Ready to... Raid: KTM arbeitet an einer komplett neuen 390 ADV
Die KTM 890 ADV wurde für 2023 überarbeitet, die 1290 Adventure modellgepflegt, während eine neue 390 ADV, die auch als Enduro kommen wird, schon in der Erprobung läuft.
KTM gebührt (neben BMW) der Verdienst, auch nach dem Abflauen des Hypes, der in den achtziger Jahren mit mehr oder weniger getreuen Replikas der Dakar-Rennmaschinen die Märkte flutete, noch am Konzept des kernigen und robusten Weltreisemotorrads, sprich Neudeutsch „Adventure-Bike“, festgehalten zu haben. Während sich die Japaner in den neunziger Jahren wieder mehr auf sportliche Straßenmaschinen konzentrierten, entwickelte KTM die LC4-Baureihe mit dem kernigen Einzylindermotor konsequent in Richtung Dakar-Einsatz. 2001 gelang den Österreichern mit Fabrizio Meoni auf der 660 Rallye der erste Sieg, bis dahin waren schon Hunderte von Abenteurern mit der 620 und 640 LC4 Adventure um die Welt und durch Afrika gefahren. Die Siegesserie bei der Dakar, die von 2001 bis 2019 ununterbrochen anhielt, ermöglichte es KTM in den Nullerjahren, das On/Off-Segment neu zu beleben und für die eigene Modellpalette konsequent zu nutzen. Nach Meonis Sieg 2002 auf der LC8 kam die Zweizylindervariante auf den Markt, die neue Akzente bezüglich Leistung, Gewicht und Fahrbarkeit im Gelände setzte. Von der neuen Plattform der Einzylinder 690er, die 2007 präsentiert wurde, gab es zum Bedauern vieler Fans aber keine ADV-Variante. Erst 2019 wurde mit der 390 Adventure das Konzept in einer kleineren Hubraumklasse umgesetzt. Mit Gussrädern wagten sich aber nicht wirklich viele Fahrer ins Gelände. Das Topmodell wuchs in der Zwischenzeit über verschiedene Hubraumerweiterungen und neue Motoren sowie Fahrwerke bis zum aktuellen Topmodell, der 1290 Super Adventure R, heran.
Top 10 der Kraftradhersteller Oktober 2022 Aber irgendwie schaffen die orangen ADV-Bikes aus Mattighofen nicht den Sprung nach vorne in die Zulassungsstatistiken: In Deutschland liegt die 1290 Super Adventure nach 10 Monaten mit 748 verkauften Einheiten auf dem 38. Platz, vor ihr liegen drei Dukes und eine SMC aus eigenem Hause mit 1.000 bis 1.350 verkauften Maschinen. Die 890er-ADV taucht unter den ersten 50 der Zulassungen gar nicht erst auf. Wer es noch nicht wusste: Topseller in Deutschland ist nach wie vor die BMW R 1250 GS mit 7.930 neu zugelassenen Motorrädern.
Auch in Italien, mit Dutzenden von ADV-Veranstaltungen eigentlich ein Eldorado für diese Bikes, sieht es nicht viel besser aus: Bestseller ist die Benelli TRK 502/502X mit 6.395 Einheiten, unter den ersten 30 neu zugelassenen Maschinen bis Oktober 2022 ist überhaupt keine KTM zu finden! Bei den Hardalpitours, Transitalia Marathon oder Rallye Sardegna machen die Ténéré 700 (2.581 Neuzulassungen) einen Großteil des Teilnehmerfeldes aus, da hat sich KTM ein bisschen die Butter vom Brot nehmen lassen …
Der Adventure-Baureihe geht es an den Kragen
Die 890 ADV wurde vor allem optisch überarbeitet und würde nun auch im Fahrerlager der Dakar eine gute Figur machen Neu aufgelegt ist inzwischen die 2023er-Version der 890 Adventure, die man mit einem sportlicheren Kleid wieder mehr in die Richtung der erfolgreichen Rallyemaschinen gerückt hat.
