Harley-Davidson, Alessio Barbanti
Okay, es ist Zeit für ein Geständnis: Ich bin noch nie Harley gefahren. Noch. Nie. Der Grund ist banal: Es hat sich einfach nicht ergeben. Vor 20 Jahren wäre es fast mal so weit gewesen: Wulf, mein großartiger Nachbar, hatte eine Sportster. Er liebte das Teil. Knallorange, heißer Auspuff, fraglos lässig. Aber damals hatte ich es noch nicht (wieder) so mit Motorrädern. Ich wählte seinen 911, als er mit den Schlüsseln winkte: „Willste mal?“
Downloads & Produkte zum Thema
Ausgabe 92/2019 von Motorrad & Reisen als PDF mit folgendem Inhalt:
Motorräder: Ducati Diavel 1260, Moto Guzzi V85 TT, Husqvarna Svartpilen 701, Ducati Multistrada 950 S, Can-Am Ryker, Touring Modelle 2019: Harley-Davidson, Ein Konzept, drei Modelle:CB500-Baureihe, KTM 790 Adventure und KTM 790 Adventure R
Touren: Über 7 Brücken nach Garmisch: BMW Motorrad Days, mehr Insidertour: Gardasee, Raue Schönheit: Armenien, Passkontrolle: Alpenhighlights, Honda Adventure Roads Südafrika
Zuletzt aktualisiert: 17.04.2019
10 Seiten Fahrtest als PDF
Zuletzt aktualisiert: 30.05.2023
Die DVD zu Heft 92 mit folgenden Inhalten:
- The Great Mile
- KTM 790 Adventure & Adventure R
- Kawasaki Versys 1000 SE
GPS-Touren zu den Touren aus Ausgabe 92
Motorräder: Ducati Diavel 1260, Moto Guzzi V85 TT, Husqvarna Svartpilen 701, Ducati Multistrada 950 S, Can-Am Ryker, Touring Modelle 2019: Harley-Davidson, Ein Konzept, drei Modelle:CB500-Baureihe, KTM 790 Adventure und KTM 790 Adventure R
Touren: Über 7 Brücken nach Garmisch: BMW Motorrad Days, Insidertour: mehr Gardasee, Raue Schönheit: Armenien, Passkontrolle: Alpenhighlights, Honda Adventure Roads Südafrika Heute hätte ich mich bei der Frage sicher für zwei Räder entschieden. Die dicken Dinger aus Milwaukee haben mich zwar nie sonderlich angemacht, so rein optisch, aber jetzt, hier vorm Präsentationshotel in Lagos, scheint es an der Zeit, umzudenken. Vor uns aufgereiht steht die aktuelle Touring-Palette von Harley-Davidson. Der 2019er "King of the Road"-Jahrgang in seiner ganzen farbigen Pracht. Und meist als "Special", also unter anderem mit weniger Federweg hinten und fetten 163 Nm statt der standardmäßigen 150 Nm Drehmoment im 90 PS starken Milwaukee-Eight 114 – „dem größten Serienmotor, der jemals in einem Harley-Davidson-Tourer zum Einsatz kam”, so Nik Ellwood, PR-Manager der Marke.
Wangentaschenflattern ab 3.000 Touren
Vom ebenfalls in den Touring-Modellen verbauten Milwaukee-Eight 107 unterscheidet sich der M-E 114 in erster Linie durch 123 cm3 mehr Hubraum, eine um zwei Millimeter größere Bohrung und ein höheres Verdichtungsverhältnis. Unterm Strich werden daraus fünf Prozent mehr Drehmoment als im M-E 107. Und eine um fünf Prozent bessere Beschleunigung von 60 auf 100 km/h. Für Vmax 175 km/h sind beide Triebwerke gut. Aber wen kümmert schon die Höchstgeschwindigkeit bei einer Harley-Davidson.
Hier geht es um etwas ganz anderes. Um diesen ganz speziellen Punch, den dir eine Harley verpasst. Dieses Wangenflattern unterm Jethelm, wenn dich 1.868 cm3 vorwärtsschieben wie ein Auflieger im 30-Prozent-Gefälle. Nehmen wir nur mal die Road King Special, der ich ihre kryptische interne Typenbezeichnung FLHRXS gern verzeihe. Weil sie so schön nackt ist. Als einziges Bike in unserem Test-Tross trägt sie keine Frontverkleidung. Der massive Rundscheinwerfer ist mattschwarz wie der Lenker. Zum Starten nutzt man einen fetten Drehschalter am oberen Ende der Tankkonsole. Der Blinker rechts wird rechts betätigt, der für links auf der linken Seite. Originell. Wie die dicke Schaltwippe, die links über dem Trittbrett thront. Auf die Boom! Box GTS, das neue vernetzte Infotainmentsystem von Harley, muss die Road King mangels Display verzichten. Hier informiert ein klassisches Rundinstrument übers Tempo (und nicht viel mehr).
