Kleine Überflieger – Fahrbericht Triumph Speed 400 & Scrambler 400 X
Downsizing à la Hinckley: Triumph hat zum ersten Tänzchen mit der neuen Speed 400 und Scrambler 400 X geladen. Die Briten planen Großes mit ihren kleinsten Modellen: Die 400er-Einzylinder sollen die mit Abstand meistverkauften Bikes der Marke werden. Über den Zauber des Fahrens mit „nur“ 40 PS.
Valencia im Januar – die elektronische Einladung von Triumph zur europäischen Fahrpräsentation der neuen 400er-Modelle entfaltete die gleiche Wirkung wie ein wärmender Sonnenstrahl nach Wochen im schaurigen Verlies. Raus aus Regen, Graupel, Schnee und blattloser Winter-Tristesse, ab ins sonnenverwöhnte Orangen- und Palmenparadies Spaniens. Dass selbst dort morgens nur karge sieben Grad herrschen, wollen wir der Urlaubsmetropole jetzt mal nicht anlasten. Das wäre kleinlich, verspricht die Wetter-App doch bis zu 20 Grad für den weiteren Verlauf des Tages. Da wollen wir mal nicht so sein.
Authentischer Style, hohe Begehrlichkeit
100 Prozent authentisches Triumph-Erlebnis – so lautet das Markenversprechen der neuen Einzylindermodelle Speed 400 und Scrambler 400 X. Schon die Namen und das Retro-Design zeigen, dass wir es hier mit echten „Modern Classics“ zu tun haben. Selbst das Motordesign hat Triumph sorgfältig an die Twin-Vorbilder angepasst: schwarzes, pulverbeschichtetes Motorgehäuse, bearbeitete Kühlrippen, unauffällige Flüssigkeitskühlung – so kennt man das von der Bonneville-Familie.
Fahrtests: BMW F 900 GS, Triumph Tiger 900, Ducati Desertx Rally, Triumph Speed 400 & Triumph Scrambler 400 X, Honda Africa Twin Adventure Sports, Kawasaki Eliminator 500, Harley-Davidson Street Glide & Road Glide Touren/Reisen: Entlang der Donau, Vom Harz zum Glockenpalast, 100 Colls – Passfahrspass in Katalonien Motorräder: Royalmehr Enfield Shotgun 650, Moto Guzzi V7 Stone Ten Sonderedition Tests: Held Summer Ride II, Ashley Watson Eversholt Mkii, Bogotto Barton, Shad Terra TR15 CL, Nexx X.WED3 Magazin: BMW vermeldet Rekordabsatz, Zulassungszahlen 2023, Intermot mit neuem Konzept, BMW Days zurück in Garmisch-Partenkirchen
Fahrtests: BMW F 900 GS, Triumph Tiger 900, Ducati Desertx Rally, Triumph Speed 400 & Triumph Scrambler 400 X, Honda Africa Twin Adventure Sports, Kawasaki Eliminator 500, Harley-Davidson Street Glide & Road Glide Touren/Reisen: Entlang der Donau, Vom Harz zum Glockenpalast, 100 Colls Passfahrspass in Katalonien Motorräder: Royalmehr Enfield Shotgun 650, Moto Guzzi V7 Stone Ten Sonderedition Tests: Held Summer Ride II, Ashley Watson Eversholt Mkii, Bogotto Barton, Shad Terra TR15 CL, Nexx X.WED3 Magazin: BMW vermeldet Rekordabsatz, Zulassungszahlen 2023, Intermot mit neuem Konzept, BMW Days zurück in Garmisch-Partenkirchen
Preis: 5,90 €
Die schlanke Speed 400 steht unübersehbar in einer Reihe mit Speed Twin 900 und 1200. Den Namenszusatz der Motorenbauart verkneifen sich die Markenstrategen hier: Speed Mono 400 oder Speed Single 400 klingt irgendwie überkandidelt, um nicht zu sagen: albern. Die Scrambler darf sich im Stil der Scrambler 1200 hinten zusätzlich mit einem X schmücken. Das lässt Raum für Spekulationen, ob es eines schönen Tages vielleicht eine weitere, noch geländetauglichere Variante geben wird namens 400 XE – mit längeren Federwegen und noch offroadigerem Auftreten, um insbesondere der Royal Enfield Himalayan 450 ans 21-Zoll-Vorderrad zu pinkeln. Aber nun, selbst wenn – das dauert wohl noch ein Weilchen. Triumph setzt schon jetzt alles daran, dem erwarteten Ansturm auf die Baureihe gerecht zu werden – und stellt damit seine Markenwelt gehörig auf den Kopf: Nicht die drehmomentstarken Twins, nicht die fulminanten Dreizylinder – nein, die neue Einzylinderfamilie mit 400 ccm soll für nie dagewesene Absatzzahlen sorgen. Wo die Reise hingehen könnte, davon künden die Produktionspläne für die güldene „Big Piston“-USD-Gabel: Von der 43er-Frontforke können künftig beim indischen Zulieferer Endurance 10.000 Stück pro Monat gefertigt werden, statt wie bislang 5.000 – macht theoretisch bis zu 120.000 Bikes pro Jahr. Damit würde Triumph seinen Gesamtabsatz mehr als verdoppeln. Produziert werden die 400er im Stammwerk in Thailand und mit Partner Bajaj in Indien.
