Motorradbranche vor dem Aus? So schlecht geht es den Zweiradherstellern.

Steht die Motorradbranche vor dem Aus? Betrachtet man die mediale Berichterstattung könnte man den Eindruck gewinnen. Zeit für einen Faktencheck!
12.09.2020
| Lesezeit ca. 5 Min.
Alexander Klose, Pixabay

Lauscht man den Kumpels am Stammtisch, geht es beim Thema Motorradhersteller hoch her: „Kawasaki verdient sein Geld mit Schiffsmotoren. Der Chef ist aber ein großer Motorradfan, der betreibt die Motorradsparte als ein Hobby. Mit Motorrädern kann man ja sowieso kein Geld verdienen“. „Suzuki steht kurz vor dem Aus, denn die Entwicklungskosten für Euro 5 sind so hoch, da müssen dann eben alle Motorradmodelle eingestellt werden“. „BMW und Suzuki machen Ihr Geld sowieso nur mit Autos, Yamaha dagegen verdient sein Geld am Klavier“. „Harley-Davidson steht kurz vor dem Konkurs. Die machen das Werk in Indien dicht, da fehlt nicht mehr viel bis zum endgültigen Aus“. „Triumph, geht es als purem Motorradhersteller traditionell sehr schlecht. Keine Ahnung wie die über die Runden kommen“. Diese oder ähnliche Aussagen dürfte jeder schon einmal am Stammtisch gehört haben. Aber stimmt das wirklich?

Ein Blick in Bilanzen und Finanzberichte enthüllt erstaunliches

Wie geht es den Motorradbauern finanziell? Sind Motorräder eine kleine, wirtschaftlich vollkommen uninteressante Nische, die Konzerne bestenfalls kostendeckend als Hobby nebenher betreiben? Schauen wir uns die wirtschaftliche Situation der beliebtesten Motorradhersteller einmal an und beginnen mit BMW. Dort verdient man den Löwenanteil des Geldes mit Autos. Keine Frage. Im Motorradbereich macht BMW einen Umsatz von „nur“ rund 2.500.000.000 Euro. Im Vergleich zum Gesamtkonzern, der einen Umsatz von über 100 Milliarden erzielt, scheinen das wirklich nur Peanuts zu sein. Aber auf einen Umsatz in dieser Größenordnung trifft diese Aussage aber nun wirklich nicht zu. Fußballschwergewicht und Champions-League-Sieger 1. FC Bayern München erreicht als Big-Player in der medial deutlich größeren, kommerzialisierten "Fußball AG" als einer der weltweiten Branchenführer einen Umsatz von lediglich 750 Millionen Euro. Ein Drittel dessen was BMW Motorrad erwirtschaftet. Während die Motorradbranche zu Unrecht belächelt oder als kleines Anhängsel wahrgenommen wird, ist der Club von Welt medial allgegenwärtig. Der Gewinn für Motorräder der Münchener liegt übrigens über 200 Millionen Euro jährlich. Die Entwicklungskosten für Motoren und Modelle, die in Bayern ausgegeben werden, liegen bei rund 100 Millionen Euro.

Zwei Milliarden Konzerngewinn, aber Stellenabbau und Innovationsflaute

Der Gesamtkonzern von Suzuki konnte kürzlich gar einen Rekord feiern und die Schallmauer von zwei Milliarden Euro Gewinn knacken. Die neuen Motorrad-Topmodelle der Japaner werden kaum dazu beigetragen haben, denn innovative Neuentwicklungen der Marke gibt es seit Jahren nicht mehr. Kultmodelle wie die V-Strom haben eine feste Fangemeinde und auch nach Jahren findet man diese Bikes unter den zulassungsstärksten Krafträdern. Nichtsdestotrotz gab es massiven Stellenabbau im Motorradbereich. Man setzt im Konzern offensichtlich andere Prioritäten. Erste Stimmen munkeln, dass Suzuki die Sparte Motorrad gänzlich aufgeben könnte. Das passiert bei Honda vermutlich nicht. 1,4 Milliarden Gewinn stehen laut Prognose für den Gesamtkonzern im Corona-Jahr 2020 zu Buche. Bei Kawasaki setzt man rund 12,2 Milliarden Euro jährlich um. Die Motorradbranche trägt knapp 3 Milliarden zum Konzernergebnis bei. Von 2014 bis 2016 wurden stets deutliche Gewinne ausgewiesen.

