Lukas: Ja, hallo, mein Name ist Lukas Tulovic, ich bin 22 Jahre alt und hier in Eberbach geboren. Ich wohne seit meiner Geburt im selben Haus, bin hier zur Schule gegangen, habe hier auch mein Abitur gemacht und bin in diesem Jahr für das
Du bist nicht nur in der Moto2-Europameisterschaft gefahren, du hast dir auch souverän den Titel gesichert. Bis zum Gewinn der EM war es aber ein spannender Weg und es lohnt sich, einen Blick auf deine bisherige Karriere und deinen Einstieg in den Rennsport zu werfen. Fangen wir ganz vorn an: Wie ging es bei dir los und wie bist du denn zum Motorradfahren gekommen?
Lukas: Ich fahre seit meinem fünften Lebensjahr Motorrad und bin durch meinen Vater dazu gekommen. Der ist früher hobbymäßig auf der Rennstrecke unterwegs gewesen und ist Seriensport gefahren. Da war ich dann so ab drei, vier Jahren schon auf der Tribüne dabei, habe Zeiten gestoppt, die Linien studiert, die er so fährt, und wollte dann natürlich unbedingt auch selbst fahren. Er hat mir das Ganze dann mit einem Pocket Bike ermöglicht. Als ich dann 2006 mit sechs Jahren alt genug für die Deutsche Meisterschaft im Pocket Bike war, bin ich dort meine ersten Rennen gefahren. Anfänglich aber noch hinten rum (lacht).

Lukas: Genau, mein Papa war sehr, sehr lange mein Betreuer. Es gab dann auch irgendwann Unterstützung durch einen Mechaniker und wir waren später beim Team Freudenberg mit involviert. Bis ich nach Spanien gegangen bin, haben wir aber fast alles selbst gemacht. Das Ganze hat klein angefangen und mein Vater hat dann auch irgendwann aufgehört, selbst zu fahren. Ein guter Freund von ihm hat ihm damals gesagt: „Das Geld, das du da im Rennsport rausschmeißt, das investierst du lieber in deinen Sohn. Vielleicht wird mal was aus ihm. Da ist das Geld besser ausgegeben!“
Ab einem gewissen Punkt war es auch einfach zu viel. Ich bin gefahren, er ist gefahren und meine Familie hat hier in Eberbach ein Restaurant. Das alles unter einen Hut zu bringen, war irgendwann schwierig. Er hat dann aufgehört und ist mit mir durch Deutschland, Holland, Italien und überall rumgereist, um mit mir zum Trainieren und zu den Rennen zu fahren.
Du bist ja schon recht früh auf europäischem Niveau gefahren und warst 2010 schon Mini-Bike-Europameister.
Lukas: Das war 2011. 2010 war ich bei den Pocket Bikes Vize-Europameister, damals noch gegen Bruno Ieraci. Er ist Europameister geworden, ich war Zweiter und Toni Arbolino war Dritter.
Ihr seid also damals schon europaweit unterwegs gewesen?

Alles an einem Wochenende. Dazu kamen dann noch die niederländische und die belgische Meisterschaft. Ich glaube, das haben wir bei den Pocket Bikes zwei oder drei Jahre so betrieben, um so viel wie möglich zu fahren und mit den Topjungs zu trainieren. So haben wir es dann auch später im Junior-Cup gemacht. Da bin ich 2014 in derselben Saison Junior-Cup und auch den Moriwaki-Cup gefahren. Im Jahr, in dem ich den Yamaha-Cup gefahren bin, bin ich auch ein paar Gaststarts in der IDM Supersport gefahren. Wir haben immer geschaut, dass wir viel unterwegs sind, viel fahren, viel trainieren. Das war im Endeffekt auch der Schlüssel dafür, dass ich gute Fortschritte machen konnte.

