Honda hat schon einmal bewiesen, dass sich das Schalten revolutionieren lässt. 2010 präsentierten die Japaner ihr DCT. Hinter dem Kürzel steckt das bislang einzige, erfolgreich etablierte Doppelkupplungsgetriebe (Dual Clutch Transmission) der Motorradwelt. Das Topmodell Gold Wing beispielsweise gibt es mittlerweile nur noch mit dem automatisierten Getriebe. Bei der Africa Twin macht es – bezogen auf beide Modellvarianten – insgesamt mehr als 55 Prozent aus. Europa-Bestseller wie der SUV-Scooter X-ADV und der Großroller Forza 750 kommen ausschließlich mit DCT. Jetzt legt Honda nach – und bringt die ersten Modelle mit E-Clutch: die neue CB650R und die neue CBR650R.
Das will Honda
Die Welt des Schaltens revolutionieren. Die E-Clutch (frei übersetzt: elektronische Kupplung) verbindet das Beste aus drei Welten: konventionelles 6-Gang-Schaltgetriebe mit Kupplung, Blipper für schnelles, kupplungsfreies Rauf- und Runterschalten, dazu Anfahren und Anhalten, ohne zu kuppeln – wie beim DCT oder einer Automatik. Möglich machen das unter anderem eine blitzgescheite Motor Control Unit (MCU) und zwei kleine Stellmotoren, die außen rechts am Motor angeflanscht sind, wie eine mittelgroße Tupperdose. Wer nicht gerade zwei Meter plus misst und endlos lange Haxen auf seiner 650er verstauen muss, wird mit der Kupplungsgehäuse-Ausbeulung nicht weiter in Berührung kommen.
Das bietet die E-Clutch
Ersten Gang einlegen mit dem Fuß, ohne die Kupplung zu ziehen. Anfahren und anhalten, ohne zu kuppeln. Gänge wechseln, ohne zu kuppeln. Vor der Ampel im Stand drei, vier Gänge runterschalten, ohne zu kuppeln. Alles ganz sanft und easy und beim Fahren „wie gelernt“ von einem Schaltgetriebe mit Blipper. Das Ganze kombiniert mit einem DCT-typischen Anfahr- und Anhaltmoment. Honda verspricht optimale Beschleunigung und bescheinigt der E-Clutch, beim Gangwechsel rund 20 Prozent schneller zu sein als ein herkömmlicher Quickshifter. Mag sein, wäre eh irgendwas im Millisekundenbereich. Die Gänge rasten jedenfalls extrem schnell und ohne nervigen Gegendruck ein.
Anfangs kostet das Einlegen des ersten Ganges fast etwas Überwindung: Einfach runter mit der Fußspitze bei laufendem Motor? Jo. Wie bei gezogener Kupplung macht es vernehmlich „Plock“ – und der Gang ist drin. Dann einfach am Gasgriff drehen und die E-Clutch-Hondas fahren los wie ein Elektromotorrad – zackig und ruckfrei. Wem das nicht immer geheuer ist, der kann jederzeit die Kupplung ziehen und ist dann im manuellen Modus. Beim Neustart geht es automatisch wieder im E-Clutch-Modus los. Auch bei laufendem Betrieb schaltet sich die „Automatik“ nach kurzer Zeit wieder zu. Der erneute Griff zum Kupplungshebel bewirkt dann wieder manuelles Schalten. Und im Zweifel ein Absaufen des Motors, so man die Kupplung im Stand springen lässt. Wie im richtigen Schaltmotorrad-Leben auch.
Das können die neue CB650R & CBR650R
Gut aussehen und elektronisch am Puls der Zeit schnuppern, was die Konnektivität betrifft. Der neue TFT-Bildschirm misst 5 Zoll, bietet drei Ansichten und erlaubt die Kopplung mit der Honda-eigenen Smartphone-App. Dann kann unter anderem eine Turn-by-Turn-Navigation aufs Display gespiegelt werden, dazu das übliche digitale Leben genutzt werden, zum Beispiel Anrufe anzeigen lassen oder Nachrichten empfangen.
Optisch hat Honda beiden Modellen ein hübsches Update verpasst: neue LED-Scheinwerfer, schlankeres Heck, nach vorn geneigtere Linie, neuer schwarzer Schalthebel, filigranere Verkleidung bei der CBR650R, dazu neue, markantere Lufteinlässe samt Airbox-Verkleidung bei der CB650R. Der bekannte Vierzylindermotor (649 ccm) erfüllt jetzt Euro 5+. Wie gehabt leistet er 95 PS und 63 Nm. Handling und Fahrverhalten sind bekanntermaßen tadellos: Seit 2019 hat Honda mehr als 60.000 Einheiten seiner sportlichen 650er-Geschwister verkauft.
Den Preis hat Honda im Vergleich zum 2023er-Modell um 300,-- Euro angehoben: Die neue CB650R startet jetzt bei 9.390,-- Euro. Vier Farben stehen zur Wahl: Rot, Hellgrau, Mattschwarz und Mattgrün. Für einen Tausender mehr steht die CBR650R (ab 10.390,-- Euro) vor der Tür, entweder im typischen dreifarbigen Honda-Grand-Prix-Look mit aufgefrischter Grafik oder ebenfalls in Mattschwarz. Der Aufpreis für die E-Clutch beträgt in beiden Fällen 400,-- Euro.
Das bleibt in Erinnerung
Die schnellen und sanften Gangwechsel. Immer. Rauf wie runter. Egal bei welcher Drehzahl. Genau das macht auch den Unterschied zum Einlegen der Gänge mit einem Schaltassistenten (Quickshifter wie Blipper) aus. Je nach Hersteller und Modell kann es da unterhalb von ca. 3.000 Touren bekanntlich mal hakeln bis gar nicht mehr funktionieren. Andere Systeme haben einen hyperempfindlichen Sensor, der den gewünschten neuen Schaltvorgang nicht sofort erkennt, weil er nach dem letzten Gangwechsel noch nicht ausreichend entlastet war; Träger schwerer Geländeboots, für die ohnehin wenig Platz unterm Schalthebel ist, kennen das Problem. All das passiert bei der E-Clutch nicht. Selbst im Stand vor der Ampel kann man locker aus dem 5. in den 1. Gang runterschalten, falls man das vorm Anhalten versäumt hat. Was durchaus vorkommen kann, weil die E-Clutch-Geschwister einem das nicht übel nehmen. Sie bleiben einfach an und fahren im Zweifel auch im 4. Gang los, ohne pikiert auszugehen.
Fazit Honda E-Clutch
Die E-Clutch dürfte für viele Fahrer wie gerufen kommen. Nie wieder absaufen lassen beim Anfahren, nie wieder eine lahme Hand haben vom vielen Kuppeln im dichten Stadtverkehr. Das ist schon großes Schalt-Kino. Und wen die Sehnsucht nach seinem Kupplungshebel packt, der benutzt ihn einfach. Der ist ja nicht weg bei den E-Clutch-Bikes. Nur überflüssig.
Pro - anfahren und anhalten, ohne zu kuppeln
- schnelle, sanfte Schaltvorgänge
- verringerter Verschleiß
- manueller Betrieb möglich