Fahrbericht: Voge SR4 MAX 350 Luxury im Test – Turbulenzen adé

BMW-Kooperationspartner Loncin hat den 350er-Scooter SR4 MAX zum SR4 350 Luxury aufgewertet. Das macht ihn zu einem ernst zu nehmenden Wettbewerber, der zudem über den attraktiven Preis punktet.
06.09.2024
| Lesezeit ca. 4 Min.
Ulf Böhringer/SP-X
fbn
Die mittlerweile 18 Jahre währende Zusammenarbeit zwischen BMW und der chinesischen Firma Loncin trägt immer mehr Früchte – für Loncins Marke Voge. Denn der bislang ein wenig unterhalb des Touring-Rollers BMW C 400 GT angesiedelte Chinesen-Scooter Voge SR4 MAX 350 wurde für 2024 zum SR4 350 Luxury hochgestuft – und hat jetzt voll das BMW-Niveau erreicht. Der neue China-Kracher verfügt nun nicht nur über die identische Motorleistung von 25 kW/34 PS (bisher 21 kW/29 PS), sondern auch über so luxuriöse Ausstattungsdetails wie eine elektrisch höhenverstellbare Scheibe sowie Griff- und auch Sitzheizung. Und zwar serienmäßig. Damit ist er seinem BMW-Stammvater sogar deutlich voraus. Was BMW ebenfalls nicht freuen wird, ist der Kampfpreis des sehr vollständig, teils sogar luxuriös ausgestatteten Konkurrenten: Es gibt ihn schon für rund 6.400,-- Euro, während der BMW C 400 GT, mit zusätzlicher Connectivity, Sitz- und Griffheizung fast auf das Voge-Niveau gebracht, immerhin 9.310 Euro kostet.

Fahrsicher, stabil und vertrauenerweckend

Auf Deutschlands Roller-Kunden der beliebten 350er-Klasse machen beide noch keinen besonders großen Eindruck: Sieht man vom Sonderfall Vespa 300 Super, dem mit Abstand führenden Bestseller ab, liegen immerhin fünf weitere 300er bzw. 350er vor dem BMW (275 Zulassungen von Januar bis Juli), der Voge liegt mit 147 Stück noch weit dahinter.
Im Vergleich zum Voge SR4 MAX 350 ist die nun erhältliche Luxury-Version um 4 kW/5 PS stärker, das Drehmoment liegt um 5 Nm höher und die Höchstgeschwindigkeit wird mit 129 statt 127 km/h angegeben (BMW 137 km/h). Welten sind das nicht, aber immerhin ist der Unterschied spürbar. Das Fahrverhalten des Luxury ist weitestgehend identisch mit dem 2023er-Modell: Die aktuelle Version ist absolut fahrsicher, stabil und wirkt vertrauenerweckend. Die Bremsanlage mit 265er-Doppelscheibe und radial angeschlagenen Vierkolben-Bremssätteln von J.Juan beißt gewaltig zu, das ABS regelt im Notfall feinfühlig; das beim Vorgänger monierte Rubbeln trat nun nicht mehr auf.

Turbulenzen adé

Einen weiteren Kritikpunkt des Vorgängermodells hat Hersteller Loncin beseitigt: Dank des vorzüglich schützenden, elektrisch höhenverstellbaren Windschild gibt es keine störenden Turbulenzen mehr am Helm, noch nicht einmal bei der Höchstgeschwindigkeit von Tacho 143. Auf der Landstraße ist der Voge im Roller-Segment eine Macht: Dank guter Abstimmung des stufenlosen CVT-Getriebes sind auch Überholmanöver aus 90 km/h gut möglich, schnell fahrende Lkw sind also kein ernsthaftes Hindernis. Er lenkt zudem leicht ein und durchrollert Kurven stabil. Weil auch seine Schräglagenfreiheit hoch ist, machen kurvenreiche Strecken viel Spaß. Auf ihnen ist mit dem China-Kracher fast Motorrad-Tempo möglich. Die Federung arbeitet zufriedenstellend, wobei die Grundabstimmung recht straff ausfällt.

Gemütlich, auch für große Fahrer

Beim Vormodell vermuteten wir angesichts der nicht sauber einrastenden Sitzbank-Verriegelung noch einen Einzelfall. Jetzt tippen wir auf einen grundsätzlichen Schönheitsfehler, denn auch die Luxury-Sitzbank verriegelt nur mit viel Nachdruck. Die Bank selbst ist stark gestuft, sodass der Fahrer eine prima Stütze am unteren Rücken verspürt; eingeengt fühlt sich ein durchschnittlich großer Fahrer nicht, weil der Fußraum sehr großzügig ausfällt. Kein Wunder angesichts fast 100-prozentig mit seinem BMW-Pendant übereinstimmender Maße. Während am Vorgänger selbst bei gutem Grip noch häufig die Traktionskontrolle tätig wurde, tritt dieses Phänomen bei diesem Testfahrzeug seltener auf. Möglicherweise wurde die Elektronik überarbeitet. Auf einer Rollsplitt-Etappe waren wir jedenfalls voll zufrieden mit dem System.