Lukas: Als sieben-, acht-, zehnjähriger Junge realisiert man das natürlich nicht komplett, aber mir ist sehr bewusst, wie anstrengend das war. Mein privates Umfeld und auch ich haben hier extrem viel geopfert. Freitags ging es aus der Schule raus und ab ins Wohnmobil und dann waren wir übers ganze Wochenende unterwegs. Daneben Hausaufgaben, Lernen und Vokabeln. Das ging eigentlich meine ganze Schulzeit so.
Wenn die anderen am Wochenende feiern waren oder was unternommen haben, war ich eigentlich immer unterwegs oder beim Trainieren. Ich habe extrem viel geopfert und meine Eltern genauso. Meine Mutter war eigentlich immer zu Hause, hat alles gegeben, dass das Restaurant läuft und dass mein Vater und ich unterwegs sein können. Mein Vater hat seine komplette Freizeit und seinen Urlaub immer mit mir verbracht, ist durch ganz Europa gefahren, dass wir Rennen fahren können und im Endeffekt erfolgreich werden. Wir haben alle extrem viel dafür getan und geopfert, um so weit zu kommen.

Lukas: Das mit Simoncelli, das müsste 2008 oder 2009 in Assen gewesen sein. Da sind wir damals über Luca Pasini mal ins Fahrerlager gekommen. Er ist der Vater von Mattia Pasini und hat uns die Pocket Bikes gebaut, mit denen ich damals gefahren bin. Das war für uns Jungs natürlich ein Traum! Du siehst Fahrer wie Marco Simoncelli und ich habe Bilder mit Casey Stoner, Alex Hofmann oder Randy de Puniet. Du stehst da vor den Jungs, die du sonst im Fernsehen siehst und die deine Vorbilder sind. Das ist einfach genial. Die Fotos habe ich heute noch auf meinem Handy und gehe sie immer mal wieder zur Erinnerung durch. Das ist wirklich sehr, sehr schön.
Seit ich als vierjähriger Junge auf der Couch saß und mit meinem Dad und meinem Bruder zusammen die Rennen geschaut habe, war mein absolutes Idol aber immer Valentino. Seit ich denken kann, war er an der Spitze, hat um die Rennen, die Siege und die Meisterschaften gekämpft. Das ist einfach wahnsinnig beeindruckend und er hat deswegen meinen höchsten Respekt und ist eigentlich schon immer mein Idol gewesen.
2014 warst du Vize-Meister im ADAC Junior-Cup, du bist erfolgreich im R6-Cup gefahren und hättest theoretisch den Sprung in die IDM machen können, hast dich aber stattdessen für die CEV entschieden und bist nach Spanien gegangen. Das ist in dem Alter ein sehr großer Schritt. Wie kam es dazu und würdest Du es noch mal genauso machen?

Deswegen war der Schritt nach Spanien absolut berechtigt, aber wir hatten kein konkurrenzfähiges Material, kein konkurrenzfähiges Team und es war auch extrem teuer, direkt auf einer Moto2 anzufangen. Der bessere Schritt wäre vielleicht gewesen, dort erst mal auf einer normalen 600er zu starten, von den schnelleren Jungs zu lernen, Fortschritte zu machen, die Strecken kennenzulernen und dann in ein Team mit konkurrenzfähigerem Material einzusteigen. Dann wären wir vielleicht nicht fünf Sekunden von der Spitze weg gewesen, sondern eventuell nur zwei. Aber das weiß man im Vorhinein nicht und so haben wir uns wirklich einige Jahre sehr, sehr schwergetan.

Lukas: Nach Spanien würde ich definitiv wieder gehen, aber eben etwas anders – in Spanien gibt es ja zwei Serien: Es gibt die FIM JuniorGP, in der die Moto2, Moto3 und der European Talent-Cup zu Hause sind. Dann gibt es noch eine spanische Meisterschaft, in der es eine 1.000er, 600er, 300er und, ich glaube sogar, Moto-4-Klasse gibt. Von dieser Serie bekommt man in Deutschland nicht viel mit. Dort bin ich 2018 eine Saison gefahren. Das ist ein super Umfeld, um zum Beispiel erste Schritte auf einer 600er zu machen und sich an die Strecken und das Level dort zu gewöhnen. Danach kann man den Sprung in die Europameisterschaft und in die Moto2 machen.
