KTM 1290 Super Adventure S 10.000 – Kilometer Dauertest
Auf großer Tour mit der 1290 Super Adventure S standen nicht die technischen Merkmale im Vordergrund des Tests, sondern vielmehr die Eignung für Tourenfahrer.
Nachdem ich sehr viele Jahre Großenduros bewegt habe, bin ich letztes Jahr auf die Super Duke GT umgestiegen (M&R 79). Nun stand ich auf der Intermot vor einer neuen Reiseenduro mit diesem mächtigen Triebwerk. Sie verbindet vermeintlich alles das, was ich fahren will. Sitzposition und Handling der Großenduro mit dem genialen Antrieb, den ich in der GT lieben gelernt habe. Mein Entschluss, sie haben zu wollen, war schnell getroffen. Über die technischen Highlights haben sich schon andere, an unterschiedlichsten Stellen ausreichend ausgelassen, daher wird dieser Praxistest weniger auf die technischen Leistungsdaten eingehen, sondern auf das, was für uns als Tourenfahrer wichtig ist. Will man ein Motorrad testen und viele Einsatzgebiete abklopfen, ist eine große Tour bestens dafür geeignet. Auf vielen Tausend Kilometern Teer in Deutschland hin zu Spanien wurde uns alles geboten: kurvige Landstraße, Autobahn, enge Bergstraßen, große Wärme, Regen und vor allem viel Gepäck!
Die Optik polarisiert
Die Front der Maschine mag man eben, oder nicht, wobei sie mir persönlich sehr gut gefällt. Während der ersten Ausfahrt zeigt sich gleich, mit dem Bike ist man schnell eins. Das Handling überzeugt und auch der Motor ist, wie erwartet, ein Genuss. Im Gegensatz zur GT hat KTM die Motorabstimmung allerdings geändert. Problemlos ist es nun möglich, ab 2.500 U/min aus dem Drehzahlkeller heraus zu beschleunigen, ohne dass sie sich schüttelt, wobei man aber sagen muss, dass sich bei etwas mehr Drehzahl, der Motor wohler fühlt. Der Vortrieb ist phänomenal und man hat nicht das Gefühl, dass dieser irgendwann aufhören könnte. Hier liefert der Schaltautomat eine perfekte Ergänzung, um der schieren Leistung des 1.300er-Treibwerkes Genüge zu tun. Subjektiv ist die Abstimmung bei der GT aber besser gelungen. Ich habe beim Hochschalten immer eine kurze Unterbrechung, als ob ich kuppeln würde. Außerdem hakelt es manchmal. Vielleicht kann man hier softwareseitig etwas korrigierend eingreifen. Der Quickshifter+ wurde gegen Aufpreis ebenfalls aktiviert, damit auch das Herunterschalten bis in den 1. Gang ohne Kupplung möglich ist. Das funktioniert absolut perfekt.
Ergonomisch top
Die Sitzposition passt, alles am richtigen Fleck. Jedoch ist das Motorrad mit seiner Sitzhöhe von 860 mm eher für Menschen mit langen Beinen gebaut. Mit meinen 1,80 m komme ich gerade so mit beiden Füßen auf den Boden. Die Erstinspektion bei knapp 1.000 Kilometern verlief problemlos. Umso verwunderlicher, dass kurz darauf auf einmal der Motor zickt. Nur noch schwache Gasannahme unter Last. Offensichtlich ein Problem mit der Spritzufuhr.
Motorräder: Harley-Davidson Sport Glide, Indian Scout Bobber, Ducati Multistrada 1260 S, KTM 1290 Super Adventure S, Kawasaki Z900RS (Cafe) Touren: Jakobsweg, Australien, Zollernalb, Portugal
Preis: 5,90 €
Eine fehlerhafte Charge Spritpumpen
Also beim nächsten KTM Händler in der Nähe angerufen und das Problem geschildert. Wir bekamen einen Termin am nächsten Tag. Dort wurde uns mitgeteilt, dass die Benzinpumpe defekt sei und diese erst wieder in zwei Monaten lieferbar wäre. Der getankte Sprit hätte eine unzureichende Qualität gehabt und somit die Pumpe zerstört. Nachdem ich am Folgetag die Hilfe bei KTM Deutschland gesucht hatte, wurde aber doch noch eine schnelle Lösung gefunden, die letztlich darin bestand, aus einer Maschine in der Ausstellung die Pumpe umzubauen. Zwei Tage später war die Maschine startklar, das ungute Gefühl, damit eine 8.000-km-Tour in Angriff nehmen zu wollen, blieb aber. Unterwegs nach weiteren 1.000 km passierte es dann, mitten in Frankreich versagte auch diese Benzinpumpe. Es stellte sich heraus, dass KTM eine fehlerhafte Charge erwischt hatte. Aber auch hier hat KTM schnellstmöglich reagiert und das Problem behoben und ein Modell einer anderen Charge aus einem Vorführfahrzeug ausgebaut und binnen eines Tages nach Frankreich geschickt. Seit dem erneuten Austausch läuft das Motorrad anstandslos und wir konnten die Tour problemlos zu Ende fahren.
