Der Großtourer – BMW R 1300 GS im Tourentest

Im ausführlichen Tourentest kann die BMW R 1300 GS überzeugen und zeigt, weshalb sie sich nicht nur optisch deutlich vom Vorgänger unterscheidet.
Der Großtourer – BMW R 1300 GS im Tourentest
Der Großtourer – BMW R 1300 GS im Tourentest Das neue LED-Licht im Matrix-Design ist herausragend gut
9 Bilder
14.04.2024
| Lesezeit ca. 7 Min.
Alexander Klose
Lange wurde die BMW R 1300 GS erwartet und viel wurde bereits im Vorfeld geschrieben. „Sie bekommt Flügel“, „Sie wird schwerer“, „Sie wird leichter“ und so weiter.
Sie wurde dann tatsächlich etwas leichter und wiegt nun nur noch 237 Kilogramm. Sie hat wirklich Flügel bekommen, wenn auch nur an der Front zum Windschutz. Als vor einigen Wochen eine BMW R 1300 GS für einen ausführlichen Pressetest geliefert wurde, war zumindest bei mir die Spannung größer als gewöhnlich, denn bisher fällt das Fazit gemischt positiv aus. Einige meiner bereiften Mitstreiter betonen das sportlichere Gefühl mit stärkerem Motor und dem geringeren Gewicht, andere nehmen die elektronischen Features wie Radartechnik, das absenkbare Fahrwerk oder den programmierbaren Wippschalter in den Blick. So viel sei bereits verraten: Ich konnte meine kindliche Freude über die von innen beleuchteten Koffer nicht verbergen.
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Einmal Vollausstattung, bitte schön

Wer schon mal auf einer GS, speziell der R 1200 GS oder der R 1250 GS, Platz genommen hat, wird wissen, weshalb sich das Motorrad so großer Beliebtheit erfreut und mehr als eine Million Mal verkauft wurde. Das Zusammenspiel von Motor, Ergonomie und Fahrgefühl passt von der ersten Sekunde an. Hinzu kommt die Eigenschaft, dass eine GS ein Urvertrauen in das Motorrad und die eigenen fahrerischen Fähigkeiten vermittelt, wie kaum ein anderes Motorrad. Auch die Bandbreite, in der sich der Motor zwischen bedächtigem und manchmal etwas spöttisch als „treckern“ bezeichnetem Fahren und der sehr sportlichen Jagd nach der nächsten Serpentine wohlfühlt, macht einfach Spaß. Und genau diesen Eindruck vermittelt auch die Motorrad & Reisen zur Verfügung gestellte R 1300 GS. Die in der Farbe „Lightwhite uni“ lackierte Maschine ist vollausgestattet. Heißt: Touren-Paket, Komfort-Paket, Dynamik-Paket und Innovations-Paket. Hinzu kommen Zusatzscheinwerfer, ein Satz Variokoffer und der BMW ConnectedRide-Navigator. Macht summa summarum 25.759,-- Euro.

Ab auf die Straße, Tourentest!

Und ohne auch nur eine Einstellung am Motorrad verändert zu haben, rolle ich für den Test vom Hof und lasse mich vom Navigator kurvenreich in Richtung Rheinland navigieren. Der erste Eindruck: Es ist zweifellos eine GS, aber irgendwas fühlt sich anders an. Ist es das Fahrwerk? Sitze ich anders? Ist es der überarbeitete Boxer-Motor oder das geringere Gewicht? Ich bin noch unschlüssig, aber zwei Dinge fallen sofort auf: Der Wind- und Wetterschutz ist bei elektrisch ausgefahrenem Windschild exzellent und das Fahrwerk fühlt sich straffer an. Nicht nur lässt sich der Windschild elektrisch hochfahren, die größere Tourenscheibe wird an den Seiten um kleinere, durchsichtige Windabweiser ergänzt, die den Luftstrom weitestgehend um den Fahrer herum manövrieren. Die von BMW Flaps genannten Windabweiser fahren dabei nicht mit dem Windschild hoch, sondern schließen aerodynamisch die Lücke, die der nach oben fahrende Windschild hinterlässt. Durch die Handschützer sind auch die Hände weitestgehend von Wind und Wetter abgeschirmt und wen es dann noch fröstelt, kann die dreistufige Griffheizung um Wärme bitten.
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Steifer, präziser, besser – Fahrwerk und Rahmen

