Vertreter von IVM (Industrie-Verband Motorrad), BVDM (Bundesverband deutscher Motorradfahrer), BU (Biker Union) und von der Initiative Schräglagenfreiheit trafen sich am Donnerstag den 6. Mai mit Verkehrsminister Scheuer. Der Grund war die anhaltende Motorradlärmdebatte sowie Fahrverbote und Streckensperrungen, die ausschließlich für Motorradfahrer gelten. Im vergangenen Jahr gingen deutschlandweit Motorradfahrer auf die Straße, um dagegen zu demonstrieren.
Bereits im Juli 2020 war es zu einem Treffen zwischen dem Verkehrsminister und Vertretern der oben genannten Gruppierungen gekommen. Gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Motorrad (BAGMO) erarbeiteten sie ein 19-seitiges Strategiepapier zur Zukunft des motorisierten Zweirads in Deutschland. Die darin aufgelistet Maßnahmen zur Eindämmung von Motorradlärm lesen sich dabei wie eine Zusammenfassung der Erkenntnisse aus dem Jahr 2020 und zeigen Alternativen zu den Sperrungen von Motorradstrecken auf.
Reiner Brendicke, Hauptgeschäftsführer des IVM, sagte: „Durch die enge und produktive Zusammenarbeit aller beteiligten Vertreter der Motorrad-Community haben wir heute die Möglichkeit, Bundesverkehrsminister Scheuer ein Papier zu überreichen, das sowohl die Bedürfnisse der Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer, als auch die Anliegen der Anwohnerinnen und Anwohner berücksichtigt. Wir sind zuversichtlich, dass das erarbeitete Strategiepapier zur Konfliktlösung beitragen kann und wird.“
Von technischer Seite streben währenddessen die Motorradhersteller an, bei der Geräuschmessung im Zuge der Typprüfung für Motorräder einen größeren Bereich der realen Betriebszustände abzudecken. Das Verfahren nennt sich RD-ASEP (Real Driving Additional Sound Emission Provision). Die UN hat dem Vorschlag bereits zugestimmt. RD-ASEP wandelt sich damit von einer Selbstverpflichtung der Motorradindustrie zu einer verbindlichen Testreihe im Rahmen der Typzulassung. Das bisherige Prüffenster wird von 20 bis 80 km/h auf 10 bis 100 km/h ausgeweitet, um alle zulässigen Landstraßen- und Innerortsgeschwindigkeiten abzudecken. Außerdem müssen alle Gänge vom 1. bis zum 6. Gang geprüft werden und das bei jeder Beschleunigung bis hin zu 80 Prozent der zulässigen Nenndrehzahl des Motors. Die Emissionen müssen dabei unter der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Grenzwertkurve bleiben.
Die Messung des Standgeräuschs bleibt hingegen wie sie ist. Es war ohnehin nie als Grenzwert vorgesehen. Die Messung mit alltagstauglichen Mitteln wurde entwickelt, um Fahrzeuge auf Einhaltung der Zulassungsbestimmungen überprüfen zu können. Unter festgelegten Rahmenbedingungen bei einer bestimmten Drehzahl soll eine erhebliche Abweichung vom in den Fahrzeugpapieren eingetragenen Wert lediglich auf eine Manipulation oder einen Defekt hindeuten. Das Strategiepapier betont nochmals, dass das Standgeräusch keinen Bezug zum Fahrgeräusch hat, sondern lediglich als Vergleichsgröße in Bezug auf den Neuzustand des Fahrzeugs dient. Schon deshalb hat jeder Fahrzeugtyp einen eigenen Wert als Vergleichsgröße eingetragen. Aufgrund der unterschiedlichen Messverfahren ist er in der Regel höher als das Fahrgeräusch gemäß Typzulassung. Einer Zweckentfremdung des Standgeräuschpegels als Grenzwert für Streckensperrungen fehlt jede rechtliche Grundlage.
Natürlich werden auch die umstrittenen, vom Bundesrat formulierten „Maßnahmen gegen Motorradlärm“ aus dem Mai 2020 im Strategiepapier thematisiert. Es wird kritisiert, dass der Bundesrat in vielen Punkten Maßnahmen fordert, die die aktuellen Regelungen bereits abdecken. Einzig an Personal und Mitteln um sie umzusetzen mangelt es in vielen Bundesländern. Die Motorradverbände fordern stattdessen eine Umsetzung des bestehenden Rechts und wünschen sich Kampagnen, die Motorradfahrer für die Lärmproblematik sensibilisieren. Vielerorts habe man mit Lärmmesstafeln und Beschilderung binnen kurzer Zeit dauerhafte Erfolge erzielen können.
Der Bundesverkehrsminister äußerte sich über das Strategiepapier: „Freiheit, Vernunft und Regeln – das ist modernes Motorradfahren. Die Initiative der Biker ist genau richtig. Es braucht mehr Rücksicht, Verständnis und Miteinander. Fahrspaß und eine sichere und verantwortungsvolle Fahrweise und der Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner müssen zusammen gehen. Deshalb hatte ich die Motorrad-Community bereits im Juli 2020 zu einem ersten Runden Tisch in mein Ministerium eingeladen. Es ist wichtig, dass wir im Austausch sind und gemeinsam Lösungen finden. Ich finde es gut, dass die Biker mit ihrem Strategiepapier ihren Beitrag zur Konfliktentschärfung leisten wollen.“