Der Crosstourer von Honda - offiziell VFR1200X - soll den Reiseenduro-Markt neu aufmischen.
Beginnen wir mit dem Motor der 1.237 ccm Maschine. Diesen erbt der Crosstourer aus Hondas VFR1200F. Jedoch wurde die Nennleistung um ganze 44 PS, auf 129 PS (95 kW) reduziert. Dass das der Fahrfreude allerdings keinen Strich durch die Rechnung macht, erkennt man sehr gut im unteren Drehzahlbereich, denn das maximale Drehmoment von 126 Nm liegt bereits bei 6.500 Umdrehungen pro Minute an. So erreicht man einen gleichmäßigen Durchzug, ohne den Motor erst zum Aufjaulen bringen zu müssen. Seine Kraft überträgt der V4-Motor, der nebenbei erwähnt einen ordentlichen Sound liefert, via Kardanantrieb an das Hinterrad. Von den vier Zylindern sind die beiden vorderen nach außen gerichtet, wo hingegen sich die beiden hinteren Zylinder innen befinden. Das macht einen schlanken Bauch und wirkt sich positiv auf die Sitzposition aus.
Die zwei Fahrmodi des DCT lassen sich am rechten Lenkergriff auswählen
Optional mit Doppelkupplungsgetriebe erhältlich
Serienmäßig ist der Crosstourer mit einem manuellen 6-Gang-Getriebe ausgestattet. So auch unsere Testmaschine. Es lässt sich gut schalten, keine Frage, aber eine Lobeshymne auf das Getriebe, gilt es nicht zu singen. Wer möchte, kann bei Hondas Crosstourer auf das optional erhältliche Doppelkupplungsgetriebe zurückgreifen. Das DCT (Dual Clutch Transmission) genannte System soll schnelle, weiche Gangwechsel ohne Zugkraftunterbrechung ermöglichen. Die Gangwahl kann dann wahlweise auf zwei Arten erfolgen. Zum einen manuell über zwei Druckschalter an der linken Lenkeramatur und zum anderen vollautomatisch durch eine Computersteuerung, die je nach Drehzahl und Geschwindigkeit den passenden Gang wählt. Für alle, die schaltfaul sind oder einfach auf technische Helferlein stehen und ganz nebenbei noch die 1000,-- Euro – denn so viel muss man für das DCT zusätzlich berappen – aufbringen können, ist es eine Überlegung wert.
Der Crosstourer fühlt sich auf der Straße Pudelwohl
Im Automatikmodus stehen zwei Fahrmodi zur Wahl
Durch zwei vorwählbare – einen normal und spritsparenden sowie einen sportlichen – Betriebsmodi lässt sich der Schaltvorgang zusätzlich an das eigene Fahrverhalten und die momentane Vorliebe einstellen.
Die teilintegrale Bremsanlage lässt sich perfekt dosieren
Bei dem Teilintegral-Bremssystem wirkt der Handbremshebel auf Vorder- und Hinterradbremse Kommen wir zurück zum Crosstourer und zu den Hilfsmitteln, die wir als lobenswert betrachten. So erkennt die abschaltbare Traktionskontrolle zum Beispiel, unerwünschtes Schlupfverhalten am Hinterrad und steuert diesem mit dem automatischen regeln der Motordrehzahl entgegen. Um zu verhindern, dass beim Herunterschalten vor Kurven das Hinterrad blockiert, setzt Honda eine Antihopping-Kupplung ein. Diese kennt man ebenfalls aus dem sportlichen Pendant des Crosstourers, der VFR1200F. Bei der Bremsanlage entschied sich Honda für ein teilintegrales System mit ABS. Die Bremse lässt sich einwandfrei dosieren und packt bei Bedarf auch richtig ordentlich zu. So ist garantiert, dass die mit 275 Kilogramm recht schwere Maschine immer sicher zum Stehen kommt. Wer seinen Crosstourer mit DCT geordert hat, muss gleich noch einmal zehn Kilogramm mehr dirigieren. Montiert man jetzt noch einen Sturzbügel und ein Gepäcksystem, kratzt der Crosstourer an der 300-Kilogramm-Marke. Bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 469 Kilogramm bleiben somit nur noch rund 170 Kilogramm übrig. Dann sitzt noch kein Fahrer auf der Maschine, keine Sozia und Gepäck ist auch noch keines an Bord. Es könnte in dieser Konfiguration also eng werden mit der Zuladung, wenn man auf große Tour gehen will.