Gut abgeschirmt von störenden Wettereinflüssen, kann man sich trefflich aufs Fahren und das Fahrwerk konzentrieren. Das fühlt sich straffer an, als man das von den Vorgängern gewohnt war, und gibt einen Hinweis auf die hinzugewonnene Sportlichkeit der R 1300 GS. Verantwortlich dafür ist hauptsächlich der neue Telelever, der am Vorderrad für mehr Präzision und Stabilität sorgt. Der Wegfall des mitunter sänftenartigen Gefühls des GS-Fahrens und eine spürbare Reduzierung des Nickens bei starken Bremsmanövern sind die Folge. Dazu passt, dass das neue Rahmenkonzept, das den Motor als tragendes Teil in den Blechschalen-Hauptrahmen aus Stahl integriert und auch am Heck aus Aluminium-Druckguss statt aus Stahlrohr besteht, die Steifigkeit des Motorrads deutlich erhöht. Straffer, steifer und insgesamt deutlich agiler – das wird nicht jedem bisherigen GS-Fahrer gefallen. Aus rein objektiver Sicht tut die Auffrischung dem Modell jedoch gut und sorgt für ein deutlich neutraleres und fähigeres Motorrad auf der Straße. Bravo!

Elektronik im Übermaß

Wirklich alles, was die GS kann, lässt sich nun elektronisch einstellen und regeln. Bei unserer Testmaschine fängt das beim bereits erwähnten Windschild an, geht bei dem programmierbaren Multi-Taster samt Multi-Knopf weiter und findet in der verbauten Radartechnik seinen Höhepunkt. Alles kann auf dem bereits bekannten 6,5-Zoll-TFT-Farbdisplay und mittels Drehrad eingesehen, gesteuert und angepasst werden. Doch der Reihe nach.
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Multifunktionstaste und Wippschalter

Mit dem Multitaster, einem zusätzlichen Wippschalter auf der linken Armatur, können unter anderem Griffheizung, Abstandshalter, Windschild und Fahrwerkseinstellungen während der Fahrt verändert werden. Dazu muss diese Funktion jedoch vorher durch Druck und Einstellung des Auswahlknopfes, ebenfalls links platziert, ausgewählt werden. Danach verrichtet der Wippschalter seine Arbeit an zugewiesener Stelle, bis man ihn mit einer anderen Funktion betraut. Klingt kompliziert? Ist es eigentlich nicht. BMW wollte damit die Bedienung der vielen Funktionen vereinfachen, ohne dass der Fahrer dazu ins Hauptmenü des Displays gehen muss. Im schlimmsten Falle während der Fahrt. Das ist grundsätzlich auch gelungen, der Weisheit letzter Schluss wird diese Lösung jedoch sicherlich nicht sein.

Active Cruise Control und Radar

Die Funktion der einzelnen Ausstattungselemente, die sich so bedienen lassen, ist jedoch tadellos. Die von BMW Active Cruise Control genannte Symbiose von Tempomat und Abstandsradar funktioniert zuverlässig und sicher. Gerade lange Strecken über die Autobahn lassen sich so komfortabel und ohne Weiteres Zutun bewältigen. Der Abstand zum Vordermann lässt sich dabei dreistufig einstellen und ist abhängig von der gefahrenen Geschwindigkeit. Fährt man zu dicht auf, bremst das Motorrad automatisch und gleichmäßig ab, hält den Abstand und beschleunigt danach zügig wieder auf die vorher eingestellte Geschwindigkeit. Auf knapp 700 Kilometern Autobahnfahrt, davon ca. 300 Kilometer mit Adaptive Cruise Control, musste ich exakt viermal eingreifen. Zweimal, weil der Verkehr einen Gangwechsel erforderte, zweimal, weil die Verkehrssituation zu unübersichtlich war und ich lieber selbst die Kontrolle über Gas, Bremse und Abstand haben wollte. That’s it, ansonsten vermitteln das System und auch der Totwinkelassistent enorm viel Vertrauen. Auch die Frontkollisionswarnung funktioniert tadellos. Wer in Wohngebieten unterwegs ist, weiß natürlich, dass solche Straßen und die dort geparkten Autos häufig eher einer Slalomstrecke ähneln. Die BMW R 1300 GS, ausgestattet mit einer Frontkollisionswarnung, schreckt dabei regelmäßig auf, steuert man auf ein geparktes Auto zu und lenkt nach Meinung der Regelanlage zu spät um das Hindernis herum. Grundsätzlich ist das sicherlich ein nützliches Feature, das die Sicherheit bei Stau und stockendem Verkehr erhöht, für Situationen, in denen man jedoch bewusst dicht um parkende Autos fährt, empfehle ich dringend, der BMW den automatischen Bremseingriff, zu dem sie fähig ist, zu untersagen.
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Entschuldigung, könnten Sie mir die Uhrzeit sagen?

