Hanspeter Küffer
Gianni Strada
Reisen oder Racen? Beides geht sowohl mit der 2020 rundumerneuerten BMW S 1000 XR als auch mit der bereits vor einem Jahr aktualisierten KTM 1290 Super Duke GT. Welche wo besser abschneidet, finden wir auf einem ausgiebigen Vergleichstest zwischen den Schweizer Voralpen und der bayerischen Hauptstadt München heraus – in den verschiedensten Disziplinen zwischen Bummeln und Highspeed. Das Ziel beider Bikes ist es, supersportliche Fahrleistungen mit dem Komfort und der Tourentauglichkeit aus der Reiseenduro-Klasse zu kombinieren. So gesehen sind diese zwei Kandidatinnen die Krönung der Oberkategorie Multitool, wenn die Komponente Offroad weggelassen wird: Solange es über asphaltierte Straßen geht, machen sie eine gute Figur.
Preislich bewegen sie sich auf gehobenem, aber dennoch fairem Niveau. Die KTM ist ab 19.545,-- Euro erhältlich und genau so, in der gut bestückten Basisausführung, steht sie hier auch vor uns. Die BMW gibt es bereits ab 16.950,-- Euro, doch verfügt unser Bike über das ein oder andere Extra, was den Gesamtpreis in die Höhe schnellen lässt – auf beachtliche knapp 22.000,-- Euro. Das lässt durchaus leer schlucken, doch wollen wir hier gleich betonen, dass allein das Carbonpaket hart zu Buche schlägt. Es beschert der XR diverse hochglanzlackierte Kohlefaserteile, die das Gewicht um ein paar Extragramm reduzieren, vor allem aber für ein sehr edles Aussehen sorgen.
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Motorradlust PUR - Motorräder 02/2021 mit folgendem Inhalt:
Motorräder: Vergleichstest: BMW S 1000 XR vs. KTM 1290 Super Duke GT, Aprilia RX 125 und SX 125, Vergleichstest: Kawasaki Ninja 1000SX vs. Yamaha MT-10 SP, Ducati Monster, Vergleichstest: Royal Enfield Interceptor 650 vs. Continental GT, Ducati Panigale V2, Ducati Streetfighter V4 S, Harley-Davidson mehr Pan America 1250, Honda CB350RS, Honda Gold Wing DCT, KTM 1290 Super Duke RR, Motron Modellpalette, MV Agusta Brutale, MV Agusta Zuletzt aktualisiert: 29.04.2021
10 Seiten Vergleichstest: KTM 1290 Super Duke GT vs. BMW S 1000 XR als PDF
Zuletzt aktualisiert: 26.05.2023
Motorräder: Vergleichstest: BMW S 1000 XR vs. KTM 1290 Super Duke GT, Aprilia RX 125 und SX 125, Vergleichstest: Kawasaki Ninja 1000SX vs. Yamaha MT-10 SP, Ducati Monster, Vergleichstest: Royal Enfield Interceptor 650 vs. Continental GT, Ducati Panigale V2, Ducati Streetfighter V4 S, Harley-Davidson Pan America 1250, Honda CB350RS, Honda Gold Wing DCT, KTM 1290 Super Duke RR, mehr Motron Modellpalette, MV Agusta Brutale, MV Agusta Dragster, MV Agusta Superveloce, Triumph Scrambler 1200, Triumph Street Scrambler, Triumph TE-1 Ohne Carbon läge unsere Test-XR bei rund 20.000,-- Euro und damit rund 500,-- Euro über der GT.
Verzichtete man zusätzlich noch auf die Farbe Racingred, wären die Preise praktisch identisch. Und damit auch der Ausstattungsumfang. Bei der GT umfasst dieser von Grund auf zudem folgende Goodies, die bei der XR im Dynamic Paket enthalten sind und den zweitdicksten Posten in der Kostenaufstellung ausmachen: Semiaktives Fahrwerk, bidirektionaler Schaltassistent (Blipper), Heizgriffe, Funkschlüssel sowie Tempomat.
