Das Lagerfeuer ist riesig. Der Holzstapel meterhoch. Die Flammen züngeln darüber in den Nachthimmel. Ein Feuerwerk aus Funken erhellt die Dunkelheit. Am Feuer sitzt Bernd Tesch. Um ihn herum etwa 250 Fernreisende und Reiseinteressierte. Seit 1977 schart der 84-Jährige mit dem langen grauen Bart Motorrad-Reise-Ikonen und Normal-Motorradfahrer um sich. Hier bei Malmedy, bei seiner „erweiterten Familie“, fühlt er sich sichtlich wohl.
Bereits bei der Anfahrt zum Zeltplatz haben die Motorradfahrerinnen und -fahrer die Wahl der Qual. Wer etwas auf sich hält und das auch beweisen möchte, fährt durch den Bach. Bejubelt von den Zuschauern, wenn das rettende Ufer gischtspritzend erreicht wird. Zur Qual werden die Folgen der (Über)-Mut, wenn das Fahrkönnen dem tiefschottrigem Bachbett und dem schnell fließenden, kalten Wasser nicht gerecht wird. Zwischen Mut und Übermut liegt meist nur ein größerer Stein. Zumindest feuchte Socken in nassen Stiefeln, gelegentlich auch neue Kratzer am Motorrad, zeugen von der falschen Entscheidung. Dank Peter, der in seiner wasserdichten Anglerausrüstung die Gestützten schnell wieder aufrichtet, bleiben die Schäden übersichtlich.
Die meisten Bikerinnen und Biker wählen die sichere Brücke. Weniger theatralisch, aber trockenen Stiefels erreichen sie die Zeltwiese. Diese Wiese ist vom 25. bis 27. April das Thing des Informationsaustausches über exotische Reiseziele, abenteuerliche Reisen und die Erfahrungen mit Motorrädern auf Pisten, Dünen und Asphalt. Bernd Tesch schafft es berühmte Motorrad-Reisende, Bezwinger abenteuerlicher Routen und ungewöhnliche Traveller in die Eifel zu locken. Er war bereits Networker als es den Begriff noch nicht gab. Denn zum 65. Mal hat er die Fernreisegemeinde eingeladen. Von der Anziehungskraft des Events zeugen die Anzahl der Stammgäste. Auf jedem Treffen sind Besucher, die mindestens 10 Mal oder häufiger bei Bernd Tesch waren.
Neben den Reisenden sind die Vorträge am Samstag die Hauptattraktion des Treffens. So unterschiedlich wie die Reisenden sind auch die Geschichten. Mit Rollstuhl, Gespann und Geländewagen fuhren Heike Schmidt und Toshi Meier-Brook über 18 Monate durch die beiden Amerikas und Südafrika. Bernd Tesch und seine Frau Patrica Govers-Tesch waren in Australien unterwegs. Drei Jahre war der Franzose Jean-Louis Souchiere mit einem Ural-Gespann on Tour.
Nach den Vorträgen lodert wieder das Lagerfeuer. Geschichten aus aller Welt machen die Runde. Informationen werden ausgetauscht. Touren geplant. Klar kann und sollte man sich auch im Internet informieren. Aber am Monitor gibt es kein Lagerfeuer. Keinen Bernd Tesch, der von Afrika und Australien erzählt. Keine Bachdurchfahrt. Keine Funken, die durch den Nachthimmel schießen, als ob sie auf einer abenteuerlichen Reise wären, als Aufforderung es ihnen gleichzutun.
Die Hauptattraktion des Treffens sind die Teilnehmer. Deshalb hier einige Aussagen von ihnen über ihr Reiseleben.
Man braucht wenig, um viel zu erleben. Mir gefällt das Reduzieren der Dinge auf das Wesentliche. So kann man auch mit wenig gut leben.
Das Leben ist im Prinzip überall gleich. Die Menschen sehnen sich nach den gleichen Dingen. Die Welt ist besser als man denkt. Die Menschen sind besser als man denkt.“Herbert, fährt in 2 Wochen zum Pamir Highway Von den Touren profitierst du ein Leben lang. Was du gesehen und erlebt hast, kann dir keiner mehr nehmen. Das verändert dich. Auf den Treffen siehst du Leute wieder, die du irgendwo auf der Welt getroffen hast. Schöne Momente!“JENS, ORGANISIERT HORIZONS UNLIMITED GERMANY TRAVELLERS MEETINGIch bin schwer depressiv. Motorradfahren hilft gegen meine Krankheit. Zwei weitere Hobbys, Kunstgeschichte und Reisen, lassen sich super damit verbinden. Ich reise seit meiner Kindheit, seit den 50er Jahren.“ARNO, WELTUMRUNDER Das Schöne beim Reisen ist das Ungewisse. Man weiß nie, was einen erwartet. Jeder Tag bringt etwas Neues. Irgendwie geht es immer weiter. Man überwindet Hindernisse. Verliert die Angst vor dem Ungewissen. Hat keine Angst vor dem Scheitern. Ich mache mir weniger Gedanken als früher.“Peter, reist seit 14 Jahren mit dem Motorrad Man kann nicht mehr in einen normalen Urlaub fahren. Drei Wochen reichen einfach nicht. Du brauchst mehr Zeit für die Leute. Kurztrips machen keinen Spaß mehr. Die Bewertung von Wohlstand und Besitz hat sich verändert. Die Begriffe haben an Bedeutung verloren.“ Heike und Toshi, reisten über 1,5 Jahre mit Motorrad und Rollstuhl Die Reisen haben mich geerdet. Anderen Menschen geht es nicht schlechter. Sie leben nur auf einem anderen Niveau. Mein Blick auf unsere Wohlstandsgesellschaft hat sich verändert. Diese sehe ich jetzt kritischer. Auf Reisen erlebe ich etwas völlig anderes. Vor allem, dass die Menschen nett und freundlich sind.“ Angelika, Vespa-Fahrerin, längste Reise 5 Wochen Beim Reisen fasziniert es mich, andere Lebenswelten zu sehen. Zu sehen, wie es anderen Menschen geht, wie diese leben. Mir wurde dabei auch klar, welches Privileg es ist, hier geboren worden zu sein. Hier zu leben. Gelernt habe ich auch, dass unterschiedliche Wege zum Ziel führen.“ Guido, Motorrad-Journalist Urgestein in der Motorrad-Reise-Szene: Bernd Tesch
Bernd Tesch, Jahrgang 1941, ist das Urgestein in der Motorrad-Reise-Szene. Bereits 1970 war er in Afrika unterwegs. Bis heute hat er nach eigenen Angaben 111.111 Kilometer dort zurückgelegt. Er ist Autor, Berater und Ausrüster für Weltreisende, Journalist, Sammler von Reiseberichten und vieles mehr. Der Titel seines aktuellen Buches lautet „Australien Abenteuer Reisen“. Seine Lebensphilosophie: Reisen ist die beste Schule des Lebens.