KTM steigt aus – MV Agusta bangt um seine Zukunft

MV Agusta ist durch den Rückzug der insolventen Firma KTM in eine prekäre Lage geraten. Wie es in Varese weitergeht, ist noch völlig offen, denn der frühere Besitzer Sardarov verfügt nur noch über eine Minderheitsbeteiligung.
13.12.2024
| Lesezeit ca. 4 Min.
Ingo Gach
Marco Campelli, MV Agusta
Die Insolvenz von KTM zieht immer weiterer Kreise, denn sie betrifft auch die zugekauften Marken. Erst zu Beginn des Jahres übernahm die KTM AG mit 50,1 Prozent die Mehrheit bei der Traditionsmarke MV Agusta. Doch wegen ihrer Zahlungsunfähigkeit und das momentan laufende Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung steigt KTM nun bei MV Agusta aus. Damit zieht KTM der Marke aus Varese den Boden unter den Füßen weg.

Von einer Pleite in die nächste

Dabei trat KTM zunächst scheinbar als Retter von MV Agusta auf. Der bisherige Besitzer, der Russe Timur Sardarov, war 2016 in die fast insolvente Firma MV Agusta eingestiegen und hat ein Jahr später die Mehrheit für rund 50 Millionen Dollar übernommen. Nach einigen Restrukturierungsmaßnahmen konnte Sardarov 2022 endlich vermelden, dass MV Agusta sämtliche Schulden der Gläubiger beglichen hatte. Doch der Verkauf der exklusiven, aber teuren Motorräder aus Varese verlief schleppend, die geplanten Umsatzzahlen konnten nicht erreicht werden und die Firma war weit von der Gewinnzone entfernt. Dann trat Stefan Pierer auf den Plan, der sich schon lange eine Sportmarke im Portfolio seiner KTM AG wünschte. Bekanntlich baut KTM nur Ein- und Zweizylinder-Motorräder, eine legendäre Marke mit leistungsstarken Drei- und Vierzylindern kam ihm da gerade Recht.

KTM kauft MV Agusta, obwohl die Insolvenz droht

Im September 2022 verkündeten die beiden Marken ihre Zusammenarbeit, zunächst übernahm KTM 25,1 Prozent an MV Agusta sowie den Vertrieb der italienischen Motorräder in Nordamerika und schließlich weltweit. Ab Oktober 2023 war KTM auch federführend bei der Lieferkette und Einkauf der Italiener. Eigentlich war von KTM geplant, die Mehrheit an MV Agusta erst 2026 zu übernehmen, aber dann ging es doch wesentlich schneller: Im März 2024 erwarb KTM weitere Aktien und besaß schließlich die Mehrheit mit 50,1 Prozent. Zu dem Zeitpunkt wusste die Geschäftsführung in Mattighofen aber bereits, dass sie ein massives finanzielles Problem durch eine irrwitzige Überproduktion hatte: über 100.000 Motorräder standen unverkauft auf Halde (bis November hat sich die Zahl auf 130.000 summiert), teilweise noch von 2023 und sogar 2022 und der Kurs der KTM-AG befand sich im steilen Sinkflug. Eigentlich hätten in Mattighofen alle Alarmglocken schrillen und die Geschäftsführung um CEO Stefan Pierer sofort rigorose Sparmaßnahmen einleiten müssen. Stattdessen kauften sie die Mehrheit an MV Agusta für einen nicht näher genannten Millionenbetrag.