Vorzeige-Bike für Aufsteiger
Neue Käufergruppen für Triumph zu begeistern, vor allem „soziale Aufsteiger“ in boomenden Mega-Märkten wie Indien, wo 400er bereits zu den richtig großen, begehrenswerten Maschinen zählen, darum geht es beim Downsizing „Made in Hinckley“. Kein Wunder also, dass das Einzylinderduo zuerst in Indien auf den Markt kam und dort bereits hoch im Kurs steht. Hierzulande will Triumph vor allem jüngere Fahrer in die Verkaufsräume locken – und einen fetten Pflock einschlagen in der unteren Mittelklasse (350 bis 500 ccm), die zunehmend spannender und attraktiver wird.
Das Ansinnen erscheint mehr als plausibel. Ich prophezeie mal hier und jetzt: Die 400er werden richtig was reißen – in puncto Fahrspaß, Optik und Anmutung. „Tiny“ ist en vogue: Royal Enfield macht es bereits erfolgreich vor mit Modellen wie HNTR 350 und Himalayan 450. Das Fahrwerk des neuen Triumph-Duos erledigt seinen Job auch ohne Einstellmöglichkeiten ausgezeichnet. Einzig die Federbasis (Vorspannung) hinten kann per Spezialschlüssel angehoben werden, z. B. für Reisen mit Gepäck.
40 PS und 37,5 Nm – das passt
Der neue Euro-5-Einzylinder entwickelt durchaus Schmackes: 40 PS bei 8.000 Touren und 37,5 Nm bei 6.500 Umdrehungen pro Minute liegen an. Das Sechsgang-Getriebe rastet sauber ein. Die Ride-by-Wire-Drosselklappe mit Bosch-Motormanagement soll laut Triumph für eine „lineare und intuitive Gasannahme“ sorgen. Das gelingt. Die Leistungsentfaltung erfolgt gleichmäßig und vorhersehbar. Die drehmomentunterstützte Kupplung reduziert den Kraftaufwand am Kupplungshebel. Alles ganz easy. Durchaus Premium. Wie gemacht für Menschen, die sich zum ersten Mal an eine „große“ Maschine heranwagen. Oder aber ihrem langjährigen Hobel den Rücken kehren und mal was Neues, „Kleines“ ausprobieren wollen, ohne bei Komfort und Haptik zurückstecken zu müssen. 145 km/h Spitze gibt Triumph an. Die Höchstgeschwindigkeit schaffen beide Maschinen locker und ohne langen Anlauf. Bei 9.250 Touren nimmt der Begrenzer sanft die Arbeit auf, bei 9.500 Umdrehungen ist Schluss mit Orgeln. Klar, der Vierventil-Einzylinder will gedreht werden, soll es wirklich vorangehen. Zwischen 5.000 und 8.000 Touren spielt die Musik. Der Druck untenrum ist okay. Aus 398 ccm Hubraum wird hoffentlich niemand den Kick seines Lebens erwartet haben. Wobei ich überzeugt bin: Wer neu eintaucht in die Kraftentfaltungswelt von Triumph, der wird begeistert sein.
Das Schöne an diesem Motor ist, dass er dir immer suggeriert: Hey, ich gebe alles für dich. Das schweißt Mensch und Maschine zusammen. Ein Kollege brachte es auf den Punkt: Du hast nie das Gefühl, dem Bike nicht gerecht zu werden, weil es unfassbar viel mehr kann, als man selbst in der Lage ist, mit dem Bike auf die Straße zu bringen. Das wäre mit Sicherheit der Fall gewesen, hätten wir unsere heutige Tour durchs sagenhaft kurvenreiche Hinterland Valencias auf einer Speed oder Street Triple oder ähnlichen Straßen-Racern unternommen. Die haben so viel mehr Power, als man auf den kurzen Abschnitten zwischen den Kurven braucht, dass Fahrer wie ich eher darauf konzentriert sind, rechtzeitig wieder Tempo abzubauen, als in den mentalen Zen-Modus zu wechseln – und bei der 400er im Zweifel noch einen weiteren Gang runterzuschalten, um zügig aus der Kurve zu kommen.
Die Vorderradbremse der Bikes packt unterschiedlich hart zu, obwohl der 4-Kolben-Festsattel von Brembo-Ableger Bybre identisch ist. Der Grund: Auf die 300er-Scheibe der Speed 400 wirken Sintermetall-Bremsbeläge, auf die 320er-Scheibe der Scrambler 400 X organische Beläge. „Die sind weniger bissig und verbessern das Bremsgefühl im Gelände“, erklärt Steve Sargent, oberster Produktmanager von Triumph. „Montierten wir auch auf der Scrambler die Sinterbeläge, würde die Gabel stärker eintauchen beim Bremsen.“ Willste auch nicht.