Nicht so gut: Über fast den gesamten Testzeitraum zeigte die Uhr im Display kaum die richtige Uhrzeit. Häufig zeigte sie beim Starten die Uhrzeit an, zu der das Bike zuletzt abgestellt wurde, oder lief einige Minuten nach. Kein Grund, eine große Welle zu machen, aber nervig und unter Kinderkrankheit zu verbuchen.

Bremsanlage – Wirf den Anker

Apropos Bremsen – die stammen bei unserem Bike aus dem Hause Nissin und verfügen über das BMW Motorrad Vollintegral ABS Pro. Um es kurz zu machen: Die Bremsleistung ist auf trockenen und nassen Straßen unerreicht gut. Zusammen mit dem Metzeler Tourance Next 2 ankert die GS zügig und mühelos, bei Bedarf auch heftig. Kommt man in den ABS-Regelbereich, wird automatisch die Warnblinkanlage in Betrieb genommen.

Neues LED-Licht im Matrix-Design setzt Maßstäbe

Die optisch auch für Laien größte Änderung war sicherlich die Rückkehr zu einem symmetrischen Antlitz. BMW hat mit den gekreuzten LED-Leuchten überrascht und mich im Tourentest restlos überzeugt. Die Ausleuchtung der Straße und Umgebung bei Nacht ist auch ohne Zusatzscheinwerfer enorm und weitreichend. Auch links und rechts der Straße werden die Gräben noch beleuchtet. Die Straße ist rund 200 Meter komplett ausgeleuchtet. Es ist erstaunlich, wie viele Tieraugen einen bei nächtlichen Fahrten durch den Harz aus dem Unterholz beobachten, von denen man vorher nichts wusste. Auch das Kurvenlicht ist vorbildlich. Abhängig von der Schräglage werden die Bereiche in Fahrtrichtung weiter ausgeleuchtet und auch hier ist man ähnlich gute Beleuchtung bisher nur von Oberklasse-SUVs gewohnt.

Koffer nun elektrifiziert

Doch nicht nur die Außenbeleuchtung war ein, Achtung Wortwitz, Highlight, auch die Innenbeleuchtung kann sich sehen lassen. Die Variokoffer von BMW sind nun elektrifiziert und haben eine äußerst praktische Innenbeleuchtung. Zudem verfügen sie über einen innen liegenden USB-Anschluss, mit dem sich elektronische Geräte während der Fahrt aufladen lassen. Sehr praktisch für Leute, die mit ihrer R 1300 GS auf Zeltreise gehen. Kleiner Wermutstropfen: Die Koffer werden seitlich geöffnet und ohne passende Innentaschen kommen einem die beförderten Gegenstände schnell entgegen und rufen „siehe unten“.