2.000 MV Agusta stehen bei KTM auf Halde

Doch die Zusammenarbeit dauerte nur kurz, am 9. Dezember trafen sich in der Confindustria Varese, nahe beim Werk im Vareser Stadtteil Schiranna, Vertreter der italienischen Gewerkschaften mit Vertretern der KTM AG, die sich zu dem Zeitpunkt bereits in der Insolvenz in Eigenregie befand. Dort gaben die Österreicher bekannt, dass sie MV Agusta nicht mehr als „strategisch wichtigen Vermögenswert“ betrachten. Das bringt MV Agusta und den Minderheitseigner Timur Sardarov in arge Bedrängnis. Zurzeit stehen rund 2.000 MV Agusta in Mattighofen, die nun nach Varese zurückgeholt und dann verkauft werden müssen. Die Zukunft ist noch problematischer, denn auch wenn die Motorräder im Werk in Varese zusammengebaut werden, ist Mattighofen bisher für den Einkauf der Teile bei den Zulieferern zuständig gewesen. Das bedeutet, dass MV Agusta in Varese keine Teile auf Lager hat, um weitere Motorräder zu bauen. Selbst die benötigten Komponenten zu kaufen, ist für MV Agusta nicht so einfach möglich, denn die Zulieferer haben mit KTM noch viele Rechnungen offen und der Sanierungsplan der Österreicher sieht vor, eine Schuldentilgung von nur 30 Prozent zu bieten. Die Zuliefererfirmen werden vermutlich erst wieder liefern, wenn die alten Rechnungen bezahlt worden sind.
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Sardarov muss die laufenden Kosten begleichen

Für Sardarov, der 49,9 Prozent der MV Agusta-Aktien hält, wäre der sinnvollste Weg, wieder die Aktienmehrheit bei MV Agusta zu erlangen. So würde er wenigstens seine Handlungsfreiheit wiederbekommen. Doch darüber entscheidet nicht die insolvente Firma KTM, sondern ein Richter in Österreich. Zwar ist Timur Sardarov kein verarmter Mensch, sein Vater ist ein milliardenschwerer, russischer Oligarch, aber auch er muss betriebswirtschaftlich denken. Die Mitarbeiter in Varese wollen ebenso bezahlt werden wie die laufenden Kosten des Werks.

Optimistische Ankündigung von MV Agusta

MV Agusta gibt sich betont optimistisch – schließlich hat man seit der Gründung 1945 schon zahlreiche Besitzer (u. a. Cagiva und Harley-Davidson) erlebt – und will weiter produzieren, mit dem Ziel, nächstes Jahr 3.000 Motorräder zu verkaufen und dabei keine Lagerbestände anzuhäufen. Sie wollen im Zeitraum bis 2027 sogar wachsen, um dann eine dauerhafte Stabilität zu erreichen. In Anbetracht der aktuellen Umstände erscheint das als sehr ambitioniertes Ziel und wäre vermutlich nicht einmal mit einer drastischen Preissenkung bei den Modellen machbar. Allein schon der Vertrieb dürfte erhebliche Probleme bereiten: MV Agustas werden inzwischen oft über KTM-Händler verkauft, doch die fallen nun weg. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass eine andere Firma die Mehrheit an MV Agusta kauft. Solvente Motorradhersteller aus Asien könnten sich vielleicht auch eine legendäre, italienische Marke in ihrem Portfolio vorstellen. Mit QJ (Qianjiang Group) aus China gab es bereits eine enge Zusammenarbeit, bevor KTM einstieg und die Kontakte kappte.

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Kommentare (6)
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Andreas
25.12.2024 14:49


In NRW gib es jedoch keinen MV Agusta Händler.
Zumindest funktioniert kein link auf  Website der aufgeführten Dealer der MV Agusta.
Die die funktionieren sind KTM Händler 🤷‍♂️
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MV Desaster
18.12.2024 21:04


Ich war mal Vertragspartner für die aus Varese.
Ihr habt keine Ahnung, wie die mit ihren Händlern umgehen.
Viele Leistungen wurden einfach nicht bezahlt, obwohl sie von ihnen in Auftrag gegeben wurden. 
Die Produkte halten, wenn man sie nicht zu oft benutzt. 
Was nützt einem Mann die schönste Frau, wenn der Rest von ihr einfach nur Scheiße ist.
Für die Preise, die dort aufgerufen werden, kann man auch qualitativ hochwertige Produkte bekommen.
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Robert
16.12.2024 23:08


Auf den Punkt
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rowomoto
14.12.2024 21:59