Der Umsatz von Harley-Davidson ist seit 2014 rückläufig

Bei Harley-Davidson läuft es wahrlich schlecht. Eine Hiobsbotschaft jagt die nächste. Blättert man durch die Medienberichte bezüglich Zulassungszahlen und das Konzernergebnis kann man nur zu dem Schluss kommen, dass in Milwaukee bald die Lichter ausgehen müssen. Der Umsatz geht stetig zurück, die Aktien fallen. Es steht so schlecht, dass die Infos zum Modell Bronx, das für Ende 2020 angekündigt war, gar vollständig von der Webseite entfernt wurden. Mit der Pan America versucht man nun den letzten Strohhalm zu greifen, um sich noch irgendwie zu retten. Der Konzern erzielte einen Umsatz von gerade einmal noch 4,6 Milliarden Euro. Der Gewinn "schrumpfte" auf nur noch 290 Millionen Dollar. Natürlich entspricht es der Wahrheit, dass der Umsatz beim amerikanischen Traditionshersteller zuletzt rückläufig war, dennoch weist man in den letzten 10 Jahren einen kumulierten Gewinn von rund sechs Milliarden Dollar aus. Kein einziges Jahr seit 2009 wurde mit einem Minus abgeschlossen. Um den Zahlensalat fix zu Ende zu bringen: Yamaha Motor wies zuletzt für alle Sparten einen Gewinn von insgesamt knapp 800 Millionen Euro aus. Der britische Traditionshersteller Triumph lag bei knapp 20 Millionen Gewinn. Die Ducatisti verkauften über 50.000 Modelle und erwirtschaften damit einen Gewinn von rund 50 Millionen Euro. Die Senkrechtstarter aus Mattighofen kommen mit KTM auf einen Gewinn von rund 115 Millionen Euro und feiern bereits neun Jahre in Folge einen Rekordabsatz.

Milliardengewinne machen die Motorradbranche zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor

Das Einzige was weit und breit nicht zu finden war? Genau: Große Motorradhersteller, die mit dem, was sie tun, kein Geld verdienen. Die Motorradbranche ist ein echter Wirtschaftsfaktor in der Milliardengewinne eingefahren werden. Das sind Zahlen von denen Liebhaber, die Einzelstücke oder Kleinstserien anfertigen, natürlich nur träumen können. Besonders Schade ist es daher, dass man mitunter den Eindruck nicht los wird, der ein oder andere Medienvertreter würde den Zweirad-Bereich kleinreden. Daraus resultierte auch die etwas waghalsige Überschrift dieses Kommentars. Betrachtet man die Zahlen, ist Understatement hier vollkommen fehl am Platze. Um die Motorradbranche brauchen wir uns wahrlich keine Sorgen zu machen. Noch über Jahre hinweg kann hier in Hülle und Fülle berichtet werden. Für Motorrad & Reisen Ausgabe 101, die ab dem 30.09.20 im Handel (Abo früher) erhältlich sein wird, haben wir Informationen, und sofern bereits vorhanden, Bildmaterial von über 60 aktualisierten oder neuen Modellen für das Jahr 2021 für Euch zusammengetragen! Daher verzeiht mir bitte die sarkastischen Zeilen in diesem Kommentar, die natürlich nicht alle ganz ernst gemeint sind. Bei einem Blick auf diese Zahlen dürfte zu Zeiten von Corona, Kurzarbeit und Veranstaltungsverboten die ein oder andere Branche vor Neid erblassen.
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Wachstumsbranche Motorrad: Die Zulassungszahlen steigen stetig

Ein Blick in die aktuellen Zulassungszahlen, die stetig in allen Rubriken (Leichtkrafträder, Kraftroller, Krafträder) steigen, sprechen hier eine eindeutige Sprache. Daran konnte auch das Corona-Virus nichts ändern. Motorradfahren ist so beliebt wie nie zuvor, Zulassungszahlen steigen und steigen. Wenn da doch nur die leidigen Themen Motorradlärm, Tempolimits und Streckensperrungen nicht wären...

Quellen: Google, Traderfox, Bilanzveröffentlichungen der Unternehmen (keine Gewähr)
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