Neben dem markanten Gesicht gerät sofort das neue Display in den Fokus, auf dem künftig alles abzulesen ist, was man früher Instrumente nannte. Die Hintergrundbeleuchtung ist gut, sodass das Display selbst bei direkter Sonneneinstrahlung perfekt ablesbar ist. Über den Bildschirm werden alle Informationen des Motorrades gesteuert und angezeigt. Die Anzeigen für Tacho und Drehzahlmesser sind neben Ganganzeige, Uhrzeit und Außentemperatur fix voreingestellt. Dazu werden, wenn installiert, die Griff- und Sitzheizung mit den eingestellten Stufen dargestellt. Daneben die Beladungseinstellung (Federvorspannung), Fahr- und Dämpfungsmodi. Alle Informationen sind sehr übersichtlich und erfassbar dargestellt. Auf der linken Seite des Displays können dazu acht Detailinformationen individuell auf dem Display dauerhaft aktiviert werden. Die Bedienung erfolgt über einen beleuchteten Menüschalter am linken Griff. Von hier aus kann der komplette Bordcomputer gesteuert werden.
Weniger Ablenkung für mehr Sicherheit
Beim Test der GT hatte ich die unnötige Ablenkung kritisiert, die nötig ist, um beispielsweise Heizgriffe einzuschalten. Da hat KTM nachgebessert und ermöglicht nun, die beiden Steuerungstasten hoch/runter individuell mit jeweils einer Funktion als Schnellwahltaste zu belegen. Definitiv ein positiver Schritt in Richtung Sicherheit. Bei Dunkelheit schaltet das Display in einen Nightmodus, um nicht zu blenden. Leider ist die Verzögerung so gering, dass der Bildschirm und damit auch die Scheinwerfer schon bei Fahrten unter einer Brücke hindurch umschalten. Hier hat KTM aber inzwischen reagiert und ein Softwareupdate herausgebracht, das dies verbessern soll. Damit dürfte auch das Problem behoben sein, dass man die Öltemperaturanzeige nicht dauerhaft anzeigen kann. Bei circa 2.000 Kilometern funktionierte die Tag-auf-Nacht-Umschaltung nicht mehr korrekt. Teilweise dauerte es fünf Minuten, manchmal schaltete sie gar nicht mehr um. Das ist im Laufe der Zeit schlimmer geworden, aber leider nicht reproduzierbar. An einem Tag funktioniert sie einwandfrei, am nächsten nicht. Hier hilft dann nur: Zündung aus, warten und wieder neu starten. Ob ein Softwareupdate dieses Problem behebt, bleibt abzuwarten, bis zum Ende der Testperiode war dies aber nicht der Fall. In Sachen Fahrwerk hat die hauseigene Fahrwerksschmiede WP der Maschine ein semiaktives Fahrwerk gespendet. Die Einstellungen werden über das Display gesteuert. In Bezug auf Fahrwerk und Fahrprogrammen stehen Modi zur Auswahl. Es kann zwischen Rain, Street und Sport gewechselt werden. Bei Rain wird die Leistung auf 100 PS reduziert. Bei den anderen beiden Modi liegt die volle Leistung von 160 PS an. Das Ansprechverhalten und auch der Eingriff der Helferlein (ABS, Schlupfregelung) sind bei der Sporteinstellung merklich aggressiver und direkter. Beim Fahrwerk kann man zwischen Comfort, Street und Sport wählen. Bei der „weicheren“ Comfort-Einstellung und der Street-Einstellung wird durch die aktiven Elemente der Federbeine das Eintauchen beim Bremsen nur unwesentlich ausgeglichen. Im sportlichen Fahrwerksbereich wird die Abstimmung härter und das Einnicken beim Bremsen wird geringer. Wer sich den Dongle aus der Aufpreisliste gönnt, kann dazu noch den Offroad-Modus als Dämpfungs-Modi aktivieren und darf das ABS hinten komplett ausschalten. Wermutstropfen ist allerdings, dass durch die Installation bei jedem Starten des Motorrades unten quer im Display, die Warnung „Nicht legal“ erscheint!