Trotz des hohen Gewichts lässt sich der Crosstourer leicht Händeln
Nicht überall, wo Cross draufsteht, ist auch Cross drin
Die Honda zählt eindeutig zu den Großenduros, was sich allerdings nicht negativ auf das Handling auswirkt. Ganz im Gegenteil, ist die Masse erst einmal in Bewegung, geht vieles wie von selbst. Mit einem lockeren Schwung von einer Kurve in die nächste – kein Problem! Der Crosstourer lässt sich zielgenau steuern und ist dabei absolut linientreu. Kurz um, das voll einstellbare Fahrwerk kann als ausgewogen bezeichnet werden. Wobei der Federweg von 145 Millimeter vorne und 146 Millimeter hinten ein Indiz dafür ist, dass der Crosstourer am besten auf befestigten Wegen aufgehoben ist.
Das Cockpit ist übersichtlich und bieten alle Informationen auf einen Blick
Die Ergonomie erlaubt auch zu zweit längere Touren
Ergonomisch gesehen ist die Reiseenduro dann wieder ein kleines Highlight. Ein breiter Lenker und die Offroad-orientierte, aufrechte Sitzposition sorgen für entspannten Fahrgenuss, selbst auf längeren Touren. Als entspannt ist auch der Kniewinkel für größer gewachsene Fahrer zu bezeichnen. Kein Wunder bei einer Sitzhöhe von 850 Millimetern. Die Sitzbank fällt auch lang genug aus, um der Sozia ein bequemes Sitzen zu ermöglichen. Einziges Manko: Sie ist etwas zu weich geraten – wobei Honda dies ab dem Modelljahr 2014 bereits nachgebessert hat. Weniger gut gefällt der originale Windschild. Dieser ist recht klein und bietet dem Fahrer nur unzureichenden Schutz. Auch die Verstellmöglichkeiten überzeugen nicht. Möchte man etwas anpassen, muss man ganz schön fummeln.
Sprit schlucken tut er wie ein Großer der Crosstourer
Den Blick etwas weiter nach unten gerichtet, versorgen die digitalen Instrumente den Fahrer mit allen wichtigen Informationen. Sie sind sehr übersichtlich und liegen im Blickfeld. Bleibt noch die Frage, wie oft man auf die Tankanzeige schauen muss und das ist definitiv nicht zu selten. Hondas Crosstourer ist recht durstig. Der durchschnittliche Verbrauch liegt bei knapp über sechs Litern. So ist auch ein 21,5 Liter Benzin fassender Tank relativ schnell leer gelutscht. Lediglich auf Autobahnetappen sinkt der Verbrauch auf unter fünf Liter. Unterm dem Strich hätte der Tank bei diesem Verbrauch sogar etwas größer ausfallen dürfen.
Die Sitzposizon ist sowohl für den Fahrer und auch den Sozia sehr angenehm
Honda hält ein umfangreiches Zubehör-Programm bereit
Wer seinen Crosstourer mit Zubehör erweitern möchte, kann auf ein sehr umfangreiches Sortiment zurückgreifen. Allerdings wandert der zweite Griff dann auch in den Geldbeutel. Denn günstig wird das nicht. Ein perfektes Beispiel hierfür ist das Kunststoff-Gepäcksystem in Aluminium-Optik. 1.500,-- Euro sind dafür eindeutig zu viel. Hier lohnt ein Blick zu den zahlreichen Zubehöranbietern. Legt man Wert auf einen Hauptständer, kommt man nicht drumherum etwas mehr Geld in die Hand zu nehmen, denn diesen muss man leider auch als Extra ordern.
Der Crosstourer überzeugt durch die gute Verarbeitung
Ansonsten überzeugt die hervorragende Verarbeitung der Honda. Dazu ist sie enorm zuverlässig – nach 20.000 abgespulten Kilometern ohne einen ungeplanten Werkstattbesuch kann man dies ruhigen Gewissens beurteilen. Den ersten Satz Reifen, einen Bridgstone Battlewing, mussten wir nach rund 8.000 Kilometern ersetzen. Bei dem zweiten Satz fiel die Wahl auf den Michelin Anakee 2. Bei identischer Fahrweise durften wir damit über 10.000 Kilometern Teer und Asphalt unter uns erleben.
Technische Daten Honda Crosstourer 2012-2015
Motor
Bohrung x Hub
81 x 60 mm
Hubraum
1.237 ccm
Zylinder, Kühlung, Ventile
Vierzylinder, flüssigkeitsgekühlt, vier Ventile pro Zylinder
Leistung
129 PS (95 kW) bei 7750 U/min
Drehmoment
126 Nm bei 6500 U/min
Verdichtung
12:1
Höchstgeschwindigkeit
209 Km/h
Kraftübertragung
Schaltung
6-Gang
Antrieb
Kardanantrieb
Fahrwerk & Bremsen
Federelemente vorn
Upside-Down-Gabel
Federelemente hinten
Pro-Arm-Schwinge
Federweg v/h
145 mm/146 mm
Radstand
1595 mm
Reifen vorn
110/80-R19
Reifen hinten
150/70-R17
Bremse vorn
310 mm Doppelscheibenbremse, Dreikolbenbremszangen