Triumph hat sich einiges vorgenommen mit seiner Tiger 900: Die markante Mittelklassemaschine soll bei den Adventure-Bikes den Benchmark in Sachen Leistungsfähigkeit und Vielseitigkeit markieren – und damit Erfolgstypen wie Honda Africa Twin CRF1100L, BMW F 850 GS und Yamaha Ténéré 700 Kunden abjagen. Triumphs oberster Markenkommunikator Miles Perkins verspricht: „Der 900-ccm-Triple-Motor, die umfassende Serienausstattung und topmoderne Technologie machen sie zu einer Tiger, wie man sie noch nicht gesehen hat.“
Hört, hört. Das ist doch mal eine Ansage – auch wenn markige Werbeworte natürlich nicht überraschen bei der Neuauflage eines Longsellers. Mehr als 80 Jahre reicht die Tiger-Historie zurück. 1936 kamen die ersten Wettbewerbsmodelle mit diesem Namen auf den Markt. Mit Einzylindermotor und 249 ccm. Bei der 2018 letztmals modellgepflegten Tiger 800 waren es drei Zylinder und 800 ccm. Seit 2020 sind es 888 ccm und bewährte 95 PS. Es bleibt also beim bekannten Leistungsplus gegenüber der Ténéré (73 PS), die unter Testern derzeit als Maß der Dinge im Abenteuerland gilt, und beim Leistungsdefizit gegenüber der 2020er Africa Twin mit 102 PS. Bis die kleine BMW GS (95 PS) mit dem neuen 900er-Aggregat der F-Baureihe gedopt wird und dann ebenfalls 105 Pferdchen zählt, dauert es noch ein paar Monde.
Fünf Modelle zur Auswahl
In puncto Vielfalt hängt die neue Tiger 900 den Wettbewerb locker ab: Los geht es mit der Tiger 900 GT für 12.950,-- Euro. Leichter modularer Rahmen, vorn und hinten federn Marzocchis mit 180 bzw. 170 mm Federweg. Lenkerbreite: 930 mm, Sitzhöhe: 810 – 830 mm. Gewicht: 194 kg (trocken). Wie die GT Pro (ab 14.750,-- Euro, Gewicht 198 kg) trägt sie vorn 19 und hinten 17 Zoll. Ausgestattet mit optimiertesm Kurven-ABS und einstellbarer Zugstufe und Federvorspannung (hinten elektrisch) kommt die GT Pro serienmäßig mit Schaltassistent (rauf und runter). Die Tiger 900 Rally mit 21-Zoll-Vorderrad startet bei 13.750,-- Euro, die Pro-Variante gibt es für 1.600,-- Euro mehr, macht 15.350,-- Euro. Die Sitzhöhe steigt hier auf 850 –870 mm, das Gewicht (trocken) auf 196 bzw. 201 kg.
Allzweckwaffe für Reise & Abenteuer
Erster Eindruck nach rund 600 Kilometern quer durch Marokko: Die britische Allzweckwaffe überzeugt auf ganzer Linie. Im Vergleich zur Tiger 800 hat sie mehr Dampf, bis zu 5 kg abgespeckt, deutlich bessere Features – und sieht mit ihrem neuen Gitterrohrskelett einfach verdammt gut aus, vor allem als Topmodell Tiger 900 Rally Pro. Weißer Rahmen, mattgrüner Tank, Aluplatte unterm Motor – die uneingeschränkt geländetaugliche Variante sticht aus dem Wettbewerb heraus. 240 Millimeter Federweg vorn und 230 mm hinten sind eine echte Ansage. Die Dämpfer der Rally-Modelle stammen von Showa und machen einen hervorragenden Job.