Für uns war schon sehr, sehr früh klar, dass es das Ziel ist, in die Moto2 zu kommen. Das war meiner Größe geschuldet, denn es ist mit 1,85 Meter nahezu unmöglich, Moto3 zu fahren. Ich war mit 15 schon 1,82 Meter, deswegen haben wir früh gesagt: Moto3 macht keinen Sinn, wir gehen Richtung Moto2. Dafür musst du aber in der Europameisterschaft fahren und erfolgreich sein, um in die Weltmeisterschaft zu kommen. Daher sind wir diesen Weg gegangen.
Aus sportlicher Sicht zu 100 Prozent nachvollziehbar. Als noch sehr junger Mensch war es aber sicher nicht einfach. Wie hast du das damals empfunden?
Lukas: Privat war es natürlich noch schwieriger, nicht mehr in Deutschland unterwegs zu sein, sondern jedes Mal nach Spanien runterzufliegen und wieder zurück. Ich war bis dahin ja auch noch in der Schule und habe erst 2018 mein Abitur gemacht. Mein Mathe-Abi habe ich gemacht, kurz bevor ich 2018 meinen ersten WM-Einsatz mit Kiefer Racing in Jerez hatte. Mittwoch vorher noch Matheprüfung geschrieben und dann zum Flughafen – es war schon wirklich ein Hin und Her. Die ganze Lernerei gerade aufs Abi hin – das war dann schon wirklich zäh. Sich den ganzen Lehrstoff reinzuhauen, nebenbei zu trainieren, Rennen zu fahren und das alles unter einen Hut zu bringen, das war echt schwierig. Deswegen war ich sehr erleichtert, als die Schule vorbei war und ich nur noch Rennen fahren konnte. Ich musste viele Abstriche machen, ich habe privat so viel zurückgelassen, aber es ist einfach der Weg, den man gehen muss, wenn man im Sport erfolgreich sein will. Das ist für mich das Wichtigste im Leben. Dafür würde ich mir eine Hand abhacken, um hier erfolgreich zu sein. Deswegen war es die Opfer definitiv wert.

Lukas: Ja, ich bin 2018 auf einer 600er die spanische Meisterschaft und die Moto2-Europameisterschaft gefahren, beides im selben Team. In der 600er-Klasse habe ich bis zum letzten Rennen in Jerez um den Titel gekämpft, leider aber durch ein paar nicht so gute Resultate in der Saison verloren. Auch in der Europameisterschaft war ich in der Saison zwei- oder dreimal auf dem Podium und das mit einer Mistral. Die ist in der Moto2 nicht das gängigste, aber trotzdem ein funktionierendes Motorrad. Durch die guten Ergebnisse habe ich von Kiefer Racing dann die Chance bekommen, in Jerez und in Le Mans als Ersatzfahrer für Domi Aegerter an den Start zu gehen. So konnte ich dann meine ersten Schritte auf WM-Niveau machen.
Eigentlich ging es dann für dich tatsächlich sehr vielversprechend weiter und du bist 2019 eine ganze WM-Saison mit Kiefer Racing in der Moto2 gefahren, allerdings unter schwierigen Bedingungen. In der Folge hast du für 2020 keinen WM-Platz bekommen. Du hast erwähnt, dass es auch 2018 in der spanischen Meisterschaft das eine oder andere Missgeschick gab. Wie ist das in so einer Situation als Rennfahrer? Wie gehst du mit solchen Rückschlägen um und wie schafft man es, die Motivation dennoch hochzuhalten?