Über den Daumen gepeilt, bieten also beide Bikes fürs gleiche Geld etwa dasselbe. Wobei bei der KTM folgende BMW-Optionen im höheren Basispreis ebenfalls bereits enthalten sind: Kurvenlicht (gab es bei BMW bisher nur im Luxustourer K 1600 – nun erstmals in dieser Form mit zuschaltenden LEDs bei der S 1000 XR und F 900 XR), Tagfahrlicht, Reifendruckkontrolle, USB-Ladebuchse und Handprotektoren. Die letzten drei Punkte sind Teil des Touring-Pakets, das zudem Gepäckbrücke, Hauptständer und die Vorbereitung für den BMW Motorrad Navigator beinhaltet. Während man eine Navihalterung sowie eine Gepäckbrücke auch für die GT bekommt, sucht man den Hauptständer im Originalzubehör vergebens.
Reihen-Vierzylinder versus V2
So weit die Theorie. Gehen wir zur Praxis und starten die Motoren. Beim aus der 1290 Super Duke R stammenden Zweizylinder sorgen überarbeitete Resonatoren, Einlassventile aus Titan und ein neues Mapping für einen noch harmonischeren Lauf als vor dem Update. Sein charakteristisches pulsieren ist aber geblieben. Satte 175 PS (zuvor 172) und 141 Nm sind die aktuellen Performancewerte an der Kurbelwelle (180 PS und 140 Nm jene der „R“).
Der Vierzylinder der XR ist eine komplette Neuentwicklung. Er ist von jenem der S 1000 RR abgeleitet, verzichtet im Wesentlichen aber auf dessen Shift-Cam-Technologie, die mit variablen Ventilsteuerzeiten für eine fülligere Drehmomentkurve sorgt. Mindestens 100 Nm über einen Drehzahlbereich von 5.500 bis 14.500 U/min liegen beim Supersportler an. Der XR-Motor erreicht die 100-Nm-Marke erst gegen 7.000 U/min. Er leistet 165 PS (statt 160) und stemmt 114 Nm (bei der RR sind es 207 PS und 113 Nm). Auch der Vierzylinder ist immer zu spüren, doch tritt er insbesondere auf langen Touringetappen als der sanfter und unauffälliger laufende Motor in Erscheinung. Nur um 4.000 bis 4.500 Umdrehungen treten spürbare Vibrationen auf. Das Ansprechverhalten ist ebenfalls stets etwas feiner als das des V2.
Die unterschiedlichen Motorenkonzepte sorgen natürlich für einen komplett unterschiedlichen Sound. Allerdings ist die neue XR gegenüber ihrer Vorgängerin deutlich leiser geworden, was wir als klaren Gewinn betrachten. Sie ist damit auch leiser als die GT, deren V2-Ballern sich nun viel stärker in den Vordergrund drängt. Dennoch erscheint es uns nie als extrem und selbst auf längerer Fahrt nicht als nervig. An Höchstleistung mangelt es selbst am Hinterrad keiner der beiden. Die Rennstrecke haben wir hier zwar ausgelassen, doch zumindest auf den Zwischenetappen auf der Autobahn erreichten wir auf beiden Reise-Racern in null Komma nichts Tempi weit über 200 km/h.
Deutliche Unterschiede zeigen sich jedoch beim gemeinsamen Kurvenswing auf der Landstraße: Hier gibt sich der V2 so, wie man es erwarten würde und wie es die Messwerte nüchtern aufzeigen: in tiefen Drehzahlen deutlich antrittsstärker, was spontane Überholmanöver supereasy macht.
Da will der Vierzylinder schon mal einen oder gar zwei Gänge runtergeschaltet werden. Denn ihn fährt man, wenn man nicht gerade im Angriffsmodus ist, sehr oft im sechsten Gang, selbst innerorts nach dem Runterbremsen bzw. beim Ausrollen lassen. Verschlucken? Fehlanzeige. Er ist denn auch jederzeit in der Lage, ohne zu schalten wieder zu beschleunigen – nur eben sachte. Den V2 dreht man tendenziell eher im „optimalen Druckbereich“, da der V2 auch mal ruckelt, wenn die Drehzahl zu stark absinkt. Unvermitteltes Blinkersetzen ist mit der KTM jederzeit drin.
