436 Kilometer. Bei null bis drei Grad. Ohne Verkleidung. Ohne Griffheizung. Ist das wirklich eine gute Idee? "Du spinnst doch", meint meine Frau. Ein besorgter Unterton schwingt mit, immerhin. Hm, ja, nun, vielleicht, aber abgemacht ist abgemacht. Der nächste Wintertest für Mensch und Maschine steht an. Und dafür muss ich jetzt los. Erst mal mit dem Zug. Von Hamburg nach Neuss. Zu Yamaha Deutschland. Marvin Eckert treffen, den Pressesprecher. Schlüsselübergabe für mein Winter-Baby, die Yamaha XSR700 XTribute. Und dann auf zwei Rädern zurück. Wie sich das gehört.
Leicht, pur, cool
Aber erst mal eine kurze Einweisung. Irgendwas zu beachten, Marvin? "Nö, alles wie gehabt: Zweizylinder-Crossplane-Motor, 689 ccm, 75 PS, 68 Nm." Warum ausgerechnet eine XSR700 für den Winter? "Weil sie leicht ist. Vollgetankt wiegt sie gerade einmal 188 Kilogramm. Außerdem kriegst du bei 815 mm Sitzhöhe locker beide Füße auf den Boden, was im Winter ja nicht ganz unerheblich ist. Dazu haben ihre Pirellis ein leichtes Enduro-Profil. Und sie ist natürlich ein cooles Bike, vor allem als XTribute." Tank im Alu-Look, roter Zierstreifen, mattgoldene Räder – Vorbild für die Optik ist unverkennbar die selige Yamaha XT 500, die Mutter aller leichten Enduros.
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132 Seiten, u. a. mit folgenden Themen:
Motorräder: Triumph Tiger Sport 660, Wintertest: Wacker durch den Winter, Indian Scout Rogue, Ducati MotoE, Die Rückkehr der Tourenmaschinen, Honda CRF1100L Africa Twin, KTM 1290 Super Adventure S, BMW R 1250 GS, Harley-Davidson Pan America, Ducati Multistrada V4, Suzuki V-Strom 1050XT, Triumph Tiger 1200, neue Harley-Modelle, mehr Vespa Elettrica Red, BMW CE 04
Touren: Alpenquerung; Nordböhmen; Eastern Sierra Zuletzt aktualisiert: 03.02.2022
6 Seiten Wintertest der Yamaha XSR700 XTribute als PDF
Zuletzt aktualisiert: 07.02.2022
Motorräder: Fahrbericht: Triumph Tiger Sport 660, Wintertest: Wacker durch den Winter, Indian Scout Rogue, Ducati MotoE, Die Rückkehr der Tourenmaschinen, Wer baut das beste Adventure-Bike?, Honda CRF1100L Africa Twin, KTM 1290 Super Adventure S, BMW R 1250 GS, Harley-Davidson Pan America, Ducati Multistrada V4, Suzuki V-Strom 1050XT, Triumph Tiger 1200, Acht neue Harley-Modelle mehr mit 117 cui
Roller: Vespa Elettrica Red, Elektroroller im Test: BMW CE 04
Touren: Der Länge nach … transalpin: Alpenquerung; Nordböhmen: Vom Erzgebirge nach Böhmen; Ein Trip entlang der Eastern Sierra: Kalifornien
Tests: KTM Terra Adventure, Heidenau K60 Ranger, Spidi Vintage
Magazin: Omega-1: Revolutionäres Motorenkonzept, Motorradmessen & Events, Zulassungszahlen, Keine Zeit zu sterben: James Bond
inkl. 100-seitigem Touren- & Hotelspecial 2022 Kein technischer Schnickschnack
Auch technisch ähnelt die XSR700 XTribute dem unsterblichen Vorbild: Außer ABS ist kein Schnickschnack an Bord. Darin gleicht sie all ihren Geschwistern: MT-07, Ténéré 700, Tracer 7 und R7 – alle CP2-Modelle punkten als unkomplizierte, "ehrliche" Maschinen. Beherrschbarkeit, Fahrdynamik, Motor – alles erste Sahne bei Yamahas Mittelklasse-Baureihe, viel und oft gelobt von der gesamten Fachpresse. Dann mal los. Tschö, Marvin, wir sehen uns im März!
Strecke machen ist angesagt
Kaum vom Hof gerollt, biege ich auf die A46 ab. Drei Grad zeigt das Rundinstrument an. Das schreit nicht nach ausgedehnter Überlandtour. Strecke machen ist angesagt. Mittlerweile ist es kurz nach 15 Uhr, in spätestens zwei Stunden wird es zappenduster sein und noch etwas kälter. Also ranhalten. Der Motor hängt motiviert am Gas, die Gänge rasten präzise ein, leichter Zug am Kupplungshebel reicht. Fühlt sich gut an. Wir werden Freunde, wir zwei beiden, das merke ich gleich. Der Akrapovic ist daran nicht ganz unschuldig: Der Sound macht an. Kernige 89 dB(A) Standgeräusch, sanfte 73 db(A) Fahrgeräusch, rockige Beschleunigungshymne. Der Endtopf schmiegt sich an den Heckrahmen. So viel Scrambler-Attitüde muss sein.
