EU-Rat billigt Einschränkungen für ältere Fahrer

Wie es bei Kompromissen der EU häufig ist, bleibt am Ende trotzdem hängen, womit sich die Bürger der Union demnächst herumschlagen müssen.
05.12.2023
| Lesezeit ca. 4 Min.
Adobe Stock
Wenn man einen Schneeball den Hang hinunterrollen lässt, wird er größer und größer und sammelt immer mehr Schnee auf, bis er schließlich zufrieden stehen bleibt. Größer und stärker, als er jemals zuvor war, dient er dann nicht selten als nützliches Fundament für einen prächtigen Schneemann. Bei der Gesetzgebung der EU empfinde ich das genaue Gegenteil: Es fühlt sich mehr an, als würde eine enorme Schlammlawine auf mich zurollen und nach und nach wird sie schwächer und schwächer, je weiter sie voranschreitet – und doch weiß ich, dass ich früher oder später von ihr getroffen werde. Nur wann und wie heftig, das bleibt bis zum Schluss eine Überraschung.
infotainment

Viele Forderungen werden nicht umgesetzt

Bildlich übertragen auf das neue Führerscheingesetz der EU, befindet sich die Schlammlawine derzeit noch auf dem Weg zu uns. Die deftigsten Einschränkungswünsche der Chefin des Verkehrsausschusses, Karima Delli – so weit sind wir bereits –, dürften weiterhin keine Mehrheit finden und somit keine Chance auf Umsetzung haben. Mit dabei waren verkehrssicherheitstechnisch zweifelhafte und weltfremde Ideen, beispielsweise ein Tempolimit von 90 km/h und Nachtfahrverbote für Fahranfänger. Aber wie das in der Politik nun einmal so ist, muss man schließlich auch das Doppelte von dem fordern, was man sich wünscht, um am Ende genau dieses im Rahmen eines Kompromisses zu bekommen.

Gesundheitstest und verkürzte Gültigkeitsdauer – auf ältere Fahrer kommen Einschränkungen zu

Was ältere Fahrer angeht, so billigt der Rat die Möglichkeit einer Reduzierung der Führerscheingültigkeit für Fahrer ab dem 65. Lebensjahr. Diese beträgt derzeit fünfzehn Jahre, dürfte aber von nun an erheblich verkürzt werden. Auch darf die Verlängerung an einen Gesundheitstest geknüpft werden. Dieser würde für alle Fahrer fällig. Wer wann, wo und wie viel verkürzt, läge in der Hand des Mitgliedstaats. Für Deutschland dürfte dies zunächst bedeuten: gar nicht. Der gesetzliche Rahmen aber wäre dann auch hierzulande gegeben.
Deine meinung zählt
Sollte die Fahrtauglichkeit im Alter per Gesetz obligatorisch überprüft werden?

Umfrage: Mehrheit gegen medizinische Tests

Unter Motorradfahrern zeichnet sich ein eindeutiges Bild ab. Von (bislang) 4.164 Teilnehmern der M&R Umfrage zum Thema sprechen sich 68,6 Prozent gegen obligatorische Fahrtauglichkeitstests im Alter aus. Für Tests ab 75 Jahren sind 17,2 %, während lediglich 11,4 % die Fahrtauglichkeit von Führerscheininhabern ab einem Alter von 70 Jahren regelmäßig überprüfen lassen möchten. Auch wenn die Umfrage natürlich nicht repräsentativ ist, so spiegelt sie zumindest ein Meinungsbild unter Führerscheininhabern wider.

Keine Mehrheit im EU-Parlament für SPD und Grüne

Verkehrsminister Wissing (FDP) stemmt sich seit Beginn der Debatte gegen verpflichtende Gesundheitschecks für Auto- und Motorradfahrer. Dennoch könnte er machtlos sein. Die CDU/CSU sieht er auf seiner Seite, die SPD und die Grünen dürften laut unseren Recherchen dafür stimmen wollen. Im EU-Parlament gibt es keine Regierungskoalition und die der Bundesrepublik Deutschland spielt dort keine Rolle. Dennoch stimmen die einzelnen Fraktionen zumeist auf Basis einer gemeinsamen Linie ab. Derzeit ist das Mehrheitsverhältnis im EU-Parlament so, dass SPD (S&D) und Grüne (Grüne/EFA), auch mit Unterstützung der Linken (Die Linke) und aller Fraktionslosen kein Gesetz gegen den Willen von CDU/CSU (EVP), Konservativen (EKR), AfD (ID) und FDP (Renew) durchbringen können, die mehrheitlich gegen verpflichtende Arztbesuche sind.
infotainment

Kommt jetzt der Kompromiss der Bürokratie?

Im EU-Parlament, das sich am Donnerstag mit dem Thema befassen will, steht derzeit jedoch ein Kompromiss im Raum, den auch die AfD (ID) befürwortet, was bedeuten würde, dass für diesen auch eine Mehrheit existieren würde. Demnach soll die Gültigkeit des Führerscheins von Personen mit einem Alter über 70 auf fünf Jahre reduziert und deren Verlängerung an eine (freiwillige) Fahrtauglichkeitsprüfung verknüpft werden. Diese könnte per ärztlicher Untersuchung oder per Selbstauskunft – so etwas kann nur Politikern einfallen, möchte man in den Wald schreien – erbracht werden. Ein Kompromiss dieser Art, der weder Fisch noch Fleisch ist, dürfte die wahrscheinlichste Variante sein, mit der wir uns schon einmal anfreunden dürfen. Zeit dafür bleibt genug – eine Umsetzung wird nicht vor Mai 2024 erwartet.
Jetzt mitreden – deine Meinung zählt!
Schon dabei? und mitdiskutieren!
Ihr Kommentar wird abgespeichert...