Ausschweifende Serienausstattung samt LED und Frontkamera

Die Ausstattung des Voge ist mit Griff- und Sitzheizung umfangreicher als zuvor; die Betätigungstasten dafür liegen griffgünstig in Lenkermitte, von wo aus auch die Windschildverstellung gesteuert wird. Weiterhin gibt es ein großes, in zwei Styles einstellbares TFT-Display, ein vollständiges LED-Licht mit Abbiegelicht, die Reifendruckanzeige und einen Tank mit 300 km-Radius sowie die Smartphone-Connectivity. Die Kamera in der Fahrzeugfront ist ein Gimmick, dessen Nutzen und Bedienung sich uns nicht erschlossen hat; aber vielleicht benötigt man das ja in China. Mit Gewissheit nützlich ist jedoch das vollwertige Keyless-System, das sogar die Tankklappe umfasst. Auch eine Feststellbremse, eine Stauraum-Beleuchtung, abgewinkelte Reifenventile und einen gut bedienbaren Hauptständer gibt es. Bis auf eine automatische Blinkerrückstellung ist also alles serienmäßig dran und drin, was bei den Kraftrollern machbar und angenehm ist.

Hausgemachte Konkurrenz? – BMW überdenkt Kooperationen

Angesichts der umfangreichen Ausstattung des Voge und seines relativ günstigen Preises lag die Frage an BMW nahe, ob der Bau des BMW-Scooters bei Loncin denn noch vorteilhaft sei. „Wir müssen sicherlich die eine oder andere Kooperation mit fernöstlichen Herstellern überdenken und gegebenenfalls neu bewerten“, lautete die Antwort aus München. Dass BMW von Loncin mit dem SR4 MAX 350 Luxury quasi rechts überholt wird, kann den Voge-Kunden recht sein, BMW natürlich nicht. Aber zum Glück für die Bayern ist der Wiederverkauf des Voge schwer kalkulierbar. Außerdem: Ein Nachfolgemodell für den C 400 GT mit Verbrennungsmotor wird es ohnehin nicht geben, was den Konflikt eines Tages automatisch beendet.
#China#Roller#Test#Voge
Technische Daten Voge SR4 MAX 350 Luxury 2024
Motor
Hubraum 350 ccm
Zylinder, Kühlung, Ventile flüssigkeitsgekühlter 1-Zylinder-Viertaktmotor
Abgasreinigung/-norm Euro 5
Leistung 34 PS (25 kW) 7.500 U/min
Drehmoment 35 Nm bei 6.000 U/min
Höchstgeschwindigkeit 127 km/h
Verbrauch pro 100 km 3,6 Liter
Kraftübertragung
Kupplung Fliehkraftkupplung
Schaltung stufenloses CVT-Getriebe
Antrieb Riemen
Fahrwerk & Bremsen
Rahmen Stahl-Gitterrohrrahmen
Federelemente vorn Telegabel ø 3,5 cm
Federelemente hinten Leichtmetall-Zweiarmschwinge, zwei Federbeine, Vorspannung einstellbar
Federweg v/h 112 mm/127 mm
Radstand 1.565 mm
Räder Aluminiumguss
Reifen vorn 120/70-15
Reifen hinten 150/70-14
Bremse vorn 265 mm Doppelscheibenbremse
Bremse hinten 265 mm Einscheibenbremse
Maße & Gewicht
Länge 2,185 mm
Breite 805 mm
Höhe 1.390 mm
Gewicht 214 kg
zul. Gesamtgewicht 415 kg
Maximale Zuladung 201 kg
Sitzhöhe 780 mm
Tankinhalt 12,8 Liter
Fahrerassistenzsysteme
ABS
Traktionskontrolle
Fahrzeugpreis ab 6.399,-- Euro
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Kommentare (2)
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Rudi
06.09.2024 17:07


Es ist schön, wie Loncin mit der neuen Version des Scooters im direkten Vergleich zum BMW-Scooter nicht nur mithalten, sondern in einigen Aspekten sogar übertrumpfen kann. Vor allem wenn man den Preisunterschied bedenkt!  Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
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RoadGlide57
07.09.2024 12:33


BMW sollte aufpassen, die Konkurrenz schläft nicht und es sind immer weniger Leute bereit nur für das Logo zu zahlen...