2022 hatte BMW die zuvor jahrzehntelang in Garmisch-Partenkirchen abgehaltenen „Motorrad Days“ nach Berlin verlegt. Das Ergebnis war unter mehreren Gesichtspunkten ernüchternd: Viel Kritik von Ausstellern und Besuchern gab’s, dazu viele ehemalige Motorrad-Days-Besucher, die sich der Reise nach Berlin verweigerten. Und eine nicht unbeträchtliche Menge organisatorischer Mängel war ebenfalls zu verzeichnen gewesen. Vor diesem Hintergrund gilt es, nun Bilanz über die zweiten Motorrad Days in Berlin zu ziehen, die nicht zuletzt das Hundertjährige des bayerischen Motorradherstellers thematisierten.
Vieles ist besser geworden
Fangen wir mit dem Positiven an: Die zahlreichen organisatorischen Schwachstellen des Vorjahres hat man fast gänzlich ausgemerzt, und zwar gründlich und überwiegend zur Zufriedenheit jener, die nach Berlin gekommen sind. Dazu gehörte nicht zuletzt der Verzicht auf Erhebung einer Eintrittsgebühr; diese sinnvolle Entscheidung dürfte eine deutliche finanzielle Einbuße bei BMW zur Folge haben. Denn die Zahl der Besucher ist gegenüber 2022 von 17.000 auf insgesamt rund 37.000 angewachsen. Auch wenn nicht alle davon eintrittspflichtig gewesen sind, da von BMW eingeladen.Großer interner Dankeschön-Event

Viele positive Zahlen
Klar positive Bilanzen zieht man auch bei den Werksbesichtigungen: „Total ausverkauft“ waren die Touren durch das Spandauer Motorradwerk. Die Zahl der Besucher lag dieses Jahr deutlich über 1.000, im Vorjahr waren es rund 600 gewesen. Auch beim Steilwandzelt „Motodrom“ sowie an den weitaus mehr Getränke- und Verpflegungsstationen wurde wesentlich mehr Nachfrage als im Vorjahr registriert, trotz teils krasser Getränkepreise.
Wenige kamen mit dem Bike von weither
Womit wir bei den problematischeren Seiten der BMW Motorrad Days 2023 angekommen sind. Weil die Zahl der aktiven, zudem mit dem Motorrad angereisten Besucher, wie schon im Vorjahr, weit unter den Garmischer Erfahrungswerten lag, waren 2023 schon deutlich weniger Aussteller als im Vorjahr angereist. Die Lücken in der Messehalle 20 waren deutlich erkennbar. Man kennt das von der Intermot in Köln … Nicht wenige derjenigen, die dennoch ihre Produkte angeboten haben, wurden erneut enttäuscht: Einige sprachen von „maximal 30 bis 50 Prozent des zuvor üblichen Geschäfts“, ein paar wenige dagegen zeigten sich hochzufrieden, beispielsweise Wunderlich und Ilmberger Carbon. „Viel besser als in Garmisch“ seis gelaufen, war dort zu erfahren. Auch bei Wunderlich zeigte man sich angetan: „Wer hier um Kunden wirbt, der findet sie auch“, war am unübersehbaren Stand zu hören.Nicht wenige Aussteller klagten

Vom exakten Gegenteil wissen andere zu berichten. Vor allem die Betreiber von motorradspezifischen Unterkünften hatten Grund zur Klage: Wie sollten auch die wenigen, sichtbar aktiv Motorrad fahrenden Besucher gut für normale Umsätze sein? Viel Zeit für interne Gespräche hatten auch die Anbieter von Motorradtrainings, Enduroparks und auch oft die von anderen Kontinenten angereisten Fernreiseveranstalter. Für langjährige Kenner der Szenerie pendelte sich die Kompassnadel zwischen erstaunt und bestürzt ein. Der Sonntag brachte zum Sonnabend keine Verbesserung.
Problem Testride-Hotels
Keinen Grund zum Optimismus haben ganz offenbar auch die sogenannten Testride Hotels. Nachdem der frühere Betreuer Herbert Prücklmeier den wohlverdienten BMW-Ruhestand genießt, scheint das Schicksal dieser genialen Idee vom „Motorradtest im Rahmen des Urlaubs“ besiegelt zu sein. Nein, Sektkorken hörte man dort nicht knallen …Spaßbremse „Regelungswut“

Der falsche Name für ein möglicherweise richtiges Produkt
Mein höchst persönlicher Eindruck auf Basis vieler Stunden, die ich am Samstag und Sonntag auf dem Messegelände verbracht habe: Der Aufenthalt auf den BMW Motorrad Days war eine exklusive Sache. Großes Sport- und Unterhaltungsangebot auf einem schön designten, gut nutzbaren Gelände. Gefühlt hielten sich zu wenige Leute auf dem weitläufigen Areal auf. Den Grund dafür könnte man in einem Missverständnis finden: Die Motorrad Days von Berlin sind gar keine Motorrad Days im überkommenen, bekannten Sinne. Bei der Berliner Veranstaltung handelt es sich um eine Art Hausmesse von BMW, garniert von ein paar Schmankerln wie dem Festabend im großen Zelt mit seiner binnen Minuten nach Programmbeginn total überschäumenden Stimmung. „Die Krüge hoch …!“ Das klappte bestens, vor allem bei den Gästen aus Asien.
Konsequenterweise müsste BMW der Berliner Selbstdarstellung einen anderen Titel verpassen bzw. hätte dies wohl am besten schon von Anfang an getan. „BMW Experience“ beispielsweise träfe es besser. Der Begriff „Motorrad Days“ suggeriert nämlich (unbewusst?), in Berlin seis wie früher in Garmisch. Ist es aber nicht und soll es wohl auch nicht sein: Einst handelte es sich um ein Motorradtreffen auf hohem Niveau mit Gaudifaktor 12. Jetzt betreibt BMW eine nur in Teilen unterhaltsame Marketingveranstaltung.
Unverständliche Distanz

Unter Wert verkauft
Fünf Motorräder für je einen 20-Jahres-Zeitraum! Jedes der fünf steht fraglos zu Recht auf seinem Podest. Wenn der MC Kleinkleckersdorf auf seiner 25-Jahre-Feier sie gezeigt hätte, wäre das mehr als respektabel. Für die „größte Premiummarke der Motorradwelt“, wie sich BMW selbst gerne bezeichnet, war dieser öffentliche Blick zurück auf 100 Jahre Motorradgeschichte – noch dazu am Werksstandort – nicht gelungen, weil unverständlich. Keine einzige K, keine F, keine G, keine S. Und keine Vierventil-GS, die Monster-Cash-Cow aus Berlin. Schade … Text: Ulf Böhringer, Fotos: Ulf Böhringer, BMW
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