Voll-LED-Scheinwerfer und Kurvenlicht
Die Super Adventure S ist mit einem Voll-LED-Scheinwerfer ausgerüstet. Die Lichtausbeute ist klasse und das serienmäßige LED-Kurvenlicht besteht jeweils aus drei LED-Strahlern, die je nach Neigungswinkel zugeschaltet werden. Je schräger, desto mehr Licht. Der Effekt ist wirklich sehenswert, im wahrsten Sinne des Wortes. Dunkle Ecken in Kurven werden deutlich reduziert, was Nachtfahrten sicherer macht. Das Tagfahrlicht hat die Form der vorderen Scheinwerfermaske und ist, wie mir die Mitfahrer bestätigen, hervorragend zu sehen.
Der Wetterschutz ist gut. Auch bei starkem Regen, wie auf unserer Etappe nach Pamplona, sitzt man gut geschützt hinter der Scheibe. Dass diese schwer zu verstellen ist, wurde schon hoch- und runtergeschrieben und: Ja, es ist so. Mit einer Hand mal schnell während der Fahrt verstellen, ist kaum möglich. Aufgefallen ist mir, dass an der seitlichen Verkleidung das Wasser von vorne nach hinten läuft und dann direkt auf den Fahrer geleitet wird. Nicht dramatisch, aber etwas unglücklich. Der Rain-Modus arbeitet ansonsten wirklich perfekt. Durch die Leistungsreduzierung und „zahmeres“ Ansprechverhalten von ABS und Schlupfregelung wirkt sich das unmittelbar auf die Sicherheit aus. „Wenn einer eine Reise tut“... dann braucht er vor allem die Möglichkeit, ausreichend Gepäck mitzunehmen. Die optionalen gleichschließenden Touringkoffer bieten 30 und 36 Liter Volumen zum Verstauen an. Neben meinem Topcase war dies stets ausreichend. Die serienmäßig am Motorrad verbauten, beweglich gelagerten, Kofferträger fallen in keiner Weise auf. Das ist sehr positiv, weil sie die Silhouette des Fahrzeugs nicht stören. Das Koffersystem ist somit integriert und fügt sich harmonisch in die Gesamtlinie ein. Allerdings sind sie dennoch ausladend (104 cm) und daher auch etwas breiter als der Lenker. Daher gilt wie bei anderen Fahrzeugen mit Seitenkoffern auch – Obacht beim Vorbeifahren an Hindernissen. Auf unseren Etappen im Picos de Europa oder den Pyrenäen zeigte sich aber, dass das spielerische Handling der KTM auch beladen nicht leidet.
Durch den Navihalter aus dem Komfortpaket ist das Navigationsgerät direkt im Sichtfeld des Fahrers, ohne das dieser den Blick weit absenken muss, um an die entsprechende Information zu gelangen. Neben diesem sind noch Heizgriffe und die beheizbare Komfortsitzbank Bestandteil des Pakets. Während die Heizgriffe für mich ebenfalls ein „Must-have“ sind, kann man auf die Sitzbank auch durchaus verzichten, es sei denn, man legt Wert auf beheizbares Gestühl. Die Original Sitzmöbel sind meiner Meinung nach nicht unbequemer. Die Heizung des Fahrersitzes wird bei der Komfortsitzbank in drei Stufen über das Display gesteuert, der Sozius hat einen eigenen Drehschalter. Die höchste Stufe in der Sitzheizung ist für meinen Popo schon sehr grenzwertig heiß. Bei der Super Adventure S hat KTM auch die bisher unschöne Verlegung der Kabel deutlich verbessert. Handprotektoren zum Wetter- und Kälteschutz gibt es serienmäßig. Die bei Auslieferung aufgezogenen Pirelli Scorpion Trail 2 lassen weder bei widrigen Bedingungen noch bei sportlicher Gangart ein ungutes Gefühl aufkommen. Die neue Motorabstimmung hat dazu geführt, dass der heutzutage übermäßige Spritverbrauch, den die GT hatte, deutlich reduziert wurde. Mit einem Durchschnittsverbrauch von rund 5 l/100 km liegt er sportliche 30 % unter dem der GT – wohlgemerkt bei gleichem Triebwerk. Das ist für dieses Motorrad absolut spitze. Auf 20 km langen geraden Straßen, wie wir sie im südwestlichen