Die österreichische Marke KTM hat etliche tausend Euro-5-Motorräder auf Halde stehen, die dringend verkauft werden müssen, weil ab 2025 neu zugelassene Krafträder in der EU die Euro 5+ erfüllen müssen. Die Geschäftsführung der Pierer Mobility AG verhandelt gerade mit Gläubigern und Aktionären über die Zukunft der Marke.
Gewinnwarnung für 2024 und Talfahrt des Aktienkurses um 85 %
Die KTM AG ist in Schieflage geraten, es gab eine Gewinnwarnung und die Prognose für 2024 wurde drastisch gesenkt. Nun braucht die Tochterfirma der Pierer Mobility AG – zu der unter anderem auch Husqvarna, GasGas und MV Agusta gehören – als Überbrückungsfinanzierung einen nicht näher bezifferten dreistelligen Millionenbetrag. Involviert in die Verhandlungen ist auch die indische Marke Bajaj, die über die Pierer Bajaj AG an KTM beteiligt ist und rund 49 Prozent der KTM-Aktien hält. Der Umsatz von KTM ist im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um etwa ein Viertel auf 1,01 Milliarden Euro eingebrochen. Gleichzeitig stieg die Nettoverschuldung um mehr als 90 Prozent auf satte 1,5 Milliarden Euro, zwei Jahre zuvor lag sie noch bei unter 300 Millionen Euro. Allein der Verlust im ersten Halbjahr 2024 wies ein Minus von 172 Millionen Euro aus. Da schrillten überall die Alarmglocken, die KTM-Aktie ist innerhalb von einem Jahr von 62,60 Euro auf 8,61 Euro (Stand 14. 11. 2024) um 85 Prozent abgeschmiert. Dabei hatte KTM 2023 noch rund 280.000 Motorräder weltweit verkauft, in Deutschland wurden in dem Zeitraum 11.612 KTMs
neu zugelassen.
573 Mitarbeiter dieses Jahr entlassen
Die Ergebnisse der laufenden Verhandlungen mit Gläubigern und Aktionären sind noch vollkommen offen, aber es wurden bereits Fakten geschaffen, als im ersten Halbjahr 373 Stellen bei KTM gestrichen wurden, weitere 200 folgten im August und September, um die Kosten zu senken. Selbst in der Führungsetage gab es einen Kahlschlag und der Vorstand der Pierer Mobility AG wurde von sechs auf zwei Personen reduziert. Zurzeit hat KTM noch rund 5.000 Mitarbeiter, ob sich die Zahl weiter verringert, hängt von der zukünftigen Strategie ab. Zudem musste die Pierer Mobility AG sein Händlernetzwerk in den vergangenen zwei Jahren massiv unterstützen, unter anderem durch Verlängerung der Zahlungsziele. Seit Anfang Oktober läuft bei den deutschen KTM-Händlern die Rabattaktion „
Mehrwertsteuerfreies Fahren“, bei der der Verkaufspreis um den Steuerbetrag reduziert wird (die Mehrwertsteuer wird anteilig natürlich trotzdem fällig).
Euro 5+ erhöht den Absatzzwang
Die Händler sind gezwungen, die 2024er-
Modelle mit Euro-5-Norm noch bis Ende des Jahres loszuschlagen, ansonsten müssen sie nächstes Jahr als Tageszulassung vom Dezember 2024 verramscht werden. Jetzt können Kunden zwar echte Schnäppchen machen, aber wer sich Anfang des Jahres eine teure KTM gekauft hat, wird berechtigterweise sauer sein. Im Netz bietet etwa ein Händler eine nagelneue
1290 Super Adventure R des aktuellen Modelljahrs für 4.540,-- Euro unter Listenpreis an.
Kampf mit Qualitätsproblemen
Erschwerend hinzu kommt, dass KTM in letzter Zeit mit argen Qualitätsproblemen zu kämpfen hat und die Kunden das Vertrauen in die Marke verloren haben. Viele Käufer sind erbost, weil ihre Motorräder außerplanmäßig in die Werkstatt mussten, darunter waren auch erhebliche Motorschäden. KTM-Vorstandsmitglied Hubert Trunkenpolz nannte als Grund die Corona-Krise, weil in der Zeit Teile nicht geliefert worden seien und die Motorräder erst später hätten zusammengebaut werden können. Deshalb hätte KTM, laut Trunkenpolz, über 200.000 Motorräder in einem Jahr bauen müssen, dabei sei das Werk in Mattighofen auf nur 170.000 Stück ausgelegt. Dem muss aber entgegengehalten werden, dass andere Marken, die genauso von der Corona-Krise betroffen waren, keine Qualitätsverluste in der Produktion erlitten haben. Seitens der KTM-Geschäftsführung kam die Aussage, dass sie beabsichtigen, „die KTM AG operativ und finanziell wieder auf eine stabile Basis zu stellen.“ Das heißt wohl, dass sie vorerst die Produktion drosseln und alle Kostenposten auf dem Prüfstand stehen.
Verhandlungsergebnis ungewiss
Jetzt sucht KTM dringend frisches Geld, um den Betrieb am Laufen zu halten und die Zulieferer bezahlen zu können. Die Verhandlungen befinden sich noch im Anfangsstadium und die Beteiligten wollen über den aktuellen Stand noch keine Auskunft erteilen. Allerdings wurde eine Strategie verkündet: „Ziel ist es, Kosten und Absatz ab dem Geschäftsjahr 2025 auf einem redimensionierten Niveau zu stabilisieren und so die Basis für eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität zu schaffen.“ Im Zweifelsfall könnte das einen weiteren Stellenabbau in Mattighofen bedeuten und möglicherweise eine Produktionsverlagerung weiterer Modelle nach China (wo CFMoto schon die 790er-Modelle baut) oder Indien (wo alle KTMs zwischen 125 und 390 ccm herkommen), auch wenn Trunkenpolz im September versprach, dass die Produktion aller Modelle ab 990 ccm und die Wettbewerbsmodelle (Motocross und Sportenduro) in Mattighofen bleiben würde. Sicher ist, dass Bajaj als KTM-Anteilseigner an den Verhandlungen mitwirkt und CFMoto die Sache genau verfolgen wird. Sowohl die indische als auch die chinesische Marke ist finanziell gut aufgestellt und könnte daran interessiert sein, eine bekannte europäische Marke zu übernehmen. So wie es KTM in der Vergangenheit mit Husqvarna, GasGas und MV Agusta gemacht hat.