Handschuhwechsel nach 80 Kilometern
Es dämmert. Zeit für den ersten Stopp, Handschuhwechsel. Die Fingerkuppen meutern bereits, geben wir also dem nächsten Paar eine Chance. Losgefahren bin ich mit dem Winterhandschuh Dainese Thunder Gore-Tex. Gut 80 km hat er der Kälte getrotzt. Jetzt greifen frostige Tentakel nach den Fingerspitzen. So ist das mit der Kälte: Die äußersten Extremitäten sind zuerst dran. Also rein in die Tanke, Käffchen, kurz aufwärmen, weiter geht es mit Rukka 2-in-1 an den Händen. Griffheizung wäre schon fein gewesen, aber nun, dann halt Tatzengriff: Fingerkuppen einklappen, Handfläche drauffalten, vollflächig den Gasgriff drehen. Sieht vermutlich schwer bekloppt aus, aber schützt die Griffelspitzen einigermaßen vorm Auskühlen. 4 Grad zeigt das Thermometer. Kann das sein? Gefühlt sind es -2° C. Vielleicht ein bisschen Tempo rausnehmen? Wobei: 130 bis 140 km/h sind nun wirklich nicht die Welt. Außerdem ist es noch weit. Über 300 Kilometer.
Zeit für die vierte Lage
Am Körper kommt die Kälte bislang kaum an, zum Glück. Multifunktionsunterwäsche, lange Socken, leichtes Thermofutter mit Gore-Tex-Beschichtung, darüber die Dainese-Kombi D-Explorer 2. Drei Lagen machen sich gut auf den ersten 170 Kilometern. Eigentlich ist der "Vier Jahreszeiten"-taugliche Adventure-Touring-Anzug mit seinen zahlreichen Lüftungsklappen und großen Mesh-Einsätzen eher was für wärmere Gefilde. Das wasserabweisende Außengewebe hält dem Fahrtwind aber gut Stand. Die beiden Brustprotektoren dämmen zusätzlich. Beim Tankstopp im Großraum Lotte krame ich dennoch das separate Regenzeug raus. Noch eine Lage mehr, das bringt es, zeigt sich nach kurzer Fast-Food-Pause.
Hitzewelle im Elbtunnel
Die nächsten 100 Kilometer ballere ich einigermaßen beschwingt und luftdicht verpackt durch. Dann wieder aufwärmen. Den ziemlich langen Nackenwärmer ziehe ich mittlerweile bis zu den Ohren hoch. Den Kragen der Jacke friemele ich akribisch unter den Helmrand. Jede denkbare Lufteintrittsmöglichkeit will fröstelsicher abgedichtet sein. Am X-Lite X-1005 sind natürlich alle Klappen zu. Auch die TCX Drifter Boots lassen keine Kälte rein. Erst kurz vorm Elbtunnel, nach rund 400 km Fahrt, fangen die doppelt bestrumpften Zehen langsam an zu zwirbeln. Blick auf die Uhr – 20:37. Wird auch mal Zeit. Das Thermometer wechselt zwischen zwei und drei Grad, im Elbtunnel steigt es auf 5° C. Fühlt sich an wie im Hammam.
Das Instrument leuchtet wie ein Suchscheinwerfer
Wieder raus aus der beleuchteten Röhre, fällt im neuerlichen Dunkel so richtig auf, wie hell das Rundinstrument leuchtet. Drehzahlkranz und Geschwindigkeitsanzeige strahlen in die Nacht wie ein Suchscheinwerfer. Kann man das dimmen? Jedenfalls nicht beim Fahren. Muss ich mir mal anschauen, die Tage. Erst mal nach Hause, heiß duschen. 23 Kilometer noch, geht doch, gar nicht so schlimm, letztlich, so eine Mensch-Maschine-Kennenlerntour durch die Finsternis.
Am Ende zählt das gute Gefühl
Okay, die kleinen Nervenzusammenbrüche zwischendurch, wenn du realisierst, dass die Entfernung bis zum Ziel einfach nicht zweistellig werden will; das laute Singen unterm Helm gegen die Einsamkeit auf der BAB A1; die Schwermut an der Raststätten-Zapfsäule, wenn du für einen Liter Super 1,93 Euro hinlegen sollst. All das kann die Moral bei Winterlangstreckenfahrten untergraben. Mag sein. Aber am Ende zählt das gute Gefühl: Motorradfahren geht immer. Mehr dazu in Teil 2. Und in Ausgabe 109 von Motorrad & Reisen.