Wie die neuesten Erlkönigbilder beweisen, hat man sich in Mattighofen die Ärmel hochgekrempelt und arbeitet auch an den anderen Modellen. Schauen wir also, was KTM tut, um wieder eine Führungsrolle bei den Adventure-Bikes zu übernehmen. Hauptaugenmerk der Modellüberarbeitungen und Neuentwicklungen für die Zukunft ist dabei die Anpassung der Antriebe auf die neuen Homologationsvorschriften gemäß Euro 5+, die ab dem 1. Januar 2025 für alle Neufahrzeuge verpflichtend werden. Im Vergleich zur aktuellen Euro-5-Norm (seit 1. Januar 2021 in Kraft) bedeutet dies vor allen Dingen eine Überwachung der Katalysatorfunktion, um auch nach Tausenden von Kilometern noch die Grenzwerte einzuhalten. Auch wenn noch 2 Jahre bis zur Einführung von Euro 5+ vergehen, müssen die Ingenieure nun viel früher in den finalen Entwicklungs- und Testzyklus einsteigen, um die Alterung des Katalysators in der Dauererprobung zu testen.
390 ADV: alles neu!
Hier die verkleidete ADV-Variante des neuen 390-ccm-Modells: Motor, Rahmen und Karosserie sind komplett neu Die KTM 390 Adventure ist eine komplette Neukonstruktion. Das beginnt beim Motor, der auf beiden Seiten neue Deckel für Kupplung und Lichtmaschine aufweist. Am Kupplungsdeckel ist nun die Ausrückmechanik integriert, zusätzlich sieht man ein Schauglas für die Ölstandskontrolle. Die Wasserpumpe bleibt vor der Kupplung, auch die geänderte Anordnung der Kühlwasserschläuche lässt auf eine Neukonstruktion des Motors (und Kühlkreislaufs) schließen, der wie das bisherige Modell auch bei Bajaj in Indien montiert werden dürfte. Neu ist auch der Rahmen, wobei KTM nach wie vor am Gitterrohrrahmen festhält, obwohl man zum Beispiel bei den Dakar-Rennmaschinen schon andere Rahmenkonzepte mit einem einzigen Oberrohr einsetzt, die von den Motocrossmodellen abgeleitet sind. Wahrscheinlich bietet das Gitterrohrprinzip bessere Möglichkeiten zur Unterbringung der Aggregate und Komponenten für eine Serienmaschine. Die vorderen Motorhalterungen aus Aluminium sind nun massiver ausgeführt als noch beim Vorgängermodell, unter dem Motor verläuft eine zusätzliche Rahmenschleife, die zur Aufnahme der Motorschutzplatte dient. Interessant ist auch die Abkehr von der Hinterradschwinge mit offenen und verrippten Profilen. Bei der neuen 390er kommt eine Gussschwinge mit geschlossenen und hohlen Holmen zum Einsatz, dabei ist die rechte Seite zum Rahmen hin auffällig nach oben gezogen. Diese „Bananenschwinge“ kam in den achtziger Jahren bei den Grand-Prix-Zweitaktern auf, um genügend Platz für die Auspuffbirnen zu lassen. Bei der KTM 390 ADV dient sie dem gleichen Zweck: Man braucht Platz für das vergrößerte Volumen der Auspuffanlage. Der zentrale Stoßdämpfer ist ohne Umlenkhebel an der Oberseite der Schwinge montiert. Die Federwege dürften vorne wie hinten um die 200 mm liegen.
Auffällig an der Auspuffanlage: Zwei Lambdasonden vor dem Katalysator im Auspuffkrümmer, der nun extrem kurz ausgeführt ist. Zahlreiche Temperatursonden an der Anlage verdeutlichen den fast schon wissenschaftlichen Balanceakt auf einem dünnen Grat zwischen Fahrbarkeit und Einhaltung der Abgasgrenzwerte. Ein relativ kleines Auspuffrohr mit einem Durchmesser von rund 25 mm tritt aus dem Endschalldämpfer aus, es ist anzunehmen, dass hier noch eine Abdeckung mit einem Doppelrohr fehlt. Die Karrosserieteile sehen ziemlich definitiv aus, beim Tank setzt man auf eine konventionelle Lösung mit dem Benzinvolumen zwischen den beiden Traversen des Gitterrohrrahmens und ohne die weit heruntergezogenen Hamsterbacken seitlich am Motor, wie es ab der 790 ADV eingeführt wurde. Aggressiv-zackig gezeichnete Kühler- und Tankverkleidungen geben der Maschine ein sportliches Aussehen. Auch die Teile an der Front scheinen werkzeugfallend zu sein, die übereinander angeordneten Scheinwerfer erinnern an Polyellipsoidstrahler, wie sie vor Jahren in Mode waren. Wahrscheinlich sind sie kostengünstiger als eine LED-Variante. Im Cockpit ist bei der Versuchsmaschine das aktuelle TFT-Display verbaut. Zu sehen ist auch eine Maschine ohne Frontverkleidung mit kleinem Enduro-Scheinwerfer. KTM scheint hier die gleiche Strategie wie Honda mit den Modellen CRF300 Rally und „L“ zu verfolgen: Es wird eine ADV-Reisevariante und eine Enduroversion geben.