Downloads & Produkte zum Thema
Ausgabe 97/2020 von Motorrad & Reisen als PDF mit folgendem Inhalt:
Motorräder: Triumph Tiger 900, Vergleichstest: BMW F 900 XR & S 1000 XR, BMW F 900 R, Harley-Davidson Sport Glide & Heritage Classic 114, Kawasaki Ninja 1000XS, Kawasaki Z650 , KTM 390 Adventure
Touren: Von Nantes nach Saint-Malo – Bretagne, Deutschland Tour: Von Lohne nach Bregenz, mehr Kurvig vorbei am Juragestein: Schwäbische Alb
Zuletzt aktualisiert: 26.02.2020
6 Seiten Fahrtest als PDF
Zuletzt aktualisiert: 26.05.2023
Motorräder: Triumph Tiger 900, Vergleichstest: BMW F 900 XR & S 1000 XR, BMW F 900 R, Harley-Davidson Sport Glide & Heritage Classic 114, Kawasaki Ninja 1000XS, Kawasaki Z650 , KTM 390 Adventure
Touren: Von Nantes nach Saint-Malo – Bretagne, Deutschland Tour: Von Lohne nach Bregenz, Kurvig vorbei am Juragestein: Schwäbische A mehrlb Neuer Triple-Sound
Starten wir ihn doch mal, den einzigen Triple in der Adventure-Mittelklasse. Erste Erkenntnis nach dem Schlüsseldreh: Der Dreizylinder klingt viel besser als sein Vorgänger. Satt, dumpf, rau, auf angenehme Art aggressiv. Das verdankt er in erster Linie der erstmals umgesetzten Zündreihenfolge: 1-3-2 lautet jetzt der Dreiertakt.
Die ausgefallene Zündabfolge verleiht der Tiger 900 unter Last einen sehr präsenten Ansaugsound. Die Rückmeldung an den Fahrer hat etwas Hybrides: Im unteren Drehzahlbereich versprüht die Tiger 900 den Charme eines druckvollen Twins. In den mittleren und oberen Drehzahlen wechselt sie dann auf die Leistungsentfaltung und Drehfreude eines Triples. Ein ganz formidabler Mix, der Triumphs Antriebs-Komponisten da gelungen ist.
87 Newtonmeter bei 7.250 Touren beträgt das maximale Drehmoment. Das sind zehn Prozent mehr Leistung als bei der „alten“ 800er. Der neue Motor hängt schön direkt am Gas. Und reagiert schon im unteren Drehzahlbereich wie ein gut abgerichteter Jagdhund: Auf Kommando geht es sofort zur Sache. Der Durchzug überzeugt in allen sechs Gängen.
Perfektes Handling
Auf der Straße gibt die Tiger 900 den sportlich-komfortablen Reise-Express: Hinter dem manuell verstellbaren Windschild sitzt der Fahrer erstaunlich windgeschützt. Kurven nimmt die Tiger 900 mit britischem Racing-Spirit: Einmal anvisiert, zieht sie sauber ihre Bahn. Kein Nachjustieren, keine Unruhe, sehr sicher, wobei die von uns gefahrene Rally Pro höhere Schräglagen schafft – ohne Fußrastenkontakt zur Fahrbahn – als die primär für die Straße konzipierte GT Pro.
Im Gelände kraxelt die Rally Pro im Stile der großen BMW GS Geröllhügel hinauf – geduldig, zügig und unaufhaltsam. Schotterpiste und Steinwüste meistert sie bestens ausbalanciert und behände wie eine fliehende Herde Gämse. Das Handling ist souverän und angenehm unkompliziert. Auch mit mäßiger Enduro-Erfahrung sollte man problemlos mit ihr zurechtkommen. Das Fahrgewicht von 200 kg plus macht sich erst bemerkbar, wenn man die Triumph Tiger 900 dann doch mal aufheben muss.
Sand – fein oder fest – kann die Rally Pro mit Stollenreifen natürlich auch, davon konnten wir uns bei einem Abstecher an den Strand vor Essaouira überzeugen. Sollte es mal jemanden auf diesem Bike in die Gegend verschlagen oder an den Strand von Rømø: unbedingt ausprobieren. Großer Spaß, so ein Tänzchen im Off-Road-Pro-Modus am Meer.