Lukas: Der Speed war in der Saison 2018 schon nicht schlecht, ich habe damals aber noch sehr viele Fehler gemacht und war deswegen auf die ganze Saison betrachtet noch sehr inkonstant. Die Topresultate in der Saison haben mir aber die Tür für 2019 geöffnet und es ermöglicht, als permanenter Fahrer in der WM an den Start zu gehen. Es war allerdings wirklich eine schwierige Saison. Ich war Rookie, kannte die Hälfte der Strecken noch nicht und habe mich die ganze Saison mit dem Bike schwergetan. Dann habe ich nach der Sommerpause erfahren, dass es für mich nicht weitergeht. Da war die Motivation natürlich komplett im Keller. Nachdem es bis zur Saison 2018 wirklich stetig bergauf gegangen war, ging es dann ab Mitte 2019 steil, steil bergab. Nach dem Aus in der WM war es erst der Plan, Moto-E und Supersport-WM zu fahren, was aber leider an der Finanzierung gescheitert ist. So bin ich dann mit Kiefer wieder in die Europameisterschaft gegangen, wo ich erneut eine sehr schwierige Saison hatte. Das war damals mental sehr schwierig für mich. Ich habe dann versucht, mir für den mentalen Bereich Hilfe in Form eines Coaches zu suchen. Das hat aber auch nicht so gut harmoniert. Ich war an einem Punkt angekommen, an dem mich viele abgeschrieben hatten. In diesem Jahr war ich in der Europameisterschaft nur einmal auf dem Podium und bin sonst um Platz fünf oder sechs gefahren. Das ist nicht mein Anspruch und das sind auch nicht die Ergebnisse, um wieder in die Weltmeisterschaft zu kommen. Erst gegen Ende der Saison 2020 hat sich dann wirklich sehr, sehr viel verändert.
Du hast versucht, diese Durststrecke mit einem Mental Coach zu überbrücken, was dich aber nicht weitergebracht hat. Wir haben uns für unser Gespräch in deinem Fitnessstudio in Erbach getroffen, da du hier in den Wintermonaten täglich mehrere Stunden verbringst. Hilft dir das körperliche Training dabei, Rückschläge mental besser zu verkraften und wieder Motivation zu finden?

Wie muss man sich dann bei dir einen normalen Trainings- und Arbeitstag vorstellen?
Lukas: Bei mir sieht eigentlich selten eine Woche eins zu eins aus wie eine andere. Auch im Winter bin ich viel in Spanien, um zu trainieren. Ich habe dort eine Wohnung und meine ganzen Trainingsmotorräder. Wenn ich dort bin, versuche ich, dreimal in der Woche zum Fahren zu kommen. Ob Flatrack, Supermoto, Motocross oder mit meiner Tausender auf der großen Strecke, ich bringe da wirklich sehr viel Variabilität rein.
Daneben geht es dort auch ins Gym und es gibt viel Cardio sowie Rennradtraining. Ich versuche auch immer, viel Sonne aufzusaugen, und schaue, dass ich viel draußen bin. Wenn ich zu Hause in Deutschland und hier in Eberbach bin, bin ich zweimal am Tag im Gym. Dann sieht ein Tag relativ monoton aus. Ich stehe auf, gehe morgens zwei, zweieinhalb Stunden trainieren. Mittagessen gibt es dann zu Hause. Anschließend kümmere ich mich um das, was erledigt werden muss, zum Beispiel Büroarbeit oder Sponsorenangelegenheiten. Nachmittags oder abends kommt dann die zweite Fitnesseinheit. Ich verbringe so eigentlich jeden Tag vier bis fünf Stunden hier im Studio. Ich mache koordinative Übungen, trainiere auf Kraftausdauer oder mache eine Cardioeinheit. Geplant wird das für mich alles von Gregor, wofür ich auch extrem dankbar bin. So bin ich für die Saison komplett und top vorbereitet.
