist Nebensache. Endlich freie Strecke, soweit man auf der B 6, einer der üblichen Bundestraßen mit permanent wiederkehrenden 70km/h-Zonen an Einmündungen und Kreuzungen, von freier Strecke sprechen kann.

Suzuki V-Strom 650 ABS Motor

Dennoch: Die anfängliche Skepsis über die Motorisierung weicht schnell grenzenloser Bewunderung. Die V-Strom macht richtig Spaß. Das schreit förmlich nach einem Umweg rund ums Steinhuder Meer. Die verbesserte Kupplung vermittelt ein direktes Schaltgefühl. Die sechs Gänge lassen sich präzise schalten. Spritzig und ziemlich agil treibt der knapp 70 PS starke V-Motor mit Direkteinspritzung und 60 Nm Drehmoment die Suzuki flott an Hannover vorbei. Die V-Strom funktioniert sogar ganz gut mit den Serienreifen “Bridgestone Trail Wing”, obwohl diese bekanntlich schon lange nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind. Mit Top-Reifen wie der Battle Wing von Bridgestone, der Michelin Anakee II oder der Conti Trail Attack funktioniert das Fahrwerk dann ganz sicher noch um einiges besser. Aber auch mit den Gummis von Vorvorgestern lassen sich herrliche Schräglagen zaubern.
Insgeheim denke ich mir, dass mehr Motorrad eigentlich kein Mensch braucht. Natürlich schaffen 150 PS mehr Reserven, selbstverständlich bietet eine Vollverkleidung mehr Wetterschutz, aber nach den ersten 200 Kilometern steht für mich fest: Dieses Motorrad ist zum entspannten Motorradfahren abseits der Autobahnen einfach wunderbar geeignet.

Suzuki V-Strom 650 ABS

Der V-Motor fühlt sich also eindeutig nach höherer Leistung an. Im Vergleich zum Vorgängermodell bietet der DOHC Motor auch 10% mehr Schwungmasse, größere Ventile geänderte Nockenwellen und einen wasserumspülten Ölkühler. Das merke ich dann auch im heimischen Kurvenparadies Harz, wo die eher schlichten Kurven der Anfahrt ganz schnell vergessen sind. Im Motorrad-El-Dorado des Nordens - ich fahre die Tour 6 aus dem M&R Roadbooks Harz - soll die V-Strom ihre Qualitäten nochmals beweisen. Das vom Vorgängermodell stammende Fahrwerk bereitet große Freude. Trotz des relativ hohen Schwerpunktes lässt sich die Maschine spielerisch von einem Eck ins andere werfen. Dabei ist sie nicht nur in engen Kurven äußerst stabil. Auch in schnellen, lang gezogenen Kurven wackelt nichts. Per Handrad lässt sich die Federvorspannung der Beladung anpassen. Die souveräne Sitzposition und der 20-Liter-Tank verhelfen mir zu 400 Kilometer beschwingter Kurvenhatz.

Suzuki V-Strom 650 ABS Scheinwerfer

Schlaglöcher und Straßenschäden nehmen die Federelemente - we schon gesagt - einfach hin, ohne schwammig zu wirken. Der Abstecher auf unbefestigte Straßen im Vorharz lässt mich den Begriff Motorradwandern dann ganz neu verstehen. Schotterwege stellen sich für meine Testprobandin nicht als komplizierte Hür­de dar, sondern es macht einfach richtig Spaß es mal stauben zu lassen. Dazu trägt auch das recht geringe Gewicht von 214 kg bei. Leider muss dieses Allround-Motorrad danach zurück zum Händler. Die Rückfahrt führt über die A7 Richtung Hannover: ”Mädchen, zeig’ mir, was du kannst!” Und sie kann: Die formschöne Scheibe schützt ausreichend vor dem noch kühlen Fahrtwind. Die V-Strom surrt auch unter höheren Drehzahlen willig vor sich hin. Leider kann ich die Vmax von etwa 180 km/h nur kurze Zeit prüfen. Die Rollbahn gibt nicht mehr her. Muss auch nicht sein. Die V-Strom ist für Landstraßen konzipiert und dort überzeugt sie in allen Bereichen.

Das schließt die schnelle Autobahnfahrt oder den Ritt ins Gelände aber nicht aus. Die Bezeichnung Anfängermotorrad trifft es auch nicht, denn die V-Strom ist viel mehr und vor allem langstreckentauglich. Dazu tragen eine sehr entspannte Sitzposition, ein geringer Verbrauch gepaart mit einem voluminösem Tank, verstellbarer Windschutzscheibe und eine praxistaugliche Zuladung von 200 kg bei. Hinzu kommen ein in dieser Klasse drehmoment- starker Mo­tor und ein recht ausgewogenes Fahrwerk. Für sehr hohe Sicherheit sorgt ein Bremssystem mit ABS aus dem Hause Bosch. Außerdem ist man preiswert unterwegs, der Verbrauch liegt unter 5 Liter auf 100 Kilometer und die geringen Versicherungskosten für eine Haftpflicht betragen gerade mal 85,37 Euro im Jahr (LVM, min 23 J, SF1/2 am Verlagsort). Moderat gestaltet sich auch der Anschaffungspreis von 8.390,-- Euro. Bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass Suzuki sich auch wieder an die V-Strom 1000 heranwagt.
Technische Daten
Suzuki V-Strom 650 ABS 2011-2016
Technische Daten
Suzuki V-Strom 650 ABS
2011-2016
Motor
Hubraum 645 ccm
Zylinder, Kühlung, Ventile Zweizylinder, Wassergekühlt, 4 Ventile pro Zylinder
Abgasreinigung/-norm ja
Leistung 69 PS (51 kW)
Drehmoment 60 Nm bei 6400 U/min
Höchstgeschwindigkeit 185 Km/h
Kraftübertragung
Schaltung 6-Gang
Antrieb Kette
Fahrwerk & Bremsen
Reifen vorn 110/ R19
Reifen hinten 150/70-R17
Maße & Gewicht
Gewicht 194 kg
Maximale Zuladung 200 kg
Sitzhöhe 820 mm
Tankinhalt 20 Liter
Weitere Baujahre 2007-2010
Fahrerassistenzsysteme
ABS
Text: Klaus Oppermann, Fotos: Klaus Oppermann


#Michelin#Nolan#Suzuki#Test#Tourer

Umfrage
Welche ist eure bevorzugte Helmmarke?
Welche ist eure bevorzugte Helmmarke?

Neues auf motorradundreisen.de

Produkte & Downloads zum Thema
2011/06 Ausgabe M&R
2011/06 Ausgabe M&R e-Paper zum Download
Die komplette Ausgabe 06/2011 von Motorrad & Reisen zum Download

Inhalt:
- PDF-Ausgabe
Letzte Aktualisierung: 31.10.2012

Newsletter

Immer informiert bleiben über unseren kostenlosen M&R Newsletter:

Ähnliche Artikel zu Fahrtest: Suzuki V-Strom 650 ABS – unterwegs auf leisen Sohlen