Bis zu sechs Fahrmodi
ABS und Traktionskontrolle sind nur im Offroad-Fahrprogramm abgeschaltet, zusätzlich kommt ein spezielles Off-Road-Mapping zum Tragen. Auch die modellabhängig bis zu fünf weiteren Fahrmodi bieten spezielle Mappings für Regen, Straße, Sport und gemäßigtes Off-Road. Wer will, kann sich zudem sein individuelles Fahrprogramm frei konfigurieren.
Das wohldosiert agierende Kurven-ABS und die verbesserte Kurven-Traktionskontrolle versprechen hohe Sicherheitsreserven. Für punktgenaue Verzögerung sorgen standfeste Brembo-Stylema-Bremsen. Beruhigende Reichweiten verspricht der 20 Liter große Tank. Unser Testverbrauch lag bei 5,2 bis 5,4 l/100 km, was sich mit der Werksangabe deckt. Gut 370 km ohne Zapfsäulenstopp sollten also drin sein.
Die beheizbare Sitzbank (getrennt regelbar für Fahrer und Sozius) ist ein Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb. Unter den seitlichen, vorderen Motorverkleidungen sitzen zwei große Lüfter, die das Kunststück fertigbringen, sogar in der marokkanischen Mittagshitze (26,5 Grad Anfang Februar) die Temperatur des Dreizylinders unter Kontrolle zu halten. Von der bisweilen glühend heißen Motorabstrahlung der alten Tiger ist hier nichts zu spüren. Sehr angenehm. Gleiches gilt für den Fön-Effekt bei kalten Temperaturen. Am Luftaustritt der Lüfter kann man sich ganz wunderbar die frostigen Finger wärmen.
7-Zoll-Farbdisplay
Benchmark im Hause Triumph – und wohl auch am Markt – ist das 7-Zoll-Farbdisplay der Tiger 900 GT und Rally. Über das Layout der vier verschiedenen Darstellungsvarianten kann man streiten. Tatsache ist, die Auflösung des riesigen Displays ist brillant und aus jedem Blickwinkel bestens ablesbar. Über das My-Triumph-Connectivity-System samt App lässt sich die sogenannte Drei-Wörter-Navigation (what3words) einbinden. Statt komplizierter Zahlenfolgen beschreiben drei aufeinanderfolgende Begriffe die exakte GPS-Position. Triumph koppelt diese Form der Zieleingabe mit Google Maps.
Triumph geht davon aus, dass sich mindestens 60 Prozent der Käufer für eine der beiden Rally-Versionen entscheiden werden. Eine gute Wahl. Uneingeschränkt reisetauglich sind auch die beiden GT-Varianten. Triumph bietet wie üblich eine breite Palette an individuellem Zubehör an. In Zusammenarbeit mit Givi wurden zwei neue Koffersets entwickelt: Der „Trekker“-Koffersatz öffnet zur Seite, das 52-Liter-Topcase schluckt zwei Helme. Der „Expedition“-Koffersatz öffnet nach oben, das Topcase fasst 42 Liter.
Kits für Reiseprofis
Reiseprofis greifen vermutlich gleich zu den Kits, die es für die Tiger 900 gibt: Das „Trekker“-Kit beinhaltet Koffer mit einem Anbausatz aus pulverbeschichtetem Stahl, ein Topcase mit Rückenpolster und Adapterplatte, ein Tankpad und einen zusätzlichen Windabweiser für die Verkleidungsscheibe. Das „Expedition“-Kit setzt voll auf die Off-Road-Qualitäten der Tiger: Zu den Koffern gibt es ein Montageset aus Edelstahl, eine 40-Liter-Packtasche sowie Scheinwerferschutz, Gabelschützer, Aluminium-Kühlerschutz, Schutzbügel für den Motor und LED-Nebelscheinwerfer. Es soll ihr schließlich an nichts mangeln, der Triumph Tiger, „wie man sie noch nie gesehen hat“.
Technische Daten der Triumph Tiger 900