Du bist 1,85 Meter groß und hast vorhin verraten, dass du aktuell 69 Kilogramm wiegst. Vor allem der mit 1,84 Meter ebenfalls sehr große WorldSBK-Fahrer Scott Redding hat in der Saison 2022 wieder die Diskussion um ein Mindestgewicht für Fahrer angestoßen, da er die kleineren und oft deutlich leichteren Piloten im Vorteil sieht. Empfindest du deine Größe als deutlichen Nachteil?
Lukas: So wie ich auf mein Gewicht achtgebe, nicht. In manchen Situationen ist die Größe sogar ein Vorteil. Ob es jetzt beim Richtungswechsel oder auch im Regen ist, hier kann ich mit meinen langen Armen und Beinen einfach deutlich mehr machen. Auch auf den Geraden ist es von der Dynamik kein großes Thema, da ich mich wirklich gut zusammenfalten kann.
Der wichtigste Punkt ist tatsächlich das Gewicht. Vor allem gegen Fahrer wie einen Celestino Vietti oder Ai Ogura, die nicht die Größten und dadurch deutlich leichter sind. Für die ist es natürlich einfacher, am Mindestgewicht zu sein, als für mich. Das Mindestgewicht von Fahrer und Motorrad beträgt zusammen 217 Kilo. Ein Moto2-Bike hat ohne Sprit um die 143 Kilogramm, das heißt, der Fahrer muss mit Ausrüstung nach dem Qualifying oder einem Rennen mindestens 74 Kilo haben. Die Ausrüstung wiegt plus minus 10 Kilogramm. Das bedeutet, nackig musst du mindestens 64 Kilo haben. Wenn ich also in der Saison bei meinem Gewicht von 66 Kilo bin, dann liege ich da gerade mal zwei Kilo drüber. Es ist natürlich schwierig, bei meiner Größe dieses Gewicht zu haben, aber für mich ist das einfach ein Muss! Das Team hat so viel Arbeit, alle Aufnahmen sind aus Carbon, alle Schrauben sind aus Titan, das Motorrad ist extrem leicht und alles wird wirklich perfekt vorbereitet – da kann man als Fahrer natürlich nicht hingehen und sagen: Ist mir jetzt egal, ich gehe zu McDonald's! [lacht]. Deswegen ist es einfach mein Job, zu schauen, dass die Performance optimal ist und dazu gehört natürlich auch das Gewicht. In der Formel 1 spricht man von zwei bis drei Zehntel, die man pro 10 Kilo auf die Runde verliert, und ich denke, das wird im Motorradsport ähnlich sein. Deswegen ist es extrem wichtig, so nah wie möglich am Mindestgewicht zu sein, um die volle Performance zu haben. Es wäre einfach verschenkte Zeit.

Lukas: Ich denke, unterm Strich ist es jedem selbst überlassen. Es gibt auch im MotoGP-Zirkus Fahrer, die sich ohne Fleisch ernähren. Da bin ich nicht der Einzige. Für mich war es eine Sache, die ich vor der Saison 2021 einfach mal probiert habe. Der Anreiz kam damals im März 2021 von ehemaligen Kollegen bei der Polizei. Damals habe ich 10 Monate als Polizeikommissar-Anwärter bei der Polizei Hessen in Wiesbaden studiert. Da waren alle Sportler und die haben mich eigentlich auf die Idee gebracht und mal den Anreiz gegeben. Ich habe mir in der Saisonvorbereitung dann gesagt: Hey, das probierst du jetzt einfach mal eine Woche lang komplett unvoreingenommen aus. Und ich habe mich auf Anhieb besser gefühlt. Man muss dazusagen, dass ich bis dahin auch wirklich viel Fleisch gegessen habe. Ich denke, daher war der Unterschied spürbar. Ich war den Tag über konstanter, ich hatte beim Training mehr Kraft und war fitter. Ich habe direkt eine neue Bestleistung bei einem Halbmarathon aufgestellt und bin mit einem Schnitt von 3:59 Minuten auf den Kilometer 10 Minuten schneller gelaufen. Ich war wirklich perplex. Ich würde jetzt nicht alles auf die Ernährung schieben, aber doch einen beachtlichen Teil und so habe ich das mit in die Saison genommen und seither hat es für mich auch gut funktioniert. In Spanien, wo auch in der Hospitality 80 oder 90 Prozent der Gerichte mit Fleisch oder Fisch sind und sogar in den Erbsen Speck drin ist, war es natürlich immer relativ schwierig. Dann ist das teilweise schon echt eine Herausforderung und manchmal auch ein Kompromiss, bei dem man abends nicht das bekommt, was man eigentlich gerne hätte. Deswegen ist es natürlich zu Hause umso einfacher, wenn man sich dann auch ohne Fleisch wirklich gesund und ausgewogen ernähren kann.