Die Sechsganggetriebe beider Bikes lassen sich sehr präzise schalten und wirken jeweils harmonisch abgestimmt. Der XR steht es sehr gut, dass die Gänge vier, fünf und sechs im Vergleich zur Vorgängerin länger übersetzt wurden. Beim Touring drückt dies das Drehzahlniveau angenehm nach unten. Hier wie da ist eine mit wenig Handkraft zu bedienende Anti-Hopping-Kupplung im Einsatz, was besonders im Stadtverkehr ein großer Komfortgewinn ist. Auch beide Blipper sind sehr gelungen und performen in den verschiedensten Situationen und Geschwindigkeiten tadellos.
So unterschiedlich die Motorenkonzepte sind, so verschieden geben sich auch die Fahrwerksabstimmungen. Beide Sporttourer bieten serienmäßig semiaktive Systeme. Allerdings regeln diese im Vergleich derart unterschiedlich, dass sie sich komplett anders anfühlen. Die XR wurde bewusst auf mehr Handlichkeit in engem Geläuf getrimmt, was den Ingenieuren sehr gut gelungen ist, ohne dass sie dabei Abstriche bei der Zielgenauigkeit oder der Highspeed-Stabilität machen mussten.
Im direkten Vergleich mit der ambitionierten Mitstreiterin zeigt sich nun aber: Die sich nicht wirklich unhandlicher gebende GT liegt stets „ruhiger“ bzw. satter auf der Straße. Ihre Federelemente geben dem Fahrer ein klareres Feedback.
Bezüglich der Bremsen gibt es bei beiden nichts zu bemängeln. Beide sind absolut perfekt mit nur einem Finger dosierbar, wobei die der GT noch eine Spur radikaler zupackt und das ABS noch härter am Limit eingreift.
Bequem und geschützt
In Sachen Ergonomie punkten insgesamt wiederum beide Kandidatinnen – mit einem gelungenen Mix aus fahraktiver und relaxter Sitzposition, in der man sich auch nach langer Fahrt noch wohlfühlt. Insbesondere die Lenker liegen gut in der Hand und weisen eine angenehme Breite auf. Auch einen guten Windschutz findet man hier wie da, wobei die Verkleidung der BMW vor allem im Beinbereich etwas mehr Schutz bietet. Dafür taugt uns die Scheibe der KTM etwas besser. Sie ist zwar schmaler, sorgt jedoch für einen homogeneren Luftstrom mit weniger Verwirbelungen.
Beim Display und der Menübedienung trumpft die BMW mit einer der am besten abzulesenden Farbanzeigen auf dem Markt. Toll auch, dass sich Griffheizung und Fahrwerks- bzw. Motormodus-Einstellungen mit separaten Knöpfen einstellen lassen. Bei der KTM muss man immer erst das entsprechende Menü anwählen, wenn man sich nicht schon darin befindet. Dies empfinden wir auf unserer ausgiebigen Testfahrt mit vielen verschiedenen Straßen(-Beschaffenheiten) und häufigen Witterungswechseln als Nachteil. Kein wirklicher Nachteil, aber dennoch ein bemerkenswerter Punkt:
Geht es nach einem Halt wieder weiter, dauert es auf der KTM spürbar länger, bis die Elektronik nach dem Einschalten der Zündung bereit ist und den Anlasser drehen lässt. In dieser Zeit ist der Kollege auf der XR bereits losgefahren … Doch auch bei BMW ist nicht alles von Umständlichkeit befreit – beispielsweise das Rückstellen des Tageskilometerzählers …
Fazit
Nein, wahre Schnäppchen sind sie nicht. Doch dafür haben die beiden Zweirad-SUVs ja auch einiges zu bieten. Allem voran Leistung, und zwar im Überfluss. Der drehmomentstarke V2 der KTM passt perfekt zum sportlichen Fahrwerk mit exzellentem Feedback. Im engen Geläuf hat die GT die Nase vorn, so richtig nach dem Claim der Marke: „ready to race“. Dennoch favorisiere ich eher die XR. Auf der Landstraße punktet die BMW mit tollem Langstrecken-Komfort, gutem Wetterschutz und lückenlosen Ausstattungsmöglichkeiten. Und in Sachen „Feuer“ kann die XR durchaus mit der GT mithalten, wenn es denn unbedingt sein muss.