Fahrtest: Triumph Tiger Explorer 1200

Wer den Explorer sieht, denkt sofort an BMW. Aber hält die Triumph Tiger Explorer 1200 auch, was die Optik verspricht?
Fahrtest: Triumph Tiger Explorer 1200
Fahrtest: Triumph Tiger Explorer 1200
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19.06.2012
| Lesezeit ca. 6 Min.
Triumph
Nicht nur auf den ersten Blick mutet Triumphs Großkatze wie eine GS von BMW an.
Nicht nur auf den ersten Blick mutet Triumphs Großkatze wie eine GS von BMW an.
Freud und Leid liegen oft dicht beiein­ander. Es gibt sie nämlich, die Varadero-Fans, welche in Zukunft auf eine Neue verzichten müssen, da Honda - wie damals die Africa Twin - sie nunmehr vom deutschen Markt genommen hat und geschockte V2-Jünger hinterlässt. Und dann wären da noch all jene Reise-Enduristi, die sich nicht unbedingt mit einer BMW GS anfreunden können. Gerade beim Motor der „Kuh“ scheiden sich die Geister: Man mag ihn oder aber man mag ihn nicht!. Alternativ kämen ja für Letztere noch die Ducati Multistrada oder die Kawasaki Versys 1000 in Frage, die aber beide mit einem 17“ Vorderrad daher kommen und deshalb in einer etwas anderen Liga fahren. Und dann wäre da noch die KTM 990 Adventure, die gerade im Offroadbereich Ihre absoluten Stärken hat. Bleibt noch die Yamaha XT1200Z Super Ténéré, die man fast immer irgendwie vergisst, wenn man sich mit dem Thema Reise-Enduros befasst.
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Aber sei es drum, denn letztes Jahr im Herbst strich ein neuer Hoffnungsschimmer über den Horizont der großen Enduros. Triumph kündigte den Tiger Explorer 1200 an und erntete damit höchste Aufmerksamkeit. Die Zeit vergeht bekanntlich im Flug, der Winter ist vorbei und nun steht sie vor uns. Von der Optik - und auch vom Sound her - erinnert sie ganz schön an den Klassenprimus von BMW. Schaut man sich dann alles etwas genauer an, dann darf man in gewisser Weise schon von einer Provokation sprechen, denn kurzer Schnabel, Kardan, Einarmschwin­ge und das Heck könnten auch aus dem BMW-Werk in Berlin kommen.
Aber warum sollte Triumph das Rad auch neu erfinden. Offensichtlich haben die Bayern das Designmaß der Dinge gefunden. Schon Ducati kam bei der 1200er Multistrada am markanten Schnabel nicht vorbei.

Triumph Tiger Explorer 1200


Aber kommen wir zurück zur Großkatze von Triumph, die die GS düpieren soll. Mit 137 PS bei 9.000 U/min und 121 Nm bei 6.400 U/min liegt die Explorer in Sachen Leistung vor der Eier legenden Wollmilch- BMW. Mit 259 Kilo - vollgetankt - bringt sie allerdings satte 30 Kilogramm mehr als die GS auf die Waage. Dafür ist sie nahezu perfekt ausgestattet. Rund um den flüssigkeitsgekühlten 1.215 cm³-Dreizylinder-Motor mit elektronisch gesteuerten Drosselklappen finden sich serienmäßig ein abschaltbares ABS, Traktionskontrolle und ein Tempomat, der bis 160 km/h funktioniert und ein wirklich sinnvolles Ausstattungsmerkmal darstellt. Die Nase vorn hat die Engländerin auf jeden Fall auch bei den Inspektionsintervallen, die bei jeweils 16.000 Kilometern anstehen. Dafür gibt es hier erst einmal jede Menge Beifall. Etwas weniger begeistern uns neben dem hohen Gewicht allerdings einige andere Dinge, die Triumph dringend abstellen sollte, will man denn tatsächlich zum GS-Herausforderer werden.
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Von der bequemen Sitzbank ist es ein gutes Stück bis zum Boden.
Von der bequemen Sitzbank ist es ein gutes Stück bis zum Boden.
Aber steigen wir einfach mal auf. Der Sitz, der sich zwischen 837 mm und 857 mm in der Höhe variieren lässt, fällt recht breit aus. Man muss die Beine also etwas spreizen, wenn man steht. Für Motorradfahrer mit einer Körpergröße ab rund 1,85 ist das kein Problem. Alle Anderen bekommen aber ohne die Sitzbank zu modifizieren keinen akkuraten Kontakt mit dem Bo-­ den hin. Will man die große Tiger im Stand manövrieren, macht sich auch das Gewicht bemerkbar.
Rollt die Fuhre dann, ist das schnell vergessen. Die ersten Kilometer aus der Stadt heraus ließen wir ruhig angehen. Dabei fällt ein Getriebejaulen im 2 Gang auf, das irgendwie nervt. Hinzu kommen bei 2.800 U/min störende Vibrationen, die weder den Handgelenken noch dem Ge­säß so richtig gefallen wollen. Die im Vergleich zur GS etwas weiter nach vorn geneigte Sitzposition darf man allerdings als komfortabel bezeichnen. Alles was man zum Motorradfahren braucht, findet sich auch in Griffnähe und im Blickfeld. Die Ergonomie passt genauso wie der Bordcomputer, der reichlich Informationen - dazu gehört auch die Außentemperatur - bereit hält. Die leicht verstellbare Windschutzscheibe bietet guten Wetterschutz. An den Lenkerenden finden sich Heizgriffe und Handschützer, die sich leider recht leicht verdrehen lassen.