Seitdem du angefangen hast, dich vegetarisch zu ernähren, ist dein Gewicht niedriger, du hast mehr Kraft, mehr Leistung, du bist schneller gelaufen – und du bist bessere Ergebnisse eingefahren. 2021 standest du in der Moto-E in Spielberg ganz oben auf dem Podium, du hast die CEV-Saison hinter Fermin Aldeguer und Alonso Lopez auf Platz 3 beendet. In der Saison 2022 lief dann quasi alles zusammen und du hast die Meisterschaft in Spanien souverän mit 255 Punkten gewonnen.
Lukas: Von 275 möglichen!
Was war 2022 anders? Was ist zusammengekommen, dass es am Ende so souverän mit der Meisterschaft geklappt hat?
Lukas: Da würden wir morgen noch hier sitzen, wenn ich das alles erzählen würde! [lacht] Die Kurzfassung ist, dass wir, seit ich angefangen habe, mit Daniel Todorović von O1ne Sport zu arbeiten, wirklich sehr, sehr viel geredet und sehr viel Zeit miteinander verbracht haben. Das hat mich mental gestärkt und so bin ich dann mit einer breiten Brust in die Saison 2021 gegangen und habe da super Ergebnisse abgeliefert. Dann waren wir aber irgendwann an einem Punkt, an dem es nicht weiterging. Wie ich vorhin auch schon angesprochen habe, war ich bei der Polizei im dualen Studium in der Sportfördergruppe, daneben hatte ich die Moto-E, die Moto2-Europameisterschaft und war auch noch trainieren. Alles gleichzeitig. Im Winter hat das halbwegs funktioniert, aber sobald die Saison losging und ich von Jerez nach Portimao, nach Estoril, nach Le Mans und überall rumgereist bin, hat mein Kopf gequalmt. Danach musste ich wieder heim zum Studium, musste den Stoff nachholen, die ganzen Rechtsfächer lernen und war komplett am Ende. Da habe ich gemerkt, dass das so nicht funktioniert.
Ich habe dann viel mit Daniel geredet und schlussendlich habe ich im Juli meinen Job bei der Polizei gekündigt und einen sauberen Strich gezogen. Das Rennen, das danach kam, war Spielberg. Da hatte ich das erste Mal wieder einen richtig freien Kopf, ich hatte ein Topteam, war top vorbereitet und konnte einfach frei fahren. Ich habe das Wochenende im Training auf Platz sieben begonnen, dann kamen Platz fünf und drei, dann Platz zwei im Quali und der Sieg im Rennen. Also ein perfektes Wochenende und ein perfekter Prozess. Danach habe ich die Saison super zu Ende gefahren, habe richtig, richtig Gas gegeben, hatte richtig Spaß und konnte mich wirklich komplett auf die Sache konzentrieren. Im Winter 2021 auf 22 war es dann eigentlich der Plan, bei IntactGP die Moto-E- und Moto2-Europameisterschaft zu fahren, was aber leider nicht geklappt hat. Aber ich denke, unterm Strich war es auch die bessere Entscheidung, sich nur auf eine Sache zu konzentrieren. Also nicht mehr Job, Moto-E und Moto2, sondern nur noch Moto2 und darauf den kompletten Fokus zu setzen. Das zusammen mit dem neuen Bike – 2021 sind wir in der Moto2 ja noch mit den Honda-Motoren gefahren, 2022 kam dann der neue Triumph-Motor – hat mit all den Änderungen der letzten Jahre noch mal einen gewaltigen Schritt gebracht. In Summe war ich dann in der Lage, eigentlich auf jeder Strecke eineinhalb bis zwei Sekunden schneller zu fahren als je zuvor. So ist dann die gigantische Saison zustande gekommen.