Fazit

Zu Recht darf an die BMW R 1300 GS der sehr hohe Maßstab der Vorgänger angelegt werden und sie enttäuscht nicht, sondern legt die Latte in Bezug auf Fahrwerk und Komfort noch ein bisschen höher. Der Motor ist etwas kräftiger und durchzugsstärker, insgesamt zeigt sich die GS etwas sportlicher. Herausragend sind Licht und Bremsen, auf die Elektronik und deren konkrete Einstellung muss man sich einlassen und für sich das richtige Maß an Helferlein finden.
 Pro
  • exzellente Bremsen
  • sehr gutes Fahrwerk
  • herausragende Beleuchtung
  • überzeugender Motor
 Contra
  • Elektronik mit Kinderkrankheiten
Technische Daten BMW R 1300 GS 2023-2024
Motor
Bohrung x Hub 106,5 x 73 mm
Hubraum 1.300 ccm
Zylinder, Kühlung, Ventile Zweizylinder, luft-/flüssigkeitsgekühlt, 4 Ventile pro Zylinder
Abgasreinigung/-norm Euro 5
Leistung 145 PS (107 kW) 7.750 U/min
Drehmoment 149 Nm bei 6.500 U/min
Verdichtung 13,3:1
Höchstgeschwindigkeit >200 km/h
Wartungsintervalle 10.000km
Verbrauch pro 100 km 4,8 Liter
Kraftübertragung
Kupplung Nasskupplung mit Anti-Hopping-Funktion, hydraulisch betätigt
Schaltung 6-Gang
Antrieb Kardan
Fahrwerk & Bremsen
Rahmen Alugussrahmen
Federelemente vorn EVO-Telelever, Zentralfederbein
Federelemente hinten EVO-Paralever II, WAD Federbein, Federvorspannung hydraulisch stufenlos einstellbar
Federweg v/h 190/200
Radstand 1.518 mm
Nachlauf 112 mm
Lenkkopfwinkel 63,8
Räder Leichtmetall-Gussräder
Reifen vorn 120/70-R19
Reifen hinten 170/60-R17
Bremse vorn 310 mm-Doppelscheibenbremse, Vier-Kolben-Radialbremssättel
Bremse hinten 285 mm-Einscheibenbremse, Doppelkolben-Schwimmsattel
Maße & Gewicht
Länge 2.212 mm
Breite 1.000 mm
Höhe 1.376 – 1.509 mm
Gewicht 237 kg
zul. Gesamtgewicht 465 kg
Maximale Zuladung 228 kg
Sitzhöhe 850 mm
Standgeräusch 90 dB(A)
Fahrgeräusch 77 dB(A)
Tankinhalt 19 Liter
Fahrerassistenzsysteme
Kurven-ABS
ABS
Traktionskontrolle
Fahrmodi
adaptiver Abstandstempomat
Motorschleppmomentregelung
Berganfahrhilfe
Heizgriffe
Fahrzeugpreis ab 19.100,-- Euro
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Kommentare (5)
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Biker44
20.04.2024 15:20


Vollgepackt mit Spielzeug
Bei all dem elektronischen Schnickschnack frage ich mich, ob man noch Motorrad fährt oder eher ein Raumschiff steuert. Sind wir nicht ein bisschen zu weit gegangen? Wie sieht's aus, fährt das Ding auch noch, wenn der Akku vom Schlüssel leer ist, oder steht man dann verlassen im Regen?
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Rider82
20.04.2024 13:09


Zweifel an der Elektronik
Wirklich jetzt, muss alles elektronisch sein? Die wahre Kunst des Motorradfahrens scheint unter all dem Tech-Kram verloren zu gehen. Wie sieht es mit der Zuverlässigkeit aus?
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BikeMeister2000
17.04.2024 16:21


Bleuchtete Koffer? Revolutionär!
Wer hätte gedacht, dass das Highlight meiner Existenz beleuchtete Koffer auf 'nem Bike sein würden? Endlich kann ich nachts meine Socken finden ohne Campinglampe!
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Motorradfuchs
19.04.2024 22:05


Elektronik - Segen oder Fluch?
Diese ganzen elektronischen Spielereien sind für Puristen mehr Fluch als Segen. Wo bleibt das pure Fahrerlebnis, wenn alles per Knopfdruck geregelt wird? Klar, Komfort ist nett, aber braucht man wirklich ein Motorrad, das sich wie ein Smartphone bedient?
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Tobi
19.04.2024 17:43


Fahrgefühl vs. Elektronik
Find's krass wie fortschrittlich die GS jetzt ist mit all der Elektronik. Aber geht dadurch nicht das pure Fahrgefühl verloren? Was meint ihr?