Teil Frankreichs hatten, ist der serienmäßige Tempomat sehr angenehm. Dieser wird am linken Griff eingeschaltet und dann durch einen Wippschalter reguliert. Die Verlegung der Bedienelemente auf die linke Lenkerseite im Vergleich zur GT bedeutet in Sachen Ergonomie einen großen Schritt nach vorne. Durch das andere Mapping empfinde ich die Beschleunigung nicht ganz so brachial wie bei der Super Duke. Nicht, dass da etwas fehlt, „Bums“ ist in allen Lebenslagen ausreichend vorhanden, aber gefühlt ist der Leistungsverlauf gleichmäßiger. Selbst bei höheren Geschwindigkeiten auf der Autobahn hört der Vortrieb irgendwie nicht auf. In Sachen Sicherheit ist KTM ansonsten weiterhin ganz vorne dabei. Das Schräglagen-ABS funktioniert einwandfrei und lässt Notfallbremsungen in Schräglage zu, wenn es nötig ist. Die optionale Softwareerweiterung der Motorschlupfregelung (MSR), die das Stempeln des Hinterrades beim plötzlichen Schließen des Gasgriffs verhindert, sollte auch auf der Aufpreisliste stehen.
Individuell anpassbar
Ergonomisch ist einiges zu individualisieren. Gas- und Bremshebel sind ja selbstverständlich, aber auch die Fußrasten und der Schalthebel sind anpassbar. Die Sitzhöhe ist in zwei Stufen zu regulieren, wobei die niedrige Variante schon recht hoch ist. Mit der optionalen Sitzbank aus dem Power-Parts-Regal sitzt man gefühlt noch etwas höher. Der Kniewinkel ist angenehm und man muss den Fahrer auch nach einer Tagestour nicht vom Moped heben. An meiner Adventure ist das progressive Lenkungsdämpfersystem (PHDS) verbaut. Ich habe keinerlei Vibration im Lenker verspürt und auch Vibrationen in den Spiegeln, die ein Nutzen selbiger einschränken, empfand ich nicht. Darüber hinaus erhält man auch noch eine Lenkererhöhung in zwei Stufen. Eine lohnende Investition, wie ich finde. Für das Anbringen von zusätzlichen Verbrauchern wie einem Navi oder anderer Dinge hat KTM es dem Fahrer eigentlich leicht gemacht. Werkseitig verbaut existieren vorne und hinten jeweils zwei Kabel, die auf Dauerplus und Zündung geschaltet sind. Mit einfachen Steckschuhen, kann man sich hier die abgesicherte Stromversorgung holen. Während die Kabel unter der Soziussitzbank aber noch einfach zu erreichen sind, sieht es bei denen vorne in der Lampenmaske deutlich komplizierter aus. Unterhalb des Displays steht eine praktische Bordsteckdose zur Verfügung. Für die KTM-Alarmanlage ist neben einer Halterung auch der komplette Anschluss per „Plug and Play“ anzuschließen. Unter der Sitzbank ist ein Aktivkohlefilter verbaut. Dadurch hat man nicht mal mehr die Möglichkeit, dass sehr gute und umfangreiche KTM-Werkzeug mitzuführen. Es ist einfach kein Platz dafür vorhanden. Ein Zündschloss findet man wie bei anderen Motorrädern von heute vergeblich. KTM nennt das Keyless-System: RideOn.
Fazit nach knapp 10.000 km
Wer öfter Reisen unternimmt, aber auch sonst ein agiles Motorrad mit absoluter Spaßgarantie sucht, ist mit der Adventure S bestens bedient. Mit der großen Adventure muss man nicht auf den beeindruckenden Schub des 1.300er Motors verzichten, denn wer dieses Triebwerk einmal gefahren ist, will es nicht mehr missen. Die unnachgiebige Beschleunigung aus dem Drehzahlkeller mit über 140 Nm Drehmoment ist ein Traum. Für regelmäßige Fahrten in unbefestigten Gefilden findet man mit der R-Variante die geeignetere Ausführung. Etwas schade sind die anfänglichen technischen Probleme – Stichwort Benzinpumpe –, so etwas sollte besser nicht häufiger vorkommen. Mein Dank gilt KTM Deutschland, die mir dennoch eine Weiterfahrt ermöglicht haben.