Lukas: Zuallererst wird das Motorrad komplett anders aussehen. Es wird nicht mehr schwarz-silber mit ein bisschen Neon-Rot, sondern Husqvarna-typisch blau-weiß [lacht]. Aber im Ernst, es werden sich doch sehr viele Details ändern, die am Ende schon einen großen Unterschied machen. Ich steige vom 2021er- auf ein 2023er-Chassis mit einer neuen Schwinge um, an der es einige Änderungen gibt. Dazu kommt, dass die Reifen von der Mischung etwas anders sind. Bei der Elektronik wechseln wir von Mectronik auf Magneti Marelli. Ich schätze, dass es beim Fahren nicht so einen großen Unterschied macht, sondern eher den Data Engineer im Hintergrund betrifft. Dazu bekommen die Motoren nächstes Jahr auch noch ein bisschen mehr Drehmoment und ein bisschen mehr Leistung. Wir sind natürlich weltweit unterwegs und der Einzige, den ich aus meinem Team 2022 mitgenommen habe, ist mein Data Engineer. Der Crew Chief und beide Mechaniker sind neu. Es sind sehr viele Details, die sich ändern. Mit Ixon habe ich auch einen neuen Lederkombihersteller an meiner Seite. Die Kombi habe ich jetzt auch das erste Mal getestet und bin da wirklich sehr happy. Es ändern sich viele Details und ich bin gespannt, was ich dann beim ersten Test in Jerez im März erleben werde, wenn alles zusammenkommt. Aber ich bin mir sehr sicher, dass ich mich schnell darauf einstellen kann und dann auch beim ersten Rennen in Portimao schon sehr schnell vorn dabei sein kann.
Du kommst jetzt ja aus der spanischen Meisterschaft, hattest aber eine deutsche Teamstruktur und bist jetzt erneut in einem rein deutschen Team. Ist es ein Vorteil, wenn man in einer Mannschaft arbeitet, die der eigenen Mentalität und Nationalität entspricht und auch die gleiche Sprache spricht? Oder macht es für dich keinen Unterschied?
Lukas: Ich würde sagen, das ist ein "Nice-to-have". Das Wichtigste ist natürlich, dass das Know-how und das Material stimmen und dass die Atmosphäre im Team passt. Wenn das Team dann noch dieselbe Sprache spricht, was jetzt bei mir der Fall ist, dann ist es ein perfektes Match. Meine beiden Mechaniker sprechen Deutsch, der Crew Chief ist Franzose, spricht aber auch ein paar Wörter Deutsch – wir werden dieses Jahr also sicher eine gute Zeit haben. Und auch vom bisherigen Umgang her bin ich wirklich, wirklich dankbar für die ganze Arbeit und dass die Mechaniker das Motorrad top hinstellen. Ich bin mir sicher, dass wir uns da wirklich sehr gut verstehen werden. Gerade im IntactGP-Team – das Team wächst jetzt ja auch noch mal mit der Moto3-Struktur, es gibt das Moto-E-Team mit zwei Fahrern und noch das Junior-Team. Damit sind nächstes Jahr insgesamt an die zehn Fahrer bei Intact. Die Struktur ist also riesengroß und hier tatsächlich Teil des Ganzen sein zu dürfen, macht mich unheimlich stolz.
Lukas, wir drücken dir für deinen Wiedereinstieg in der Moto2 WM ganz fest die Daumen und danken dir für das Gespräch.

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