Am Prototypen der 390 Enduro gut sichtbar: die Bananenschwinge mit darunterliegendem Endschalldämpfer und die Lambda- und Temperatursonden an der Auspuffanlage Da die unteren Rohre des Heckrahmens schwer zu erkennen sind und die Halterungen der Beifahrerfußrasten direkt am geschmiedeten Aluhalter der Fahrerfußrasten montiert sind, könnte man darauf schließen, dass ein selbsttragendes Rahmenheck aus Kunststoff zum Einsatz kommt.
Relativ dünn gepolstert und nicht verstellbar kommt die sportlich konturierte einteilige Sitzbank daher, für bessere Offroadeignung sprechen auch die Speichenräder mit 21 Zoll Vorderrad. Die Bremszangen stammen von Byrbe, der indischen Brembo-Marke.
1290: Konservative Überarbeitung und ein neuer Scheinwerfer? Noch keine Spur von der 990 ADV
KTM 1290 Super Adventure mit neuer Frontpartie und Scheinwerfertechnik, auch die Tankverkleidungen sind neu. Die Testmaschine trägt ein 21-Zoll-Vorderrad Auch am Flaggschiff, der 1290 Super Adventure S, wird gearbeitet, an der ganz in schwarz gehaltenen Maschine sind neue Karosserieteile im Frontbereich zu erkennen. Da wäre zum einen die Frontverkleidung selbst, die im Bereich des Scheinwerfers ziemlich zerklüftet ist und mit zwei einzelnen Lichtelementen ausgestattet ist, hier laufen wohl Versuche mit einer neuen Optik. Der Benzintank scheint unverändert, neu sind aber die Verkleidungsteile, die ihn vor allen Dingen im oberen Bereich umgeben, das steht für eine bessere Zufuhr von Frischluft und Ableitung von Warmluft. Am Fahrwerk und an der Auspuffanlage sind keine Änderungen zu erkennen, zumindest die abgebildete Maschine fährt noch im Euro-5-Modus.
KTM 1290 Super Adventure mit 17-Zoll-Vorderrad zur Jagd auf die Ducati Multistrada Pikes Peak Das Gleiche dürfte für die Maschine mit Karrosserieteilen der Super Adventure R gelten, die nun mit 17-Zoll-Gussrädern erprobt wird, man möchte wohl der Ducati Multistrada V4 Pikes Peak Konkurrenz machen.
Eine 890 ADV mit unlackiertem Motor: vielleicht der erste Prototyp der 990 ADV? Schon im Frühjahr kursierten Erlkönigfotos von der neuen Duke 990 und RC 990, auf denen viele Sensoren und Lambdasonden an den komplett neuen Auspuffanlagen zu sehen waren. Also auch hier geht die Entwicklung mit großen Schritten auf die neue Homologation nach Euro 5+ zu. Der Motor basiert auf dem aktuellen LC8c, wie er mit 890 ccm verbaut wird, und dürfte mit 990 ccm in der schärfsten Straßenversion wahrscheinlich eine Spitzenleistung von rund 130–135 PS erreichen. Auf dem Bild der 890 ADV mit unlackierten Teilen wie Schwinge und Kupplungsdeckel sind aber keine Indizien zu erkennen, dass KTM auch schon an der 990er-Version des Adventuremodells arbeitet.