Interessanter Beitrag. Leider mit einigen Halbwahrheiten und Falschaussagen. MV Agusta geht es nun wirklich nicht soooooooooooo schlecht. Seit 2022 stand die Firma so gut da, wie lange nicht mehr. Auch dank der Führung durch Timur Sardarov, der als Manager seit der Übernahme von MV Agusta vieles in die richtige Richtung bewegt hat. Wer sich mit seiner Vita auseinandersetzt weiß, dass er nicht "nur" der Sohn eines russischen Oligarchen ist. Er hat mehrere Unternehmen gegründet oder mitbegründet und ist mit deren Leitung neben seiner Arbeit als CEO bei MV auch weiterhin beschäftigt. Dazu zählen die Ocean Group, Black Ocean, MyCube und Ocean Sky. Also ähnlich, wie der Herr Pierer. Letzterer wird übrigens auch nicht unter der Brücke groß geworden sein. Vielleicht ist er der Sohn eines österreichischen Oligarchen? Wir wissen es nicht und selbst wenn es so wäre, wäre das Wording in seinem Fall ein anderes. Fakt ist, dass es für MV eine Katastrophe ist, was hier die Pierer AG abzieht. Vielleicht sollte man seitens MV rechtliche Schritte prüfen, sollten hier Teile nicht das Lager in Mattighofen verlassen, die augenscheinlich MV Agusta zustehen. Zudem zog KTM 2024 rasch den Vertrieb bei MV Agusta an sich und änderte alles. Händler konnten zum Beispiel Motorräder erst freischalten, wenn KTM die Bezahlung bestätigte. Ansonsten war das Motorrad zwar da aber konnte nicht gestartet werden. Sowas gab es bei MV vor der KTM-Ära nicht. Quasi alles hau-ruck-Aktionen und Investitionen, die im Nachhinein völliger Stuss sind. Der Verkauf von MV wurde zudem in Europa blockiert, da Motorräder primär nach Nord- und Südamerika geliefert wurden und Händler im Deutschland ewig auf bestellte Modelle warteten. Warum dann noch 2.000 Motorräder in Mattighofen stehen ist eine berechtigte Frage. Die Aussage "MV Agustas werden inzwischen oft über KTM-Händler verkauft" ist ebenfalls völlig an den Haaren herbeigezogen. MV Agusta verfügt nach wie vor über ein eigenes Händlernetz und verkauft darüber seine Motorräder. MV Agustas bei KTM-Händlern sind in Deutschland vielleicht hier und da anzutreffen aber das ist die Ausnahme. Hierzu empfehle ich den Blick auf die Webseite des Herstellers. Das könnte man auch selbst in 5 Minuten recherchieren, bevor man solchen Unsinn schreibt.
MV wird jedenfalls weiterleben. Der Pierer kann gern den Bach runtergehen. Sein Lebenswerk ist nicht KTM, denn dass hat kein P im Namen. Vielleicht sollte Hubert Trunkenpolz mit seiner Familie die Marke KTM aus dem größenwahninnigen Pierer-Konzern herauseisen und wieder zurück zu seinen Wurzeln bewegen. KTM war und ist primär ein Hersteller von Cross- und Enduromaschinen. Vielleicht ist ja der übertriebene Einsatz im Motorsport ein Grund für die Pleite? Hat man sich hier überhoben? Wo ist das ganze Geld hin von den vielen guten Geschäftsjahren? Es wurden Gewinne in Millionen erwirtschaftet und innerhalb von zwei Jahren geht das alles den Bach runter? Hier stimmt doch was nicht und wie üblich versucht sich so eine Firma über eine Insolvenz die Schulden vom Hals zu schaffen, die man durch jahrelanges Mismanagement angehäuft hat. Wie wäre es denn, wenn der Herr Pierer anstatt großzügiger Parteispenden in Österreich seinen Unternehmen in schlechten Jahren finanziell unter die Arme greift. Geld genug hat er mit Sicherheit. Aber nein...lieber jammert man herum und geht in eine Restrukturierung auf Kosten von Arbeitnehmern und deren Familien und, wie üblich, auf Kosten der Steuerzahler. Bravo! 
Meine Empfehlung: Hände weg von KTM und seinen vielen Marken. Dieser Konzern hat sich leider zu weit von seinen Wurzeln entfernt und so lange der Pierer dort das Sagen hat, sollte jeder halbwegs intelligente Mensch sein Geld woanders investieren.
2 Antworten
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RAYTANIC
16.12.2024 08:46


Dem ist nichts mehr hinzuzufügen....komplett meine Meinung
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Storehampi
15.12.2024 11:34


Sehe es genau so.