Fahren im Stehen klappt auf der Scrambler recht passabel, solange man kein Hüne ist. Der Lenker dürfte für meinen Geschmack etwas höher sein; auf meiner Optionsliste stünde folglich ein Riser aus dem Zubehör. Der Lenker ist ordentlich breit: 901 Millimeter. Damit überragt er den der Speed 400 (814 mm) um amtliche 87 mm. Selbst die Scrambler 900 kommt nur auf 835 mm Lenkerbreite. Einzig die 1200 XE übertrifft das Scrambler-400-X-Gehörn um zarte vier Millimeter (905 mm). Den Auspuff beließen die Triumph-Entwickler bei der 400er eher bodennah. Ein Novum bei den hauseigenen Scramblern. Optisch passt er dennoch sehr gut ins Konzept, mit seiner Doppeltröte samt Hitzeblech. Die Sitzbank ist im Stil der Scrambler 900 zweigeteilt, am Tank prangen zwei gummierte Kniepolster, der Lenker trägt schön oldschool eine gepolsterte Schutzrolle über der Lenkerstange. So soll das sein.
700 Euro Preisunterschied
Hochwertige Verarbeitung, gewohnt gute Materialien, authentisches Triumph-Feeling, passgenaues Zubehör (über 20 Teile), vor allem Gepäck. Gewisse Abstriche sind in dieser Preisklasse natürlich nicht zu vermeiden: Die Hebel für Kupplung und Bremse sind nicht einstellbar, die Blinker gehen nicht selbsttätig aus, Kotflügel und Lampenringe sind aus Kunststoff – irgendwo muss der Preis ja herkommen. 5.345,-- Euro begehrt Triumph für die Speed 400, 6.045,-- Euro für die Scrambler 400 X. Die lockt konzeptbedingt unter anderem mit mehr Radstand (1.418 zu 1.377 mm), mehr Sitzhöhe (835 zu 790 mm) und größerem Vorderrad (19 statt 17 Zoll), bringt aber auch neun Kilogramm mehr auf die Waage (179 zu 170 kg).
ABS und Traktionskontrolle (!) sind bei der Scrambler 400 X abschaltbar für mehr Spaß im Gelände; bei der Speed 400 lässt sich lediglich die Traktionskontrolle vorübergehend lahmlegen. Mit dem erneuten Einschalten der Zündung ist sie standardmäßig wieder aktiv. Das neue Instrument mischt Analog- und Digitalansicht, an der Seite ist eine USB-C-Ladebuchse. Auffällig ist die neue Lichtsignatur: Wie Raubtieraugen funkeln im Rundscheinwerfer zwei LED-Linsen samt Tagfahrlichtring. Stolz ist Triumph auf die niedrigen Unterhaltskosten: Alle 16.000 km oder einmal im Jahr zum Service, zudem knausert der Einzylinder mit Sprit. 3,5 l/100 km gibt Triumph an, macht dank 13-Liter-Tank rechnerisch über 350 km Reichweite. Bei der Testfahrt im Großraum Valencia kam die Speed 400 auf 3,8 l/100 km, die Scrambler 400 X auf 4,0 l/100 km. Optisch treten beide mit drei Zweifarblackierungen an. Die Speed 400 gibt es in Carnival Red, Caspian Blue und Phantom Black. Die Scrambler 400 X setzt auf mattes Khakigrün mit Fusion White, Carnival Red mit Phantom Black sowie Phantom Black mit Silver Ice. Egal auf welche Lackierung die Wahl fällt: Der Preis bleibt gleich – Farbaufschläge gibt es erfreulicherweise nicht. Roadster und Scrambler haben einen komplett neuen Rahmen mit angeschraubtem hinteren Hilfsrahmen und Leichtmetall-Zweiarmschwinge. Die Hinterradfederung übernimmt eine Monoshock-Aufhängung mit externem Ausgleichsbehälter. Abstimmung und Geometrie sind modellspezifisch angepasst, die Sitzposition auch: Auf der Scrambler sitzt man aufrecht, auf der Speed leicht nach vorn geneigt. Ganz wie bei den großen Geschwistern.
Fazit
Triumph hat zwei starke Neuheiten im Programm – mit unterschiedlichem Charakter, trotz aller Gleichteile. Die Speed 400 bremst zackig, lenkt knackig ein und verführt zum Kurvenräubern. Die Scrambler 400 X wirkt massiver, verströmt die lässige Kraxler-Attitüde ihrer großen Schwester(n) und giert nach Abenteuern auf Schotterstrecken. Die neuen Vierhunderter fühlen sich an wie „große Maschinen“, vor allem die Scrambler 400 X. Dabei sind sie leicht und agil, begeistern mit ausreichend Bums und einem wirklich coolen Sound (Standgeräusch Scrambler: 91 dB(A), Speed 89). Einzylinder und Triumph – das passt zusammen wie Faust auf Auge, Arsch auf Eimer und Topf auf Deckel. Feiern wir die neue Leichtigkeit des Seins!