
Aber sei es drum, denn letztes Jahr im Herbst strich ein neuer Hoffnungsschimmer über den Horizont der großen Enduros. Triumph kündigte den Tiger Explorer 1200 an und erntete damit höchste Aufmerksamkeit. Die Zeit vergeht bekanntlich im Flug, der Winter ist vorbei und nun steht sie vor uns. Von der Optik - und auch vom Sound her - erinnert sie ganz schön an den Klassenprimus von BMW. Schaut man sich dann alles etwas genauer an, dann darf man in gewisser Weise schon von einer Provokation sprechen, denn kurzer Schnabel, Kardan, Einarmschwinge und das Heck könnten auch aus dem BMW-Werk in Berlin kommen.
Aber warum sollte Triumph das Rad auch neu erfinden. Offensichtlich haben die Bayern das Designmaß der Dinge gefunden. Schon Ducati kam bei der 1200er Multistrada am markanten Schnabel nicht vorbei.

Aber kommen wir zurück zur Großkatze von Triumph, die die GS düpieren soll. Mit 137 PS bei 9.000 U/min und 121 Nm bei 6.400 U/min liegt die Explorer in Sachen Leistung vor der Eier legenden Wollmilch- BMW. Mit 259 Kilo - vollgetankt - bringt sie allerdings satte 30 Kilogramm mehr als die GS auf die Waage. Dafür ist sie nahezu perfekt ausgestattet. Rund um den flüssigkeitsgekühlten 1.215 cm³-Dreizylinder-Motor mit elektronisch gesteuerten Drosselklappen finden sich serienmäßig ein abschaltbares ABS, Traktionskontrolle und ein Tempomat, der bis 160 km/h funktioniert und ein wirklich sinnvolles Ausstattungsmerkmal darstellt. Die Nase vorn hat die Engländerin auf jeden Fall auch bei den Inspektionsintervallen, die bei jeweils 16.000 Kilometern anstehen. Dafür gibt es hier erst einmal jede Menge Beifall. Etwas weniger begeistern uns neben dem hohen Gewicht allerdings einige andere Dinge, die Triumph dringend abstellen sollte, will man denn tatsächlich zum GS-Herausforderer werden.

Rollt die Fuhre dann, ist das schnell vergessen. Die ersten Kilometer aus der Stadt heraus ließen wir ruhig angehen. Dabei fällt ein Getriebejaulen im 2 Gang auf, das irgendwie nervt. Hinzu kommen bei 2.800 U/min störende Vibrationen, die weder den Handgelenken noch dem Gesäß so richtig gefallen wollen. Die im Vergleich zur GS etwas weiter nach vorn geneigte Sitzposition darf man allerdings als komfortabel bezeichnen. Alles was man zum Motorradfahren braucht, findet sich auch in Griffnähe und im Blickfeld. Die Ergonomie passt genauso wie der Bordcomputer, der reichlich Informationen - dazu gehört auch die Außentemperatur - bereit hält. Die leicht verstellbare Windschutzscheibe bietet guten Wetterschutz. An den Lenkerenden finden sich Heizgriffe und Handschützer, die sich leider recht leicht verdrehen lassen.

Und dann wäre da noch die mit 950 Watt weltstärkste Motorrad-Lichtmaschine, die den ungehemmten Einsatz von Heizgriffen, Zusatzscheinwerfern oder das Anstecken von weiteren Verbrauchern über die Bordsteckdose im Cockpit oder im optionalen 35 Liter Topcase ermöglicht. Mit den voluminösen Seitenkoffern aus dem Originalzubehör steigt das Ladevolumen auf insgesamt 95 Liter. Das darf man als absolut reisetauglich bezeichnen.
Der Motor der Triumph sorgt für eine Menge Fahrspaß. Er hat zwar aus dem Drehzahlkeller nicht den unwiderstehlichen Druck eines Zweizylinders, dreht dafür aber sehr homogen über das ganze Drehzahlband. Ein wenig enttäuscht leider der Klang des 3 Zylindertriebwerkes. Man hört halt nur lasche Klänge und kein typisches Triumphfauchen.
Den Vortrieb unterstützt dabei eine Traktionskontrolle, die man wie das ABS abschalten kann. Der Kardan funktioniert einwandfrei. Lastwechselreaktionen sind nicht zu spüren. Was dann aber gar nicht geht, ist der Benzinverbrauch, der bei rund 7 Liter auf 100 Kilometer liegt. Für eine Reise-Enduro mit einem 20-Liter-Tank ist das hinsichtlich Reichweite und aktuellen Spritpreisen einfach nur weltfremd. Außerdem dürfte das wie schon bei dem 800er Tiger im Vergleich zur BMW F 800 GS - hier beträgt die Verbrauchsdifferenz zu Ungunsten von Triumph rund plus 2 Liter (!) auf 100 Kilo- meter - dafür sorgen, dass doch einige Interressenten nicht zu Tigerbändigern werden.