Touchscreen aus Gorilla-Glas
Die Fahrer der anderen Touring-Modelle – Street Glide, Road Glide und Ultra
Limited – dürfen sich über einen kontrastreichen, 16,5 Zentimeter großen Touchscreen freuen, der mit seinem in Smartphones bewährten Gorilla-Glas bestens gegen die Härten des Outdoor-Daseins gerüstet ist. Das integrierte Navi-System soll über die neue Harley-App mit Routen gefüttert werden können, die man zu Hause am Rechner ausgeheckt hat. In den USA funktioniere das schon, versichert Nik Ellwood. In Europa soll es im Sommer 2019 so weit sein.
Dann könnte auch Android Auto als Kopplungsstandard bei Harley etabliert sein. Bislang kommen nur iPhone-Nutzer zum Zuge: Apple CarPlay funktioniert schon heute, allerdings braucht es dafür Apples Lightning-Kabel und ein Headset. Harley-Davidson verspricht Gespräche mit verbundenen Fahrern über eine Distanz von bis zu 1,6 Kilometern, wenn Nutzer das hauseigene Wireless Headset Interface Module (WHIM) nutzen. Zwölf Sprachen hat Harley seiner Boom! Box GTS und der Spracherkennung beigebracht. Der größere Speicher ermöglicht umfangreicheres Kartenmaterial. Mucke und Radio (DAB+) können mit bis zu 900 Watt abgespielt werden und aus acht Boxen die Umwelt beschallen.
24 neue Lackfarben
38 verschiedene Lackierungen hat Harley-Davidson dieses Jahr im Angebot, 24 davon sind neu im Programm. Die Zweifarblackierungen tragen jetzt so klangvolle Namen wie Midnight Blue & Barracuda Silver, die veredelten CVO-Modelle glänzen unter anderem in Auburn Sunglo & Black Hole with Rich Bourbon. Nicht mehr erhältlich sind hingegen die sogenannten Hard Candy Custom-Farben im Flake-Look.
Die Street Glide Special mit ihrer flachen Scheibe sähe vermutlich selbst damit ziemlich lässig aus. Connectivity-Berater würden vermutlich eher zur ebenfalls verkleideten Road Glide greifen: Dort sitzt das Riesen-Display oberhalb der zahlreichen Instrumentenuhren und liegt damit nahezu im natürlichen Sichtfeld des Fahrers. Zudem ist der Windschutz besser.
Topmodell Ultra Limited
Topmodell der Harley-Tourer ist nach wie vor die 416 kg schwere Ultra Limited. Wie eine Sänfte gleitet sie mit ihrer Batwing-Verkleidung übers Straßenpflaster. Der Fahrer sitzt aufrecht hinter einer großen Scheibe. Chrom rahmt ihn allerorten ein wie einst Lametta den Weihnachtsbaum. Die Agilität bleibt klar hinter den übrigen Tourern zurück.
Aber nun: Strecke machen ist angesagt, mit bis zu 201 kg Zuladung. Und dafür ist der Luxus-Landschafts-Sessel wie gemacht, so man nicht allzu viel Interesse an direkter Rückmeldung über die Straßenbeschaffenheit hegt.
Fahrwerkstechnisch sind die neuen Langstreckenbikes deutlich besser als ihre Vorgänger, heißt es im Kreis der Harley-erfahrenen Kollegen. Dynamikvergleiche mit Modellen wie BMW K 1600 oder der Honda Gold Wing würden die US-Gleiter aber nach wie vor deutlich verlieren. Querfugen leiten vor allem die Special-Modelle mit ihren Mini-Federwegen ungefiltert weiter an den Bewegungsapparat. Rückenpatienten hätten im Großraum Lagos wenig Freude mit den stylisch gechoppten Hecks; sie sollten dringend zur Serienversion greifen. Oder gleich auf die Ultra klettern. Aber Obacht: Die gibt es auch als "Low"-Version.