Mit den voluminösen Seitenkoffern aus dem Originalzubehör steigt das Ladevolumen auf insgesamt 95 Liter. Das darf man als absolut reisetauglich bezeichnen.
Mit den voluminösen Seitenkoffern aus dem Originalzubehör steigt das Ladevolumen auf insgesamt 95 Liter. Das darf man als absolut reisetauglich bezeichnen.
Soweit so gut. Wenn man allerdings nicht staubfreies Geläuf unter die Räder bekommt, dann muss man leider feststellen, dass das Fahren im Stehen nicht so komfortabel, wie beispielsweise bei einer GS oder KTM ist. Bleiben wir also erst mal sitzen und machen das, was mit Reise-Enduros überwiegend gemacht wird: Kur­ven räubern! Neutral und handlich biegt der Explorer in verschiedene Kurvenradien ein, sensibel sprechen Gabel wie Federbein auf Bodenunebenheiten an. Zusammen mit langen Federwegen beschert dies einen guten Fahrkomfort bei ordentlicher Stabilität. Die knapp 260 Kilogramm - vollgetankt - merkt man nicht, die Dicke lässt sich fast zirkeln wie ein Fahrrad. Solange die Fuhre also in Schwung ist, gibt es wenig zu meckern. Anders schaut es beim Bremsen aus, denn die Vordergabel taucht dabei tief ein, und das sorgt für eine Unruhe im Fahrwerk, die GS-Fahrer nicht kennen. Immerhin bremst die schwimmend gelagerte Doppelscheibenbremse mit 305 mm Durchmesser und 4-Kolben-Festsattel vorne samt dem sportlich ausgelegten ABS ansonsten gut.
Und dann wäre da noch die mit 950 Watt weltstärkste Motorrad-Lichtmaschine, die den ungehemmten Einsatz von Heizgriffen, Zusatzscheinwerfern oder das Anstecken von weiteren Verbrauchern über die Bordsteckdose im Cockpit oder im optionalen 35 Liter Topcase ermöglicht. Mit den voluminösen Seitenkoffern aus dem Originalzubehör steigt das Ladevolumen auf insgesamt 95 Liter. Das darf man als absolut reisetauglich bezeichnen.
Der Motor der Triumph sorgt für eine Menge Fahrspaß. Er hat zwar aus dem Drehzahlkeller nicht den unwiderstehlichen Druck eines Zweizylinders, dreht da­für aber sehr homogen über das ganze Drehzahlband. Ein wenig enttäuscht leider der Klang des 3 Zylindertriebwerkes. Man hört halt nur lasche Klänge und kein typisches Triumphfauchen.



Den Vortrieb unterstützt dabei eine Traktionskontrolle, die man wie das ABS abschalten kann. Der Kardan funktioniert einwandfrei. Lastwechselreaktionen sind nicht zu spüren. Was dann aber gar nicht geht, ist der Benzinverbrauch, der bei rund 7 Liter auf 100 Kilometer liegt. Für eine Reise-Enduro mit einem 20-Liter-Tank ist das hinsichtlich Reichweite und aktuellen Spritpreisen einfach nur weltfremd. Außerdem dürfte das wie schon bei dem 800er Tiger im Vergleich zur BMW F 800 GS - hier beträgt die Verbrauchsdifferenz zu Ungunsten von Triumph rund plus 2 Liter (!) auf 100 Kilo-­ meter - dafür sorgen, dass doch einige Interressenten nicht zu Tigerbändigern werden.

Fazit des Praxistests

Der Tiger Explorer 1200 kommt als bestens ausgestattetes Motorrrad für unter 14.000,-- Euro daher. Ein weiterer Pluspunkt sind die langen Inspektionsintervalle. In vielen anderen Punkten hat Triumph aber noch Nachholbedarf, um zum schärfsten Bayernjäger zu werden. Zunächst könnte man dem ansonsten tollen Motor gewisse Klangqualitäten beibringen. Auch sollte er ein ganzes Stück ( mindestens 1 bis 1,5 Liter auf 100 Kilometer) genügsamer mit dem Sprit umgehen. Das Getriebejaulen bei 2.800 U/min und die Vibrationen bei 3.000 U/min dürfte man sicher auch in den Griff bekommen. Warten wir also mal ab, was die nächste Modifikation der neuen Triumph Explorer 1200 bringen wird.
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Triumph Tiger Explorer 1200 - Baujahr: 2012
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Technische Daten Triumph Tiger Explorer 1200 2012
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Preis-/Leistungsverhältnis
Motor
Bohrung x Hub 85 x 71 mm
Hubraum 1.215 ccm
Zylinder, Kühlung, Ventile Dreizylinder, wassergekühlt, 4 Ventile pro Zylinder
Leistung 137 PS (101 kW) bei 9.300 U/min
Drehmoment 121 Nm bei 6.400 U/min
Verdichtung 11:1
Höchstgeschwindigkeit 210 km/h
Kraftübertragung
Schaltung 6 Gänge
Sekundärantrieb Kardanantrieb
Fahrwerk & Bremsen
Radstand 1.530 mm
Räder Gussfelgen
Reifen vorn 110/80 R 19
Reifen hinten 150/70 R 17
Bremse vorn 305-mm-Doppelscheibenbremse
Bremse hinten 282-mm-Scheibenbremse
Maße & Gewicht
Gewicht 259 kg
Maximale Zuladung 222 kg
Sitzhöhe 845 mm
Tankinhalt 20 Liter + 5 Liter
Fahrerassistenzsysteme ABS
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